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Auf der SPIEL 2011 in Essen wurde ich am Stand von BoxNinja auf zwei interessante Spiele aufmerksam gemacht. Erzählspiele, abseits der ausgetretenen Pfade konventioneller Rollenspiele, aber auch Rollenspiel-lastiger als einfache Partyspiele.

Hell4Leather ist das erste dieser beiden Spiele, empfohlen vom Standpersonal als „perfektes Spiel für die Nacht vor Halloween“, und eine interessante Mischung zwischen Rollen- und Partyspiel.

Erscheinungsbild

Die hier getestete Printversion des Spieles besteht aus einem doppelseitig bedruckten Poster, welches Regeln, Story und alle weiteren Infos enthält.

  • Spieler: 3-6, kein Spielleiter
  • Alter:  15+ (offiziell)
  • Spieldauer: 2-4 Stunden (offiziell)
  • Format: Doppelseitig farbig bedrucktes Poster
  • Preis: 6,66 Pfund (Print), 2,90 EUR (pdf)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

Die Spielwelt

Es gibt keine Spielwelt im ursprünglichen Sinne. Das Spiel bedient sich des Motives „Gerecht empfundene Rache“, bekannt vor allem durch Filme wie „The Crow“, „Punisher“ oder „Kill Bill“.

Das Setting lässt sich frei auswählen, vorgeschlagenes Standardsetting ist der Kampf gegen eine Biker-Gang in Amerika, mit leichten übernatürlichen Einflüssen. Daher auch der Titel Hell4Leather.

Die Regeln

Zunächst: Zum Spielen benötigt man zusätzlich zu den Regeln noch ein Tarot-Spiel. Wenn keines vorhanden ist, kann auch ein 52-Blatt-Kartenspiel benutzt werden, dann muss allerdings jedesmal diemitgelieferte Übersetzungstabelle konsultiert werden.

Das Spiel arbeitet komplett narrativ. Immer ein Spieler ist der Erzähler, der den Weg des Helden erzählt. Der Start-Erzähler wird durch Karten ausgelost und portraitiert den Helden. Ein weiterer Spieler (ebenfalls zufällig) unterbricht ihn zum richtigen Zeitpunkt, übernimmt und schildert den dramatischen Wendepunkt, der den Helden zum Helden macht. Der nächste Spieler erzählt die Wiederauferstehung, und so weiter.

Die jeweiligen Nebencharaktere werden komplett zufällig bestimmt und von den Mitspielern kontrolliert. Diese haben besondere Eigenschaften, mit denen sie dem Helden das Leben schwermachen. Die Spieler unterbrechen den Erzähler, indem sie ihre Karte ausspielen und ihren Teil zur Geschichte beitragen. In den meisten Szenen versucht der Held, einen der Gegenspieler auszuschalten, während dieser versucht, mit Hilfe seiner Gaben zu überleben.

Die Szenenfolge wird gesteuert von den großen Arkana (oder den Bildkarten und der Übersetzungstabelle), bis das Schicksal des Helden und der Bösen Buben entschieden ist.

 Das Ganze hat Ähnlichkeiten zum Living-Cities-Konzept, auch wenn es wesentlich restriktiver ist und der Hauptcharakter abwechselnd von allen Spielern gesteuert wird.

Charaktererschaffung

Das Spiel arbeitet ausschließlich mit den vorgefertigten Charakteren. Eine Charaktererschaffung ist weder vorgesehen, noch würde sie Sinn machen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Hell4Leather betreibt genau das, was Storytelling-Evangelisten seit Jahrzehnten predigen: Das gemeinsame Erzählen einer Geschichte. So gleich die Grundstruktur der Handlung auch sein mag, die daraus resultierenden Geschichten sind jedes Mal einzigartig. Das komplette Setting wird während des Spiels von allen Mitspielern ausgearbeitet, jeder kann sich einbringen.

Die Regeln sind schnell und unkompliziert. An das Tarot-Deck muss man sich gewöhnen, etwas grundlegend Neues ist das aber nicht – und es trägt hervorragend zur Gesamtstimmung bei.

Da die Grundstruktur der Szenen vorgegeben ist, basiert die Erzählung stark auf Railroading.

Auch die Spielzeit ist überschaubar, mit ca. zwei Stunden für eine Geschichte liegt sie eher in der Kategorie von Brettspielen. Ein weiterer Punkt, der es – im Guten, wie im Schlechten – als Partyspiel auszeichnet. Längere Geschichten sind schlichtweg schwer bis unmöglich, Kampagnen sind nicht vorgesehen. Für langfristiges Rollenspiel ist Hell4Leather also nichts – aber dafür ist es ja auch überhaupt nicht gedacht.

Noch ein kleiner Wermutstropfen für Spieler, die sich zurücklehnen und den Meister erzählen lassen möchten: Dieses Spiel ist definitiv nicht für Euch geeignet.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Es gibt keinen Spielleiter.

Preis-/Leistungsverhältnis

Auch wenn es nicht zum Kampagnenspiel geeignet ist, bietet Hell4Leather durchaus Wiederspielwert, da die Geschichten kartengesteuert sind und schon allein deshalb nie gleich verlaufen. Insofern ist der Preis von 6,66 Pfund für die Posterausgabe, bzw. 2,50 Pfund für die PDF-Version, durchaus angemessen für potentiell mehr als einen unterhaltsamen Abend.

Download/Bonuscontent

Das Spiel kann in etwas anderer Aufmachung auch bei DTRPG für 2,90 EUR erworben werden. Das zwölfseitige PDF enthält das Spiel netterweise nicht in Posterform, sondern aufgeteilt nach Szenen (und ist auch nicht Teil dieser Rezension).

Fazit

Hell4Leather ist ein astreines Partyspiel. Es ist jedoch nicht geeignet für Kampagnen. Auf die komplette Wiedergabe der einfachen Regeln habe ich bewusst verzichtet, da ich BoxNinja sicher keinen Gefallen tue, wenn die Leser das Spiel nicht mehr kaufen müssen.

Für Spieler, die sich schon immer mal mit dem Living Cities-Konzept auseinandersetzen wollten, sich aber nicht trauen, das in ihrer regulären Runde auszuprobieren, findet sich hier vielleicht ein schönes Übungsobjekt, denn das Prinzip ist ähnlich, wenn auch restriktiver. Eine Beschreibung des Konzeptes von LivingCities findet sich hier. 

Artikelbild: © BoxNinja

7 Kommentare

  1. Hm, klingt recht seicht. Aber so ganz klar, wie das funktionieren soll ist mir nicht. man erzählt halt nach irgendeiner kartenbasierten Reihenfolge vor sich hin. Und wie spielen die Regeln da mit rein? Regeln die irgendwas außer den zufälligen NSCs und der Erzählreihenfolge? Wie wird die Stimmung der Settingvorgabe transportiert?

  2. Hell 4 Leather ist eine Art von „Erzählspiel“, die davon lebt, dass man die Richtung des Plots nicht aktiv steuert (die wird durch Zufallselemente stärker beeinflusst als durch die Entscheidungen der Spieler), sondern man stattdessen Spaß daran hat den Charakter auszuspielen und ihn innerhalb der Szene agieren zu lassen.

    Anders gesagt: Hell 4 Leather lebt von der Schauspielfreude und dem Gespür für erzählerisches Style und Flair der Spieler.

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