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Dieser Artikel ist Teil 2 der Serie Emotionen im Rollenspiel.


In meiner ersten DSA-Runde gab es mal einen Schwarzmagier, der schon ewig lange gespielt wurde. Es war der erste Charakter des Spielers, der schon viel gesehen hatte und mit dem wir so manches Abenteuer bestanden hatten. Dann, als es irgendwann einmal richtig haarig wurde, opferte der Spieler seinen Charakter, um den Rest der Gruppe zu retten – und ging dabei drauf. Das betretene Schweigen am Tisch dauerte genau 5 Sekunden, dann sagte der Spieler mit einem Grinsen im Gesicht „Ich glaub als nächstes spiel´ ich einen Auelfen.“. Von Trauer (also im Spiel) war nicht viel zu merken, die Leiche des Magiers wurde nicht mitgenommen oder beerdigt, man sah das alles sehr praktisch (viel zu schwer…). Ich fand es etwas merkwürdig, dass man einen Kameraden einfach so liegen ließ, beugte mich aber der Allgemeinheit. Der Tod des Magiers wurde also einfach so hingenommen und man verlor kein Wort mehr drüber. Am nächsten Spielabend hatte der Spieler dann auch schon seinen neuen Charakter.

Trauer oder Traurigkeit zählen sicherlich nicht zu den angenehmsten Gefühlen im Rollenspiel, aber auch sie haben eine Daseinsberechtigung. Damit meine ich jetzt nicht, dass man als Spieler den Tod seines Charakters oder eine andere traurige Situation tränenreich bedauern sollte. Ich denke, es ist sogar wünschenswert, dass man Rollenspiel-Emotionen ganz klar von der Real-Situation trennt.

Im Normalfall möchte man als Spieler in seiner Runde ja Spaß haben (wobei Spaß jeder anders für sich definiert). Ich kann schon verstehen, dass es einigen auf die Stimmung drückt, wenn im Spiel grade etwas trauriges passiert ist. Viele versuchen dann sicherlich auch diese Situation zu entkräften, schnell hinter sich zu bringen oder sie einfach zu ignorieren, weil es unangenehm ist. Für mich zählen traurige Situationen aber ebenso zum Rollenspiel wie auch lustige.

Nehmen wir mal an, ein Charakter stirbt. Er war jahrelang in der Gruppe, man ist zusammen durch dick und dünn gegangen – ist es da nicht glaubhafter, die Kameraden betrauern seinen Tod und schwören Rache, als dass sie sich schulterzuckend umdrehen und den Weg einfach fortsetzen?

Oder eine andere Situation: ein lieb gewonnener NSC, der für die Gruppe schon ein Freund geworden ist, verlässt die Gruppe und man weiss, dass man sich nie wieder sehen wird. Tränenreicher Abschied oder einfach umdrehen und gehen?

Mir ist klar, dass auch hier die Charaktere sehr unterschiedlich trauern können. Der eine ist vielleicht eher der emotionale Typ, der sofort in Tränen ausbricht, der andere ist halt der harte Kerl, der sich nie was anmerken lässt und im Bett, wenn keiner was merkt, in seine Kissen heult oder es anders kompensiert. Ich finde es nur störend, wenn eine Situation, die traurig ist, bewusst ignoriert wird. Ich finde es deplatziert, wenn einer einen Witz reisst in einer Situation, die grade alles andere als witzig ist. Das wirkt auf mich dann schon wie schlechter Slapstick.

Man muss hier auch unterscheiden, ob der Spieler, der grad die Szene sprengt, das getan hat, weil er als Spieler keinen Bock drauf hat oder weil er meint, dass sein Charakter das so tun würde – beides wird sicherlich Auswirkungen haben.

Ich will nicht sagen, dass man jetzt als Charakter stundenlang rumheulen soll, aber eine angemessene Reaktion finde ich schon wichtig. Sie trägt für mich dazu bei, dass die Szene/der Charakter einfach glaubhafter ist. Ausserdem kann so eine Situation auch rollenspielerisch sehr reizvoll sein, weil es eben nicht so einfach auszuspielen ist. Man lernt die Charaktere mal von einer anderen Seite kennen.

Wie kann man also solche Situationen ins Spiel einbauen, ohne dass sich jemand unwohl fühlt? Wie kann man mit Spielern umgehen, die solche Situationen stören?

  • Kenne Deine Gruppe: als Spieler, als auch als Spielleiter, sollte man zu allererst checken, wie die Gruppe gestrickt ist. Mögen sie emotionales Rollenspiel oder sind sie eher auf Monsterhatz aus? Fühlen sie sich durch Charakterdarstellung gestört?

  • Trauer spärlich verwenden: Trauer ist immer bedrückend, also sollten solche Situationen auch selten vorkommen.

  • Rücksicht nehmen: wenn man als Spieler oder Spielleiter merkt, dass ein Mitspieler mit der Situation nicht umgehen kann, sollte man keine Reaktion forcieren, indem man ihn offensiv anspielt. Umgekehrt gilt der Fall genauso: wenn man merkt, dass die Mitspieler die Situation gerne ausspielen möchten, respektiert man das und hält sich zurück.

  • Genug Zeit: man sollte den Spielern angemessen Zeit geben, die Trauer auszuspielen und nicht durch einen frühzeitigen und unpassenden Schnitt die Stimmung zerstören. Es braucht etwas Zeit, bis man von „zu Tode betrübt“ auf „Normalzustand“ wieder umgeschaltet hat.

  • Störenfriede: wenn ein Spieler querschiesst, sollte man erst einmal herausfinden, welche Motivation er hat. Stört er, weil er als Spieler keine Lust hat, dann sollte man ihn nochmal ins Gebet nehmen. Stört er, weil sein Charakter so gestrickt ist, sollte man ihn auch im Spiel die entsprechenden Auswirkungen spüren lassen (auch NSCs können komisch reagieren, wenn sich jemand in einer Situation unpassend verhält). Auf Aktion folgt nunmal Reaktion – unter Umständen reagieren aber die anderen Spieler auch schon entsprechend im Spiel.

  • Einzelschicksale: betrifft eine traurige Situation nur einen einzelnen Spieler (z. B. weil ein Familienmitglied gestorben ist), kann man die Szene auch mit dem Spieler allein ausspielen, wenn das gewünscht ist und die anderen Spieler zu dieser Situation nichts beizutragen hätten.

Ich finde es auch nicht verwerflich, wenn man als Spieler ein wenig mit seinem Charakter mittrauert (alles in Maßen!). In traurigen Situationen habe ich dann und wann schonmal einen Kloß im Hals und als einer meiner Charaktere starb, war ich auch geknickt. Auch wenn es natürlich nicht so sein darf, dass man Spiel-Emotionen mit Real-Emotionen vermischt. Eine klare Trennung ist einfach wichtig.

Wie ist es bei euch? Spielt ihr traurige Szenen aus oder meidet ihr sowas lieber? Seid ihr schonmal in einer Situation gewesen, wo jemand unangemessen reagiert hat?

 Artikelbild: depositphotos © jeancol

14 Kommentare

  1. Fürwahr, ein schwieriges Thema. Im Punkt Trauer ausspielen oder schnell zur Normalität sollte die Einstellung des betroffenen Spielers maßgeblich sein, die anderen Spieler müssen dann mal etwas zurückstecken mit ihren Ansprüchen. Wenn man Rollenspiel unter der Prämisse betreibt, auch emotional am Leben seines Charakters teilzuhaben, dann gehört Trauer wohl auch mit dazu. Einen harten Gamisten wird es wahrscheinlich eh nicht so stark mitnehmen, der ärgert sich wahrscheinlich mehr als das er trauert.

    Dein Kommentar zum Thema Rücksicht nehmen… Rücksichtnahme sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einer Runde sein. In einer Rollenspielrunde sollte jedem Spieler klar sein, dass sein Charakter auch aus dem Spiel scheiden kann. Wer damit emotional nicht umgehen kann, hat vielleicht die falsche Spielform gewählt.

    Ich habe (vor langer Zeit) mal in einer Runde mitgespielt, in der eine Spielern einen ziemlich erfahrenen Charakter durch eine Kombination von schlechter Planung und einigen unglücklichen Würfen verloren hat. Als fest stand, dass der Charakter endgültig tot war, fing die Spielerin an zu weinen. Wir waren alle ziemlich betroffen. Dann fragte der Spielleiter nach, ob er den Charakter doch noch irgendwie retten soll, ob ihr soviel daran gelegen sei. Zu meiner Überraschung winkte die Spielern (immer noch mit Tränen in den Augen) ab. Nach zwei oder drei Minuten hatte sie sich dann wieder beruhigt. Nach dem Spiel habe ich die Spielerin noch kurz angesprochen, um mein „Beileid“ kund zu tun, da meinte diese so ungefähr „Lass mal gut sein, es war eine saugeile Aktion.“ Sie hatte die wirklich empfundene Trauer im Nachhinein als etwas positives erlebt.

    Zu deinem Punkt Einzelschicksale. Ich komme mir immer etwas komisch vor, wenn ich mit dem Spielleiter alleine „Rollenspiele“. Unser Spielstil trennt ziemlich stark zwischen Charakter und Spieler, so dass wir fast alles am Tisch in der Runde ausmachen. Wenn mal jemand mit dem Spielleiter rausgeht, dann wird dort eher abstrakt und zugügig geklärt, was Sache ist, damit die anderen Spieler nicht so lange warten müssen.

  2. Wirkliche Trauer finde ich schwer zu spielen, aber man sollte das schon nicht einfach so übergehen. Wenigstens den Charakter beerdigen und ein paar warme Worte sprechen. Und seine Ausrüstung verteilen *g*

  3. Ambrose, We hardly knew thee…

    Ich kenne sowohl Runden, in denen Trauer gut und glaubhaft ausgespielt wurde, als auch solche, die damit nix am Hut hatten und sagten: Abenteurer leben halt gefährlich… und gut war es.

    Es hängt halt wirklich von Welt und System ab, aber gut und lang gespielte Trauer ist eher selten und kann auch wirklich störend wirken!

  4. @Porta Stellaris: das nenn ich mal mitgehen :) (in Bezug auf die von Dir beschriebene Spielerin). Und zu den Einzelschicksalen: ich sehe es eher als Rücksichtnahme auf die anderen, wenn ich etwas allein mit der SL ausspiele, was die anderen nicht betrifft – so können sie vielleicht schonmal weiterplanen oder sich unterhalten, wie es weitergeht.

    @Jan: Trauer ist in der Tat schwierig auszuspielen, darin liegt ja die Herausforderung :) Aber ich weiss auch, dass das nicht jedermanns Sache ist. Und das mit der Ausrüstung… da kann ich nur sagen: gieriges Stück :P

    @Holger: klar, wer die ganze Zeit ne Heulboje mit durch die Gegend schleppt, fühlt sich irgendwann gestört – deswegen ja der Leitspruch: alles in Maßen.

  5. @Holger: Ich kenne da insbesondere Spieler, die desöfteren Charaktere verlieren ;-)

    Wobei … ich muß schon sagen … ausgerechnet Shadowrun hat bei uns bislang zwei „Schweigeminuten“ erzeugt … einmal, als Lumberjack draufgegangen ist, und einmal, als es Carmen erwischt hat. Und das, obwohl Lumberjacks Tod hier im Neulich-Archiv aufgeführt ist. Schon komisch, dieser Stimmungsumschwung, wenn den Spielern langsam klar wird, daß da gerade ein Charakter getötet wurde. An beiden Abenden kamen danach auch nach dem Spiel keine großartigen OT-Gespräche mehr auf.

  6. Ich bin nie und überhaupt nicht gierig und sage auch immer brav „Danke“. Manchmal war er ja doch gerade eben so bei -9 Trefferpunkten, als man zugriff :-P

  7. Wenn ich Spielleiter bin sterben Spielercharaktere im Normalfall nicht, es sei denn der Spieler entscheidet sich ganz bewusst dazu, das Leben des Charakters übermäßig zu riskieren oder er will einen anderen Charakter spielen und hat sich eine theatralische Sterbeszene ausgedacht, die ich dann in die Kampagne einbaue. Wenn also mal ein Charakter stirbt, wird auch die Trauer ausgespielt.

    In einer DSA Runde hatte ich einmal einen Spieler, der seinen Charakter nicht mehr spielen wollte. Der Charakter hat sich dann in einer Schlacht geopfert und ein feindliches Schiff im Alleingang versenkt, ist dabei aber leider auch ertrunken. Der Schock unter den anderen Spielern war groß, die Trauer wurde super ausgespielt. Einige Abenteuer später mochte der Spieler seinen neuen Charakter wiederum nicht mehr und wollte wieder einen anderen Charakter spielen. Wir einigten uns dann darauf seinen alten Charakter wieder in Erscheinung treten zu lassen. Der war nämlich gar nicht ertrunken, sondern wurde an Land gespühlt und von Auelfen geretet. Leider hatte er sein Gedächtnis verloren und musste eine neues Leben beginnen. Bei einer Überfahrt nach Maraskan begegnete die Gruppe dem Charakter wieder. Das was folgte war die Emotionalste Sitzung, die ich je hatte und triefte vor Kitsch. Im Plot sind wir an dem Abend nicht weit gekommen ;-)

  8. Also, was Trauer im Larp angeht, haben wir eine sehr einschneidende Erfahrung in unserer Gruppe gemacht: Ein Gruppenmitglied starb einen sehr sinnlosen Tod (IT sinnlos), denn er stürzte sich in einer Höhle zu Tode. Mein Char fand seine Leiche (ich spiele die Heilerin der Gruppe). Ich erinnere mich daran, wie nervös ich war, als ich an den Bach ging (OT wusste ich, dass er tot ist, wir hatten mit der SL abgesprochen, dass wir ihn finden, damit wir ihn bestatten können), wo ich ihn finden würde. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das jetzt spielen sollte, ob ich schreien, weinen oder sonstwas tun sollte. Von weitem sah ich ihn an einem Baumstupf liegen, angespült von der Strömung des Baches. Ich rannte hin, und als ich ihn berührte, fing ich fürchterlich an zu heulen. Nicht IT, sondern OT. Ich schrie und weinte, und meinen Mitspielern ging es genauso, wir trugen ihn unter Tränen ins Lager, bahrten ihn auf, ich wusch ihn (und schminkte ihm Schrammen und Kratzer ins Gesicht) und wir legten ihm seine Waffen und Gebetstücher in die Hände. Als der Rest unserer Gruppe aus der Höhle kam, schrie ich sie an, was für dumme Idioten sie doch seien, schlug auf sie ein und erlebte, wie auch sie in echte Tränen ausbrachen. Wir verhängten unser Banner, und den ganzen Nachmittag über kamen Leute, auch von befreunden Gruppen, um sich zu verabschieden. Am Abend bauten wir einen Scheiterhaufen und spielten eine wunderbare, traurige, herzergreifende Bestattung. Hinterher waren wir alle zwar unheimlich traurig über den Tod des Chars, doch gleichzeitig waren wir uns alle einig, niemals so echtes, emotionales und verbindendes Rollenspiel erlebt zu haben. Das gilt übrigens für den Spieler des Toten genauso, der unter seinem Leichentuch mehr als eine Träne vergossen hat, als er die Nachrufe auf sich hörte.
    Für mich ist absolut klar: Trauer verdichtet das Rollenspiel, das des einzelnen und das der Gruppe.

  9. Hallo zusammen.
    Ich spiele seit mehr als 20j Larp und habe bei Beerdigungen von befreundeten Charakteren schon so manche Träne vergossen, was mich selber anfangs erschreckt hatte das es mir so nahe geht. Aber wenn einem klar wird das mann mit dem „Verstorben “ den man ja über Jahre kannte mit ihm gefeiert ,gekämpft und Geschichten erlebt hatte NIE wieder etwas erleben wird dann ist das schon hart. Und jede Träne und Trauer ist dann auch in Ordnung.

  10. Hey,

    habe gerade einen sehr lang gespielten Charakter in meiner Gruppe verloren, und dazu noch durch einen Unfall den ein Mitspieler mehr oder minder zu verantworten (Gedankenlosigkeit) hatte. Ich bin ihm persönlich nicht böse (Unfall).
    Ich bin jedoch entsetzt wie nah mir die ganze Sache gerade geht. (Ja ich habe in der echten Welt schon Verluste erlebt)
    Das geht gerade soweit, dass ich gar nicht mehr weiß wie ich in der Gruppe weitermachen soll. Es fühlt sich an als wäre jegliche Inspiration gleich mit gestorben…
    Ich meine, in dieser Figur steckte irgendwie ein großer Teil von mir. (Schreibe auch viele Hintergrundstorys zu meinen Charakteren) Und .. Sie … war mir extrem ans Herz gewachsen…
    Tja und nun… Ich habe ihr gerade auch nochmal einen Abschiedsbrief verfasst. Aus meiner und fiktionaler Sicht…
    Ich versuche mich gerade vom zu Bett gehen abzulenken…
    Danke fürs zuhören (lesen)..

  11. Ich habe selbst auf dem letzten Con einen lieb gewonnen (anderen Spieler-)Charakter auf dem Schlachtfeld verloren.

    Ich wusste es OT, es war in Ordnung und ich habe mich gefragt wie es IT wohl bei mir ankommen wird. Als es dann soweit war, kamen mit IT wie OT trotzdem die Tränen, obwohl ich wusste, ich sehe den Spieler ja morgen schon vielleicht mit nem anderen Charakter weider, alles ist nur Spiel und wir sind aufm LARP. Trotzdem habe ich geheult und habe es gleichzeitig genossen. Die Reaktion meiner Mitspieler war gemischt. Von Mitfühlend, bis beeindruckt über die scheinbare Fähigkeit spontan zu weinen bis hin zu „Ey is nur n Spiel“ war alles dabei.

    Es war ein verrücktes und zwiespaltiges Gefühl, dass ich vorher so noch nie erlebt habe und meinen Charakter aus mir selbst heraus beobachten konnte. Ich mag die Immersion dabei. Wichtig ist aber immer aus dieser Emotion – egal welche – den Weg in die Realität zu bewahren und sich selbst darüber im klaren zu sei, dass das, was man Spielt eben Spielbedingt und nicht real induziert ist.

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