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Unter dem Arbeitstitel „Legenden von Harkuna“ erschien im September 2011 beim Mantikore Verlag die Neuauflage eines echten Klassikers. Der eine oder andere vermag sich an Sagaland erinnern, welches in den 90ern beim Ravensburger Spieleverlag unter Vertrag war. Der englische Titel lautete „Fabled Lands“.

Erscheinungsbild

In meiner Hand ruht ein 373seitiges Buch nach solider Machart. Der Buchrücken macht einen stabilen Eindruck, das Papier ist griffig und hat eine angenehme Haptik. Insgesamt finde ich 680 Spielabschnitte, die wild über die Seiten verteilt sind.

Das Frontcover wird geziert von einer Einheit Soldaten, die von einem berittenen Fahnenträger angeführt werden. Der Zeichenstil hat den gewissen, heute so hoch geschätzten „Old School Charme“.

Die harten Fakten:

  • Broschiert: 373 Seiten
  • Verlag: Mantikore Verlag; Auflage: 1 (7. September 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3939212075
  • ISBN-13: 978-3939212072
  • Bezugsquelle: Amazon

Handlung

Harkuna_01_Cover

In der Handlung zeigt sich bereits der erste große Unterschied zu einem klassischen Solospielbuch. Während man in diesen Spielbüchern mehr oder minder linear am Handlungsstrang entlang geführt wird, wirft einen das Buch auf einen Kontinent, man wird förmlich von der See ausgespuckt und lässt einen dann alleine.

Nun ja, nicht wirklich alleine, denn als allererstes kommt ein etwas merkwürdig wirkender älterer Mann auf einen zu und spricht von drei Portalen, die in die Welt führen und oben auf dem Hügel stehen. Optional könnte unser Held auch zum nächsten Dorf laufen und dann entscheiden, was er dort tut.

Genau das ist der große Unterschied. Ich kann mich während des Spielens frei bewegen in der Welt von Harkuna. Man sollte erstaunt sein, wie viel Abenteuer auf 680 Seiten untergebracht werden können. Ich habe mich mehrfach ins Getümmel gestürzt, bin dann wieder zurück in die Stadt, habe mich ausgeruht, nur um danach einen bisherig nicht erkundeten Abschnitt zu spielen.

Natürlich kann es bei dieser Spielart passieren, dass man zwei Mal in einen bestimmten Auftrag oder auf ein Geheimnis stößt. Dieses wird von den Machern sehr geschickt abgefedert. An bestimmten Schlüsselszenen gibt es Stichworte. Diese notiert man sich. Hat man bereits eines dieser Worte in der stetig größer werdenden Sammlung, verläuft die Geschichte anders. Das kann ein „Lies weiter bei XXX“ sein oder auch die Veränderung der Welt steuern.

Ein Beispiel hierzu: Hat man einen Tempel geschändet, gibt es das Passwort FEUERZORN. Trifft man nun auf einen hochrangigen Inquisitor und hat dieses Passwort, wird er uns angreifen. Hat man es nicht, wird er uns nicht beachten oder mit uns reden oder was auch immer.

Letztendlich bewegt man sich auf einer riesigen freien Welt und kann machen, wonach einem gerade ist. Und genau da kommt ein Manko hoch. Jedes Buch steht für einen Landstrich. Es ist durchaus möglich, dass man an eine Stelle kommt, in der es heißt, man solle in dem und dem Buch, an der und der Stelle weiterlesen. Besitzt man das Buch dann nicht, muss man umkehren.

Alleine das muss voraussetzen, dass die Bücher als Gesamtkonzept erdacht worden sind und davor muss ich meinen Hut ziehen. Eine gesamte Welt mit all ihren Handlungssträngen zu erbauen ist schon ein Meisterwerk, daraus jedoch eine mehrteilige Buchserie zu erzeugen, in der dann die Abschnitte auch noch so wild durcheinander geworfen sind, dass sie dennoch nicht viel Aufwand zum Blättern geben, ist genial.

Möglicher Vermarktungstrick oder nicht, mich hat die Büchergrenze schon gestört, denn das Spielen macht unweigerlich Spaß. Ich hätte gerne gewusst, wie es z.B. hinter dem Fluss mit dem griesgrämigen Flößer weitergeht. (Nur ein Beispiel, ich will nichts verraten)

Um dem Leser ein Gefühl für die Welt zu geben, dürfen wir diesen Kladdentext lesen:

„Seit dem gewaltsamen Tod von König Corin VII. wird das Reich Sokara von einem Bürgerkrieg heimgesucht. Der aufständische General Marlock herrscht mit Hilfe der Armee über das Land, während des Königs Sohn in die Berge geflohen ist. Als Krieger, Magier, Barde, Wanderer, Priester oder Schurke kannst du dem Thronerben zu seinem Recht zurück verhelfen oder im Auftrag des Generals diese Adelslinie für immer auslöschen. Das Schicksal Sokaras liegt in deiner Hand. Entdecke die riesige und offene Fantasywelt von Harkuna, in der du nach Belieben zwischen den Büchern dieser einzigartigen Spielbuch-Reihe hin und her reisen kannst. Erlebe grenzenlose Abenteuer, schaffe dir mächtige Freunde und Feinde und steige zum Helden auf. “

Regeln

Damit sich der Leser nicht lange mit einem Regelwerk und Erschaffung eines Charakters aufhalten muss, sind die Regeln einfach gehalten. Entweder nimmt er direkt einen von sechs fertigen Charakteren oder erschafft sich selbst in Windeseile einen Charakter.

Wir unterscheiden zwischen den Fertigkeiten Charisma, Kampfkraft, Zauberkraft, Heiligkeit, Naturwissen und Diebeskunst. Zusätzlich wirken die Berufe auf den Charakter ein. Dieses sind: Priester, Magier, Schurke, Barde, Krieger und Wanderer. Viel an Charaktererschaffung gibt es nicht zu tun, genau genommen minimiert es sich auf das Eintragen eines Namens, der Skills und dem Errechnen weniger Werte.

Proben werden mit 2W6 abgelegt, der addierte Wert wird auf die Fähigkeit aufgeschlagen und das Endergebnis muss höher sein als der vorgegebene Wert aus der Geschichte.

Schreibstil

Nennt mich altmodisch, aber ich mag den recht einfachen und eingängigen Sprachstil, der verwendet wurde. Die Stimmung wird gut transportiert, wenn auch das Manko aller Solobücher hier wieder aufkommt. Irgendwie wirkt alles etwas altbacken, so als wäre es direkt aus einem D&D Quellenbuch der Endachtziger gesprungen. Bedenkt man, dass die Fabled Lands Bücher Anfang der 90er erschienen und es sich hier um eine Übersetzung handelt, löst sich dieses Rätsel schnell auf.

Und gleichzeitig ist es genau dieser Old School Charme, der einen immer wieder weiterlesen lässt. Die Erzählgeschwindigkeit diktiert man letztendlich selbst, damit kann man sich schon mal selbst die Spannung bei der Erkundung eines dunklen Waldes nehmen. Ich empfehle im Übrigen dringend die Nutzung eines Lesezeichens.

Preis-/Leistungsverhältnis

Nehmen wir einmal an, wir könnten das Buch mit einem Computerrollenspiel vergleichen. Beides bindet uns vielleicht in ungefähr gleichlang, das Rollenspiel jedoch kostet ca. das dreifache. Lassen wir einmal digitale RPG Monster wie Skyrim beiseite, an dem man sicher ohne weiteres 100 Stunden sitzen kann, bleibt ein Vergnügen für viele Abende, das sein Geld wert ist.

Bonus/Downloadcontent

Wie gewohnt beim Mantikore Verlag finden sich einige Goodies im Downloadbereich der Website des Verlages. 

Hier finden sich eine Weltkarte von Harkuna, eine Karte von Sokara, das Aktionsblatt und auch ein Schiffsladeverzeichnis. Ja, man kann sich auch ein Schiff kaufen.

Fazit

Wie bereits oben geschrieben, begeistert mich die Sandbox als Soloabenteuer. Ich habe alle Möglichkeiten, mich bremst nur der Tod meines Charakters. Entgegen den Einsamer Wolf Büchern habe ich hier nicht ein Quasi-Railroad, sondern tatsächlich eine mehr oder minder offene Welt, in der ich einige Abenteuer erleben kann. Die Grenzen sind meine Zeit und das Geld, das ich ausgeben will. Würde ich alle Bücher der Reihe besitzen, möchte ich mir gar nicht ausmalen, wie viele freudvolle Stunden ich beim Durchwandern der Spielwelt verbringen kann.

Die Aufsplittung auf mehrere Bücher ist auch das Manko zugleich – natürlich, man kann Harkuna 1 ohne weiteres spielen, darf eben nur nicht den Landstrich verlassen, irgendwie unbefriedigend.

Daumen4Maennlich 

Artikelbilder: © Mantikore Verlag

4 Kommentare

  1. Das Teil ist genial. Ich habs damals vor langer Zeit als Ravensburger Ausgabe gespielt. Dann hab ich im Klappentext gelesen, dass der Autor des Werkes „Rollenspiele“ (was auch immer das sein soll) geschrieben hat. Tja, und so hat alles angefangen ^^

  2. Ich denke, dass die Spielbücher es wirklich in sich haben, vor allem, wenn es um die Verquickung untereinander geht. Daher auch meine durchweg positive Resonanz!

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