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Melodien haben uns Menschen schon früh beeinflusst, sei es der Gesang der Vögel oder das Heulen eines Wolfes. Bald wurde die Kunst, selbst Melodien zu erzeugen, von den Menschen übernommen und zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt. Mal als Warnruf, mal als Kriegsschrei, mal aber auch als Medium, Geschichten und Erinnerungen lebendig zu halten.

Dass Musik eine ganz besondere Wirkung auf uns hat, ist wohl kaum zu abzustreiten. Musik wird eingesetzt, um eine Stimmung zu transportieren, um das Herz zu erfreuen, um den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Wen wundert es da noch, dass Musik auch schnell in der Mythologie Einzug hielt?

Die Welt der Legenden und Mythen

Die Legenden sind voll von Wesen und Geschehnissen, die Melodien, sei es in Gesang oder durch die Nutzung von Instrumenten, benutzt haben.

Geographisch gar nicht so weit weg anzutreffen, ist die Legende der Loreley. Der Legende zufolge kämmte die Nixe dort ihre langen, goldenen Haare und zog die Schiffer mit ihrem Gesang an. Diese achteten trotz gefährlicher Strömung nicht mehr auf den Kurs, so dass die Schiffe an den Felsenriffen zerschellten.

Von der Loreley ist es nicht weit zu den Sirenen, die jedoch nicht als Seenixe erschienen, sondern als Vögel mit Menschenköpfen, teils sogar bärtig. Auch sie lockten Schiffer an, um sie zu töten (und mancher Auslegung nach zu verspeisen). Bleiben wir in der griechischen Sagenwelt, kommen wir direkt von den Sirenen zu den Musen. Wir sehen also, die Antike ist voll von mystischen Kräften durch Gesang und Instrumentenspiel.

Musik spielte aber nicht nur eine Rolle, wenn es darum geht, andere ins Verderben zu locken. Die Heilgesänge vieler Naturvölker oder auch fernöstlicher Religionen spielen eine wichtige Rolle. Ähnlich sieht es auch beim tibetanischen Kehlkopfgesang aus.

In moderneren Zeiten findet sich die atalanta fugiens, eine Komposition des Alchimisten und Rosenkreutzers Michael Maier von 1618, die, wie üblich in den Darstellungen zur Alchimie, sich verklausulierter Darstellungen bemühte, eine Weltenformel in mathematisch abstrakter Form der Musik darzustellen. Bereits hier fand sich also schon ein Schritt zur Grand Unification Theory. Die Verknüpfung zwischen Mathematik und Musik wurde noch deutlich öfter erzeugt.

Aber auch moderne Märchen verbinden Melodie und Mythologie. Erinnern wir uns doch einmal an „Unheimliche Begegnung der dritten Art“. Hier geht es um Außerirdische, die mit Tönen und Melodien kommunizieren. Die Führungsmelodie ist bis heute noch vielen im Kopf. Oder denken wir an Comics. Dort finden wir Black Canary, die in späteren Versionen des Charakters die Kraft des Sonarschreis bekam.

Wir sehen also, Musik und Töne, durch Stimme oder Instrument erzeugt, haben schon lange einen Platz in unserer phantastischen Vorstellungskraft.

Die Welt der Rollenspiele

Grund genug, doch auch einmal bei den Tischrollenspielen nachzusehen, welche Rolle dort Musik spielt.

Musik wird oft als Hintergrundmusik benutzt im Rollenspiel, wie es zB bei Filmen geschieht. Hier gehen die Meinungen auseinander, manche finden es unnötig, gar störend, aber sagen voller Inbrunst „Never leave home without it“.

Hier aber möchte ich eine Übersicht bieten, welche mystischen und magischen Kräfte Rollenspielcharaktere und NSCs durch Musik ausüben können.

Natürlich erhebt die nun folgende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht fällt Euch ja noch was ein?

Daughters of Cacophony – Vampire: The Masquerade

Diese Blutlinie entstand irgendwann im 19. Jahrhundert, als Nachkommen entweder der schöngeistigen Toreador oder der wahnsinnigen Malkavianer. Ihre Kräfte jedoch weisen mehr auf Clan Ventrue hin. Ganz unabhängig von ihrer Abstammung, sind alle Mitglieder dieser Blutlinie Sänger, auf die eine oder andere Art. Die Blutlinie besteht hauptsächlich aus Frauen. Männer werden Sons of Discordance genannt.

Mit ihrer einzigartigen Disziplin Melpominee, die nach der griechischen Muse Melpomene benannt ist (die sich im Übrigen mit anderen Musen einen Gesangeswettkampf mit obig genannten Sirenen geleistet hat), ist einer Tochter der Kakophonie einiges möglich. Ihre Stimme kann von einem Ort in Sichtweite kommen, sie kann ihre Stimme an die Ohren derjenigen projizieren, die sie kennengelernt hat (so lange es Nacht ist), sie kann ganze Hörsäle in eine Trance von Verzückung senden, sie kann kurzzeitigen Wahnsinn erzeugen, ja, es ist ihr sogar möglich, durch einen durchdringenden Laut Knochen brechen zu lassen und so zu töten.

Elemental Mastery / Quantum Bolt – Aberrant

In Aberrant, einem Superhelden-Rollenspiel aus dem Hause White Wolf, können Novae, so die Bezeichnung der Supermenschen, bestimmte Techniken ausbilden bzw. erlernen. Elemental Control ist ein weites Spektrum, muss aber bei Auswahl auf ein Element eingeschränkt werden. Klang wird hier als ein mögliches Element angeboten im Regeltext. Hat ein Charakter diese Kraft erlernt, hat er/sie Zugriff auf ein weites Feld von Techniken, die den Umgang mit Klang regeln. Klang kann geändert werden, verstärkt, sogar vielleicht als Schild eingesetzt werden ( indem die Vibration der Luftmoleküle eine derartig hohe Frequenz erreichen, dass sie alles, was „durch“ möchte, zerstören)

Letztendlich kann mit einer der Techniken auch attackiert werden, womit wir wieder bei Black Canary wären. Quantum Bolt ist eine weitere Angriffsfähigkeit, die oftmals als Energiestrahl gewählt wird, aber auch hier als Schallattacke bestimmt werden kann.

Sound Striker – Pathfinder

Der Sound Striker ist ein Archetyp des Barden und vermag mit seinen speziellen bardischen Manövern (Bardic Performance) so einiges auszurichten. Angefangen vom Negieren feindlicher magischer Effekte, die auf Klang basieren, bis hin zum Inspirieren von Mut und Wille bei den Gefährten finden sich diverse Möglichkeiten.

Über Zauber kann er mit Worten der Macht Gegnern Schaden zufügen, mit höheren Leveln sogar mehreren Gegnern gleichzeitig.

Bleiben wir im Pathfinder Universum, finden wir auch den Zauber „Solid Note“. Hier kann via Magie einer einzelnen Musiknote eine feste Gestalt gegeben werden, die dann für diverse Zwecke benutzt werden kann. Ein tiefes Fis könnte ein Klotz werden, der zum Versperren einer Tür benutzt wird. Allen diesen festkörperlichen Klängen ist gemein, dass sie nur mit Kraftanstrengung wieder bewegt werden können.

Sarieliten – Engel

Sariel, der lobpreisende Erzengel nimmt eine Sonderstellung unter all seinen Brüdern ein, denn er besitzt keine Flügel. Im Tausch für seine weißen Schwingen erhielt er eine makellose Stimme, erfüllt von solcher Reinheit, dass ihr Klang allein es vermag jeden Ungläubigen zum einzig wahren Glauben zu bekehren. Von Sariels Kindern sagt man, sie seien verdichtete und Gestalt gewordene Worte Gottes.

Die Kräfte der Sarieliten konzentrieren sich um die Macht der Stimme. Unter den musischen Anwendungen ist vor allem „Da Capo“ – Durch einen wohlklingenden, monotonen Singsang kann ein Sarielit allen sterblichen Verbündeten in Hörweite neuen Mut schenken und sie so zu größeren Leistungen anspornen.

Weitere Kräfte der Sarieliten nutzen eher das gesprochene, denn das gesungene Wort.

Baddacelli – Vampire: The Requiem

Die Baddacelli sind eine Blutlinie der Nosferatu aus Vampire: The Requiem. Sie sind blind und jagen per Sonar in der Nacht, nicht auf Sicht. Ihr einzigartige Disziplin Mimetismo erlaubt es ihnen, ihre Sonarfähigkeiten auch zu anderen Zwecken zu nutzen

Neben der offensichtlichen Orientierungsgabe, ist es den Vampiren möglich, jedes (!) Geräusch nachzuahmen, von einer Vogelstimme bis hin zu einem Orchester. Zusätzlich können sie mit einem konzentrierten Schallstoß Gegner betäuben.

Sharisad (et al) – Das Schwarze Auge

Auch im DSA Universum finden sich Magiebegabte, deren Tagwerk mit Musik zusammenhängt. Hier jedoch schreibe ich von den Zaubertänzern, Halbzauberern, die durch Bewegung und Gesang Effekte bei der Audienz hervorrufen. DSA kennt dort Sharisad (tulamidisch), Sharisad (novadisch), Hazaqi (zaorisch) und Majuna (aranisch).

Ihre Magie wirkt über Emotionen, die die Vorstellungskraft hervorruft. Sie können Mut, Freude, Angst, Lust, sogar den Krieger bei der Zuhörerschaft wecken, aber auch den Zuhörer beeinflussbar für Argumente machen.


Dieser Artikel entstand im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs „Flöten, Sänger, Synthesizer [Mai 2012]“, der von Roachware organisiert wird.

Artikelbild: depositphotos | © azoutdoorphoto

7 Kommentare

  1. Aloha, ihr Helden :-)

    Mir wäre jetzt persönlich noch der klassische D&D-Barde eingefallen, aber da Pathfinder ja ohnehin extrem in diese Ecke verschwippschwägert ist, braucht der wahrscheinlich keine zusätzliche Auflistung, da er in exakt die gleiche Schiene fällt.

    Im Narnia-Rollenspiel verfügen Faune über eine Schlafmelodie. Ansonsten sticht in der Welt Narnias natürlich noch Aslans mächtiges Schöpfungslied hervor, mit dem er die Welt Narnia in die Existenz singt.

    Bei Shadowrun spielt der Gesang vor allem in der schamanistischen Magietradition eine wichtige Rolle, da die jeweilige Magiewirkung jedoch je nach Schamane und Tradition durchaus sehr individuell ist, kann man hier nicht exakt verallgemeinern. Ein klassisches Beispiel wäre aber die Heilmelodie.

    Und ich könnte schwören, auch im Legend of the 5 Rings gibt es Magie, die über Musik gewirkt wird, da bin ich mir aber nicht mehr sicher… waren zu viele verschiedene Rollenspielbücher und -systeme im letzten Jahr :D

    A!benteuerliche Grüße,
    Durro

  2. Danke für deinen Kommentare und deine Zusätze ;)

    In L5R sind Shugenja ja an sich Priester, dh ihre Magie wird hintergrundseitig oft als Gesang oder Gebet formuliert. Es ist aber an sich nur der begleitende Effekt, nicht die nötige Aktion zur Magie.

  3. Ich glaube sogar, dass Barden meist eine spezielle Rolle einnehmen, da sie ja eher Buffer sind und so der ganzen Gruppe Vorteile bringen können.

  4. Bei DSA sollte man noch die Zaubertrommler (Derwische) erwähnen, und bei der historischen Aufführung nicht erst mit den Rosenkreuzern, sondern vor allem mit den Pythagoräern beginnen, zu denen wie Schlagworte „Sphärenklänge“ und „Harmonie der Welt“ etc. gehören.
    Ach ja, Azathot und Erich Zann müssen natürlich auch erwähnt werden, wenn es um Phantastik geht.
    Schöner Artikel!

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