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Dieser Artikel ist Teil 3 der Serie Emotionen im Rollenspiel.


Hass.

Eines der stärksten Worte, die wir für Abneigung gegenüber einem anderen Menschen oder Wesen haben. Wikipedia definiert ihn folgendermaßen:

„Hass ist eine menschliche Emotion scharfer und anhaltender Antipathie. Ausgehend von der Fähigkeit zu intensiven negativen Gefühlen wird der Begriff auch im übertragenen Sinne verwendet und steht allgemein für die stärkste Form der Abwendung, Verachtung und Abneigung. Als Gegenbegriff in vergleichbarer Gefühlstärke wird vor allem die Liebe angesehen.„

Wie alle Emotionen hat er seinen Platz in Literatur und Kultur. In Geschichten sowie in Filmen und Comics. Geschichtlich gesehen ist er neben der Liebe die Emotion aus der die meisten großen, bis weltumspannenden Konflikte entstanden. Und aus ihnen heraus entstand neuer Hass, den wir zum Teil noch heute spüren. Hass sitzt tief und kann nur sehr schwer besiegt und überwunden werden. Hat er sich einmal festgefressen, dann ist es ungemein schwierig seine Zähne wieder aus dem Fleisch der Seele zu reißen. Und wie dieses Bild schon andeutet, ist dieser Prozess auch oft mit Schmerzen verbunden. Denn sich Hass einzugestehen, sich dem eigenen Hass zu stellen und ihn zu akzeptieren und schließlich und endlich auch zu besiegen, ist ein langer und schmerzhafter Weg.

In der Literatur und somit zwangsläufig auch in vielen RPGs, die ja oft auf literarischen Vorbildern basieren, ist er jedoch sehr ambivalent dargestellt. Oft dient er dem Helden, neben einem unbändigen Verlangen nach Rache, als Triebfeder für seinen Kampf gegen den/die  Antagonisten. Wobei der Held am Ende jedoch immer eben jenen schmerzhaften Weg der Selbsterkenntnis gehen muss um nicht „zu enden wie sein Feind“, indem er seinem Hass nachgibt und diesen tötet – wie es die deutsche Rechtsprechung formuliert – „aus niederen Beweggründen“. Man erinnere sich nur an Lukes Kampf mit den Gefühlen, als er Vader gegenüber steht und sich zwingen muss dieses Monster nicht zu töten. Denn er hofft und „spürt“, das noch immer Gutes in dem Erzbösewicht, seinem Vater, steckt.

Die Sith, also Vader und jene die vor ihm kamen, nutzen Hass und starke Emotionen und Leidenschaft um ihre Verbindung mit der Macht zu stärken. Dabei geben sie sich immer mehr der „dunklen Seite“ hin und verkommen zu Wesen die nur noch wenig menschliche Züge aufweisen. Die Jedi wiederum unterdrücken ihre Gefühle, sehen sie als Schwäche und wirken oft kalt und gefühllos. Denn sie sehen jede Form von Leidenschaft als dem Willen anträglich, der die Macht beeinflussen soll und nicht umgekehrt. Gleichwohl sie die Helden der Geschichten rund um den ewigen Krieg zwischen den Sternen sind.

Ganz anders verhält es sich in den populären „Dragonball“ Mangas. Dort wird immer wieder davon geredet, das die Emotionen und grade Wut und Hass den „Sayajin“ die Kraft verleihen eine körperliche Veränderung herbeizuführen und ihre Gegner zu besiegen. Wer also den Gegner nicht genug hasst, der verliert. Punkt! Schon komisch, oder? Wo doch meist die Bösewichte aus Hass die Welt vernichten wollen, oder aus Habgier, oder aus Neid. Diese Emotionen sind nicht akzeptabel. Der Hass jedoch verleiht Macht.

Was können wir nun daraus und aus vielen, vielen anderen möglichen Beispielen für unsere RPG Runden lernen?

Zum Ersten, sollte die Motivation eines Charakters, egal ob es nun NSC Bösewicht, oder SC (Anti) Held ist, nie flach und unbedacht sein. Auch wenn es dem genretypischen Heldentum abträglich erscheinen mag, so ist ein Held der auszieht seine Familie zu rächen und dabei seinen Hass auf deren Mörder proklamiert keinesfalls langweilig oder gar Cliché. Solange ihr ihn nicht dazu verkommen lasst. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle anmerken, das ein paar absichtlich eingeflochtene Clichés nicht schaden können, aber dazu komme ich weiter Unten noch einmal.

Ein hasserfüllter Charakter kann einen wunderbaren Antihelden abgeben. Ein Mensch der von seiner Trauer und seinem Zorn so zerfressen wurde, das ihn nur noch eines vorantreibt: „Die zu vernichten die ihm (hier Gräueltat einfügen) antaten.“

Ein Beispiel aus der Literatur: Moby Dick und Kapitän Ahab. Der Kapitän ist, zerfressen von Rachedurst und Hass, bereit bis zum Äussersten zu gehen, um den Wal zu töten, der ihm sein Bein abgerissen hat – ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei bringt er nicht nur sich selbst in Gefahr sondern auch seine Mannschaft. Am Ende wird der Walfänger zerstört und die Mannschaft getötet, es gibt nur einen Überlebenden (und es ist nicht Kapitän Ahab). So hat der Hass letztendlich nicht nur Kapitän Ahab sondern auch seine Mannschaft getötet.

Auch Conans weltberühmtes Zitat ist hier beispielhaft. Conan wird einmal gefragt: „Conan was ist das beste Leben?“
Daraufhin antwortet Conan: „Zu kämpfen mit dem Feind, ihn zu verfolgen und zu vernichten, und sich erfreuen am Geschrei der Weiber“.
Sein Leben war vom Hass auf seine Feinde bestimmt, dennoch war/ist er ein Held.

Aber, wie bei so vielen Figuren die ihr Leben dem Hass und dem Kampf widmen, leidet auch er letztendlich am Verlust der Motivation. Denn als er das höchste aller Ziele erreicht hat und König von Hyborea ist, erliegt er beinahe der Langeweile. Zwar bedrängt ihn eine Vielzahl von Feinden, doch muss er sich diesen nun auf dem politischen Schlachtfeld stellen und nicht mit der Axt in der Hand.

So, oder ähnlich, kann es auch einem RPG Helden ergehen, der schlussendlich seine Aufgabe erfüllt sieht und nun ohne Feindbild dasteht. Was soll er nun tun?

Aber eben auch der Weg dorthin kann zu wunderbar intensivem Charakterspiel führen, wenn sich Spielleiter und Spieler darauf einlassen. Was ist denn, wenn den Charakter der Hass übermannt?
In White Wolfs „Werewolf the Apocalypse“ ist es die sogenannte „Rage“, oder im Deutschen der „Zorn“, der den Gestaltwandlern ihre Kraft verleiht. Wobei diese eher auch ein tief empfundener Hass auf alles ist was Mutter Gaia schadet.  Er ist für sie zugleich Segen sowie Fluch. Denn in den Fängen der Rage können sie sehr leicht die Kontrolle verlieren und jene angreifen, die sie eigentlich schützen wollten. Was passiert also, wie reagiert der Charakter und wie reagieren seine Freunde, insbesondere die Gruppe, wenn ein solcher Kontrollverlust durch den Hass eine verstümmelte Leiche zurück lässt, wo eben noch ein guter Freund stand?

Dies kann nicht nur Werwölfen passieren. Ein Charakter, der es sich z.B. auf die Fahne geschrieben hat, all jene zu vernichten die mit einer gewissen Person zu tun hatten, wird schwer geprüft werden, wenn sich herausstellt, dass sein bester Freund oder ein naher Verwandter eben zu diesem illustren Personenkreis gehört. Der Konflikt der Gefühle macht hier den Spaß am Spiel und die Spannung aus. Eine Emotion bedingt immer eine andere. Je nach Situation.  Aus Trauer kann sehr schnell Wut und Hass entstehen, aus ihm wiederum sehr schnell neue Trauer und Verzweiflung.
Dunkle Emotionen sind im Spiel eh ein zweischneidiges Schwert. Hass kann einerseits wie Feuer brennen und auch kalt wie Eis sein. Er kann motivieren oder lähmen. Je nachdem wie die Situation es erfordert, kann der Spielleiter auch die Gefühle des Charakters durch die Umstände manipulieren und so gutes Rollenspiel zu wahrhaft epischen Ausmaßen führen.

Natürlich dürfen wir auch die NSCs nicht außer acht lassen. Hier gibt es diverse Varianten, in denen man Hass einsetzen und auftreten lassen kann. Hass kann ganze Bevölkerungsgruppen dazu aufstacheln andere zu jagen und zu töten. Ein geschickter Diktator kann leider sein Volk sehr schnell zu schlimmen Taten führen. Ebenso wie Prediger und Priester. Wir brauchen nur die Nachrichten einzuschalten und sehen täglich Beispiele dafür. Die Geschichte der „Brot-Aufstände“ und anderer Konflikte in den Staaten Afrikas und des nahen Ostens in den letzten Monaten und Jahren zeigt sehr deutlich was passieren kann – in jedem nur denkbaren Extrem.
 
Eine Runde innerhalb eines solchen Konfliktgebietes, oder eines fiktiven mit ähnlichen Voraussetzungen, birgt sehr viel Potential für spannendes und gutes Spiel. So man denn gewillt ist sich darauf einzulassen, denn eine solche Geschichte ist nicht leicht erzählt und bedarf sehr viel Mut und auch Diskretion. Der klassische Bösewicht, der aus purer Machtgier das Ende der Welt riskiert ist ein Cliché das es zu vermeiden gilt. Es sei denn es wird um seiner selbst willen eingesetzt. Ein Bösewicht, der jedoch aus einer verständlichen Motivation heraus Hass entwickelte, ist da eine ganz andere Sache. Was wäre denn z.B., wenn auch seine Familie von jemandem aus dem Volk der/des Helden getötet worden wäre? Oder entführt? Man nehme nur einmal den Trojanischen Krieg. Für die einen war Achilles ein Held, für die anderen ein Kriegsverbrecher. Und das alles wegen einer Frau.  Es ist eben immer eine Frage des Standpunktes.  Und so ist es eben auch der Hass, der immer einen gewissen Standpunkt als feste Basis benötigt, damit er seitens Charakter oder NSC als glaubwürdige Motivation herhalten kann.

Natürlich mag uns Hass oft sinnlos und grausam erscheinen, aber das ist er meist nur so lange wie man nicht auf seine Vergangenheit schaut. Sei er nun religiös motiviert, oder persönlicher Natur, politisch oder einfach nur auf eine Sache gerichtet. Solange man sich nicht mit ihm auseinander setzt wird er immer unverständlich und unbesiegbar bleiben. Dies gilt im Rollenspiel sowie im echten Leben. Und oft hilft uns das Rollenspiel auch, das echte Leben etwas anders zu sehen und für eben dieses etwas zu lernen.

In diesem Sinne, keep Gaming!

Artikelbild: © manooze auf sxc.hu 

6 Kommentare

  1. Schöner Artikel!
    Grade diese Zweischneidigkeit von Hass ist es, was dieses Gefühl so interessant macht. Moby Dick und Kapitän Ahab sind da ein gutes Beispiel. Leider bestand das Ausspielen des Hasses in meinen Runden bisher daraus, dass der Charakter blind vor Hass und Wut sofort auf das Objekt des Hasses losging, sobald es die Bildfläche betrat, was ich immer etwas plump (und bisweilen auch anstrengend) fand.

  2. Moby Dick und Kapitän ahab sind da glaube ich wirklich das beste Beispiel, da muss ich dir zustimmen ;) Die Blindheit vor Hass und Wut die du beschreibst kenne ich nur zu gut und auch ich empfinde das als sehr anstrengend…Aber auch abseits der Spielrunden finde ich die „Auslebung“ von Hass bisweilen sehr wenig elegant…

  3. Schön, dass euch der Artikel gefällt. :)
    Und ja, die „Auslebung“ von Hass kann leider im Grunde nur „wenig elegant“ sein. Finde ich.
    Man bedenke nur die Schlagzeilen der letzten Wochen, bezügl. eines gewissen Dreiergespanns. Schlimm…
    Am Tisch jedoch bietet sich uns aber die Möglichkeit, zu reflektieren und vielleicht sogar etwas Gutes draus zu machen.
    Zumindest im Sinne von Spannung und „Spaß am Spiel“.
    Dazu gehört eben auch, das man darüber nachdenkt, was Gefühle jedweder Art so hervorrufen können.
    Wenn sie hochkochen, dann geraten die banalsten Diskussionen aus den Fugen und man sagt und tut Dinge, die man später bereut.
    Selbstreflexion und auch mal die Einname der Position des Gegenübers, so gedanklich möglich, können da helfen.
    Hihihi, irgendwie kling ich grad wie n „Eheberater“ XD

  4. Kompliment, der Artikel ist sehr gut geschrieben und du hast wirklich schöne Beispiele gefunden.

    Ich denke Hass und Rache sind im Rollenspiel sehr interessante Emotionen und ich finde es immer wieder sehr Reizvoll die dadurch entstehenden Konflikte des Charakters mit sich selbst und auch mit der Gruppe auszuspielen – schließlich hassen selten alle Charaktere das Selbe. Ich liebe aber auch Cli­chés, gerade bei Bösewichten. Dadurch wird Hass bei Spielercharakteren relativiert, da es in der Literatur und im Film eben in Ordnung ist, wenn man die „Bösen“ aus Rache tötet. Hier gibt es haufenweise Beispiele:

    – Spiel mir das Lied vom Tod
    – Der Pakt der Wölfe
    – Zorro

    Daher mag ich wohl auch 7th Sea ;-)

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