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Ich weiß gar nicht, wie oft ich das Doppelalbum mittlerweile gehört habe…40 Mal? Ich könnte es einfach weiterhören, denn was uns hier in diesem limitierten Album geboten wird, ist einfach perfekt zur szenischen Untermalung von Szenen geeignet. Aber bevor ich in medias res gehe, will ich Euch erst das Ensemble Erdenstern vorstellen.

Erdenstern ist ein Projekt, das sich mit der professionellen Komposition und Produktion von Soundtracks für Rollenspiele beschäftigt. Das Trio stammt aus Hamburg und beschreibt sich wie folgt selbst: 

Das Ensemle

Es ist die Lust, fantastische Geschichten musikalisch zu untermalen und mitzugestalten, die sich durch die CDs der drei Hamburger Musiker Andreas Petersen, Eva-Maria Irek und Per Dittmann zieht. Musik mit dem Anspruch, Rollenspielabende atmosphärischer und einzigartiger gestalten zu helfen. Nicht zuletzt deswegen orientieren sich die speziell für diesen Anlass komponierten Konzeptalben auch an zeitgenössischen Filmsoundtracks – sowohl in Bezug auf den symphonischen Ansatz, als auch, was die vielschichtigen Arrangements angeht.
Doch die Musik geht über Filmmusik hinaus, die eine bereits erzählte Handlung vertont: Erdenstern begleiten eine noch unerzählte Geschichte, und schenken jedem Hörer seine eigenen Bilder – Musik für das Abenteuer im Kopf.

Weitergehende Informationen, Downloads von Hörbeispielen und Extratracks findet Ihr auf der Website des Trios – http://www.erdenstern.de. Thematisch erzählt jedes Album eine andere Geschichte für eine andere Szenerie, sei es Lovecrafts Berge des Wahnsinns, Into the Gold (orientalische Klänge), Into the Green (mystische Waldklänge)  oder auch Into the White, welches Euch in eisige Tundren führt.

Hier nun möchte ich Euch „Into the Light“ vorstellen, ein Doppelalbum, welches den Untertitel „Die Zeitreisende“ trägt und Euer Ohr und Inneres Auge in 4 Zeitepochen führt. Wir fangen an in der Antike, hören rythmische Klänge, wie sie zu Urvölkern passen, treiben uns weiter zu Melodiebögen, die sofort eine mittelalterliche Fantasywelt enstehen lassen. Weiter geht es in das Zeitalter der Dampfmaschinen, vorzüglich zu Steampunk und auch Pulp-Abenteuern in der Jahrhundertwende passend, bis hin in eine finstere Zukunft, die der Endzeit gemahnt.

Sehr angenehm finde ich, dass bei jedem Track im beiliegenden Booklet einige Adjektive jeweils die passende Stimmung umschreiben. Und ich muss sagen – das passt wie die Faust aufs Auge. Wer schnell Musik nutzen will, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Szene passt, wird nie wieder lange suchen müssen mit den CDs des Ensembles. Natürlich erinnern den Hörer die eine oder andere Komposition kurzweilig an Musik aus bekannten Blockbustern, nur um dann in der nächsten Sekunde doch einen ganz anderen Weg ein zuschlagen und das Ohr zu erfreuen und zu überraschen zugleich. Ohne zu übertreiben möchte ich das Ensemble auf eine Stufe mit Gruppen wie Two Steps from Hell oder Globus/Epicon setzen und in Sachen Komposition können sie so manchem Nachwuchs Hollywood-Scoremaker das Wasser reichen bzw diesen von Ihnen lernen lassen.

Aber genug der Vorworte – gehen wir auf die einzelnen Stücke ein:

CD 1 Ancient Realms / Empire of Faith

Initially ….

Ein ruhiger, dennoch rythmischer Track, der von einem Anfang erzählt und durch die Vielzahl kleiner Seitenmelodien für eine Aufbruchsstimmung sorgt. Wogleich die Reise in fremde und aufregende Zeiten und Orte führen wird. Erfrischend!

Creation of the World

Dramatische Bläsereinsätze begrüssen uns – fast kann ich mir vorstellen, wie amorphe leblose Lehmstücke zusammenfinden und wachsen, zu etwas werden und Neues aus sich heraus gebären. Passt sicher ebenso zu der Erschaffung einer Welt wie auch zum Erwecken eines Golems oder einer Steinstatue. Der zweite Teil des Stückes ist ruhig, versonnen, flatterhaft, lässt uns mitansehen, wie aus dem leblosen Stück Fels eine grüne lebendige lebensstrotzende Welt wird.

Gods

Anrufungen in einer fremden Sprache begleiten die Flötenklänge, hervorragend für ein altes Stammesritual, da die Stimme etwas indianisches in unserer westeuropäischen Hörart hat. Wer muss nicht an Fackeln auf einem Hügel denken, Steine, die aufgeschichtet wurde, Tieropfer, die den Götter gebracht werden? Einer meiner Favoriten der CD.

The Great Temples

Seichte Flöten locken uns zu den großen Tempeln, je näher wir kommen, desto mehr hören wir die Gesänge und Gongs. Plötzlich ertönt der Gesang einer Hohepriesterin und dank der zauberhaften Führung des Stückes fühlen wir uns alsbald im antiken Ägypten oder einer anderen längst vergangenen Kultur.

Gory Rituals

Das erste Lied, was ich mir nicht nur in einer antiken Welt visualisieren kann, sondern auch in einem finsteren Ritual den alten Göttern zu Ehren. „Iä, Iä!“ höre ich fast die Kultisten, als sie sich in Ekstase winden und die Klinge des Kultführers herabrast. 

Age-Old Legends

Nach der inneren Aufwühlung des vorherigen Tracks umfängt uns hier schützende Ruhe. Leicht asiatische Noten, leise Flöten, sanfte Streichereinsätze – all das erzeugt in mir das Bild auf einer lichtdurchfluteten Lichtung vor einer Steinstatue zu stehen, die bereits dick von Efeu umwuchert ist und in mir entbrennt die Frage – Was hat sich hier getan, welches alte Volk steht hinter der atemberaubenden Architektur der Gebäude, die ich im grünen Dickicht erspüren kann?

Ruins

Natürlich bin ich tiefer in das Dickicht hinein und es wurde dunkler um mich, einzelne Spuren an den alten Steinen lassen vermuten, dass hier etwas schreckliches geschehen ist. Etwas, was die Glorie dieser ausgelöschten Zivilisation verbrannt hat. Ich bin einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur…

Founder of a Dynasty

Schon mal bei einer ehrfurchtgebietenden Krönung dabei gewesen? Schon mal einem Patriarchen einer uralten Familie gegenüber gestanden und dessen Macht gespürt? Diese dramatischen Klänge sind exakt Eure Wahl zu musikalischen Untermalung.

Foreign Signs

Obskure Nachrichten aus einer vergessenen Zeit, eine alte Schriftrolle, die entziffert werden will, Steinstelen mit merkwürdigen geometrischen Zeichen? Das Lied ist getragen, ruhig, aber baut eine innere Spannung auf.

The Obelisk Awakes

Wir waren dem Geheimnis der untergegangen Zivilisation auf der Spur, haben Steinstelen entdeckt mit merkwürdigen Zeichen. In der Mitte der ehemaligen Stadt steht ein gewaltiger Obelisk, vielleicht auch eine Statue – als wir auf das Monument zugehen, steigt in uns der Wunsch auf, es zu berühren. Unser Hand berührt den Stein – und Licht durchfliesst die geometrischen Zeichen, die sich auch hier finden lassen. Was…haben wir getan?

Seekers of a long-forgotten Treasure

Die ideale Reisemusik, sei es nun wild galoppierend auf dem Rücken von Pferden über einen Hang oder auch eine waghalsige Flucht auf einer Kutsche durch enge Strassen – das Lied wechselt immer wieder von schnellen Momenten zu wunderschönen Klangsequenzen. Ein weiterer meiner echten Favoriten, den ich auch in Adventure! einzusetzen gedenke.

Feast of Sacrifice

Ab nun befinden wir uns im Mittelalter – das hier ist gute Tavernenmusik mit dem passenden Rythmus und der obligatorischen Sackpfeife.

Visions

Eine tragende Frauenstimme führt uns durch den Track, fast sphärisch ist ihr wortloser Gesang und im Hintergrund dringen die Stimmen anderer, vielleicht angespannter beobachtender, Anwesenden an uns.  Traumhaft und lyrisch beschreibt das Booklet den Track – und fürwahr – das passt!

Cathedral

Wie zu erwarten war, hören, nein, spüren wohl eher, tiefe ecclesiale Klänge, erinnernd an gregorianische Chöre. Ja, ich fühle mich in eine himmelhochstrebende gotische Kathedrale mit all ihren Lichtern und ihrer vollen Pracht versetzt.

Crusade

Der Morgen vor der Schlacht, Trommeln lassen den Marschrythmus erklingen, die zum Aufmarschieren der Truppen vor dem Zusammenprall mit dem Feind rufen. Eine Stimme singt ein Kriegslied, wehmütig und anfeuernd zugleich. Der Song passt nicht nach meiner Hörart zu einem Zusammenprall mit dem Feind, wohl aber zum Versammeln der Einheiten und die damit einhergehende Anspannung.

Temptation

„Und führe mich nicht in Versuchung…“ Wir spüren die Macht des Glaubens, der Kirche, lehnen uns aber zugleich dagegen auf. Bleiben wir auf dem rechten Pfad? Hören auf die innere Stimme, die uns ewig warnt?

The Saints

Leider hat mich hier mein Kopfkino hier etwas verlassen. Sicher, wir haben erhabene Klänge, die ruhig und zugleich ätherisch sind. Passend für den Titel, ohne weiteres. Mich hat der Track aber nicht erreicht.

Wrath of the Gods

Oh ja, was ein Brecher – egal, ob es nun eine monotheistische Glaubensrichtung ist oder der Zorn eines ganzen Pantheos. Ihr habt Mist gebaut, die Götter lassen die Erde erbeben? Hier sind wir richtig!

Prayer

Ruhig, in sich gekehrt, die Augen zum Himmel gewandt, bitten wir um Vergebung. Ein Track, der unter die Haut geht!

Divine Miracle

Der Titel lässt etwas episches vermuten, aber der Anfang des Stücks ist ruhig, denn Wunder finden auch im Kleinen statt. Dennoch spüren wir die Macht des Göttlichen, die omnipräsent alles durchwirkt und innerlich leuchten lässt.

CD 2 Era of Steam / The Last Days

Machine City

Bezeichnend fängt der Song mit dem Pfeifen einer Dampflok an und tatsächlich kann ich mir dazu sehr gut einen Flug oder eine Fahrt durch eine Metropole, an der es überall zischt und dampft, gut vorstellen. Sicher geeignet, um eine Szenerie vorzustellen als Spielleiter.

Under the Light of Gas Lanterns

Nun wandern wir zu Fuß durch diese Stadt und unsere Augen glitzen bei all den Wundern, die wir sehen und der Atem stockt uns bei dem Sieg der Technik über die Natur. Ich liebe die führende Melodie dieses Stücks!

The Mechanical Pony

In Ordnung, das ist skurril – und das mit voller Absicht. Fast liebenswerte Klänge öffnen unser inneres Auge für etwas unbeholfenes, fast niedliches. Wo der Track sicher auch gut zu passt, ist der Tanz eines Malkavianers aus Vampire – The Masquerade mit einer Puppe…

The Factory

Sei es nun die Präsentation eines neuen Luftschiffes, sei es die große hämmernde Schmiede oder auch die Flugzeug-Werft. Sicher wird es hier und da bedrohlich, aber nie in einer direkt die Charaktere gefährdenden Art. Aufregend bedrohlich, das trifft es. So, als ob man die glühenden Funken von einem riesigen Amboß spritzen sieht.

Steel Warriors

Ja, das ist Actionmusik. Da rollt etwas auf uns zu – ob nun zwanzig stählerne Krieger im Gleichschritt oder ein einzelner, der jedoch auf drei Beinen geht und gute 15 Meter hoch ist. Dann stellen wir uns doch mal der eisernen Bestie entgegen und zeigen Ihr, wozu wir fähig sind!

Conqueror of the World

Das Lied ließe sich auf zwei Weisen einsetzen. Entweder, um den Haupt-Antagonisten einzuführen – im Hintergrund spielt eine Orgel und die passt für mich immer zu einem Wahnsinnigen. Oder man setzt es nach dem Sieg der Charaktere ein, sie sind unbesiegbar, sie schaffen alles, keine Herausforderung ist Ihnen zu groß!

Out of Steam

Ruhige, besinnliche, tiefgehende Klänge bringen uns wieder auf den Boden der Tatsachen herab. Wir müssen durchatmen, brauchen neue Kraft.

Master of the Skies

Titel und Musik bewirken sofort, dass ich an eine wahnwitzige Schlacht zwischen einem überdimensionierten Zeppelin und herumrasenden Doppeldeckern denken muss. Und natürlich siegen die Doppeldecker, die Guten. Das Lied strotzt so sehr von Kraft, dass sie mich direkt motiviert aufzuspringen  und „Ja, gebts Ihnen!“ zu rufen.

The Flying City

Die fliegende Stadt ist keine Bedrohung – sie ist ein Refugium, ein Ort der Wissenschaft, der Freude, ein Platz, wo jeder sich verwirklichen kann – und nur Ausgewählten ist der Zugang gestattet. Ich würde allzu gerne über den Wolken auf einer Parkbank sitzen und den Wundern eines neuen Zeitalters zusehen!

Land of the Dawn

Ab nun beginne die Stücke, die der Zukunft gewidmet sind. Das Stück ist vorrangig ruhig, lässt uns gespannt warten. Ideal zum Hintergrundgeplätscher, weil nicht zu eindringend in den Gehörgängen.

So this is the Future

Nehmen wir die ersten Minuten, in denen wir Detonationen hören, visionieren wir eine postapokalpytische Welt. Spulen wir etwas vor und hören ab der fünften Minute, haben wir eine von Technik durchflossene Welt, voller Errungenschaften, voller verrückter Dinge, voller unendlicher Möglichkeiten. Perfekt!

Black Market

Urbane Gebiete, dicht bevölkert, überall glitzern Hologramme, laute Rufe dringen aus den Bars. Hier ist das pulsierende Leben um uns herum. Wir selbst gleiten durch die Menge, aber fühlen uns nicht dazu gehörig. Wir spüren das Leben um uns, halten die Augen auf etwaige Gefahren.

Gang Wars

Dieser lauernde und aggressive Track treibt uns voran mit seinen Percussions. Immer mehr steigt die Gefahr, dann explodiert alles um uns herum und die Gefechte entbrennen. Ich mag  den eindringlichen Rythmus auf mehreren Ebenen.

Place of Refuge

Endlich haben wir einen Ort gefunden, an dem wir etwas ausruhen können. Es ist zwar feucht hier und endgültig sicher ist er nicht, aber wir genießen die Stille. Die Violine im Hintergrund erinnert mich etwas an The Last Samurai.

They are coming

Perfide schleicht sich die Gefahr an uns heran. Ein Hund warnt uns durch seine Unruhe, was da auf uns zukommt. Wir befestigen uns, Hektik bricht aus, jeder weiß, dass das unser letzter Tag sein kann. Verdammt, sollen sie doch kommen! Traut Euch, ihr dreckigen Hunde! Ihr oder wir! Die Kämpfe gehen los, jede Bewegung ist von Fleisch und Blut getränkt – Schaffen wir es?

Some Hope

Den letzten Kampf haben wir überlebt und jemand brachte uns eine Neuigkeit, etwas, was uns aufsehen lässt. Gibt es eine Erlösung? Kann das alles gelöst werden? Kann es werden wie früher…wie vor all dem? Das Lied ist kraftgeladen, zugleich aber still, nimmt aber an Energie im Verlauf zu. Aus Hoffnung erwächst Tatendrang.

Fight for Survival

Die Mischung aus digitalen Klängen und Percussions, zugleich mit verzerrten E-Gitarren unterlegt, erinnert mich ein ganz klein wenig an die Scores für Event:Horizon und auch Matrix 2, dennoch verläuft er gänzlich anders. Ideal für schnelle Raumgefechte, wilde Feuerkämpfe und vergleichbare Situation. 5 Daumen hoch!

Into the Light

Der Endtrack ist eine Form des Abschieds. Wir sind traurig, aber wissen doch, dass es weitergehen wird und muss. Das Lied läd zum Träumen ein, gewinnt jedoch in den letzten zwei Minuten etwas unangenehmes, alles endet in einer Form von sphärischem Knisten. Die letzte Frage bleibt unbeantwortet.

 


Fazit

Das Stück Musik, was ich hier in den Händen halte, ist wirklich die Zeit wert, voll und ganz gehört zu werden. Jeder Track ist intelligent geschrieben, hat Nuancen drin, die ihn nicht langweilig werden lassen, bleibt dennoch in einem Tempo und einer Stimmung, um gezielt bei der szenischen Untermalung eingesetzt zu werden. Kurz: Einfach gut.

Ich selbst kannte Erdenstern beschämenderweise vorher nicht und bin einfach begeistert von so viel kompositionellem Geschick. Bislang habe ich immer zu Moviescores gegriffen, doch nun werde ich nach und nach meine Erdenstern-Sammlung komplettieren. Es gefällt einfach! Solltet ihr zuschlagen wollen – hier gehts zum Shop.

Daumen5maennlich

Artikelbild: © Erdenstern
Layout und Satz: Roger Lewin

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