Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Auf der SPIEL hatte ich das Glück per Zufall einem Lehrer über den Weg zu laufen, der an „seiner“ Schule Rollenspiel/Deutsch als Wahlpflichtunterricht eingeführt hat. Das hörte sich in meinen Ohren doch sehr interessant an und so bat ich ihn, mir doch mal ein paar Infos zuzuschicken. An dieser Stelle möchte ich euch dieses Projekt einmal vorstellen. Es wurde schon an anderen Stellen über dieses Projekt berichtet, aber ich bin der Meinung, über sowas kann man gar nicht oft genug schreiben :)

Die Schule, um die es geht ist die Gemeinschaftshauptschule Klausen in Remscheid und der rollenspielvernarrte Lehrer ist Thorsten Gresser, Konrektor der Schule. Es fing alles mit einer Projektwoche für die Stufen 6 bis 10 an, die allen Beteiligten aber soviel Spaß gemacht hat, dass man kurzerhand einen Wahlpflichtunterricht Deutsch draus gemacht hat (für den reguläre Zeugnisnoten vergeben werden!) und der unter der Leitung von Thorsten Gresser stattfindet. Unterstützung erhält er dabei von einem Mitarbeiter des Jugendzentrums „Die Schlawiner“, mit denen die Schule schon in einigen Projektem zusammenarbeitet (z.B. ein Schülercafe und diverse Arbeitsgemeinschaften).

Für diesen Wahlpflichtunterricht wurde ein Lernziel definiert: die Schüler sollen ihre kommunikativen Fähigkeiten und ihre sprachliche Kreativität mit Hilfe des Mediums Rollenspiel erproben und verbessern. Doch wie kommt man ans Ziel? Auch dazu gibt es Anregungen: man löst Probleme gemeinsam im Team, kommuniziert rollenkonform, entwickelt eigene Abenteuer oder setzt sich mit den Spielregeln auseinander (um nur ein paar Beispiele zu nennen).

Laut Thorsten sind Abenteuer und Phantastik auch gute Themen um speziell Jungen zu begeistern und sie so zum Lesen und Kooperieren zu bringen (es geht um die Jungenförderung an Schulen) – was natürlich nicht heißt, dass sich nicht auch Mädchen für das Thema ereifern können. Im Wahlpflichtunterricht sind immerhin 3 Mädchen unter 16 Teilnehmern.

Und welche Systeme spielt man in so einem Wahlpflichtunterricht? Bisher wurden Dungeonslayers und Labyrinth Lord gespielt, die sich vor allem durch leicht zu erlernende Regeln und einen niedrigen Anschaffungspreis auszeichnen, falls einer der Schüler sich auch privat eins davon zulegen möchte. Lediglich die Würfel mussten die Schüler selber zahlen – freundlicherweise gab es die zum Vorzugspreis von Highlander Games in Bochum. Aber auch von vielen Verlagen erhielt Thorsten Gresser für dieses Projekt Unterstützung: der Mantikore-Verlag spendete Exemplare der Grundregeln von Labyrinth Lord, des Larm-Chroniken-Abenteuerbands, des Drachen über Larm Abenteuers und des Einsamer Wolf Mehrspielerregelwerks, der Uhrwerk-Verlag stiftete Dungeon-Slayers Regeln in mehrfacher Ausführung und der 13Mann Verlag versorgte die Schule mit der Aborea Box (sogar noch bevor sie offiziell im Handel war). Zusätzlich unterstützte die Zunft der Lahnsteiner Rollenspieler e. V. das Projekt mit vielen Ausgaben des „Zunftblatts“ und auf dem Blog „Von der Seifenkiste herab“ veröffentlichte Moritz Mehlem die Spielberichte. Ausführliche Berichte von der Projektwoche und den Spieltagen findet ihr bei ihm auf dem Blog.

Soviel Engagement finde ich richtig Klasse! Das zeigt, dass Rollenspiel viel mehr kann als „nur“ amüsieren. Über solche Projekte würde ich gerne viel öfter lesen und berichten. Erst vor Kurzem kam auf Facebook in der P&P Rollenspielgruppe die Diskussion auf um den mangelnden Nachwuchs im Rollenspiel und wie man dem Entgegenwirken könnte. Ein Vorschlag war auch eine Arbeitsgemeinschaft an einer Schule, jedoch wurde dieser Vorschlag dann als nicht realisierbar abgetan. Thorsten hat gezeigt, dass es eben doch geht, wenn man nur will. Er hat mir auch noch eine kurze Anmerkung per mail geschickt, in der er seine Erfahrung kurz schildert:

„Ich habe im Internet so das ein oder andere Mal gelesen, dass mancher Rollenspieler und Lehrer oder Soz-Päd. an Schule Probleme vermutet, wenn man Rollenspiele als AG, WPU, Freizeitangebot usw. an Schule anbieten würde – von der Schulleitung, den Lehrerkollgen, den Eltern oder sonstwem. Ich mache das nun schon zum dritten Mal (an drei verschiedenen Schulen) und es gab NIE Probleme. Im Gegenteil: Es wurde von den genannten Seiten im schlimmsten Fall nur so zur Kenntnis genommen (so wie wenn ich eine AG Volleyball angeboten hätte), meist aber (insbesondere von der Schulleitung) SEHR unterstützt (mit Geld für Spiele, Genehmigung einer Kurs-Exkursion zur SPIEL usw.). Man muss nur auftreten, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt – die Sportkollegen schämen sich ja auch nicht für „schon wieder“ Fußball als AG. Also, Jungs und Mädels: Forsch ran, Lernziele und Würfel in die Hand und los geht’s!“

Wer mehr Infos haben möchte oder die ausführlichen Spielberichte, der kann mich gerne hier in den Kommentaren ansprechen oder mir eine Mail schicken, ich kann euch dann die E-Mail Adresse von Thorsten Gresser geben.

Artikelbild: ©N-Media-Images | Fotolia, Bearbeitung: Annika Lewin

16 Kommentare

  1. Moin!

    Ich finde solche Projekte sehr interessant, waehrend einer Projektwoche an meiner alten Schule habe ich das damals auch versucht – mit sehr durchwachsenen Resultaten. Das Hauptproblem war, dass einige involvierte Lehrer anmerkten, dass viele Rollenspiele doch ein sehr einfaches Bild der Welt zeichnen, was z. B. Gut und Boese angeht, und dass man als „Held“ oft damit beschaeftigt ist, auf andersartige (die meisten Monster) Minoritaeten (wie z. B. Orks und Goblins im Vergleich zu Menschen) einzupruegeln. Was mit dem allgemeinen Anspruch einer Schule manchmal schwer zu vereinbaren ist. Viele Rollenspielabenteuer sind eben sehr konfliktorientiert, die Loesung besteht nicht selten in der Anwendung von Gewalt (regelkonform, natuerlich).
    Fuer mich war die wichtigste Erkenntnis damals, dass man seinen Spielern immer einen Weg eroeffnen muss, eine Situation auch gewaltfrei zu loesen, sei es durch Verhandlung, sei es durch Schleichen, etc.

    CU
    Thomas

  2. Das kann sicher passieren und sollte daher eben genau so, wie Du es angeraten hast, umgangen werden. Rollenspiel trainiert aber auch noch ganz andere Talente – Rhetorik, Teamarbeit, Kommunikation. Und als Spielleiter sogar weit mehr. Man beschäftigt sich mit der Geschichte, der Politik, der Wissenschaft und und und. Wie sagte einst ein Freund von mir? „Rollenspiel bildet!“ – und das in meinen Augen nicht zu knapp

  3. Hallo ThoFu, diese Diskussion habe ich (an bieher drei Schulen wie gesagt) bisher nicht mitbekommen. Auch würde ich die Gewalt im Spiel nicht überbewerten, denn sie belicbt „im Spiel“. Oder anders: Bei der „Schach AG“ lernen die Spieler dann auch, dass man „Bauern“ ruhig gegen „Springer“ opfern kann, dass der „König“ (in unserer BundesREPUBLIK) die wichtigste Figur ist. In der Theater AG werden „Räuber“ (von Schiller) oder Meuchelmörder, Putschisten (Shakespeares Macbeth) und Teufelsanbeter (Goethes Faust) verkörpert, die Literatur AG beschäftigts sich mit Okkultismus von Jugendlichen (Harry Potter) und Völkerball ist ein echter „Ball der Völker“: Man tritt kompromisslos an und wirft das gegnerische „Volk“ in genozitaler Absicht mit dem Ball ab.
    Auf solch eine Diskussion/ Argumentation würde sich kein halbwegs bei Sinnen befindlicher Mensch einlassen – so sollten auch Rollenspieler reagieren, wenn Kollegen (meinetwegen wohlmeinend) Probleme (er)finden, wo keien sind.

  4. Hello,

    sehr interessant! Habe damals auch die Posts auf der „Seifenkiste“ verfolgt.

    Was mich interessieren würde: Wie gehen WoW-spielende Schüler mit PnP-Rollenspiel um? Was lernen sie durch die ursprüngliche „Vergangenheit“ von WoW? Auch in Bezug auf andere Videospiele, Computerrollenspiele, die in der Regel bei mehr Jugendlichen verbreiteter sind als PnP und auch viel öfter gespielt werden, PnP führt ja ein Nischen-Dasein, Videospiele, von denen mitllerweile sehr viele „Rollenspielelemente“ haben, eher nicht, sondern sin gerade unter Jungs sehr verbreitet.

  5. Eigentlich recht problemlos. Manchmal fragen sie noch WoW-typisch nach dem Erwerb magischer Gegenstände oder benutzen MMORP-Lingo, das hält sich aber in Grenzen. Generell haben sie kein Problem damit, wenn ihr Charakter mal ins Gras beißt: Dann mancht man halt einen neuen und dan geht es weiter. Ein Stolperstein, kein generelles Ärgernis. Zu Anfang steht aber sowieso bei den meisten Anfängern das Erleben/ Bestehen des Abenteuers im Vordergrund, nicht Charakterspiel im Storyteller-Sinne.
    Ansonsten spielen die wie ich vor 28 Jahren mit 13 Jahren auch: Rein ins Loch und: Kill the monsters! Take their treasures!

  6. Erst einmal ein dickes Lob! Ich denke gerade im Schulalter kann man vielen damit großen Spaß bereiten und sie mal so ansprechen, wie es in der Schule (aus meiner Erfahrung) nicht oft geschieht (ohne Wertung). Davon wünsche ich mir mehr.

    Ich kann mir schon vorstellen, dass ein je nach Einzelfall schwer ist Rollenspiel an der Schule unterzubringen. Es gibt unter Lehrern, wie woanders auch, halt Leute die Vorurteile gegen Rollenspiel haben und wenn man an den falschen gerät oder nicht gleich die richtigen Argumente parat hat, geht das leicht nach hinten los. Interessant wäre es, mal von jemanden zu hören, der sich gegen genau solche Stimmen durchgesetzt hat.

  7. Das hört sich echt cool an. Ich glaube in Deutschland wäre so etwas als Wahlunterricht machbar, aber nicht im regulären Stoffplan. So offen dürfte das nur in absoluten Ausnahmefällen sein, wenn überhaupt. Selbst als Wahlfach könnte es Probleme geben, weil es sicher einige Leute geben würde, die sich über die Tatsache „Kriegsspiel im Unterricht“ (es ging im Link ja z.B. um den 2. WK) aufregen und wenn es mal die falsche Presse hat, ist man am Arsch. Bei sowas immer durchaus eine Gefahr.

  8. Hallo, ich hoffe noch eine Antwort zu erhalten,obwohl der Eintrag nun schon etwas alt ist. Ich habe vor meine Masterarbeit über Pen&Paper zu schreiben und schau zur Zeit in welche Richtung ich mich spezialisieren möchte, z.B. wir hier im Schulkontext. Studiere Pädagogik. Daher würde ich gerne mehr über das Projekt erfahren :) Ich sehe im schulischen Kontext sehr viel Potenzial und dieser Artikel hat mich sehr positiv überrascht was die mögliche Umsetzung angeht. Wäre toll wenn ich die Berichte und Kontaktdaten von Hr. Fresser erhalten könnte.

    • Hallo Sureka, der damalige Kontakt ist kalt, aber wir haben auch andere Redakteure im Team, die hauptberuflich Lehrer sind und zu Teilen Rollenspiel als didaktisches Mittel nutzen. Wir werden unsere Kontakte spielen lassen und wenn sich etwas passendes findet, uns bei Dir melden.

  9. Hallo,
    Ich möchte mich wirklich nicht aufdrängen, aber könnte man sich an Surekas Bitte anschließen ? Gehe jetzt langsam aufs Referendariat in der Mittelschule zu und hätte auch große Lust, sowas – spätestens, wenn ich ganz fertig bin- auszuprobieren. Infos und Tipps dazu, wie man Pen&Paper in den Unterricht einbauen kann, wären wirklich klasse. Persönlich kenne ich nur DSA vom selbst spielen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein