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Seit einigen Wochen habe ich das neue Quellenbuch für Shadowrun über den Rhein-Ruhr-Megaplex auf meinem Schreibtisch liegen und habe sehr interessiert gelesen, wie der wohl ballungsdichteste Raum Deutschlands im Jahre 2073 aussieht.

Vorweg möchte ich sagen, dass ich sehr angetan bin von diesem Machwerk und die Qualität beachtenswert finde.

Erscheinungsbild

Das Quellenbuch über den Rhein-Ruhr-Megaplex (anfolgend RRP) hat stattliche 200 Seiten und wird im Hardcover ausgeliefert. Das Frontcover von Ralf Beszuck besticht durch den mittlerweile bekannten Shadowrun-Art-Stil und zeigt eine Elfe Nase an Nase mit einem Ork. Ihr Blick deutet keine Feindschaft an, mehr innige Vertrautheit. Bereits hier kriegen wir einen Vorgeschmack auf die Multi-Kulti Struktur des Potts.

Artwork findet wir auch im Inneren. Seien es nun Zierrahmen oder auch gezeichnete Szenen, wie auch Charaktere, alle passen stimmig ins Gesamtwerk des Quellenbuches. Der Druck ist sauber, jedoch in mittlerem Grau gehalten. Ich weiß, dass das oftmals bei Shadowrun Büchern so ist, bemängele es immer wieder, so auch hier. Ich würde ein dunkleres Grau oder echtes Schwarz bevorzugen. Damit würde sich der Lesekontrast erhöhen und es wäre angenehmer zu lesen.

Ein Inhaltsverzeichnis finden wir direkt auf den ersten Seiten. Es ist in seinem Aufbau stimmig, die Kapitel sind sinnvoll gewählt, so wird jeder Leser schnell das passende Kapitel finden. Einen Index konnte ich nicht finden, schade.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele (2011)
  • Format: Hardcover
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3941976362
  • ISBN-13: 978-3941976368
  • Größe und/oder Gewicht: 30,2 x 21,6 x 1,8 cm
  • Preis: 29,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

Inhalt

Rhein Ruhr Megaplex Cover

Wie bereits erwähnt, ist der Inhalt dieses Quellenbuches der Rhein-Ruhr Megaplex im Jahre 2073. Doch die beleuchteten Themen gehen weit hinaus über eine nur regionale Beschreibung. Das Ruhrgebiet ohne Saeder-Krupp (an folgend SK) und damit auch Lowfyr, den Präsidenten, wie er genannt wird von seinen Angestellten, zu beleuchten, ist nahezu unmöglich. Aber auch darüber hinaus finden wir tiefgehende Informationen, die uns ein ganzheitliches Bild über die Region vermitteln.

Da ich selbst im Ruhrgebiet lebe, erlaube ich mir ein gutes Auge zu haben, wie sich diese Region in knapp 60 Jahren entwickeln könnte unter Betrachtung, die sechste Welt wäre geboren. Besonders gefreut hat mich daher, dass aktuelle Bauprojekte wie z.B. der Phönix-See in Dortmund-Schüren auch  in dem Buch wiederzufinden sind  und dem Leser einen Eindruck vermitteln, wohin sich der Pott bewegt.

Schauen wir doch mal genauer in das Buch.

Begrüßt werden wir von einer Zusammenfassung der Geschichte des RRP, einer Übersichtskarte und einer genaueren regionalen Betrachtung der einzelnen Städte. Bereits hier wird klar, wie sehr Lowfyr seine Tatzen schon früh im Spiel hatte.  In weiteren Ausführungen finden wir Hinweise zum Verkehrssystem und dem bevorstehenden Kollaps des solchen. Die Einleitung wird abgeschlossen von einer Detailbetrachtung der einzelnen Städte des RRP. Schon hier wird klar, dass die beiden Großmächte des RRP auf der einen Seite unweigerlich Saeder-Krupp, auf der anderen Seite jedoch die organisierte Kriminalität sind. Gerüchteweise heißt es jedoch, dass der Goldjunge, so ein Name des Drachen, letztendlich auch die Kriminalität kontrolliert und letzten Endes nahezu nichts im RRP von Bedeutung geschieht, ohne dass es Teil eines ausgeklügelten Planes von Lowfyr ist.

Das folgende Kapitel ist eines der wichtigsten, um als Spielleiter ein authentisches Bild des RRP zu vermitteln, denn hier geht es um Kultur – oder auch Subkultur…

Auf einigen in meinen Augen sehr gut geschriebenen Seiten (teils auf Ruhrpott) sammeln sich Informationen über das Zusammenleben, die Slumbildung und die Freizeit des Arbeiters. Neben der Vereinsformung (sei es nun Taubenzüchter-, Kegel- oder auch Urban Warfare Fanclubs) geht es weiter zum Fußball, zur Esskultur und zu Kunst & Kultur. Hier sticht besonders Köln hervor als „Home of the B-Proms“, also das Mekka der Möchtegern-Reichen und Schönen. Bochum als Glücksspielhölle der ADL, wie auch Düsseldorf durch seinen besonderen Einschlag japanischer Kultur werden ebenso kurz beleuchtet. Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine Abhandlung über Autorennen. Ja, oftmals illegal, oftmals mit stark getunten Karren und auch oft mit Schwerverletzten.

Nachdem nun die Welt des kleinen Mannes gezeigt wurde, geht es weiter mit Essen und Saeder-Krupp. Hier erfahren wir, wie SK wirklich intern funktioniert, wie stark der erdrückende Einfluss auf die Stadt Essen ist und wer das Sagen hat (und wer nicht). Karriereleitern werden beschrieben und der Leser darf erfahren, wie die Kontrolle über den RRP durch SK etabliert und gehalten wird.

Als besondere Dreingabe zum Quellenbuch finden wir in diesem Abschnitt einen vollfarbigen SK-Informationsflyer, wie er z.B. an Bewerber auf Jobbörsen verteilt werden würde. Ich kann mir vorstellen, dass viel Mühe in diese wenigen speziellen Seiten geflossen ist, muss aber anmerken, dass dieser „Flyer“ so in dieser Art wenig Erfolg auf dem Markt haben würde. Gerade Konzern-Selbstpräsentationen sind bereits heute schmissige und griffige Werbemaßnahmen, nach deren Lektüre man einfach dort arbeiten will! Das fehlt dem Flyer etwas, daher minimale Abzüge in der B-Note.

Natürlich gibt es nicht nur SK im RRP, sondern auch nahezu alle anderen Konzerne. Besonders interessant finde ich Rhein-Ruhr-Metall und die AG Chemie. Alles bekannte Player im 21. Jahrhundert natürlich, aber einige neue Informationen verbergen sich auch zwischen den Zeilen. Des Weiteren finden sich in diesem nächsten Kapitel Informationen zur Parteienlandschaft und zu Arbeiterverbindungen. Reizend finde ich den Abschnitt über die Polizei und den „Schimanski-Bullen“. Natürlich darf auch das organisierte Verbrechen nicht fehlen, wenn es um andere Mächte geht. Mafia, die Wölfe, die Yakuza und Vory führen ihren eigenen Krieg. Als kleinere Partei sind auch die holländischen Penosen an Bord, die durch die Nähe zu den Niederlanden eine besondere Rolle im Pott einnehmen.

Nachdem wir also einen sehr guten Überblick über die Mover & Shaker des RRP bekommen haben (und auch bereits dort mit genug Ideen für Runs und gesamte Kampagnen versorgt wurden), heißt das nächste Kapitel „Brennpunkte“.

Themen dieses Bereiches sind u.a.:

  • „Das Leben unter Tage“ – eine Übersicht über die Struktur der Schachtanlagen, aber auch mit Hinweise auf jene, die es vorgezogen haben, unter der Erde zu leben, auf die Magie der Tiefe und..Dinge…die man dort unten findet.
  • „Brennpunkt: Wuppertal“ – die Stadt, die auf verschiedenen Ebenen errichtet, oder besser überbaut, wurde, fand bereits Abhandlung in älteren Publikationen. Da sie jedoch mit ihrer nahezu albtraumhaften Ebene Z (oder auch „Zombietown“) sehr interessant ist, findet sich auch hier nochmal eine kurze Abhandlung zu dem Ort.

Andere Orte des Interesses sind Herten-Halde mit seinen Slums, Essen-Kettwig als Luxusort, aber auch die sogenannten No-Go-Zonen, über die ich hier nichts verraten möchte. In einer großen Übersicht werden dem Spielleiter einige inspirierende Orte genannt, darunter Restaurant, Museen, Schlösser oder auch Industriebrachen.

Der letzte und vermutlich spielrelevanteste Brennpunkt sind die Schatten. Plothooks, Runs gegen den Drachen (ungesund), Runs für Saeder-Krupp (lukrativ, aber ein Tanz mit dem Teufel) und urbane Mythen lassen meine Kreativität wild sprudeln.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit Spielhilfen und -informationen. Was bekommen wir hier? Eine gute Sammlung von Ansätzen, wie Runs im RRP gestaltet sein können, ob nun unter Tage oder auch im Schatten des Drachen. Einige Locations werden sehr gut beschrieben unter den Aspekten „Wie komme ich rein?“ und „Womit kann ich rechnen?“. Zusätzlich finden wir Kartenmaterial der jeweiligen Orte inkl. ikonischer Darstellung von Schlössern und besonderer anderer elektronischer Anlagen. Darunter finden wir den bereits jetzt bekannten Autohof in Düsseldorf, ein Getränkemarkt, ein SK Krisenzentrum und anderes.

Zu jeder Location werden uns Storyideen gereicht, die jedoch Eigenleistung bedürfen. Mitnichten finden wir hier ausgearbeitet Runs. Es handelt sich bei dem Buch nicht um ein Kampagnenbuch, sondern um eine Beschreibung einer Region, da wären fertig ausgearbeitete Runs/Abenteuer fehl am Platz. Mir gefällt die Freiheit, mit der ich somit die Orte in meine Geschichten einarbeiten kann.

Dennoch und das setzt den Informationen noch das Sahnehäubchen auf, werden zwei Kampagnen gereicht, wie sie stattfinden könnten. Sie sind einzeln spielbar, aber können ohne weiteres miteinander oder auch mit den Geschehnissen im RRP verknüpft werden.  Gespielt habe ich sie noch nicht, fand aber beim Durchlesen keine wahnwitzigen Zusammenhänge oder Plotbewegungen, die mich stutzen lassen würden. Wie so oft gilt „Was zuerst einfach aussieht, wird nachher viel mehr“

Die letzten Seiten des Buches werden gefüllt durch Werteprofile von NSCs, wie wir sie im RRP treffen könnten.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 29,95 EUR bekomme ich ein vollgepacktes Quellenbuch im Hardcover mit schönem Layout und Inhalt, bei dem man die Liebe, mit der er ausgearbeitet wurde, an jedem Satz merkt. Die Bindung ist resistent, ein Lesebändchen ist auch dabei und auch Druck und Satz lassen nicht viel zu wünschen übrig.  

Als Fan des Spieles macht man hier nichts falsch.

Bonus/Downloadcontent

Weiteres Material zum Download konnte ich nicht auf der Pegasus Website entdecken.

Fazit

Ich muss gestehen, dass Pegasus hier es geschafft hat, den Pott mit seiner unnachahmlichen Stimmung in meinen Augen sehr gut abzulichten. Das Layout und die generelle Darreichungsform der Informationen ist gut gelungen, ich mag besonders die Teile, die in dem Regionaldialekt Ruhrpott geschrieben sind. Der Einfluss des Drachens ist allgegenwärtig und seine Persönlichkeit beeindruckend. Ich hätte mir hier mehr Background zu Lowfyr gewünscht und auch wenn ich bereits durch meine Earthdawn-Bücher grabe, um festzustellen, wer Goldschuppe oder der Goldjunge in früheren Zeiten war, fehlt mir hier etwas.

Manchmal wirkt das Tun und Streben der organisierten Kriminalität etwas unkoordiniert. Sicher, es ist interessant zu lesen, wie sich Dons und andere Anführer gegenseitig die Butter vom Brot zu stehlen versuchen, dabei auch nicht vor Wetwork zurückschrecken, aber irgendwie passt es nicht so recht ins Bild. Es wirkt wie das mühsame Abrackern von Ameisen, deren Taten nahezu bedeutungslos vor der Omnipräsenz des Drachens sind.

Vielleicht ist das gar so beabsichtigt? Dann ist das Transportieren der Stimmung mehr als gut gelungen.

Ich habe das Buch fließend durchgelesen und war immer wieder gefesselt, etwas mehr zu erfahren und wie oben bereits gesagt, habe ich „mein“ Ruhrgebiet wiedererkannt. Die Vielzahl an Facetten, sei es kulturell, wirtschaftlich oder auch einfach nur zwischen(meta)menschlich gefällt ausnahmslos gut. Würde ich Shadowrun in der ADL spielen oder leiten, würde ich Hamburg oder den Pott nehmen. Zurzeit favorisiere ich den Pott und quelle über vor Ideen.

Sehr witzig sind auch die Grafiken und Werbebanner bereits heute bekannter Events und Locations, darunter die SPIEL 2074.

Daumen5maennlich

Artikelbilder:  © Pegasus Spiele

7 Kommentare

  1. Kleiner Wehrmutstropfen nach dem ersten Querlesen und dem Studium der Karten: Sie verraten leider nicht, wo die A52 abgeblieben ist. Kann ja sein, daß SK die beim Umbau von Essen und/oder des restlichen Plex einfach entfernt hat, aber eine Erwähnung findet es nirgendwo.

    Oder haben sie die doch einfach nur vergessen? ;-)

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