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Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich finde es immer sehr spannend, wenn eine neue Spielrunde startet. Ganz besonders den Charakter-Erschaffungsprozess – denn der ist bei mir nicht bloßes Punkte ausmalen auf einem Charakterbogen (ok, das kommt wohl auf den Spielleiter an, wieviel Zeit und Energie er in diesen Teil steckt).

Ich finde es unheimlich interessant, mir eine neue Persönlichkeit auszudenken, mit all ihren Ecken und Kanten, ihrem Aussehen, Vorlieben, der Vergangenheit und ihrer Motivation. Und eins habe ich in den vielen Jahren immer wieder festgestellt: ich neige dazu mir immer eine bestimmte Art von Charakter zu schaffen. Egal wie sehr ich mir am Anfang denke – Ok, diesmal soll Dein Charakter anders werden, sosehr gelingt mir das in den meisten Fällen eben nicht. Ich habe einen Hang zu wagemutigen, jungen Frauen die auch vor handgreiflichen Auseinandersetzungen nicht zurückschrecken und wissen, wie man sich verteidigt. Ich könnte mir vorstellen, dass ich unterbewusst versuche mein alter ego so zu kreieren, wie ich gerne wäre; ich bin nunmal im wahren Leben nicht so mutig, wie ich gerne wäre und würde eine Horde bewaffneter Männer auf mich zulaufen würde ich zusehen, dass ich Land gewinne, anstelle kampflustig die Fäuste zu heben.

Allerdings habe ich auch Ähnlichkeiten festgestellt: ich kann zum Beispiel keine abgrundtief bösen Charaktere spielen, jemanden der grundlos gemein ist. Ich spiele immer sozialverträgliche Charaktere, die auch mal zum Wohl der Gruppe zurückstecken – ein echter Teamplayer, was mir auch im wahren Leben sehr liegt. Ausserdem versuche ich oft im Streitfall zu vermitteln, da ich es nicht haben kann, wenn eine negative Grundstimmung herrscht. Das versaut mir die Laune, sowohl im Spiel als auch real. Es ist wohl am einfachsten, Teile von sich selbst in den eigenen Charakter einzubauen (auch wenn das wohl unterbewusst geschieht), da man die am glaubwürdigsten darstellen kann. Es ist ja ähnlich wie mit der Schauspielerei: bestimmte Schauspieler können nunmal am Besten bestimmte Rollen darstellen (Bruce Willis ist zum Beispiel oft in Actionfilmen zu sehen, auch wenn er anders kann), weil sie die Voraussetzungen dafür mitbringen. So stelle ich mir das mit der Charakterdarstellung im Rollenspiel vor.

Einen Charakter im Rollenspiel zu spielen, der vom Wesen genau entgegengesetzt zu einem selber ist, halte ich für schwierig, denn dann müsste man sich ständig darauf konzentrieren, nicht in alte Rollenmuster zu verfallen – das kann interessant sein, aber vielleicht auch unglaubwürdig, wenn man es nicht schafft. Andererseits bekommen im wahren Leben ja auch oft die Schauspieler einen Oscar, die mal eine ganz andere Rollen als üblich verkörpert haben :)

Was meint ihr dazu? Habt ihr auch immer ein bestimmtes Charakterschema oder sind eure Charaktere alle grundverschieden?

Artikelbild: © Fotolia | okalinichenko

5 Kommentare

  1. Mir geht es genauso wie Dir.
    Jedoch hat es für mich den Anschein und das finde ich sehr bedauerlich, das aus vielen „Rollenspielen“ der Rollenspiel-Anteil immer mehr verschwindet. Und es sich nur mehr um eine Ansammlung von Daten handelt, die den Charakter ausmacht. Grade im PC_und Konsolen-Spiel Bereich ist das massiv zu beobachten.
    MMOs fallen da besonders ins Auge.
    Ich werd dazu dieser Tage auch mal nen Blog schreiben.

    CU
    SaM

  2. Ha! Ich wollte morgen einen Beitrag über Moral im Spiel schreiben – ist ja annährend das Thema. Periphär. Vielleicht ;D

    OT: ich habe festgestellt, dass meine P&P-Charaktere meistens sehr lustig-überdrehte Zeitgenossen sind. Die sich gerne selber überschätzen und zu Prahlereien neigen.

    Natürlich spiele ich auch anderes, auch Charaktere, die im krassen Gegensatz zu meinem eigenen stehen. Das ist nicht ganz so einfach – es geht aber und ist sehr interessant.

    Das einzige, was ich nicht (mehr) am Spieltisch spiele, sind männliche Charaktere. Dafür sehe ich einfach zu weiblich aus und meine Stimme ist nicht tief genug, und die Mitspieler müssen sich schon genug Schwieriges vorstellen ;)

    • Männliche Charaktere habe ich nie gespielt, weder im Pen&Paper noch in Online-Spielen, dafür fehlte mir einfach ein bisschen der Draht zum männlichen Verhalten :) Und auch weil man als Frau dann ja doch wieder in bestimmten Situationen anders reagiert – hätte ich ständig nachdenken müssen, wie ein Mann in dieser oder jener Situation agiert, wäre mir das auf Dauer wohl zu anstrengend gewesen. Ich kenne aber auch Frauen, die spielen in Online-Spielen grundsätzlich einen Mann, weil sie keine Lust haben von anderen Kerlen angebaggert zu werden…

  3. Ich spiele gerade deshalb Rollenspiele um Charaktere zu spielen, die nicht meinem echten Ich entsprechen. Das ist die Herausforderung, aber auch der Spaß an der ganzen Sache.

    Da reiht sich dann der kleptomanische, immer gut gelaunte Halbling an den menschenverachtenden absolut arroganten Vampir und beim nächsten Mal der grummelnde sich selbst überschänzende Barbaren-Zwerg.

    Klar haben die Charaktere immer auch etwas von einem selbst … sonst wäre ich ja bei den Charakteren … immer schlecht gelaunt, die Unschuld in Person … usw. ;)

    Sich in Rollen hineinzufinden macht für mich die Faszination Rollenspiel aus.
    Und ich glaube, das führt auch für den Rest der Gruppe zu einem interessanten Erlebnis.
    Spätestens wenn mein Zwerg dann anfängt über Elfen herzuziehen oder eine seiner Weisheiten zum Besten gibt! ;)

  4. Ich glaube, dass gerade die Darstellung einer komplett kontrapolären Person sehr schwer ist und vor allem auch nicht immer glaubhaft. Oft neigt das dann, überzeichnet zu sein und künstlich zu wirken. Was bei professionellen Schauspielern gilt, gilt auch bei uns. Am glaubhaftesten sind sie, wenn sie ein Persönlichkeitsmerkmal von sich selbst behalten und vielleicht auch stark überzeichnen, andere Wesenszüge fallen lassen und einige kleine neue dazu dichten. Ich denke, das ist ein Kochrezept, um einen guten Charakter zu erbauen.

    Edit: Das hier habe ich grad bei der Zeitzeugin geschrieben und es passt hier auch gut rein, daher zitiere ich mich selbst

    „Im Pen ’n Paper habe ich festgestellt, dass ich einen Hang habe dazu, Draufgänger zu spielen. Sei es nur der 7the Legion Phoenix Squadron Kampfpilot aus Trinity (in jedem Raumhafen ne Schnitte, gefahrliebend, Großkotz, aber doch das Herz am rechten Fleck) oder der Mirumoto Bushi in Legend of the Five Rings (vergeistigt, diszipliniert, aber auch furchtlos {jedoch nicht dumm}, streng gläubig) oder doch der Krieger, der die Rondra Weihen erhielt aus DSA (immer in der ersten Reihe, mit Worten und Taten den Mut seiner Mitstreiter stärkend) ist.

    Beim Tippen merke ich, dass es gar nicht so sehr der Draufgänger ist, sondern eher der Gefahrensucher, der seine Grenzen austesten will. Oft auch gerne in Anführerposition (Teamleader, whatever).

    Ungewöhnlichere Rollen waren der Tremere Lordregent in 11 Jahren VtM Live – höfisch, intrigant, manipulativ, aus der zweiten Reihe agierend, tief schwarz/boshaft – aber halt, auch da eine Parallele – Beschützer der Seinen. Und wenn sich jemand wagte, Hand an Haus und Clan Tremere zu legen, dann wehe dem und ab in Deckung vor der geballten magischen Macht. Und dann gab es noch den L5R Drachenschmied (habe den Familiennamen nicht parat), der eher die Mentalität des Krabbenclans war und der ruhige dicke Typ im Hintergrund. Aber auch in diesem finde ich wieder den Beschützer – nur diesesmal in Form von verbesserten Rüstungen und Waffen etc – Wargear eben.

    Ich merke also, ich habe einen Hang zu gefahrensuchenden Beschützern, die dabei auch nicht Scheuen, Gesetze zu brechen. Keiner meiner Charaktere ist, wie man es in D&D nennt „rechtschaffen gut“ (aka „rechtschaffen blöd“) – ich würde es, um in dieser Bezeichnungswelt zu bleiben, eher chaotisch gut nennen – und das, wo ich (A)D&D nichts abgewinnen kann ;)“

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