Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Es war eine kalte, graue Nacht. Der Nebel hing wie ein dicker Vorhang über dem Hafenbecken, die Sichtweite betrug nur wenige Meter. Der Gestank von Fisch war allgegenwärtig und von irgendwoher hörte ich die lauten, lallenden Stimmen der Fischer, die sich vermutlich grade mit einer Flasche harten Schnaps das Hirn aus der Birne soffen. Ich ließ meinen Zigarettenstummel auf den nassen Asphalt fallen und trat ihn aus. Aus dem Nebel näherten sich Schritte und ich erkannte einen Umriss. Instinktiv legte ich meine rechte Hand an den Revolver, den ich in einem Halfter unter meinem Mantel trug. Man konnte ja nie wissen. Dann vernahm ich eine mir bekannte Stimme „Hey, Jan, die Typen sagen, sie haben ihren Boss schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was machen wir jetzt?“ Chen war für einen Chinesen ne´ ziemliche Kante und ich staunte immer wieder, wie leise er sich trotzt seiner Größe bewegen konnte. Ich hatte ihn erst vor 2 Wochen kennengelernt und damals konnte er von Glück sagen, dass ich ihm nicht gleich den Schädel weggepustet hatte. Wir standen auf zwei unterschiedlichen Seiten, zumindest dachte ich das bis dahin. Wie ich dann feststellen musste, waren die guten Jungs nicht immer die Guten und die Bösen auch nicht so böse, wie angenommen. Naja, und nun waren wir hier, er und ich, um herauszufinden, wer hinter den ganzen Morden steckte, die die Stadt in Angst und Schrecken versetzte. Ich traute Chen nur soweit, wie ich ihn werfen konnte, und das war verdammt wenig. Aber zumindest war er ehrlich und machte keinen Hehl um seine Vergangenheit.

Ich nickte. „Dann müssen wir wohl mal seinem Liebchen auf dem Zahn fühlen, vielleicht war er bei ihr. Aber komm nicht auf dumme Ideen, Chen.“ Ich warf dem Chinesen einen warnenden Blick zu, er jedoch grinste „Ich und dumme Ideen? Hey man, ich halt Dir den Rücken frei – schließlich sind wir ein Team!“ Er lächelte ein Lächeln, dass ich nicht deuten konnte und ich runzelte die Stirn. „Das wird sich noch zeigen, Chen.“ Ich kramte in meiner Manteltasche nach meinen Kippen und schlug den Weg Richtung Wagen ein…

Es gibt viele Dinge, die zum Erfolg oder Scheitern einer Spielrunde beitragen. Neben Zeit und gleichen Vorstellungen vom Rollenspiel, ist es in meinen Augen auch der Faktor des Zusammenspiels (oder eben des Nicht-Zusammenspiels) der Spieler bzw. deren Charaktere. Doch müssen die Spieler immer zusammenspielen, um der Runde zum Erfolg / zu einem guten Spielabend zu verhelfen? Ich denke, auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort.

Es gibt Systeme, bei denen das Einzelgängerdasein gut funktionieren kann, bei anderen eher nicht. Vampire wäre für mich zum Beispiel ein System, dass Einzelkämpfer sehr wohl zulässt (wahrscheinlich sogar eher, als eine Gruppe), Werewolf hingegen wäre für mich ein typisches Gruppensystem, in dem es nur mit großen Nachteilen möglich ist, einen Einzelgänger zu spielen.

In meinen Augen muss man auch zwischen den Einzelgängertypen unterscheiden: es gibt den Einzelkämpfer, der grundsätzlich immer das Gegenteil vom Rest der Gruppe macht. Geht die Gruppe links, geht er rechts, flieht der Rest der Gruppe vor einem Gegner, bleibt er stehen, um zu kämpfen. Er fühlt sich der Gruppe nicht so recht verbunden, für ihn ist es eher ein Zweckbündnis. Mit solchen Leuten hat es die SL schwer, denn oft sind sie der Meinung, sie hätten keinen Grund sich dem Rest der Gruppe anzuschließen, denn dafür „müssten sie ja ihren Charakter verbiegen“. Ich habe nichts gegen glaubwürdige Charakterdarstellung, aber irgendwann ist auch mal Ende. Wenn der Spielleiter schon seit 3 Abenden verzweifelt versucht, den Einzelgänger mit dem Rest der Gruppe zusammenzubringen dann ist das meiner Meinung nach über das Ziel hinausgeschossen und sorgt nur für Frust und Ärger. Solche Einzelgänger sind mir persönlich zu anstrengend, weil sie immer wieder gesonderte Aufmerksamkeit von der SL erfordern und das Gruppengefühl maßgeblich schwächen.

Der zweite Einzelgängertypus ist eher eine Mischung zwischen Einzelkämpfer und Gruppenspieler. Er integriert sich in die Gruppe und agiert mit ihr gemeinsam, doch hat er eine eigene Agenda. Vielleicht ist er ein Doppelspion und hat noch einen weiteren Auftraggeber, dem er Informationen zuspielt oder jemand erpresst ihn und hält ein Familienmitglied gefangen, das erst freikommt, wenn er einen bestimmten Auftrag erfüllt hat. Das wäre für mich eine gute Mischung aus Gruppen- und Einzelspiel, da dieser Charakter vordergründig im Sinne der Gruppe handelt und nur dann und wann auf anderen Wegen wandelt. Sowas macht einen Charakter in meinen Augen auch interessant und verleiht ihm Tiefe, weil man als Mitspieler dann natürlich auch neugierig wird und wissen möchte, was der andere zu verbergen hat :)

Hat man in einer Runde jetzt nur Einzelgänger vom ersten Typ, dann funktioniert das vielleicht auch, schließlich denken und handeln ja alle gleich. Dann ist das in meinen Augen aber auch kein Zusammenspiel mehr und für die SL ist das sicherlich sehr anstrengend, da jeder Charakter einzeln behandelt werden muss. Solange aber alle damit einverstanden sind, finde ich das vollkommen ok. In einer Runde voller Gruppenspieler wird so jemand für viel Frust sorgen und sich früher oder später genervten Mitspielern gegenüber wiederfinden.

Ich habe nichts dagegen, wenn die Charaktere ab und an auch mal ihr eigenes Ding machen, solange die Gruppe und der Spielspaß nicht darunter leiden. Aus einer Sache, die erst nur einen einzigen Charakter betroffen hat kann sich ja auch eine interessante Story entwickeln (was dann wiederum am Spielleiter liegt). Mir persönlich ist immer wichtig, dass ich das Gefühl habe in einem Team zu spielen, in dem ich mich auf jeden meiner Mitspieler im Fall der Fälle verlassen kann – es sei denn, man hat im Vorfeld was anderes abgemacht; dann kann auch eine „Gruppe“ von Vampiren, die um Einfluss innerhalb einer Stadt kämpfen, ganz amüsant sein :)

Wie seht ihr das? Seid ihr eher Gruppenspieler oder Einzelgänger?

Artikelbild:  Fotolia © Anatoly Maslennikov 

5 Kommentare

  1. Ich sehe es sehr ähnlich wie du:
    Krasse Einzelgänger sind ein Problem, da sie eigentlich gar nicht mit den anderen Spielern/Charakteren spielen sondern neben ihnen her. Somit braucht der SL erheblich mehr Zeit, da im Zweifel für jeden solchen Charakter ein eigener Plot her muß. Doof! (Außer bei Ausnahmen wie Vampire, das auch für mich ein System ist, das solches Spiel durchaus ermöglicht oder sogar wünscht)

    Es gibt aber noch eine andere Seite des Gruppenspiels, die du nicht betrachtet hast:

    Charaktere, die andere Charaktere zwingen, bestimmte Dinge zu tun oder nicht zu tun, damit sie selbst funktionieren.
    Das Problem kommt weniger aus einem rollenspielerischen Aspekt zustande sondern aus den Fähigkeiten der Charaktere. Ich argumentiere hier auf Basis von Pathfinder, weil ich da am besten zuhause bin:

    Es gibt bestimmte Charaktertypen, die andere Charaktertypen in der gleichen Gruppe schwer möglich machen (Beispiel: Paladin und Dieb in einer Gruppe) und es gibt auch Charaktertype, die andere zwingen, auf bestimmte Art und Weise zu handeln damit die Gruppe als ganzes funktioniert. Hier wäre als Beispiel der Barbar im Kampf: Er ist ein extrem starker Austeiler, steckt aber auch ebenso eine Menge Schaden ein. Ich nenne ihn auch gerne „Kampfbeschleuniger“ und er ist der Albtraum jedes Klerikers, egal auf welcher Seite. Denn selbst der Kleriker auf der eigenen Seite wird quasi dazu gezwungen, einen Großteil seiner Fähigkeiten darauf zu verwenden, dass der Barbar nicht stirbt. Das KANN interessant sein, wenn beide Spieler das wollen. Aber leider kommt es nur allzu oft vor, dass sich Spieler solch extremer Charaktere überhaupt keine Gedanken darüber machen, wie sich das auf den Rest der Gruppe auswirkt.
    Wir haben das aktuell in einer meiner Gruppen und es geht halbwegs gut, da wir schnell erkannt haben, dass der Barbar eine Kampfmaschine ist und der Job des Rests der Gruppe vorrangig ist, ihn an die richtige Stelle zu bringen, den Weg frei zu machen, den Rücken frei zu halten, etc.
    Schön war das aber nicht, da andere Leute dafür massiv ihre angedachte Spielweise des eigenen Charakters einem anderen Charakter anpassen mussten.

  2. Würde vermutlich klappen, WENN es tatktischer Unsinn wäre.. so wie es nun in der Gruppe läuft, ist es sogar taktisch ziemlich gut und auf einander abgestimmt. Es erforderte nur das Einlenken einer der beiden Seiten, in diesem Falle der Mehrheit ;)

  3. Also solchen reinen Einzelgänge kann ich auf den Tod nicht leiden. Wenn ich ein Gruppenspiel spielen will, soll ich mich bitte auch entsprechend darauf einstellen und nicht allen auf den Sack gehen. Alles „weichere“ dieser Ausprägung sind Nuancen über die man reden kann, wo man sich evtl. einig sein muss, aber es auch sein kann.

    Ein allzu sorgloser und offensiver Barbar hat sich in unserer Runde auch sehr gut über ingame-Druck eingefügt, wobei es seitdem kaum noch Kämpfe gab. Aber ihm mal vor Augen zu führen welch taktischen Blödsinn er da macht und dass er von den Heilern abhängig ist, das hilft. Er wird natürlich immer noch viel Heilung brauchen, aber da Barbaren ja zum Glück viele Trefferpunkte haben, kann das vielleicht auch mal bis nach dem Kampf warten.

  4. @Holger: stimmt, ja, den 3. Typus Einzelgänger habe ich nicht beleuchtet, da ich den ehrlich gesagt einfach vergessen habe :) Ich wurd mit so einer Situation aber auch noch nie konfrontiert, wahrscheinlich hatte ich ihn deswegen nicht auf dem Schirm. Aber danke für die Ergänzung.

    @Jan: ich kann solche Einzelgänger auch nicht leiden – viel zu stressig. Man will ja noch Spaß haben beim Spielen und nicht irgendwelchen Leuten hinterherhecheln.

  5. Ich kann aus SL-Sicht nur sagen, dass ich solche Egomanan-Spieler hasse. Rollenspiel ist für mich eine Form des Gesellschaftsspiels, das man MITeinander spielt.

    Um dem ganzen vorzubeugen, sage ich grundsätzlich bevor eine neue Runde startet, dass die Spieler sich bewusst sein sollten, dass sie eine Gruppe spielen. Sie müssen sich nicht lieben und können auch gerne ihre Differenzen miteinander haben, auch gerne mal einzeln unterwegs sein. Aber wenn sich ein Spieler ständig selbst ausschliesst, dann werde ich für ihn nicht andauernd einen Extraplot braten.

    Zudem lasse ich bestimmte Konstellationen an Charaterklassen auch nicht zu, wie z.B. bei DSA nen Bannstrahler und nen Brabaker Dämonologen in einer Gruppe. Man muss das Unheil ja nicht heraufbeschwören.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein