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Jeder, der schon mal eine Pen&Paper Runde geleitet hat, kennt das Problem. Man möchte eine neue Runde anfangen, oder einen neuen Abschnitt in einer bestehenden Runde beginnen  , und auf einmal merkt man, dass einem die zündende Idee fehlt. Es will sich einfach keine sinnvolle Idee einstellen, mit der man einen Abend, oder sogar eine ganze Kampagne füllen könnte. Und der Spieltermin rückt immer näher.

„Was tun?“, sprach Zeus.

Meist ist es ja so, dass man zu Anfang einer neuen Gruppe eine konkrete Vorstellung davon hat, wie zumindest der erste Abend ablaufen soll. Oder auch ein grobes Gerüst, wie die Kampagne ablaufen soll. Deshalb gehe ich auf diesen Punkt nun nicht allzu genau ein. Aber, da ein solches „grobes“ Gerüst nun mal zwangsläufig Lücken aufweist und ab dem ersten Abend, in Person der Spieler, einige unberechenbare Faktoren in die Planung eingehen, kann es schnell zu einem, sagen wir mal, „mentalen Stillstand“ beim Spielleiter kommen. Was also tun, wenn man ad hoc eine Idee braucht, mit der man die Spieler beschäftigen kann und vor allem eine an der alle Spaß haben?

Die erste und beste Möglichkeit, meiner Meinung nach, ist es auf Charakter-Hintergründe einzugehen. Im besten Falle sollte jeder der Spieler einen halbwegs ausgebauten Hintergrund voller Haken und Ösen bereit liegen haben und ein Spielleiter sollte diesen auch zumindest gelesen haben, oder in Kopie vor sich haben. Der Spielleiter sollte sich nun einen dieser Hintergründe ins Gedächtnis rufen und ihn ins Spiel einbringen.

So z.B. könnte ein neuer NSC auftauchen, eine Person aus der Vergangenheit eines Charakters. Durch einen Anruf, oder einen Brief, eine Mail, eine mentale Verbindung, oder durch den Fund eines Tagebuchs. Durch diesen Zwischenfall kann der Spielleiter mindestens einen Abend füllen, indem er den Spielern die Möglichkeit gibt, ihm nachzugehen. Ein, oder sogar mehrere Spieler, werden sich mit Sicherheit amüsieren. Es ist immer gut, die Ideen seiner Spieler mit in die Runde einzubringen. Wenn die Charaktere über den Zeitraum ihrer bisherigen Abenteuer eine freundschaftliche Beziehung zueinander aufgebaut haben, dann werden auch die anderen Spieler/Charaktere ihren Spaß daran haben seinen oder ihren Hintergrund auszuloten. Und da auch die anderen Charaktere Hintergründe haben, hat der Spielleiter immer ein Ass im Ärmel, um sie zu unterhalten.

Dabei macht es gar nichts, wenn dieser Teil der Geschichte vom Hauptplot abweicht, solange die Spieler Spaß haben. Ein kurzer Umweg hat noch keinem Abenteuer geschadet und solange man nach einem, oder zwei Abenden wieder zurück zum Hauptplot findet, wird sich auch kein Spieler beschweren. Natürlich ist es am Besten, wenn der Spielleiter den grade genutzten Hintergrund mit dem Hauptplot verbindet. Dieses kann auf diverse Weisen geschehen.

Man kann die klassischen „bösen NSCs“ auftauchen lassen, die dem Bekannten/Verwandten des Spieler-Charakters auf den Pelz rücken, da sie über ihn an den SC herankommen wollen. Sie entführen z.B. Mutter, Vater, Sohn, Tochter etc. Man kann den nahestehenden NSC über ein Artefakt stolpern lassen, das für den Plot wichtig ist, wonach dieser NSC die SCs verständigt.

Auch ist es möglich, zunächst einen anderen Kurs anzuschlagen, also einen Mini-Plot zu fahren, der scheinbar nichts mit dem Hauptplot zu tun hat, nur um später dann die Richtung zu wechseln und den Spielern eine Überraschung zu präsentieren.

Dies ist natürlich etwas aufwendiger als die vorherigen Ideen, kann aber sehr wirkungsvoll und vor allem spannend sein. Nehmen wir zum Beispiel einmal an, ein naher Verwandter eines der SCs fängt einen neuen Job an, oder geht auf eine neue, exklusive Privatschule. Da sollten Mutter und Vater, Tante, Onkel usw. doch zumindest drüber Bescheid wissen. Nun stellt sich aber heraus, das diese Institution dummerweise ausgerechnet dem Gegner der SCs gehört. Die möglichen Konsequenzen sind mannigfaltig. Ist das Glück des NSCs, das Risiko für den SCs wert?

In der Zeit zwischen dem ersten „Ausflug“ in den Nebenplot und dem nächsten Abend kann der SL die Geschichte in Ruhe ausarbeiten.

Natürlich gibt es noch mehr Möglichkeiten, Ideen für neue Geschichten zu bekommen. TV-Serien halten eine Menge bereit. Ebenso Comics und Elektronische Spiele. Natürlich sollte der Grundtenor nicht zu sehr vom bisherigen Verlauf der Runde abweichen, aber ein Abend voller Comic-Relief oder geprägt von purem Schrecken, kann einer Runde sogar neues Leben einhauchen, wenn sie einmal stagniert. Ein oder zwei Abende die gerade so weit vom „normalen“ Verlauf der Gruppe abweichen, dass sie Spaß machen, sind meist gern willkommen.

Warum nicht mal ein Left 4 Dead inspiriertes Szenario? Oder eines das sich an Eureka orientiert. Tomb-Raider kann ganz hervorragend als Vorlage für einen Abend voller klassischem Dungeon Crawl im modernen Gewand dienen.

Filme wie Tränen der Sonne, oder Quarantäne sind hervorragende Szenarien die man, je nach Grundszenario der Kampagne, wunderbar nutzen kann um die Gruppe vor eine neue Herausforderung zu stellen. Unerwartete Zwischenfälle sind auch immer gern gesehen und genommen.

Man stelle sich die Shadowrunner vor, die mitten im Gefecht auf den Straßen des Sprawls, plötzlich eine junge Frau in den Wehen in einem Hauseingang finden. Oder die Vampire, denen im Elysium eine Nachricht überbracht wird, das der Sohn eines Mitglieds ihres „Klüngels“ an Krebs erkrankt ist.

Das soll ganz einfach heißen: Macht etwas, womit kein Spieler rechnet.

Ein cleverer und geübter SL kann jedoch auch den Spielern das Heft in die Hand geben und ihren Ideen folgen, ohne dass sie merken, dass ihm die Ideen ausgegangen sind. Dies geschieht,  indem er ganz einfach die Wahl des „nächsten Schrittes“ den Charakteren überlässt. Meist haben Spieler eine recht gute Vorstellung davon, in welche Richtung sich eine Kampagne „ihrer Meinung nach“ entwickelt. Dass dies nicht unbedingt mit der Grundidee des Sls übereinstimmt, sollte klar sein. Aber, man kann dies sehr gut ausnutzen, indem man eben den Spielern einfach mal das Ruder übergibt und sie entscheiden lässt, wohin sich ihre Charaktere als nächstes begeben. Dass dies ohne hin der Fall sein sollte, ist auch klar, aber meist geschieht dies doch in gewisser Weise durch den SL gesteuert.

Diesmal nicht. Und der SL reagiert von nun an nur noch auf die Ansagen der Spieler und entwirft die Szenarien aus dem Moment heraus. Bindet NSCs ein, oder erfindet neue, um auf die Bedürfnisse der Spieler einzugehen. Das ist schwierig, aber kann auch sehr lohnenswert sein. In jedem Falle heißt es: „Kühlen Kopf bewahren.“

Einfach auch mal improvisieren. Wenn man einer Runde zu feste Strukturen aufprägt, dann verliert man um so schneller die Inspiration. Denn feste Strukturen unterbinden Kreativität.

Also, lasst den Dingen ihren Lauf. Viel Erfolg! Wie geht ihr vor, wenn ihr neue Ideen sucht?

Artikelbild: depositphotos | © lightsource

3 Kommentare

  1. Wie komme ich auf Ideen? Interessante Frage.
    Im Moment bastele ich an einer Kampagne für Unknown Armies in den 50igern. Als Einstimmung hatte ich mir einn Menge Filme angeschaut, die teilweise aus den 50ern sind (Vertigo, Meine Braut ist übersinnlich, Die Nacht des Jägers), teilweise in den 50igern spielen (Angel Heart, L.A. Confidential). Ich war von jedem der Filme so begeistert, dass ich jedes Szenario der Kampagne auf einen der Filme aufbauen werde. Dabei bediene ich mich entweder nur der Handlung, oder nur der Charaktere (so verhindere ich, dass jemand, der den Film kennt, sich langweilt). Das erste Szenario spielte jetzt in New Orleans, die Charaktere sind FBI-Agenten und wurden wegen des Mordes an einer jungen Voodoopriesterin gerufen. Sie treffen die Charaktere aus Angel Heart (Epiphany Proudfoot, Margaret und Ethan Krusemark), aber der Plot geht nicht um Harry Angel. Statt dessen habe ich nur eine gute Idee, wie sich die NSCs verhalten werden, wenn sie mit den Charakteren in die Handlung geworfen werden. Zusammen mit den Backgroundgeschichten der Charaktere (Furcht vor Untoten, Ausbildung als Paranormale Forscherin) habe ich zudem eine Vorstellung, was für Szenen die Spieler gerne sehen würden. Den Soundtrack des Films im Hintergrund spielelnd, mit diesen Randparametern „New Orleans in den 50igern“ googelnd (Handouts der Stadt, Bilder von Hotelzimmern, in denen Morde geschehen, Blues Music), hat sich so eine erste schöne Geschichte ergeben.
    Also Fazit: Inspiration aus Filmen/Comics/Bücher ziehen, sich aber zwingen nur einen Teil (NSC, Grundgeschichte, Pointe) zu verwenden. Klappt bei mir prima.

  2. Sehr inspirierend! :)
    Ich möchte auch gern bald meine erster Runde (DSA) meistern und Dank eurer Beschreibungen/Erläuterungen bin ich schon auf ein paar Ideen gekommen!
    Danke dafür und weiter so!

    Gruß,
    Pipo

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