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Auf dem Sofa in unserem Wochenendhaus, so habe ich damals vor nunmehr über 20 Jahren meine ersten Schritte in eine Fantasy-Welt getan. Ich weiß nicht mehr, woher ich die Spielbücher hatte, ich glaube jemand aus der Verwandtschaft hatte sie mir geschenkt, aber ich weiß noch, dass mich all die fremden Namen und Länder faszinierten. Und ja, ich denke, ich hoffte auch ein wenig darauf, wie Bastian aus Michael Endes „Die Unendliche Geschichte“, in das Buch „gezogen“ zu werden. Den Roman hatte ich vorher gelesen.

Seitdem verschwanden diese Spielbücher in der Versenkung, doch der Mantikore Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, sie wieder bekannt zu machen und legt mit der „Einsamer Wolf“ Reihe des legendären Autoren Joe Dever die bekanntesten und meistverkauften ihrer Art neu auf. Von der  SPIEL in Essen brachten wir einige Exemplare mit, die ich im Folgenden kurz beschreiben werde.

Aus der Reihe „Einsamer Wolf“ standen mir 2 Mehrspieler Bände und ein Solo-Spielband zur Verfügung. Band 1 „Einsamer Wolf – Mehrspielerbuch“, ist im Grunde ein Mini Grundregelwerk, in dem alle benötigten Regeln, um eine Mehrspielerkampagne durchzuführen, erklärt werden. Bei Band 2 „Einsamer Wolf – Die Schrecken der Schwarzen Lords“ handelt es sich dann um die erste echte Kampagne, die man als Gruppe bestreiten kann. Der Einzelspieler Band „Das Schloss des Todes“ (Band 7 der Reihe), enthält ein typisches Abenteuer im Alleingang, um es sich gemütlich zu machen und die reale Welt mal zu vergessen.

Erscheinungsbild

Die Mehrspieler-Bücher sind mit 164 Seiten (Band 1) und 194 Seiten (Band 2) relativ dünn und im 160g Karton Klebe-Einband, was eventuell der Strapazierfähigkeit etwas abträglich sein könnte. Das Papier ist Standard 100g, weiß. Auf den Innenseiten des Einbandes, den sehr schöne Illustrationen von außen zieren, befinden sich farbige Karten der „Freien Königreiche des Nördlichen Magnamunds“, die sehr schön und detailreich einen Überblick über das Reich, in dem die Abenteuer stattfinden, bieten. Zusätzlich dazu sind noch einige sehr schmucke Banner in die Karte eingebettet, die Adel und andere wichtige Organisationen repräsentieren.

Der Einzelspielerband enthält eine ebenfalls farbige und detailreich gestaltete Karte der „Magiokratie Dessi“, eines Nachbarlandes, in welchem das Abenteuer stattfindet. Als nächstes folgt eine kleine „Urkunde“, die den Besitzer als „Eingeweihten in die Kampfkünste des Ordens der Kai“ ausweist. Hier kann man den Namen seines Charakters eintragen, wenn man möchte. Ich finde diese Idee recht nett, denn wenn man die Urkunde aus dem Buch kopiert, kann man so Neueinsteigern in die Welt, die im Verlauf ihres ersten Abenteuers in eben diese Geheimnisse tiefer und tiefer eingeweiht werden, ein kleines Hand Out in die Hand geben. Etwas, worauf sie stolz sein können und es hilft auch die Spielerfahrung zu individualisieren.

Das Regelwerk enthält nur relativ wenige schwarz-weiß Illustrationen innerhalb des Hauptteils, diese sind aber qualitativ hochwertig und stimmungsvoll. Sie lockern die teils doch recht langen Textblöcke etwas auf. Buch 2 enthält sogar noch weniger Bilder, aber auch hier sind Rich Longmores Illustrationen hervorragend und passend. Buch 3 (Einzelspieler) wartet wieder mit etwas mehr Illustrationen des selben Künstlers auf.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieser „Mangel“ an Bildern dem Umstand geschuldet, die Bücher recht klein halten zu müssen, was aber dem Spielspaß keinen Abklang tut, da doch ohnehin das Meiste im Kopf des Spielers stattfindet und die wirklich guten Szenenbeschreibungen ihr Übriges tun.Die Texte sind angenehm zu lesen und gut geschrieben.

Die harten Fakten:

  • Titel: Einsamer Wolf Mehrspielerbuch
  • Broschiert: 154 Seiten
  • Verlag: Mantikore Verlag; Auflage: 1 (1. April 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3939212016
  • ISBN-13: 978-3939212010
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 10 Jahren
  • Größe und/oder Gewicht: 20,4 x 13,2 x 1 cm
  • Bezugsquelle: Amazon
  • Preis: 14,95 EUR

 

  • Titel: Einsamer Wolf Mehrspielerbuch (2) – Die Schrecken der Dunklen Lords
  • Broschiert: 120 Seiten
  • Verlag: Mantikore Verlag Auflage: 1 (3. Oktober 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3939212113
  • ISBN-13: 978-3939212119
  • Größe und/oder Gewicht: 20,4 x 13,4 x 1,2 cm
  • Bezugsquelle: Amazon
  • Preis: 14,95 EUR

 

  • Titel: Einsamer Wolf (7) – Schloss des Todes
  • Broschiert: 355 Seiten
  • Verlag: Ulisses Spiele; Auflage: 1 (7. September 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3939212083
  • ISBN-13: 978-3939212089
  • Größe und/oder Gewicht: 20,4 x 13,4 x 2,2 cm
  • Bezugsquelle: Amazon
  • Preis: 14,95 EUR

Die Spielwelt

Die Welt ist von „Magnamund“ (man bedenke bitte, der Name entstand im englischen Kontext) ist eine typische, gut ausgearbeitete Fantasy Welt, mit Licht und drohender Dunkelheit, der man als strahlender, oder auch tragischer Held, der letzte Überlebende des „Ordens der Kampfmönche von Kai“ entgegensteht. Es geht gegen die „Dunklen Herrscher“,  welche ihre bestialischen Häscher ausschicken und Armeen entsenden, um die friedlichen Länder zu erobern. Klassisches Modell, aber dennoch nicht langweilig. Manch einem mögen Namen wie „Sonnenadler“ und „Meister Sturmlied“ altbacken erscheinen, aber innerhalb ihrer Welt finden sie den Platz, den sie verdienen und ergeben Sinn.

Die Regeln

„Dafür, dass die Regeln im Grunde recht einfach sind, nehmen sie recht viel Platz ein.“ war mein erster Gedanke, als ich das Buch aufschlug. Aber dann merkte ich, dass lediglich die ersten 64 Seiten wirklich Regeln enthalten. Ich war ein wenig dem Vorurteil des alten Gamers aufgesessen. Die Regeln sind schnell verständlich und ausführlich erklärt. Man kann zehnseitige Würfel nutzen, oder die im Buch enthaltene Zufallszahlen-Tabelle nutzen, die ein mehr oder minder verlässliches System bietet, Ergebnisse zu ermitteln, falls nötig. Letztendlich geht es beim Mehrspielerbuch um einen Wert zwischen 0 und 9, den man ermittelt durch den Würfelwurf gegen eine vom Spielleiter bestimmte Mindestschwirigkeit. Der Charakterbogen zum herauskopieren ist schlicht und übersichtlich gehalten und nennt sich hier „Aktionsblatt“. Auf ihm können, wie in anderen Rollenspielen auch, alle wichtigen Werte und Gegenstände eingetragen werden, die ein Held so auf seinen Abenteuern benötigt. Kampfwerte und dergleichen sind schnell ermittelt, was den Spielfluss somit nicht stört und für mich ein großes Plus darstellt.

Auf den folgenden Seiten werden Tipps und Tricks für Spieler und Spielleiter, von Kampftaktiken für Spieler bis zum „Wie leite ich so etwas“ für den angehenden Spielleiter und zum gemeinsamen „Überleben“ in der Welt von Magnamund gegeben. Diese wird ausführlich und spannend beschrieben, über ihre Geschichte, über Feinde, bis hin zum Zeitpunkt des Spielstarts. Der mit dem im Grundregelwerk enthaltenen „Mini Abenteuer“ sogar gleich stattfinden könnte. 

Der Einzelspieler Band enthält Eingangs noch einmal eine angepasste Kurzfassung dieser Regeln und zu meinem Amüsement sogar eine „Kurz-kurz-Version“ der Kampfregeln am Ende. Merke: Regeln können nie „zu knapp“ erklärt werden. ;)

Charaktererschaffung

Diese wird auch einen unerfahrenen Spieler nicht allzu lang beschäftigen. Man kann Schritt für Schritt den Anweisungen der Bücher folgen und sollte kaum mehr als 15 Minuten damit verbringen. Normale sowie spezielle Fähigkeiten, werden ausführlich erklärt und sind stimmungsvoll in Textform gebracht. Kurze Beispiele erläutern vieles auf sehr angenehme Weise. Auch hier wieder ein Vorteil der kurzen, knappen Regeln.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Zur „Spielbarkeit“ lässt sich nicht allzu viel sagen, außer das es funktioniert und man durch die Regeln nicht behindert wird. Ein kurzes Nachschauen auf dem „Aktionsbogen“, kurz Gewürfelt. Kurz eine Tabelle befragt und schon weiß man wie der Kampf verläuft. Einfach Praktisch, wenn man „Lesespaß“ will. Natürlich kann man, grade im Einzelspielerbuch, auch ein bisschen schummeln, um sein Heldendasein nicht zu schmälern, so wie ich es als Kind gern mal tat, aber auch mit den Regeln zu spielen bereitet Spaß.

Die Geschichte ist in sich konsistent und spannend erzählt. Wenn man von Zahl zu Zahl blättert, also im Grunde seinem eigenen Pfad durchs Abenteuer folgt, erlangt man durchaus das Gefühl, eine spannende Geschichte zu lesen, die man selbst beeinflussen kann. An vielen Stellen kann man sich dann entscheiden, ob man z.B. den über eine verdächtige Bodenplatte hinüber springen möchte, oder ob man versucht an ihrem Rand entlang zu balancieren, oder einfach darüber geht. Je nach Entscheidung gibt es dann eine neue Nummer, die man sich aus den nummerierten Absätzen im Buch heraus sucht und man liest dort weiter. Die Geschichte entwickelt sich so immer in eine Richtung, die man selbst gewählt hat.

Anzumerken wäre vielleicht, das man nach ein zwei Versuchen doch heraus hat, hinter welchem Absatz schlechte Dinge stecken , da manche Wege in die selbe „Falle“ führen.
Beileibe nicht alle, aber manche eben.  In jedem dieser Bücher ist man als Protagonist auf der Suche nach den Steinen der Weisheit, die einem als letztem Kai-Mönch besondere Kräfte verleihen, mit denen man die heraufziehende Dunkelheit besiegen kann. Für manche Einwohner von Magnamund ist man ein Hoffnungsträger, für andere ein Scharlatan. Mit gesundem Menschenverstand kann man viele der Begegnungen ohne jede Gewallt lösen, oder Gefahren umgehen.  Der Weg ist, soweit es innerhalb eines Buches möglich ist, frei wählbar.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Da wir nicht zu einer Testrunde kamen, entfällt diese Wertung.

Preis/Leistungsverhältnis

Dieses stimmt hier für mich vollkommen überein. Die Abenteuer sind grundsolide ausgearbeitet und spannend.

Bonus

Auf der Website der Verlages finden sich viele Goodies zum Download, darunter Kartenmaterial, Aktionskarten und ähnliches. Schaut doch mal vorbei! 

Fazit

Abschließend erlaube man mir einige persönliche Worte:

Teilweise muten die Namen und manche Formulierungen zwar etwas „angestaubt“ an und man merkt den Büchern ihren Ursprung in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts an, doch kommt auch grade deshalb bei alten Recken wie mir so etwas wie Nostalgie auf. Wann wirft man Heute in einer Rollenspielrunde noch so ungezwungen mit Worten wie „Magnakai Disziplin“ und „Zhada Tiermenschen“, „Die dunklen Herrscher“ und „Die Magiokratie von Dessi“ um sich?

Formulierungen wie: „Ich kenne Euer Ziel. Eure Identität wurde mir im Labyrinth enthüllt. Ihr seid der Kai-Lord – der Eine, den sie Einsamer Wolf nennen. Ihr seid hergekommen, um etwas zu stehlen das mir gehört. Für ein solches Verbrechen gibt es nur eine Strafe. Den Tod!“, sind in ihrer gestellzten Trockenheit schon lange aus Romanen, Filmen und dergleichen verschwunden. Und wenn, dann werden sie meist als Stilmittel genutzt um etwas lächerlich zu machen, oder wirken unfreiwillig komisch. Dennoch gemahnen diese Bücher den Anfängen des Hobbys und den klassischen Geschichten aus Welten wie Hyboria und Gor. Die unbändige Fülle von fremdartigen Wesen und Namen mag manchem antiquiert und unzeitgemäß erscheinen, aber sie bietet dennoch einen guten Einstieg in das fantastische Hobby und eine Reise in die Nostalgie für alt eingesessene Fans. Mir gefallen sie.

Der einzige Kritikpunkt, den ich am Einzelspieler Buch habe, ist folgender:
Es ist recht schwierig, mit einem vollen Terminkalender, die Geschichte in einem Rutsch durch zu spielen. Denn sobald mehr als 1 Tag zwischen den Lese/Spiel-Sitzungen vergangen ist, tendiert man dazu, vieles zu vergessen, sogar mal den genauen Punkt an dem man sich befand. So man ihn denn nicht markiert, oder aufschreibt. Dies ist etwas, an dem die Macher nichts ändern können. Deshalb möchte ich empfehlen, die Einzelspieler Bücher nur dann zu beginnen, wenn wirklich außreichend Zeit vorhanden ist, sonst leidet der Lesespaß.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: © Mantikore Verlag

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