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Justifiers ist ein Abenteuerspiel, basierend auf einem alten Rollenspiel, das von Markus Heitz neu aufgelegt und überarbeitet wurde. Das Spiel und die Regeln sind absichtlich einfach gehalten und es wendet sich meiner Meinung nach auch klar an Einsteiger ins Rollenspiel (was nicht heißen soll, dass alte Hasen keinen Spaß an diesem Spiel haben können!) – unter dem Gesichtspunkt möchte ich es auch bewerten.

Erscheinungsbild

Das Buch ist ein Hardcover in einem handlichen Format. Das Papier glänzt leicht und macht einen guten Eindruck. Der Druck ist durchgängig farbig und sogar ein Lesebändchen ist vorhanden. Der Text ist ausreichend groß und gut lesbar.

Am Rand stehen auf vielen Seiten kleine Infoboxen, die nochmal kurz mit ein wenig weiterführendem Text bestimmte Abschnitte, Regeln etc. erläutern – in der Regel fand ich diese Infoboxen recht hilfreich.

Die Illustrationen sind hübsch und comicartig gehalten, aber leider gibt es relativ wenig davon. An manchen Stellen gibt es seitenlang keine einzige Illustration, dafür regelrechte Textwände. Schade.
Es gibt ein kurzes Inhaltsverzeichnis, welches das Buch nach den einzelnen Abschnitten gliedert, einen Index gibt es nicht.
Neben dem Grundregelwerk gibt es noch eine Erweiterung (Mystery) und zwei Kartendecks (die man nicht zwingend braucht), die das Grundregelwerk ganz gut ergänzen, weil sie unter anderem Ausrüstungsgegenstände, Fähigkeiten, Erweiterungen des SpaceShuttles etc. enthalten und man sie sich so nicht immer notieren oder im Buch blättern muss.
Eine Vorgeschichte und eine Zeitübersicht, was die Jahre bis zur Gegenwart passiert ist, geben einen ganz guten Überblick und ein ungefähres Gefühl, in was für einer Welt man sich befindet.

Ganz hinten findet man die Charakterbögen, die Ausrüstungskarten, Zonenreferenzblätter etc. die man sich bei Bedarf rauskopieren kann. Ansonsten gibt’s die Sachen auch als Download auf der Seite www.justifiers-spiele.de. Auch ein Anfangsabenteuer ist im Buch enthalten.

Die harten Fakten:

  • Gebundene Ausgabe: 311 Seiten, Hardcover
  • Format: 24,2 x 17 x 2,2 cm
  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3868890718
  • ISBN-13: 978-3868890716
  • Preis: 29,95 EUR
  • Bezugsquellen: Amazon oder www.f-shop.de

Die Spielwelt

Justifiers spielt im Jahr 3042. Die Erde ist ein karger, hässlicher Planet geworden, die Ozeane sind nahezu ausgetrocknet und nur jemand, der kein Geld für einen Neuanfang in einer der Kolonien hat, lebt weiter auf der Erde. Die Menschheit hat es geschafft die sog. TransMatt Technologie zu entwickeln, mit deren Hilfe Sprünge zu weit entfernten Planeten möglich sind. Die Menschen haben Kolonien auf allen möglichen Planeten gebildet, doch nur diejenigen mit genug Geld kommen dort hin, denn ein Sprung auf einen anderen Planeten kann sich nicht jeder leisten.
Konzerne sind mächtige Institutionen, die sich mit Geld und Macht die Regierungen vom Hals halten und sie beeinflussen. Konzernkriege und Übernahmeversuche haben die Welt beeinflusst und bewirkt, dass sich zahlreiche kleine und große Konzerne gebildet haben.

Auf der Erde wohnen die Menschen meist in sog. Global Cities – riesige Städte, die sich über mehrere hundert Kilometer in der Breite und oftmals mehrere Kilometer Höhe ausdehnen. Keine der Städte hat weniger als 100 Mio. Einwohner und sie gelten als eigenes Territorium, was bedeutet dass jede Stadt einen eigenen Status besitzt, was die Rechtssprechung angeht. Jede Stadt ist also ein eigener Staat für sich.

Man selbst spielt in dieser Welt einen „Beta“ – ein Mischwesen aus Mensch und Tier. Es gibt unterschiedliche Mischformen (Katzen, Affen, Eisbären etc.) und Konzerne züchten Betas, um sie auf gefährliche Missionen auf noch unerforschte Planeten zu schicken, damit sie sich dort umsehen, die Ressourcen erforschen und dem Konzern sagen, ob es sich lohnt, sich dort niederzulassen. Eine Art Spähtrupp also. Als Beta verdankt man sein Leben dem Konzern – man ist das Eigentum des Konzerns. Deswegen MUSS man auch für ihn arbeiten. Wer versucht sich abzusetzen, wird getötet. Wenn man allerdings lange genug für den Konzern gearbeitet und genug Toi (die Währung) verdient hat, kann man sich freikaufen. Die Höhe des Betrags, den man benötigt, um sich freizukaufen variiert von Beta zu Beta (richtet sich nach der Rasse). Umgangssprachlich wird dieser Betrag auch Buyback genannt. Ein Beta, der im Auftrag des Konzerns unterwegs ist nennt man Justifier.

Im Grundregelwerk wird nur ein Konzern genauer beschrieben – Gauss – und genau für diesen Konzern arbeitet man auch.

Ausser Menschen und Betas existieren auch noch andere ausserirdische Wesen, die ich hier jetzt aber nicht genauer beleuchten möchte, da sie im Spiel erstmal keine große Rolle einnehmen (zumindest nicht im Grundregelwerk).

An sich bietet die Welt in „Justifiers“ keine überraschend neue Zukunftsvision, aber sie ist durchdacht und wirkt dadurch glaubwürdig.

Die Regeln

Gewürfelt wird immer mit W6, wobei nur 5 und 6 Erfolge sind. Gewürfelt wird mit der Anzahl Würfel aus Attribut oder Attribut + Fertigkeit, die für die Probe genannt wurden. Der Erfolgsgrad (= die Anzahl der benötigten Erfolge) ist im Abenteuer festgelegt. Bestimmte Ausrüstung, Fähigkeiten oder widrige Umständen können positive als auch negative Modifikatoren hervorrufen.
Sollte man eine Probe nicht schaffen, kann man noch einen oder mehrere Schicksalspunkte einsetzen, um eine besondere Eigenschaft oder Ausrüstung zu aktivieren, zwei Würfel neu zu werfen oder sich im Falle eines Knock-outs wieder auf die Beine zu bringen.

Das System unterscheidet 4 Herausforderungsarten: Standardherausforderung (ein Spieler, es gibt nur Erfolg oder Misserfolg), Stufenherausforderung (ein Spieler, hier gibt es Teilerfolge, die sich nach Erfolgsanzahl richten), Sammelherausforderung (mehrere Spieler müssen über eine bestimmte Anzahl an Würfelwürfen eine bestimmte Anzahl Erfolge erzielen, es gibt nur Erfolg oder Misserfolg) und die Sammelstufenherausforderung (eine Kombination aus Stufenherausforderung und Sammelherausforderung).

Eine Mission läuft immer nach dem gleichen Schema ab: als erstes kommt das Briefing, während dem die Justifier erfahren, wohin die Reise geht und was sie dort erwartet. Nach dem Briefing können die Spieler noch entscheiden, ob sie andere Ausrüstung brauchen, was durchaus Sinn macht, wenn sie z. B. Wüstentarnkleidung haben, aber auf einen Eisplaneten geschickt werden. Neue Ausrüstung kauft man für AP oder man tauscht alte Ausrüstung gegen neue – man bekommt AP gutgeschrieben in Höhe des Wertes der alten Ausrüstung.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Ausrüsten des Shuttles. Das geschieht über die sog. Teampunkte. Für die Teampunkte kauft man sich z.B. Landfahrzeuge zur Erkundung des Planeten, Waffensysteme, verschiedene Antriebstypen etc. – dabei sollte man immer im Blick halten, wie die Umstände auf dem Planeten sind, den es zu erkunden gilt.

Sind Justifiers und Shuttle ausgerüstet geht es durch das TransMatt Portal zum Planeten. Dort angekommen folgt die Orbitalexploration, während der man den Planeten scannt um Infos zu erhalten: gibt es Leben? Wieviele Monde hat der Planet? Wie ist die Vegetation? Ist der Planet vielleicht schon von einem anderen Konzern besetzt?. Der Scan ist eine Sammelstufen- herausforderung, meist aus Geist + Computer, Geist + Wissen oder Seele + Wahrnehmung – es gibt also mehrere Wege. Der Scan ist eine sog. getarnte Herausforderung, der Spielleiter erzählt den Spielern also nicht, ob es noch ein besseres Ergebnis gegeben hätte.

Durch den Scan erhält man eine grobe Planetenkarte, in der die verschiedenen Zonen eingezeichnet sind und man sich eine Zone zum Landen aussuchen sollte.

Eventuell wird die Gruppe noch in einen Raumkampf verwickelt, das steht aber (wenn es der Fall ist) im Abenteuer.

Auf dem Planeten gelandet beginnt mit dem Aufbau des TransMatt Portals für die Justifiers die Uhr zu ticken: sie haben solange Zeit, den Planeten zu erkunden, bis die Nachschubtruppen des Konzerns durch das Portal kommen – was lange dauern kann. Die Erkundung eines Planeten ist eine langwierige Sache, deswegen wird in Justifiers auch in längeren Zeitspannen gerechnet (außer im Abenteuermodus, dazu kommen wir später).

Die Zeit (= die Missionsrunden) ist von Abenteuer zu Abenteuer unterschiedlich und hängt auch von der Anzahl der Justifiers ab. Alles, was die Justifier während dieser Zeit entdecken, wird ihrem Buyback gutgeschrieben – sobald die Zeit abgelaufen ist, heißt es für sie: ab nach Hause.

Während der Missionsrunden hat man die Wahl, was man tun möchte: erkunden, reparieren, Laboruntersuchungen, erholen, Freizeit, Trainingspause, nichts tun oder Zonenwechsel. Während dieser Tätigkeiten erkundet man entweder seine Umgebung, gewinnt Erkenntnisse oder regeneriert verlorene Ausdauer etc.

Möchte man ein Erkundungsziel besuchen, müssen alle mit und das Spiel wechselt in den Abenteuermodus. Während so einem Besuch können verschiedenste Dinge passieren (Kämpfe, Kontakt mit einer heimischen Rasse etc.), diese Ereignisse sind im Abenteuer beschrieben.

Während der Missionsrunden sammelt man Missionspunkte, die bestimmen, wie viele AP und Teamkarten die Justifiers erhalten und wie stark ihr Buyback sinkt. Das Teamkarten-Deck besteht aus allgemeinen Teamkarten, Konzern-Teamkarten und Missonsteamkarten und wird am Anfang in einem Stapel verdeckt auf den Tisch gelegt. Der Startspieler deckt die oberste Karte auf und diese Karte kann nun jederzeit eingesetzt werden. Für jeweils 10 Missionspunkte kann das Team eine neue Karte ziehen. Durch diese Karten erhält das Team z.B. Sonderboni in bestimmten Situationen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Ähnlich wie beim Spielleiter: ist man neu im Sektor Rollenspiel, bietet Justifiers einem einen leichten Einstieg durch die kurzen Regeln und der Übersichtlichkeit im Allgemeinen. Man wird nicht von hunderten von Rassen, Klassen, Fähigkeiten etc. erschlagen, was manch einen Anfänger vielleicht überfordert.

Ist man schon länger Rollenspieler, könnte einem das System vielleicht ein wenig zu „einfach“ und die Auswahl bei der Charaktererschaffung zu übersichtlich sein. Letztendlich ist Jusitifers aber in meinen Augen klar auf Rollenspielanfänger ausgerichtet und diesen Zweck erfüllt das System auch.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Große Vorbereitungszeit für den Spielleiter fällt in Justifiers flach. Klar, man sollte sich die Regeln durchgelesen haben und auch das Abenteuer, damit man einen Überblick hat. Aber im Grunde ist alles, was man für einen Spielabend braucht in dem Buch enthalten. Die Begegnungen / Etappenziele stehen mit „Stimmungstext“ und einer Erläuterung im Abenteuer, so dass man als Spielleiter quasi nur ablesen muss, wenn man das möchte. Da liegt vielleicht auch der Haken: für manch einen Spielleiter hat das vielleicht den bitteren Beigeschmack von Railroading, da die Spieler wie an einem roten Faden von a nach b gelotst werden. Ich denke aber auch, dass es gerade für RP-Anfänger eine große Erleichterung ist, wenn sie wissen, was sie tun sollen.

Man erhält am Anfang des Regelwerkes einen zwar kurzen, aber soliden Eindruck von der Welt, in der Justifiers spielt und kann darauf etwas aufbauen. Mit mehr sollte man aber (zumindest im Grundregelwerk) nicht rechnen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für knapp 30 Euro erhält man ein hochwertiges Buch plus Startabenteuer. Ob man sich jetzt die Karten (das Justifierdeck und das Erzählerdeck) kaufen muss, bleibt jedem selbst überlassen, es geht aber auch ohne. Das Buch beinhaltet alles, was man für das Spiel benötigt. Ich persönlich fand die Seiten manchmal doch sehr textlastig und wenig abwechslungsreich gestaltet.

Spielbericht

Ein Spielbericht folgt, sobald wir die Möglichkeit hatten, ein Testspiel zu machen. Sollten sich daraus Änderungen in der Wertung ergeben, werden wir diese nachtragen.

Bonus/Downloadcontent

Zu Justifiers gibt’s jede Menge Downloadcontent. Charakterbögen, Zonenreferenzblätter oder Planetenkarten etc. In dem PDF-Magazin „JUSTNews“ findet man zum Beispiel neue Betaklassen, Kurzgeschichten, neue Ausrüstungsgegenstände und und und… Downloadcontent gibt es also jede Menge, alles zu finden unter Downloads auf www.justifiers-spiele.de.

Fazit

Um einen Einstieg ins Rollenspiel zu finden, eignet sich Justifiers meiner Meinung nach ganz gut. Ich verstehe es als eine Mischung zwischen Brett- und Rollenspiel. Das Startabenteuer wird mit einer Spielzeit von ca. 3 Stunden angegeben, ist also durchaus an einem Abend schaffbar. Viel Charakterdarstellung gibt es wohl nicht, aber als Anfänger muss man damit ja sowieso erstmal warm werden. Die Regeln sind einfach zu lernen und als Spielleiter muss man sich keine großen Gedanken über das Abenteuer machen, da im Buch bereits alles beschrieben ist (man kann es natürlich noch ausführlicher beschreiben, wenn man möchte).

Das Buch ist gut verarbeitet, gut lesbar und hat Infoboxen am Rand, jedoch wenig Illustrationen. Die Spielwelt leider nicht wirklich neu, aber gut durchdacht und nachvollziehbar. Die leichten Regeln erzeugen durch Unübersichtlichkeit etwas Wirrwarr beim Leser. Leider sind die Charakterauswahlen recht begrenzt, das wird aber für Neulinge gut sein. Einen Charakter baut man schnell. Ein SL muss sich nicht lange vorbereiten, alles ist im Buch enthalten, was nötig ist. Leider verlaufen Geschichten etwas railroadig. Preislich befinden wir uns vollkommen im Rahmen.

Daumen4weiblich

 Zeichnung: Che Rossié, © Ulisses Spiele

4 Kommentare

  1. Da ich auf der Seite gerade nicht kommentieren kann (Browser bleibt hängen, gestern wie heute):

    Wen das Universum um „Justifiers“ interessiert, dem kann ich nur Heitz´“Collectors“ empfehlen.
    Hier liest man sehr schön, wohin sich die Menschheit in dieser Welt entwickelt hat. Wie Konzerne arbeiten. Was das Leben auf einer Kolonie bedeutet. Wohin die Religion gegangen ist (und welche Institutionen sie hervorgebracht hat).

    Die „Beta Humanoide“, oder kurz „Betas“, spielen hier nur eine untergeordnete Rolle als Teile der menschlichen Streitkräfte.

    Das ist auch, was mich an „Justifiers“ ein wenig stört, auch wenn „stören“ das falsche Wort ist. Man hat, wenn man durch „Collectors“ zu „Justifiers“ kam den Wunsch vieles zu spielen. Vom Piloten über den Konzernagenten bis hin zum Teil der religiösen Streitkräfte oder dem normalen Soldaten. Aber genau darum geht es dann, primär, in „Justifiers“ leider nicht.Das System bietet den Fokus auf einen Teilaspekt der, zumindest mir persönlich, etwas schal schmeckte wenn man vorher das „große Ganze“ riechen durfte. Eben mehr als nur den Teilaspekt der Betas und ihrer Arbeit.

    Wer ein Universum mag, in dem die Galaxie noch leer, dunkel und „weit“ ist, dem wird das Setting gefallen. Es ist etwas anderes als die bekannten Welten wie „Star Trek“, „Star Wars“, „Stargate“, „Andromeda“ und wie sie alle heissen, wo hinter jeder Ecke ein bewohnter Planet steckt und wo überall bekannte Außerirdische herfliegen.

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