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Ich bin ja öfter auf der Suche nach neuen Systemen für mich und meine Runden, und ich habe auch immer wieder Lust auf neue Sachen. Deswegen war ich glücklich Forsaken Colony gefunden zu haben, denn ich denke, dieses System ist ein Schmuckstück.

Der Internetauftritt hat mich eher an ein Computerspiel glauben lassen, aber nach einigen Minuten Recherche auf der Website stellte sich heraus, dass es ein Abenteuerspiel wird. Der Autor, Sascha Boss kommt aus Hessen. Dies war in meinen Augen bisher das unnötigste Bundesland Deutschlands! Wieso? Weil ich immer nur beruflich durchgependelt bin. Seit über 10 Jahren. Ich habe mir damals gewünscht, es würde einfach verschwinden und der Rest der Bundesländer würde sich aneinander saugen, womit dann alle Wege kürzer wären. Sollte also Hessen nun eine Daseinsberechtigung für mich bekommen? Diese Frage sollte mir die Website beantworten.

Forsaken Colony ist ein actiongeladenes, kooperatives Science-Fiction Abenteuerspiel im TV-Serienformat. Aha. Was soll das bitte sein? Alles beginnt mit einem Erz das die Menschheit benötigt um daraus Unmengen an Energie zu gewinnen und einem seltsamen Artefakt, das auf diesem Planeten gefunden wird. Die Gruppe spielt ein Inspektionsteam, das den seltsamen Vorgängen dort auf den Grund gehen soll.

Meine Neugier steigerte sich. Das Ganze ist ja irgendwie nicht so das, was man sonst an gewohnter Kost vorgesetzt bekommt. Ich musste den Autor fragen, und so stand ich eines Nachts vor seiner Wohnung. Er öffnete mir im Schlafrock, war sichtlich verwirrt, aber mein Teilzeitheldenshirt und meine imposante Erscheinung zusammen mit meiner Heldenakkreditierung wirkten wie ein Schlüssel. Sascha ließ mich ein und ich begann ihn zu verwirren und zu verhören.


Charakterbogen
Charakterbogen

Andreas: Hallo Sascha, schön, dass du von alleine die Tür geöffnet hast. Das erspart dir Reparaturkosten. Wenn du mir jetzt noch einen Kaffee bringst, es ist schließlich schon sehr spät…früh…wie auch immer, werde ich Dir einige Fragen stellen. Diese wirst Du wahrheitsgemäß für mich und unsere Leser beantworten, haben wir uns da verstanden?

Sascha: J-A    A-N-D-Y,  D-A-S  W-E-R-D-E  I-C-H  T-U-N !!!

Andreas: Sascha, deine Website ist ja schonmal ein netter Auftritt. Du gehst wohl einem gestalterischem Beruf nach, oder?

Sascha: Richtig, Andy. Ich bin schon seit ca. 15 Jahren als Mediengestalter unterwegs. Habe schon mit dem Mac gearbeitet, als Apple-Produkte noch müde belächelt wurden. ;-) Mein Job unterstützt die Entwicklung des Spiels natürlich sehr. Ich kann das Design von Forsaken Colony selbst bestimmen und viele Sachen selbst erstellen, z.B. das Layout von Regelheft, Spielkarten, Charakterbogen usw.

Andreas: Was hat dich denn am Weltraum so fasziniert, geprägt und inspiriert, dass es ein Science-Fiction-Setting werden soll, und nichts wo sich die Zwerge und Elfen in einer Gruppe das hundertste Mal über Waschverhalten streiten?

Rüstungskarte
Rüstungskarte

Sascha: Erstmal habe ich als kleiner Junge die alten Star Wars-Film geradezu „inhaliert“, damals auf einem Video-2000-System. In der Zeit, als die neuen Filme herauskamen habe ich sehr viele SW-Bücher gelesen und mich mit dem Expanded Universe beschäftigt. Die Science-Fiction-Serien der Neunziger sind jedoch weitestgehend an mir vorbei gegangen, da habe ich noch viel Nachholbedarf. Im Moment steht Babylon 5 auf dem Plan. In den letzten Jahren habe ich mich von Science-Fiction-PC-Spielen inspirieren lassen, wie beispielsweise EVE Online, welches ich auch (wieder) aktiv zocke. Ich finde die Backgroundstory von EVE extrem gelungen, tiefgründig und auch nachvollziehbar. Auch die Lore von Starcraft gehört zu meinen Inspirationsquellen. Ich sage immer, das Forsaken Colony eine gesunde Mischung aus vielen Universen werden soll. Ich werde das Rad sicher nicht neu erfinden.

Andreas: Aha, es spricht für dich das du eher Star Wars als dem Trekkieschrott (dieses Wort ist die persönliche und nicht ganz ernstgemeinte Äußerung des Authors und nicht des Heldenteams)  zugetan bist. Wie aber kommst du auf das Serienkonzept?

Sascha: Trekkieschrott hast du jetzt aber gesagt, mein Lieber …  Wie bin ich auf das Serienkonzept gekommen? Serien haben mich in den letzten 6-7 Jahren absolut gefesselt und tun es heute noch. Lost ist da sicher nicht ganz unschuldig gewesen, aber auch sonst schaue ich mir sehr viele Serien an. Diese Leidenschaft spiegelt sich auch in der Entwicklung von Forsaken Colony wider. Da das Spiel speziell für Anfänger gedacht ist, war meine Idee, den Spielern Bekanntes mit auf den Weg zu geben, eben das Serienkonzept. Die Spieler sollen das Gefühl haben, dass sie Hauptdarsteller in ihrer eigenen Science-Fiction-Serie sind und diese hautnah erleben können. Außerdem kann ich durch dieses Konzept nach und nach den Metaplot erzählen, denn dieser entwickelt sich bei FC innerhalb von mehreren Staffeln, die man mit Kampagnen vergleichen kann. Staffeln bestehen wiederrum aus einzelnen Episoden – das klassische Abenteuer. Die Haupthandlung ist innerhalb der Staffeln recht linear aufgebaut, jedoch plane ich auch einzelne Abenteuer, sogenannte „Operations“, die nichts mit der Haupthandlung zu tun haben werden.

Schurkenkarte
Schurkenkarte

Andreas: Forsaken Colony scheint ja ein „Regelleichtgewicht“ zu sein. In wie weit haben dich andere Rollenspielsysteme geprägt, dass Du Dich für diese Richtung entschieden hast?

Sascha: Ich muss zugeben, dass ich bisher wenige Rollenspielsysteme gespielt habe und genau deshalb kann ich Forsaken Colony aus den Augen eines Anfängers entwickeln, was mir sehr dabei hilft, nicht in  allzu komplizierte Denkmuster abzudriften. Das Spiel soll von der Story getragen werden und darf durchaus „brettspielig“ und „regelarm“ daherkommen. Große Inspiration hat mir Dungeonslayers gegeben, denn dieses System ist einfach nur klasse.

Andreas: Sascha, mit welchen 5 Worten würdest du dein Spiel beschreiben?

Sascha: Hmmm, schwer zu sagen. Ich habe schon Probleme mit der Twitter-Zeichenbegrenzung und dann kommt ihr mit 5 Worten …  Okay, also: einfachzulernen – spannendzuspielen – mittollerstory – unddasbeste – esistkostenlos

Andreas: Haha, du bist so ein Lump! Ich lass das jetzt mal so stehen. Aber Respekt. Dann hast du dir ein dickes Ding auf deine Schultern geladen. Wie weit ist das Projekt denn bisher fortgeschritten?

Sascha:  Zurzeit arbeite ich immer wieder mal am Layout des Regelwerkes und des Spielmaterials, teste die Spielmechanik und mache mir jeden Tag Gedanken um das Universum von Forsaken Colony. Der grobe Metaplot steht soweit, jetzt geht es langsam aber sicher an die Feinheiten und Hintergrundinfos. Mein Ziel ist es bis spätestens Ende 2012 die Version 1.0 fertig zu haben. Jedoch werde ich auf der RPC schon etwas „Vorzeigbares“ im Gepäck haben. Ich bin selbst gespannt, wie sich alles entwickeln wird und wie weit die Entwicklung bis zur Spielemesse in Essen fortgeschritten ist.

Andreas: Hm, das ist alles schön und gut. Aber was wird neben den einfachen Regeln Forsaken Colony von anderen Systemen unterscheiden?

Waffenkarte
Waffenkarte

Sascha: Neben dem Serienkonzept, welches Anfänger ansprechen soll, sind das die Spielkarten. Denn bei Forsaken Colony wird es alle Items, Waffen usw. als Spielkarten in den Händen halten können. Für viele ist die Haptik sehr wichtig, besonders für Spieler, die zuvor nur Brett- oder Kartenspiele gespielt haben. Mit jeder Staffel können somit neue Ausrüstungsgegenstände ins Spiel kommen, ähnlich einer Kartenerweiterung für beispielsweise Dominion. Weiterhin wünsche ich mir, dass das Spiel in einer Box-Version erscheinen wird, die dann im „normalen“ Spielhandel steht. Denn es wird doch schon eine Menge Spielmaterial geben. Für mich gehören Spiele in eine Box. Anfänger verstehen nicht, dass der 476-Seiten dicke Grundregel-Wälzer ein Spiel ist … 

Zurzeit mache ich mir Gedanken, wie man das „Offline“-Spielerlebnis von Forsaken Colony mit diversen Online-Spielereien verbinden kann. Stichwort: QR-Codes. Diese kleinen Pixelhaufen sind wie dafür geschaffen, um optional die Spielatmosphäre zu erweitern. Man scannt in einem Handout einen Code und auf dem Smartphone wird ein Audio-File abgespielt – oder man erhält versteckte Informationen in Form einer PDF-Datei. In einem Science-Fiction-Spiel könnte das wirklich toll werden. Auch das Regelwerk oder die Spielkarten lassen sich mit QR-Codes aufwerten indem man Tutorial-Videos oder Hintergrunfinfos aufruft. Ich persönlich finde, dass das „klassische Pen-und-Paper“ endlich mal frischen Wind gebrauchen kann, auch wenn jetzt vielleicht mit dieser Aussage den Zorn von Rollenspielveteranen auf mich ziehe.

Ich bin sehr gespannt, was die nächsten Wochen und Monate so bringen werden. Auf jeden Fall liegt mir Forsaken Colony sehr am Herzen und es ist mein Ziel, ein Universum zu schaffen, das auch außerhalb des Spiels zum Träumen einlädt (klingt jetzt sehr poetisch, oder?). Außerdem sage ich vielen Dank an das Team von Teilzeithelden.de für das nette Interview (obwohl es ja unter Zwang geschehen ist ….) 

Falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte: Forsaken Colony wird als Free2Play unter einer CC-Lizenz erscheinen. Das bedeutet  Forsacen Colony soll ein Hybridmodell werden, ähnlich wie Dungeonslayers. Die PDF-Version kann man immer frei downloaden und spielen. Wer aber keine Lust hat, das ganze Spielmaterial zusammenzubasteln und auszuschneiden, der kann sich die Boxversion kaufen, wo das Spielmaterial gedruckt enthalten ist. Quasi als „Deluxe-Variante“.

Andreas: Gut Sascha, schau bitte nur kurz auf diesen Kuli hier, dann darfst du weiterschlafen…<blitz>


Nach dem Interview bestieg ich meinen kleinen Gleiter und flog wieder nach Killertissen.  Glücklicherweise war Sascha keine Gefährdung für mein geheimes Weltraumprojekt, und sein Abenteuerspiel hat mich sehr neugierig gemacht. Wir blieben nach dem Interview in Kontakt und ich erhalte nach und nach einen etwas tieferen Einblick in sein Projekt. Ich werde in absehbarer Zeit das Regelsystem Probespielen dürfen.  Meine Erfahrung mit der Gestaltung von Plots und Geschichten hat mich in die glückliche Position gebracht,  dass ich Sascha mit ein paar Ideen unterstützen kann.

Mein Fazit: Forsaken Colony hat viel Potential. Ich hoffe, dass Sascha einen Verlag findet, der seine Box rausbringen wird. Aktuell befindet er sich auf der Suche nach einem Illustrator. Wir als Teilzeithelden werden das Projekt auf jeden Fall weiter beobachten und begleiten.

Wer gerne tiefere Informationen zu Forsaken Colony haben möchte, den lade ich auf die Website ein: http://www.forsakencolony.de/.

Hier erhält man schon einen Einblick in das Spielmaterial, kann sich ein Tutorial-Video zum Charakterbogen anschauen, das Layout des Regelwerks bewundern und ich bin mir sicher, es werden noch andere Informationen folgen. Sascha ist ziemlich exibitionistisch veranlagt was sein Projekt angeht…was ich wiederum toll finde, schließlich erfährt man so vorab schon eine Menge. Die Bilder und Grafiken sind allesamt von Sascha Boss selbst erstellt, lediglich das Cover-Artwork ist unter CC Lizenz und vom Künstler sweetie187.

Artikelbilder: © Forsaken Colony

10 Kommentare

  1. „[…] wo sich die Zwerge und Elfen in einer Gruppe das hun­dertste Mal über Wasch­ver­hal­ten streiten?“

    Saugut :)

    „Für mich gehö­ren Spiele in eine Box. Anfän­ger ver­ste­hen nicht, dass der 476-Seiten dicke Grundregel-Wälzer ein Spiel ist …“

    Das erscheint mir ein wichtiges und wahres Statement zu sein. Sollte man im Kopf behalten.

    Klingt nach einem viel versprechenden und ehrgeizigen Projekt. Ich kann noch nicht einschätzen, ob das Spielprinzip mich gut ansprechen wird, aber einen Versuch ist es wert. Die Idee mit dem Smartphone ist super. Vielleicht kann man da auch Auftragseinweisungen und andere wichtige Dialoge einsprechen und dann abspielen? Das Internet sollte ja schnell genug sein. Mit einem Tablet kann man das vielleicht noch mit Briefing-Animationen unterlegen, wie man sie aus Computerspielen kennt. Okay, dürfte recht aufwendig sein, aber das stelle sehr atmosphärisch vor.

    • Hallo Jan,

      das mit dem Waschverhalten ist mir erst letztens wieder aufgefallen, und ich habe überlegt das es IMMER stattfindet sobald ich einen Elf und einen Zwerg in der Runde habe.

      Wir werden dich auf jeden Fall auf dem laufenden halten was dieses Projekt angeht :-)

  2. Ich finde die Idee mit diesen QR Codes auch sehr reizvoll. Vor allem, dass man als Spieler gleich aus mehreren „Kanälen“ angesprochen wird (Spielleiter erzählt, Internet etc.) stelle ich mir interessant vor. Auch wenn mich so ein Setting erstmal nicht so sehr reizt, testen würde ich es dennoch gerne mal :)
    @Andreas: wirst Du über Deine Arbeit an den Abenteuerideen auch berichten?

    • Hallo Sonja,

      die Sache mit den QR Codes finde ich auch Super. Vielleicht werde ich schon bald Schauspieler für das Projekt :-) Ich muss mich dem Sascha da unbedingt anbieten.

      Ich werd das Abenteuer auf der Frühjahrshütte des Rollenspielvereins Biberach die Ende März bei Kempten stattfindet Probe spielen, und die Regeln mal antesten. Bericht wird folgen.

  3. @Jan und Sonja: Danke für das Lob bezüglich den QR-Code-Ideen. Ich hoffe, dass alles so funktioniert, wie ich es mir vorstelle.

    @Andreas: Eine Hauptrolle als vorgefertigter Charakter habe ich dir ja schon versprochen. ;-) Von deinen restlichen Ideen lasse ich mich gerne überraschen …

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