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Sillage, franz. Kielwasser, ist ein Science-Fiction Comic aus Frankreich, spannend geschrieben von Jean-David Morvan und grandios in Szene gesetzt vom Zeichner Phillipe Buchet.

Es ist eine Geschichte, die zwar nicht unbedingt „neu“ ist, aber von ihren beiden Schöpfern äußerst clever umgesetzt und erzählt wird, so dass jede Episode, sprich jeder Comic, für sich schon ein Lese-Erlebnis ist. Aufgebaut wie ein spannender Roman, oder Kinofilm, mit Rückblenden und Cutscenes, wird die ereignisreiche Geschichte der jungen Nävis erzählt. Hierbei bedienen sich die Schöpfer dieser Saga einer für Comics ungewöhnlichen, zum Teil nicht linearen Erzählweise, die zunächst etwas verwirrend erscheinen kann, aber wenn mein einmal dahinter gestiegen ist, die Spannung umso mehr steigert.

Die Story

Als Kind, nach dem Absturz eines Raumschiffes, den nur sie überlebte, allein aufgewachsen in den Dschungeln eines fremden Planeten, bewacht von ihrem einzigen Freund, einer halb-zahmen „Wildkatze“ dieser Welt, wird sie unvermittelt aus ihrem Paradies herausgerissen, als der gigantische Raumschiff-Konvoi namens „Sillage“ beschließt den Planeten zur neuen Heimat eines seiner notleidenden Völker umzuformen.

Dieses Volk verlor dereinst seine Heimat an eine Supernova und sucht nun schon lange nach einer geeigneten Welt, um diese zu ersetzen. Erste Scouts finden keinerlei Anzeichen für intelligentes Leben und so beginnt der Umformungsprozess, der Nävis Heimat zerstören und dem von der Ausrottung bedrohten Volk der Hottarden eine Neue geben soll.

Doch ein Scout entdeckt das Mädchen schließlich und entgegen den Befehlen seiner Vorgesetzen, setzt der Verantwortliche Hottard den Prozess fort, das Leben einer einzelnen Person gegen das seines ganzen Volkes aufwiegend. Nävis aber weiß sich zu wehren, gegen die geklonten „Monster“, die sie mit einem mal angreifen und gegen deren Befehlshaber. Das ihre Auflehnung gegen die Übermacht und ihr unbeugsamer Überlebenswille eine Revolution in Gang setzen, damit rechnete sie noch am wenigsten.

Schließlich wird das Kind überwältigt und zur „Sillage“ gebracht, die stetig weiter durchs All zieht, immer auf der Suche nach Möglichkeiten, die tausend Zivilisationen, die sie beherbergt, zu versorgen und wenn es geht, dabei auch noch einen Profit zu machen. Den Wissenschaftlern der riesigen Flotte ist die menschliche Spezies vollkommen unbekannt und vor allem Nävis Unfähigkeit zur gedanklichen Kommunikation gibt ihnen Rätsel auf, da doch ansonsten alle bekannten Spezies zumindest über rudimentäre telepathische Fähigkeiten verfügen.

Die Politiker und Führer des Konvois, die sogenannte „Konstituante“ (franz. Nationalversammlung), wittern einen Vorteil gegenüber ihren Feinden und nehmen sich des sonderbaren Wesens an. Nävis wird zur Spezialagentin ausgebildet, da niemand, selbst mittels technischer Hilfsmittel, in der Lage ist ihre Gedanken zu lesen, ist sie die ideale Undercover-Kämpferin. Ihr gefällt das privilegierte und aufregende Leben. Sie gewinnt Freunde, Bewunderer und Feinde im Laufe einiger Missionen für die Machthaber des Völkerbundes. Doch mehr und mehr nagt ihre Vergangenheit an ihr: „Was bin ich?“, „Gibt es andere meiner Spezies dort draußen?“, „Sind sie alle so wie ich?“, diese Fragen quälen sie und immer wieder sucht sie auf eigene Faust nach Hinweisen auf die Existenz der „Menschen“.

Und schließlich stellen sich, mit dem Erwachsen werden, auch Zweifel an ihren Gönnern ein. Auf einer Mission entdeckt sie Hinweise darauf, dass ein ganzes Netzwerk von führenden Politikern illegalen Handel mit Ausbeutungsrechten bewohnter, noch unterentwickelter Planeten treibt und diese heimlich versklavt. Scheinbar sind auch einige ihrer Freunde darin verwickelt. Sie beschließt weiter nachzuforschen und sticht in ein wahres Wespennest.

Mein Fazit

Einzig die manchmal ein wenig unvorbereitet eingeschobenen Rückblenden bereiteten mir bei einigen Bänden etwas Kopfzerbrechen, da sie sich nicht, wie manch anderes Mal schon gesehen, grafisch vom Rest des Comics abheben. Hat man diese Hürde aber einmal überwunden, kann man sich kaum von der Story losreißen.

Was mir persönlich an Morvans (und generell am Frank-Belgischen-) Stil sehr gefällt, ist das er niemals die sog. „Gedankenblasen“ benutzt, um den Leser in die Gedankenwelt seiner Charaktere blicken zu lassen, sondern ausschließlich die wunderbaren Zeichnungen und die Taten der Personen ausdrücken, was diese empfinden und denken.

Die Geschichte ist in dem Sinne typisch, als das sie über den Weg des Erwachsenwerdens berichtet. Dies jedoch innerhalb einer Welt von der Nävis nur oberflächlich ein Teil ist, wie sie, zu ihrem Leidwesen, immer wieder feststellen muss.

Ihre Unfähigkeit Gedanken und Gefühle direkt auszutauschen, macht sie gewissermaßen zum Krüppel und ihre Wildheit und „Menschlichkeit“ machen sie zum Außenseiter in der klar durchstrukturierten Welt des Weltraumkonvois. Man fühlt mit ihr die Hoffnung, wenn sie zum ersten Mal konkrete Hinweise entdeckt, dass sie nicht allein ist und es irgendwo dort draußen noch Andere wie sie geben muss. Man ist aber ebenso mit ihr abgrundtief enttäuscht, das das, was sie schließlich findet, so gar nicht ihren Erwartungen entspricht. Und man versteht ihre Wut, als sich einer ihrer besten Freunde gegen sie wendet. Der Leser begleitet Nävis durch Höhen und Tiefen, beobachtet ihre ersten zärtlichen Gefühle und Erfahrungen und wie sie sich allzu aufdringlicher Verehrer erwehrt, erlebt mit wie sie zu einer Medien-Ikone und schließlich zur gesuchten Staatsfeindin wird.

Dabei nutzt Schreiber Morvan ganz hervorragend verschiedene Erzählebenen und lässt auch die Motivationen der vermeintlichen „Bösewichter“ nie außer Acht. Etwa der Hottarde Heiliig, der einfach nur sein von einer Seuche bedrohtes Volk retten will und genug hat vom ewigen ziellosen Herumwandern im All und deshalb keinen Bericht über den Fund von Nävis abliefert und der in einem nahezu herzzerreißenden Holo-Gespräch mit seiner Gefährtin gesteht, dass ihn die Verantwortung beinah erdrückt. Die Politiker, die zwar skrupellose Experimente billigen, aber dem Wohl der Gemeinschaft dienen, die Attentäter, die Leben nehmen, um Andere zu schützen. Keine Figur ist eindimensional, kein Wesen mit größerer Rolle in dieser Geschichte hat keine Vergangenheit und keine verständliche Motivation. Und das ist für mich nur einer der Gründe, weshalb ich den jeweils nächsten Band nahezu fieberhaft erwarte.

Nach bisher auf Deutsch erschienenen 13 Bänden (in Frankreich bereits 15) und einiger Spin-Offs, ist die Geschichte noch lange nicht abgeschlossen. Ich werde sie weiter verfolgen und lade euch auch dazu ein sie ebenfalls zu genießen.

  • Sillage: Jan-David Morvan & Phillipe Buchet
  • Erschienen bei: Carlsen
  • Kaufen bei: Amazon

Artikelbild: © Carlsen Comics

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