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Die­ser Arti­kel ist Teil des zweiten Umzu­ges des Kar­ne­vals der deut­schen Rol­len­spiel­blogs, wel­cher das Thema „Verkleidung, Täuschen, Lügen“ hat. Alle Bei­träge des The­mas fin­den sich in die­sem Forum gelinkt. Jan von Herzliches Rollenspiel verwaltet diesen Monat.


Prämisse

Wir alle wissen, wie in der realen Welt eine Lüge oder ein Betrug, die beiden häufigsten Formen der Täuschung, funktionieren. Und wir wissen auch in etwa, wie man den Lügnern und Betrügern auf die Schliche kommen kann: Mit nachprüfbaren Fakten und mit Menschenkenntnis.

Was passiert aber, wenn wir uns in eine Situation versetzten, in der einfach nachprüfbare Fakten nicht einfach nachprüfbar sind und jeder Mensch per Definition so tut, als sei er jemand anders, also zum Beispiel ins LARP?

Um eines vorweg zu sagen, auch wenn es klar sein sollte: In diesem Artikel geht es einzig und allein um die Täuschungen, die im Spiel passieren bzw. zu diesem Gehören! Betrug in der Taverne und ähnliches sind OT Verbrechen und strafrechtlich zu ahnden und haben weder im LARP noch in diesem Artikel etwas verloren!

Grundgedanken

Täuschungen sind ein Grundbaustein aus dem Werkzeugkasten einer LARP SL. Viele komplexere Plots brauchen NSC, die nicht sofort als solche erkennbar sind und Verrat gehört zum Rollenspiel einfach dazu. Allerdings gilt wie immer im LARP: Wir spielen nicht gegen- sondern miteinander. Daher ist die beste Täuschung im LARP meist nicht die perfekte Täuschung, denn diese ist so einfach wie sinnlos.

Perfekte Täuschungen

Soll die Täuschung nicht auffliegen, ist das kaum ein Problem: Die Darstellung wird einfach so gestaltet, als wäre sie keine Täuschung und schon ist es für andere Spieler oder NSC unmöglich, einen Unterschied festzustellen zwischen einer Täuschung und einer zur Tatsache.

Diese Täuschung kann bisweilen eingesetzt werden, sollte aber in den meisten Fällen nicht von Dauer sein. So könnte sich ein vermeintlicher Verbündeter plötzlich als Doppelagent/Schläfer herausstellen oder der Baron von Dingenskirchen als Hochstapler, am besten durch eine sehr offensichtliche Handlung oder durch ein Dokument oder einen Zeugen, die auftauchen.

Will man einen Betrug so spielen, dass andere Spieler auch etwas davon haben, so sollte man lieber folgende Absätze bedenken:

Gute, weil eben nicht perfekte, Täuschungen

Spiel im LARP bedeutet, das man etwas tut, das einem selbst Spaß macht und anderen Leuten Spiel bringt und ihnen auch Spaß macht. Bei einer Täuschung bedeutet das, dass sie in der Lage sind, die Täuschung zu durchschauen, diese aber nicht offensichtlich ist.

Hierbei kommt uns die Tatsache in die Quere, dass glaubwürdige Darstellung von Charakteren im LARP leider nicht immer die Norm ist. Wenn nun also zum Beispiel jemand versucht, einen Charakter zu spielen, der etwas zu verbergen hat und dessen Hintergrundgeschichte deshalb offensichtliche Lücken aufweist, wie soll eine andere Person dann diese Lücken unterscheiden können von solchen Lücken in Hintergrundgeschichten, die einfach nur existieren, weil der Spieler unerfahren ist?

Sollte man gleich jeden, bei dem Ungereimtheiten auftreten, unter Generalverdacht stellen? Oder gar gleich zu hochnotpeinlichen Befragungen ansetzen, wenn etwas nicht passt?

Würden viele LARPer so handeln, dann gäbe es sehr bald ein echtes Nachwuchsproblem für unser Hobby!

Ähnliche Probleme gibt es auch bei verdächtigen Handlungen: Nicht alles, was als verdächtig gedacht ist, kommt bei anderen Spielern als verdächtig an. Wenn man nicht aufpasst, kommt es einfach nur als pappnasig oder dumm an.

Bleibt also nur, dass man Fehler macht, die nicht anders zu erklären sind. Diese müssen aber so wenig offensichtlich sein, dass die nicht jeder sofort bemerkt, denn ansonsten bräuchte ich auch niemanden täuschen.

Beispiele

Um das ein wenig besser zu illustrieren, hier drei Beispiele von Täuschungen aus meiner eigenen Erfahrung (alle drei Male war ich unter den Getäuschten):

Der Verräter

Auf einer Veranstaltung, auf der ich NSC war, ging es darum, dass jemand die bösen NSC unterstützte und eigentlich der Endgegner der Con sein sollte. Dummerweise kamen die Spieler ihm nicht von alleine auf die Schliche. Wir als NSC auf Spielerseite haben es auch nicht gewusst und so selbst gerätselt und hatten schon so unsere Vermutungen und wollten die Spieler gerade in die Richtung stoßen, als der Verräter-NSC sich beim Essen (OT) damit brüstete, dass ihn noch niemand enttarnt hätte.

Wie auch, hatte er doch nie Fehler gemacht, die man wirklich hätte feststellen können.

Dummerweise konnten wir als NSC nun auch schlechter mit unserem Verdacht arbeiten, da es ja nun nicht mehr nur ein Verdacht war.

Das Ganze wurde am Ende von der SL so gelöst, dass die bösen NSC ihn enttarnt haben, um ihn zu mehr Unterstützung zu zwingen.

So wurde aus dem Detektivplot ein Prügelplot :(

Der gezwungene Spieler

Wieder andere Veranstaltung, wieder als Spieler. Ein anderer Spieler hatte etwas in seinem Hintergrund, was dafür sorgte, dass ein NSC ihn erpressen konnte, auf seiner Seite zu stehen.

Leider war der Spieler recht jung und die Darstellung und Ausrüstung seines Charakters entsprechend. Und so kam es, dass er zwar diverse Ungereimtheiten in seinen Ausführungen und seiner Charaktergeschichte hatte, evtl. in der Hoffnung, dass jemand ihm auf die Schliche kommt und dann hilft, aber niemand hat sich um diese gekümmert, da sie einfach zum Klischee des Junglarpers passten und damit nicht auffielen.

Auch das Symbol, das er trug, war leider zwar ÄHNLICH wie eines in einem Buch, das wir fanden, aber eben nicht gleich. Da es sich um eine Wolfspranke handelte, was nun nicht gerade ein besonders seltenes Symbol ist, war dies zwar ein Grund, nachzufragen, aber die Unterschiede reichten, trotz der eben erwähnten Ungereimtheiten aus, ihn in Ruhe zu lassen. Schade.

Die Priester mit dem eigenen Ziel

Andere Veranstaltung, diesmal war ich Spieler. Es gab eine ganze Gruppe von Charakteren, alle Priester einer Gottheit, die niemand von uns kannte, aber das kommt im LARP regelmäßig vor, also kein Grund, sich darüber Gedanken zu machen. Alle trugen einheitliche Gewandungen, waren sicher in ihren religiösen Lehren und haben insgesamt super und glaubhaft gespielt.

Dummerweise waren Sie allerdings keine Spieler sondern NSC und hatten als Aufgabe, den Plot auf eine Art und Weise zu lösen, die eigentlich schlecht für die Spieler und das Land war.

Sie haben hier und da kleine, aber sichtbare und offensichtliche Fehler gemacht, so zum Beispiel mit Objekten als Fokus gezaubert, von denen wir wussten, dass sie zur Gegenseite gehörten, diese aber relativ gut in ihren Händen verbargen.

Abgesehen davon waren sie aber sehr hilfsbereit und so gelang es uns nicht, die Mehrheit der Leute zu überzeugen, dass sie etwas im Schilde führten.Und einfach auf die harte Tour das Problem lösen wollten wir auch nicht, da die Spieler echt gut waren und wir so gut dargestellte Charaktere (wir wussten ja nicht, dass es „nur“ NSC waren) nicht einfach töten wollten.

Als wir uns dann doch genau dazu durchgerungen hatten, ergab sich leider keine Gelegenheit mehr dazu und am Ende haben die Priester das Endritual in ihrem Sinne abgehalten und wir effektiv verloren.

Dennoch war alles sehr schön vom Spiel her und genau so, wie ich mir Täuschungen im LARP vorstelle!

Fazit

Alles in allem sieht man: Die gute Darstellung einer Täuschung im LARP ist alles andere als einfach in einem Umfeld, in dem Täuschung ein Grundbestandteil ist. Sich sichtbar und glaubhaft von den üblichen Täuschungen (dem Spiel) abzuheben ist eine wahre Kunst.

Habt Ihr auch solche Erlebnisse oder seid ihr anderer Ansicht? Dann immer her damit! :)

Artikelbild: despoitphotos | © GeKaSkr

4 Kommentare

  1. … ich habe sowohl als spielleiter als auch als spieler gemerkt das es wirklich schwer ist täuschungen zu spielen bzw. ins spiel zu bringen.

    ich hatte als spieler einen charakter der durch gezieltes lügen und ausnutzen von situationen sehr viel stärker und mächtiger erschien als er wirklich war. am ende traute sich niemand mehr diesen charakter in irgendeiner weise anzugreifen oder auch nur daran zu zweifeln das er wirklich so mächtig war.
    vorteilhaft war in diesem zusammenhang das alle die zu den täuschungen beigetragen haben (soweit ich mitbekommen habe) im ot niemals darüber geredet haben.
    letztlich machte es mir jedoch keinen spaß mehr den charakter zu spielen, da selbst offentlichsichliche „patzer“ einfach hingenommen worden sind.

    im spiel ist danach meine erfahrung gewesen, das gerade wenn es länger gespielte charaktere sind, die anderen spieler ot auch mal dinge vergessen oder sachen nicht kombinieren.
    handelt es sich aber um ein larp-we oder einen ‚oneshot‘ stehen die möglichkeiten eigentlich recht gut, das die täuschung auch als eben eine solche erkannt und gesehen wird.

    es kommt also nicht nur auf das wie sondern auch auf das wo an!

  2. Ich habe mal (als Spieler) einen Assassinensektenprediger gespielt mit 3 selbstmordbereiten Jüngern (auch Spieler).
    Meine Tarnung war eine Identität als Gelehrter/Mystiker/Philosoph.

    Das Spiel war witzig, weil ich gezwungen war:
    – mit mordgeilen Dunkelelfen-SC zu verhandeln
    – eine neugierige Elfe loszuwerden, als meine Jünger und ich uns zum abendlichen Predigt- und Drogenritual zurückziehen wollten
    – überhaupt mich als 0-Con-Tage-Charakter ohne magische Fähigkeiten (ich hatte nur etwas Trank- und Giftkunde) gegen 1000-EP-Magier behaupten
    – nach meiner Enttarnung als Drahtzieher von Selbstmordanschlägen durch Verhandlung meinen Kopf aus der Schlinge ziehen.

    Hat unerwartet gut funktioniert und den dürftigen Plot für alle Teilnehmer bereichert. :-)

  3. Danke für den Trackback :)

    Ich hätte mich jetzt noch über ein oder zwei gelungene Beispiele gefreut, weil es gerade bei solchen Dingen doch immer an guten Beispielen mangelt. In der Theorie kann es jeder erklären, aber wie es dann genau ingame aussieht ist nicht immer ganz klar. Mir zumindest fällt es schwer diese Gratwanderung zwischen erkennbaren Fehlern und plumpen Lügen zu schaffen. Entweder keiner merkt was oder jeder merkt es sofort. Aber der Punkt wo es eine Diskussion darüber gibt, ob es nun eine Täuschung ist oder nicht, ist schwer zu treffen.

  4. Dank erstmal für den Artikel, ein Thema, das uns in unserer Gruppe immer wieder beschäftigt vor allem, was das Thema verkleiden angeht. D. h. wie zeige ich, dass mein Charakter verkleidet ist.
    Wir sind im Grunde zum Ergebnis gekommen, dass es einfach nur mit super extremer Übertreibung geht.
    D. h. z. B. man klebt sich einen falschen Bart nicht nur einfach ins Gesicht und hofft, dass jemand die Veränderung bemerkt, sondern klebt ihn absichtlich schief oder deutlich sichtbar nur teilweise an und versucht ihn dann bewusst auffällig und übertrieben und heimlichtuerisch wieder festzukleben. Es muss mit anderen Worten so lächerlich und übertrieben sein, dass es schon aus dem teils schlechten Gewandungsniveau einiger heraus sticht. Klar ist die Wahrscheinlichkeit dann auch aufzufliegen sehr hoch, aber hey, es geht doch im Endeffekt um ein schönes Spiel auch für die anderen, sodass ein Auffliegen im Zweifel der vorzugswürdigere Spielausgang sein soll.

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