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…oder wie organisiere ich meine Hintergundmusik.

Angeregt durch diese Diskussion entschieden sich Roger und ich dazu, den entsprechenden Artikel zeitnah und vor allem gemeinsam zu verfassen.

Leser NIEDUKNIEDER hatte angemerkt, dass es ihm immer etwas schwer fällt, musikalisch spontan auf Spielsituationen zu reagieren, die anders als von ihm erwartet verlaufen, bzw. die länger benötigen als gedacht. Und irgendwann geht ihm dann die Musik aus. Natürlich ist es relativ sinnlos, sich nun eine übergroße Musiksammlung anzulegen, in der man dann erneut herum suchen muss, bis man das passende Stück gefunden hat. Das unterbricht den Spielfluss und bringt gar nichts. Um dies zu verhindern, muss man leider etwas Zeit im Voraus investieren:

Am besten ist es, seine Sammlung zu kennen und von vorn herein entsprechend zu sortieren. Man sollte sozusagen „generische“ Musik bereit halten.   Das heißt im konkreten Fall der im Kommentar genannten Kneipenszene: Legt euch einen Ordner oder eine Playlist mit „Tavernenmusik“ an.

In diesem Ordner kann alles sein, vom typischem Bardengeklampfe bis hin zu einfachem Instrumentalgedudel. Alles, was ins Setting passt. Man sollte jedoch, wenn man auf ein Mindestmaß an Authentizität achtet, darauf bedacht sein, nur Stücke auszuwählen, die eher minimalistisch daher kommen und mit zeitgemäßen Instrumenten interpretiert werden. Eine volle Mittelalterrock Band oder ein Orchester werden eher selten im „Tänzelnden Pony“ auftreten. ;)

Diese Playlist darf dann einfach auf zufällige Wiedergabe geschaltet durchlaufen. Wenn sie mindestens 10 Lieder enthält und vor allem dezent im Hintergrund dudelt, dann stellt die Tavernenbeschallung kein Problem mehr dar.

Um für andere Situationen gewappnet zu sein, macht man sich vor Beginn der Kampagne Gedanken darüber, an welchen Orten sich die Spieler im Laufe der Geschichte öfter aufhalten werden und in welcher Art Situationen sie sich wiederfinden werden. Für diese legt man dann spezielle Ordner/Playlists an, die eben diese Orte und Situationen widerspiegeln.

Wenn man allerdings eine bestimmte Situation im Kampf bereits vorausgeplant hat, wie z.B. den Tod eines gegnerischen Generals durch die Gruppe, dann empfiehlt es sich ein sogenanntes – Signaturstück – für diesen zu wählen.

Ich habe mir angewöhnt meine Score-Sammlung nach Stücken durchzuhören, die zu einem NSC passen, den ich mir vorstelle. Ganz oft haben Filmscores eh so etwas wie „Peters Theme“ und dergleichen, deren Themen sich oft wiederholen und auch viele Stimmungen abdecken.

Für besondere NSCs, die eine wichtige Rolle in meiner Kampagne spielen, oder denen ein besonderes Schicksal bevorsteht, mache ich mir eigene Ordner mit eben diesen, zu ihnen passenden Stücken.

Im Falle des oben genannten feindlichen Generals wäre dies etwas düsteres, bedrohliches, das ich immer dann einsetzte, wenn ich ihn z.B. in Cutscenes auftauchen lasse, oder die Charaktere ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Wenn er dann endlich im Kampf erledigt wird, gibt‘ s zur Belohnung etwas so richtig heroisches! Manchmal ist auf den Scores auch eine Variante seines Themas vorhanden.

Auch kann man in modernen Settings hervorragend mit Originalen und Cover-Versionen von Songs arbeiten. Nehmen wir mal Sweet Dreams (Are Made Of This) von den Eurythmics. Ich habe dieses Stück einmal ganz wunderbar einsetzen können, um die Wirkung einer neuen Droge auf die Charaktere darzustellen.

Sie hatten ihren Spaß. Bis ich dann begann in die Marylin Manson Version des gleichen Songs überzublenden. Da begann dann nämlich der Horrortrip für sie. *fiesgrins*  

Solcher Art veränderte Versionen von Songs finden sich zu Hauf und können für viele Situationen herhalten. Soviel mal zu meinen Ideen.

Roger, übernehmen Sie! :)


Das will ich doch sogleich machen.

Mein Ansatz ist etwas anders und doch ähnelnd in einigen Bereichen. Bei mir beginnt alles damit, dass ich mich ausgiebig mit dem Rauf- und Runterhören der Soundtracks beschäftige. Oft mache ich dabei etwas anders, arbeite zum Beispiel hier am Blog, bemale meine Miniaturen oder mache den Haushalt.   Schön laut muss es sein natürlich, damit ich die Stimmungen der Songs gut aufnehme.

Bereits wenn ich die Lieder hören, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf und visualisiere mögliche Szenen, die zu dem Stück passen. Fällt mir dabei eines besonders auf, sei es durch einen interessanten Aufbau oder eine eingängige Melodieführung, notiere ich es mir auf einem Zettel nach der Struktur Komponist – Score – Titel – Länge. Vor allem die Länge ist wichtig. Finde ich beispielsweise einen Song, der wunderbar tragisch ist und zum Tod eines geliebten NSCs passt, hilft es mir wenig, wenn das Lied nur 1:30 lang ist. Bei dieser Länge wird es unweigerlich zu oft in der Schleife abgespielt werden und der Szene den Reiz nehmen, da meine Spieler nach dem fünften Durchlauf einfach nur genervt sind. Das notieren hat noch einen weiteren Vorteil – dadurch prägen sich Titel und zugehöriger Score besser ein.

Meine Scores und Musiken, allesamt bei den verschiedenen MP3 Händlern gekauft oder von CDs mit den Audiograbber digitalisiert, sind nach Scores in Dateiordnern auf einer externen Festplatte sortiert. Playlists oder Themen-Ordner nutze ich im Gegensatz zu Sebastian nicht. Ich beschäftige mich meist so eingehend mit der Musik, dass ich die Lieder kenne und weiß, wo sie zu finden sind. Beim Leiten benutze ich einen Laptop, der im Wohnzimmer an die HiFi Anlage angeschlossen ist und spiele die Lieder mit dem WinAmp ab.

Durch die tiefe Kenntis entfallen bei mir lange Suchzeiten. Dauert eine Szene mal länger als vermutet, wechsele ich fliegend das Lied. Wichtig ist hier beim WinAmp, dass die Songüberblendung aktiviert ist, so habe ich keine abrupten Brüche, die störend wirken könnten. Mehr als 10-15 Wiederholungen bemühe ich mich meinen Spielern nicht zuzumuten.

Oft sind ganze Scores passend für eine bestimmte Atmosphäre – schnelle elegante Action finde ich z.B. bei The Matrix Reloaded én mass und kann ohne Sorge drei Lieder davon durchrotieren lassen.

Im tatsächlichen Ablauf sieht das bei mir am Abend wie folgt aus:

  • Die Szene beginnt, ich rede und wähle gleichzeitig den Song im Dateibrowser per Doppelclick aus. Mein WinAmp steht auf Einzeltitelwiederholung
  • Die Szene läuft, das Lied plätschert so vor sich her
  • Die Szene dauert an, dann wechsele ich das Lied, während die Charaktere untereinander sprechen (im Fall einer Interaktion), oder wenn Initiative gewürfelt wird (im Fall von Kampf, Action, etc.)

Die Schnelligkeit und Unauffälligkeit kommt daher, dass ich quasi leite, während meine Augen kurz auf den Bildschirm gerichtet sind und ich das nächste Lied aussuche. Vor dem Spielabend mache ich mir im Vorhinein bereits Gedanken, welches Lied zu welcher avisierten Szene passt. Und sollte alles nicht so laufen, wie ich es mir gedacht habe, dann kenne ich wiederum meine Scores gut genug, als dass ich fix wechseln kann.

Einen speziellen Moment will ich natürlich, wie Sebastian auch, durch ein spezielles Lied extrastark betonen. Hier erzeuge ich mir Verknüpfungen auf dem Desktop, damit ich selbst die 10 Sekunden spare, die ich zum Auffinden des Liedes in den Ordnern benötigen würde.

Wenn ich spontan agieren muss, verfalle ich oft in meine Lieblingsscores, die meine Spieler auch mit der Zeit kennen. Daher bemühe ich mich hier, Abwechslung zu schaffen.

Musik kann desweiteren auch benutzt werden, um bereits die Stimmung zu erzeugen, bevor ich nur ein Wort gesagt habe. Ich habe in einer Runde oft Satan Walks The Streets
benutzt vom End Of Days  Score. Bereits die ersten paar Sekunden des Tracks haben meinen Charakteren gesagt, dass etwas bedrohliches in der Gegend lauert, weil ich eben dieses Stück für genau solche Szenen benutzt habe. Ein anderes Beispiel wäre z.B. ein Violinenstück, das von einem Mörder immer nach der Tötung gespielt wird. Irgendwann kennt die Runde dieses Stück. Wenn sie dann dem Mörder auf der Spur sind, in einer dunklen einsamen Gasse nach Hinweisen suchen und dieses Stück wird gespielt, wissen sie sofort, dass er in der Nähe ist, ohne dass ich ein Wort gesagt habe.

Musik wirkt tief auf unser Herz, Filme berücksichtigen das seit langem. Opern noch länger. Benutzt dieses Stilmittel doch auch im Rollenspiel – mit etwas Übung vertieft ihr die cineastische Erfahrung eurer Spieler um ein vielfaches!

Artikelbild: depositphotos © Plus69

16 Kommentare

  1. Hallo Helden,

    schöner Artikel! Vor allem die Idee verschiedene Variationen eines Themas (wie man sie von vielen Filmen kennt) oder Cover-Versionen zu benutzen gefällt mir. Ich habe neulich mit SceneSound herumexperimentiert, das ist auch ganz witzig, konnte es bisher in einer Rollenspielrunde noch nicht einsetzen, auf Grund technischen Versagens (auch meinerseits ;) ).
    Ihr habt es schon gesagt: Die Musikverwaltung sollte einfach und schnell über die Bühne gehen, da man als SL ja auch echt viel anderes zu tun hat, da bin ich bei SceneSound ein bisschen kritisch… aber ich muss es mal richtig ausprobieren. Hat das einer von euch schon mal erfolgreich am Spieltisch benutzen können?

  2. […] Auf Teilzeithelden gibt es auch noch einen neuen Artikel zum Thema Musik im Rollenspiel: Chaos in der Musikbox | Teilzeithelden Zitieren     + Antworten « Vorheriges Thema | […]

  3. […] Blogmagazins haben wir einige Artikel bereits dazu herausgebracht, ich liste sie einfach mal: Chaos in der Musikbox | Teilzeithelden Tips&Tricks zur Umsetzung Score Rezensionen: Epische Settings | Teilzeithelden Rezi Rezension: […]

  4. Wenn ich es mal erfolgreich ausprobiert habe, wollte ich darüber etwas bloggen.

    Kollaboration?
    (im Sinne einer gemeinsamen meinungsgeprägten Vorstellung des Programmes auf Teilzeithelden)

  5. Vielen Dank für Eure Arbeit.

    Hoffe, das ich es bald mal schaffe dann auch Ordnung in meine Musik-Box zu bekommen. ;-)

    Grüße
    Euer NIEDUKNIE­DER

  6. Mache ich quasi auch so, über die vielen Jahre, hat sich bei mir als Spielleiter eine große Sammlung an Musikstücken angesammelt.

    Ich habe mir die Mühe gemacht die Stücke in „Atmosphäre“ Ordner zu verfrachten, in jedem Fall beim leiten des Abends eine gute Zeitersparnis.

    Dazu gibt es dann die angesprochene „Situationsmusik“ die vorher auf die entsprechenden geplanten Events und bestimmte NSCs abgestimmt ist. Dieser Teil dauert in der Vorbereitung leider oft etwas länger, so fern man immer mal gänzlich neue Stücke besorgt. Meine Hauptquelle für neue Songs ist das Sammelsurium auf Youtube, als häufiger Kinogänger und Forenleser bekommt man dann schnell ausreichend Anregung. Die gängigen „Trailer-Artists“ wie twostepsfromhell & co kann man auch immer mal nach Neuigkeiten absurfen :)

  7. Ich halte nicht viel von Hintergrundmusik, die so Sachen bezwecken soll, wie Charaktere einzublenden und zu unterstützen. Ich finde, dass der Charakter an sich auch ohne Musik stimmungsvoll rüberkommen muss. Auch wenn man beispielsweise durch einen Sumpf geht, so hasse ich es richtig, wenn dann im Hintergrund so „Sumpfmusik“ spielt, als sei ich in nem Film oder Spiel gefangen.
    Ich nutze Musik (Soundtrack) nur, wenn sie wirklich Sinn macht. Also zum Beispiel in einer Taverne mit Tavernenmusik, wenn dort gerade aufgespielt wird.
    Was ich viel stimmungsvoller finde (und was ich vor allem in Horror-Kurzabenteuern bevorzuge) sind Soundeffekte. In einer Taverne also Geschirrgeklapper, Geplapper, aufeinander schlagende Tonkrüge oder in einem Sumpf dann eben die typischen Geräusche, die ein Sumpf zu mit sich bringt, vielleicht ein tiefes Grollen eines nahen Ungeheuers, das Quaken von Kröten und Fröschen und das zirpen irgendwelcher Insekten. Manchmal, oder besser gesagt sehr oft, muss man sich diese zusammenmixen und das Auffinden solcher Soundeffekte ist nicht einfach. Aber ich finde, dass das noch eine Ecke stimmungsvoller ist, als Hintergrundmusik…welche man im richtigen Leben ja auch nicht hat :) Oder dudelt bei euch das „Freundetheme“, wenn euer Kumpel am Wochenende zur Tür rein kommt? :)

  8. Weil ich Wert auf Realismus im Spiel lege.. Ich spiel im Rollenspiel keinen Film nach, sondern genau das, was meine Figur erlebt. Im Realen läuft da auch keine Musik im Hintergrund. Bei Filmen ist das für mich was anderes. Da sehe ich etwas, was andere machen und bin ned selbst drin. Stell dir mal Hintergrundbeschallung die ganze Zeit bei jedem Schritt vor, den du tust…grausig… Genau so fühl ich mich bei Rollenspielen mit Dauerbeschallung :D

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