Einführung: Über diese Artikelserie
Viele Spielleiter, die mit einiger Erfahrung aus ihren Tischrunden den Schritt wagen, auch einmal auf Conventions ein Szenario zu leiten, finden sich dort schnell in einem wenig vertrautem Umfeld wieder. Es sieht zwar einfach aus, aber eine Runde für eine Convention erfordert etwas mehr Arbeit und Konzentration als eine heimische Tischrunde. Diese Artikelserie soll die Unterschiede zwischen beiden Rundentypen beleuchten und Tips für Eure nächste Con-Runde geben. Die Serie steht unter CC BY-NC-ND 3.0 Lizenzschutz.
Dieser Artikel ist Teil der Artikelserie „Leiten auf Conventions“. Abschnitt 1 beschäftigt sich mit den nötigen Vorüberlegungen.
Vorüberlegungen zum Con
Die Artikel in diesem Abschnit kümmern sich um alles, was man schon vor dem Con durchdenken kann. Sie werden im Abschnitt zwei komplettiert durch Artikel, die Tipps und Anregungen geben, um die hier gemachten Überlegungen auf dem Con anwenden bzw. durchsetzen zu können.
Die beste Vorplanung nutzt nichts, wenn sie sich nicht umsetzen lässt. Um zu verhindern, daß auch unser Plan den ersten Kontakt mit den Spielern nicht überlebt, werden wir in diesem Teil der Serie über die Zeit nachdenken und ein verfeinertes Zeitmanagement vorbereiten.
Wenn der Spielleiter seinen Plot einmal nach den den Überlegungen aus Teil 3 strukturiert hat, kann er sein mächtigstes Instrument im Kampf gegen die knappe Spielzeit heraufbeschwören:
Inhaltsverzeichnis
Die Zeitleiste
Eines der wichtigsten Hilfsmittel für Conventions ist eine Zeitleiste des Abenteuers – und sie ist sehr einfach zu erstellen. Man braucht im Grunde einfach nur eine Tabelle mit sechs Spalten (mit etwas Übung später auch weniger).
In der ersten notiert man sich alle relevanten Plotpunkte, Checkpoints und Meilensteine des Abenteuers in chronologischer Reihenfolge.
In der zweiten Spalte überlegt man sich, wie lange die Charaktere (IT) dafür brauchen könnten, den jeweils nächsten Punkt zu erreichen. Beispielsweise: Knacken des Tür-Rätsels: 15 Minuten. Transit von A nach B: drei Tage.
In die dritten Spalte kommt die veranschlagte Erzählzeit. Also wie viel Zeit die Aktion am Spieltisch einnehmen kann. Beispielsweise: Knacken des Tür-Rätsels: 15 Minuten (Echtzeit), Transit von A nach B: 10 Sekunden (aka 1 Satz als Erzählung).
In der fünften Spalte bildet man eine laufende Summe all dieser Zeiten. Dabei darf man ruhig aufrunden, und auf jeden Fall sollte man an kritischen Punkten Sicherheiten mit einrechnen. Beispielsweise könnten die Charaktere auf die Idee kommen, noch spezielle Dinge für die Reise anzusagen. In dem Fall würden aus den 10 Sekunden schnell mal 5 Minuten.
Eine SEHR gute Idee ist auch, an einer oder zwei Checkpoints mit der Zählung wieder bei 0 anzufangen. Das sind die Punkte, wo man später Pausen einbauen kann.
Immer die Realzeit im Auge behalten!
Wenn man hier schon an die 5-Stunden-Grenze stößt, weiß man, daß man das Szenario kürzen muß. Erst, wenn die fertige Zeitleiste mit 4 bis 4,5 Stunden auskommt, geht es an den nächsten Schritt:
In der letzten Spalte rechnet man den Zeitverlauf relativ zum Start des Szenarios um in einen absoluten Zeitverlauf. Also man schreibt sich die konkreten Uhrzeiten auf, wann man was erreichen will.
Durch diese Uhrzeiten hat man zwei entscheidende Vorteile: Zum einen weiß man jederzeit, ob man noch im Plan ist, ob man hinterherhinkt oder ob die Gruppe zu schnell ist, und kann entsprechend korrigierend eingreifen (Siehe nächster Teil der Serie). Zum anderen kann man auch Spielern, die Hunger kriegen, keine Cola mehr haben, jemanden begrüßen oder mal telefonieren müssen, exakt sagen, wann es eine Pause geben wird – wenn man diese schon in den Zeitplan eingebaut hat.
Die Lösung zum Zeitmanagement: Drop Ins und Cuts
Ein präziser Zeitplan, mit Sicherheitsreserven und allem Pipapo, ist schön, aber er verliert schnell an Nützlichkeit, wenn man ihn nicht einhalten kann.
Deshalb brauchen wir jetzt noch eine Möglichkeit, den Zeitplan und die tatsächlich vergangene Zeit im Ernstfall wieder in Einklang zu bringen. Da das Verdrehen der Realzeit dabei keine Option ist, müssen wir dafür wohl oder übel bei unserer Zeitplanung ansetzen
Ein guter Weg, um zeitlich flexibel zu werden, sind Drop Ins und Cuts. So nenne ich optionale Teile des Plots, die je nach Fortschreiten des Szenarios eingebaut oder gestrichen werden können.
Cuts
Cuts sind Schnitte. Hierbei werden Szenen oder Teilszenen, die man ursprünglich im Szenario geplant hatte, weggelassen.
Dies kann spontan passieren, wenn man merkt, daß es zeitlich etwas knapp wird. Auf diese Art sind schon ganze Dungeon-Ebenen plötzlich verschwunden ;-)
Der bessere Weg sind allerdings “Sollbruchstellen” im Szenario, an denen man sich schon im Vorfeld notieren kann, daß der Teil ausgelassen werden kann. Das hat den Vorteil, daß man weniger Logikbrüche erzeugt.
Ein Beispiel: Der Spielleiter merkt, daß die Spieler sehr langsam vorankommen. Deshalb schaut er sich spätere Sollbruchstellen an und findet in seinen Notizen die Leibwächter des Bösewichts mit der Tendenz, den Endkampf in die Länge zu ziehen.
Er macht diesen Cut, was dazu führt, daß er die Leibwächter von vornherein nicht ins Szenario einführt, statt sie am Ende kollektiv in Urlaub zu schicken.
Gute Cuts sind auch Reiseerlebnisse, wenn diese nicht unbedingt für das Szenario erforderlich sind, oder Zwischenstationen beim Verfolgen einer Spur.
Am besten überlegt sich der Spielleiter schon beim Schreiben des Szenarios, welche Teile des Plots für die Geschichte immanent wichtig sind, und welche er im Ernstfall weglassen kann.
Drop Ins
Wenn der Spielleiter feststellt, daß die Gruppe sich weit vor der Zeitleiste befindet und Gefahr läuft, ein zu einfaches Szenario zu schnell zu durchlaufen, ist es Zeit, einen Drop In einzusetzen.
Die einfachsten Drop-Ins sind Standard-Scharmützel (“Den Spielern geht’s zu gut, ich schick mal ‘ne Bande Orks vorbei”). Von diesen sollte der Spielleiter jedoch absehen, es sei denn, es passt zum Szenario. (Die Ork-Szene eignet sich beispielsweise nur, wenn die Charaktere eh auf Ork-Gebiet unterwegs sind und die Gefahr, daß das passiert, bewusst gegeben ist.)
Schöne Drop-Ins, die weniger auffallen, sind beispielsweise Türen, welche statt eines zu knackenden Schlosses (Standardversion) ein Rätsel (Fantasy) oder einen komplexen Hackvorgang (Science-Fiction) zum Öffnen benötigen.
Oder man ersetzt den direkten Weg zu einem Zeugen durch einen Umweg über einen anderen Zeugen, der den tatsächlichen Zeugen erst benennen muß (Detektivszenarien).
Hier ist wieder die Kreativität des Spielleiters gefragt. Die meisten Drop-Ins lassen sich im Vorfeld gut vorbereiten und an passender Stelle einfach in das Szenario integrieren.
Wer ein Gefühl für das Plazieren von Drop-Ins bekommen möchte, dem sei ein Blick in Shadowrun-Kaufabenteuer empfohlen, mit Augenmerk auf die “Daumenschrauben”. Diese folgen ausnahmslos auf dem Prinzip der Drop Ins.
Ein Tip am Rande: Wenn man für jede geplante Pause einen zeitlich passenden Drop-In zur Hand hat, kommt man selbst dann nicht aus dem Zeitplan, wenn die Spieler (weil man so gut leitet – oder weil es mitten in der Nacht ist) lieber weiterspielen möchten, als Pause zu machen.
Fazit
Ein solides Zeitmanagement ist die Basis für ein erfolgreiches Con-Abenteuer, da die Zeit auf Cons knapper bemessen ist und es für alle Beteiligten schlecht ist, das Zeitfenster zu überziehen.
Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Habt Ihr beim Leiten schonmal bewusst auf das Zeitmanagement im Spiel geachtet? Was habt Ihr als Spieler schon erlebt? Eure Meinungen und Erfahrungen interessieren mich.
Artikelbild: © Henning Lechner / © Annika Lewin
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