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Cyberpunk darf wohl als eines der subkulturellen Topthemen der zweiten Hälfte der 80er Jahre gelten. Der Mix aus Hard-Boiled Detective Fiction, High Tech und schwarzer Utopie hinterließ seine Spuren in Rollenspiel, Musik, Film und vor allem Literatur. Nach einem regelrechten Hype verschwand das Genre in den 90er Jahren in der Versenkung und bekam später gar einen Abgesang von Bruce Sterling, einem seiner Gründerväter, verpasst.

Hardboiled Wonderland CoverHaruki Murakami ist nicht erst seit seiner Nominierung für den Literaturnobelpreis 2011 einer der wichtigsten Autoren der japanischen Gegenwartsliteratur. In Deutschland dürfte er wohl am ehesten durch die gleichnamige Verfilmung seines melancholischen Liebesromans „Naokos Lächeln“ bekannt sein. Der Japaner schreibt und zitiert sich allerdings quer durch alle Genres. Einzige Konstante ist dabei sein kreativer Umgang mit den jeweiligen Genreregeln sowie ein einzigartiger Stil.

  • Taschenbuch: 400 Seiten
  • Verlag: Vintage, London; Auflage: New edition (28. September 2001)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0099448785
  • ISBN-13: 978-0099448785
  • Größe und/oder Gewicht: 19,8 x 13 x 2,8 cm
  • Bezugsquelle: Amazon
  • Preis: 10,10 EUR 

Hard Boiled Wonderland and the End of the World“ ist Murakamis ganz eigene Variante von Cyberpunk und wurde erstmals 1985 in Japan veröffentlicht (die Deutsche Erstausgabe ist von 1995). Die Handlung des Romans wird in zwei scheinbar unzusammenhängenden Strängen erzählt, deren Settings unterschiedlicher nicht sein könnten.

Das eine, das Hard Boiled Wonderland, ist eine verzerrte Variante Tokios, angereichert um einige High Tech Spielereien. Der unbenannte Erzähler gerät in einen Konzernkrieg zwischen seinem eigentlichen Arbeitgeber, dem System, und einem konkurrierenden Unternehmen, das Fabrik genannt wird. Ein sehr seltsamer Professor und dessen für japanische Verhältnisse ungewöhnlich aufmüpfige Tochter heuern den Hauptcharakter an für einen Auftrag, für den er zentrale Regeln seiner Profession eines „Calculators“ brechen muß. Die Ereignisse überschlagen sich natürlich und sorgen für einige Action, aber auch eine ganz eigene Art von Humor.

Der zweite Erzählstrang kommt sehr viel ruhiger daher: das „End of the World“ ist eine sehr friedliche, aber auch ausweglos statische Welt mit deutlichem Fantasy Touch. Hier taucht ein weiterer namenloser Hauptcharakter auf, der keinerlei Ahnung hat, wie er in dieses hermetisch abgeriegelte Fleckchen Erde gekommen ist, das nur aus einem Dorf und dessen unmittelbarer, natürlicher Umgebung besteht. Alle Bewohner haben eine bestimmte Funktion für das Gemeinwesen, der sie nachkommen, ohne weiter darüber nachzudenken. Dem Neuankömmling weisen sie mit Bestimmtheit die Rolle des Dreamreaders zu, der in der Bibliothek alte Träume liest – wenngleich niemand Sinn und Zweck dieser Tätigkeit kennt. Sie ist halt wichtig. Zuerst verwirrt, findet sich der Erzähler schnell mit seiner Aufgabe und den nicht vorhandenen Erklärungen ab.

Nähere Infos zu den beiden Plots und deren potentiellem Zusammenhang sollen an dieser Stelle aber nicht verraten werden, um Interessierten den Spaß nicht zu nehmen. Lest den Roman lieber selbst. Es lohnt sich in jedem Fall.

Dieses Stück Schriftgut ist brilliant!

Daumen5maennlich

Artikelbild: © Vintage

1 Kommentar

  1. Dieser Rezension kann ich nur unumwunden zustimmen, ich habe das Buch vor längerer Zeit auf Empfehlung hin gelesen und war/bin begeistert. Spannend bis zum Ende und das Ende ist eher „offen“ für Interpretation.

    Unbedingte Lese-Empfehlung!

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