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 Manch einer von euch hatte sicherlich wie ich einmal die fixe Idee, ein eigenes Buch zu schreiben. Man fängt voller Eifer an und merkt dann aber ziemlich schnell, wieviel Arbeit ein gut durchdachter Roman machen kann. Ich habe den Versuch nach ein paar Kapiteln eingestellt, doch ein bisschen Wehmut schwingt immer noch mit. Umso spannender finde ich es, wenn Autoren, die bis zum Ende durchgehalten haben und deren Bücher veröffentlicht wurden, mal ein bisschen was über ihre Arbeit erzählen.

Ich hatte das große Glück Miriam Pharo für ein schriftliches Interview begeistern zu können. Miriam ist unter anderem Autorin der Hanseapolis-Reihe, einer Krimi-Reihe, die im Hamburg der Zukunft spielt.


Interview

Annika:  Liebe Miriam, erst mal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, unsere Fragen zu beantworten. War es schon immer Ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden oder war es eher Zufall?

Miriam Pharo: Zufall war es sicher nicht. Als Kind war ich eine Leseratte, die alles verschlang, was sie zwischen ihre Krallen bekam; zunächst auf Französisch, dann auf Deutsch. Und ich habe immer gern geschrieben. Mit 12 Jahren habe ich die Abenteuer von Winnetou und Old Shatterhand weiter gesponnen. Es war immer mein Traum, als Romanautorin in einem sonnendurchfluteten Häuschen mit Fensterläden und Rosengarten zu leben. In der einen Ecke ein Klavier, in der anderen eine Schreibmaschine (in meiner Kindheit gab es noch keine Computer.) 

Annika: Ihre Bücher sind ja schon phantastisch-futuristisch, die Hanseapolis-Reihe spielt zum Beispiel im Hamburg der Zukunft. Wieso haben Sie sich grade das Phantastik/Sci-Fi-Genre ausgesucht?

Miriam Pharo: Das wiederum war Zufall. Auslöser war meine zunehmende Langeweile angesichts der Krimis und Thriller, die ich die Jahre zuvor gelesen hatte. Irgendwie liefen sie immer nach Schema F ab und schon auf der 10. Seite ahnte man schon, wer der Täter war. Also habe ich mich selbst daran versucht. Als ich die ersten Worte zu Papier brachte, hatte ich überhaupt noch keine Vorstellung, wohin die Reise geht. Erst beim Schreiben kam mir die Idee, meinen Thriller in die nahe Zukunft zu verlegen, Science-Fiction also mit Krimielementen zu vermischen. Ich liebe Hamburg sehr und so kam eines zum anderen. Hanseapolis erblickte das Licht der Blick. 

Annika: Wenn Sie selber einmal Zeit zum Lesen haben, welche Art von Literatur lesen Sie am liebsten?

Ehrlich gesagt habe ich kein bevorzugtes Genre.  Hauptsache: Es packt mich. Thriller lese ich genauso gern wie Fantasy oder Gegenwartsliteratur. Und natürlich lese ich Science-Fiction.

Annika: Woher holen Sie sich die Inspiration für Ihre Bücher?

Miriam Pharo: Aus dem Alltag. Ich sitze zum Beispiel beim Frühstück und überlege, wie die Menschen in Zukunft diese Situation erleben werden. Wie wird ihre Morgenzeitung aussehen? Vielleicht wird der Kaffee zum Mitnehmen mit mikroskopisch kleinen  Kommunikationsteilchen versehen sein, die ins Gehirn gelangen, dort am visuellen Cortex andocken und die brandheißen News projizieren? Wenn ich mit unserer Hündin Lina spazieren gehe, tauchen auch mal Fragen auf wie: Werden Hundehalter beim Gassigang eine Atemmaske tragen müssen? Wird es überhaupt noch Hunde mit Verdauungsapparat geben? Oder werden diese einfach aus Bequemlichkeit weggezüchtet? Wird es genug Wasser für alle geben? Werden wir die Natur nur noch indoor erleben? Immer wieder stelle ich mir solche Fragen und viele davon fließen in meine Büchern ein.

Annika: Sie arbeiten nebenbei noch als freie Werbetexterin. Ist es heute besonders schwer, als Autor Erfolg zu haben und sich gegen die zahlreiche Konkurrenz durchzusetzen?

Miriam Pharo: Ich persönlich empfinde es als schwierig, zumal ich schwerpunkttechnisch einen Genre-Mix schreibe. Also etwas, das nicht unbedingt Mainstream ist. Hinzu kommt, dass immer mehr Bücher in immer kürzerer Zeit auf den Markt geworfen werden. Als Autor geht man nicht nur in der Flut unter, sondern gerät mit seinem Buch schnell wieder in Vergessenheit. Das müßige Autorendasein, das ich mir so sehnlich wünsche, passt einfach nicht in unsere Zeit. Da bin ich Nostalgikerin, obwohl ich über die Zukunft schreibe. Manchmal habe ich den Eindruck, keine Luft mehr zu bekommen, so hektisch empfinde ich alles. Das liegt natürlich auch daran, dass ich viel Self-Marketing betreibe. Aber auch die Schreibgeschwindigkeit ist eine andere geworden. Früher schrieben Autoren zehn Jahre an einem Buch, heute muss es zack zack gehen. Das ist das Kreuz unserer schnelllebigen Zeit.

Annika:  Es gibt viele Menschen, die heute ihr Glück als Autor versuchen, oftmals ohne eine entsprechende Ausbildung oder ein Studium in der Richtung. Kann man auf dem Weg erfolgreich sein?

Miriam Pharo: Aber natürlich. Kafka war ein kleiner Beamter, Hermann Hesse hat eine Mechanikerlehre gemacht. Schreiben hat nichts mit Studium oder Ausbildung zu tun. Ich persönlich halte nicht viel von Schreibkursen oder Autorenseminaren im Stil von „Wie schreibe ich einen Bestseller?“ oder „Die richtige Struktur eines Krimis“. Dadurch wird alles standardisiert. Wo bleibt da die kreative Entfaltung? Wie können neue Kunstformen entstehen? Ich vermisse den intuitiven Aspekt des Schreibens. Als Werbetexterin bin ich Auftragsschreiberin. Als Autorin nicht.

Allerdings finde ich es existenziell, dass jemand, der Autor sein will, sein Instrument beherrscht – nämlich die Sprache. Er muss kein Virtuos sein, aber das Fundament sollte stabil sein, das Gerüst ausbaufähig. Schließlich schreibt er nicht Tagebuch, sondern will von anderen für sein Wirken Geld sehen. Der zahlende Leser hat ein Mindestmaß an Qualität verdient. Das ist eine Frage des Anstands.

Annika: Es gibt unzählige Blogs, die aktuelle Bücher genau unter die Lupe nehmen und Kritiken und Rezensionen veröffentlichen. Dabei sind es keineswegs nur „geübte Kritiker“, sondern oft ganz „normale“ Leser, die ihre Meinung sagen. Wie wichtig sind Ihnen die Meinungen solcher Blogrezensenten?

Miriam Pharo: Sehr wichtig. Schließlich schreibe ich für meine Leser und nicht für die Rezensenten des Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung. Obwohl Rezensionen in solchen Zeitungen meinem Ego natürlich extrem schmeicheln würden. Ich will mit meinen Büchern niveauvoll unterhalten. Ich will meine Leser schockieren, überraschen, amüsieren, zum Denken anregen … Wer könnte also besser als der Leser selbst darüber urteilen, ob ich meine Sache gut mache?  

Annika:  Wenn eines Ihrer Bücher frisch veröffentlicht wird, ist es doch bestimmt spannend als Autor zu erfahren, was die Leser davon halten. Sind Sie jemand, der aktiv durchs Netz surft und nach Kritiken sucht oder sind Sie da eher gelassen? Wie gehen Sie mit schlechter Kritik um?

Miriam Pharo: Direkt nach der Veröffentlichung eines Buchs bin ich alles andere als gelassen. Ich habe 1,5 Jahre daran geschrieben und gefeilt. Meine Testleser finden es gut. Der Lektor findet es gut. Ich finde es gut. Schön. Aber wie werden es die Leser finden? Je mehr Bücher ich herausbringe, desto größer wird der Druck. Erfülle ich die Erwartungen, die ich nach meinem Debüt SCHLANGENFUTTER geweckt habe? Die ersten Wochen nach einer Veröffentlichung – zurzeit befinden wir uns in einer solchen Phase, weil mein dritter Roman PRÄLUDIUM vor kurzem herausgekommen ist – ist die Unsicherheit besonders groß, bis die ersten Rezensionen kommen. Zeichnet sich ein positiver Trend ab, werde ich natürlich gelassener und verkrafte eine negative Kritik besser.

Wie ich mit negativer Kritik umgehe? Das kommt auf die Art der Kritik an. Ist diese niederträchtig, hake ich sie innerlich ab. Ist sie konstruktiv, versuche ich sie sachlich zu betrachten. Negative Kritiken hängen viel länger nach als positive. Leider. Das liegt sicher daran, dass mich bestimmte Kritikpunkte zum Grübeln bringen. Der Kritiker könnte schließlich Recht haben … Zum einen will ich mich als Autorin weiterentwickeln, zum anderen darf ich mich nicht verrückt machen. Ich kann es eh nicht jedem recht machen. 

Annika:  Um als Autor einen Verlag zu finden, der die eigene Geschichte verlegen würde, braucht man wahrscheinlich eine gehörige Portion Durchhaltevermögen und Optimismus. Welche Tipps würden Sie angehenden Autoren geben?

Miriam Pharo: Neben Durchhaltevermögen und Optimismus zählen Fantasie und Originalität. 2008, als von Kindle und Co. noch nicht die Rede war, habe ich interaktive eBooks im PDF-Format auf meiner Website veröffentlicht. Heute ist es nichts Besonderes, vor vier Jahren sah das anders aus. Auf die Weise wurde mein Verlag auf mich aufmerksam. Ich habe nicht ein Manuskript verschicken müssen – und das in einem Genre wie SF. Ich hatte Glück. Denn irgendwie gewinne ich den Eindruck, dass es immer schwieriger wird, sich von der Masse abzuheben. Um einen Fuß in die Tür eines großen Verlags zu bekommen, sollte man zurzeit als deutscher Autor nicht das Außergewöhnliche wagen, sondern sich daran orientieren, was sich gut verkauft. Das Überleben in der Buchbranche wird immer härter, da möchte niemand Experimente wagen. Natürlich kommt es immer wieder zu Überraschungserfolgen, mit denen niemand gerechnet hat, aber im Prinzip sind die meisten risikoscheu. Deshalb werden auch so viele Bestseller aus dem angloamerikanischen Raum eingekauft. Allerdings frage ich mich, ob ein Roman wie „Der Nachtzirkus“ von Erin Morgenstern einen deutschen Publikumsverlag gefunden hätte, würde er aus deutscher Feder stammen. Es ist keine Mutmaßung, sondern lediglich ein Gedankenspiel. Nischengenres oder spleenige Ideen finden bei kleineren Verlagen leichter ein Zuhause. Deshalb mein Tipp: Sich nicht nur auf Heyne, Piper oder Bastei Lübbe einschießen.

Annika:  Heute ist man als Autor ja nicht unbedingt auf einen Verlag angewiesen, sondern kann sein Buch mittels self-publishing ganz einfach selber verlegen. Ist das eine Möglichkeit, als neuer Autor Fuß zu fassen oder sollte man sich doch lieber einen Verlag suchen?

Miriam Pharo: Self-Publishing und „ganz einfach“ ist ein Widerspruch in sich. Das Publizieren mag einfach sein, doch damit ist es nicht getan. Danach fängt der Spaß erst richtig an! Das Buch muss beim Leser ankommen und das ist ohne Eigeninitiative und Self-Marketing unmöglich zu bewerkstelligen. Verlage investieren sehr viel Zeit und Geld in die Werbung. Warum soll es selbstverlegenden Autoren anders ergehen? Auch für sie gelten die gleichen Regeln: ein vernünftiges Lektorat, ein sauber gesetzter Buchblock, ein ansprechendes Cover und – nicht zu vergessen – ein funktionierender Vertrieb. Dinge, die in der Regel der Verlag übernimmt. Wobei man auch da als Autor nicht um die Eigenwerbung umhin kommt. Was für den Verlag spricht, ist sicher die Tatsache, dass man nur dann als „richtiger“ Autor angesehen wird. Der Verlagsvertrag ist für viele der Ritterschlag. Noch.

Momentan fahre ich übrigens zweigleisig. Meine Hanseapolis-Romane und Kurzgeschichten sind Verlagsveröffentlichungen, während meine ISAR 2066-Reihe, eine Art SF-Krimi mit bayerischen Touch, als eBook und Hörbuch in Eigenregie erscheint. Zu letzterem kann ich nur sagen: Es macht verdammt viel Spaß herumzuspinnen!

Annika:  Arbeiten Sie gerade aktuell an einem Buch? Wie ist der Titel und wann wird es voraussichtlich erscheinen?

Miriam Pharo: Letzte Woche habe ich den zweiten Band meiner ISAR 2066-Reihe abgeschlossen. Die Reihe setzt sich aus kleinen Episoden (30 bis 40 Buchseiten) zusammen. Nach „Jimmy der Mops“ kommt jetzt „Frikassee zum Frühstück“. Wieder geht es um den Problemlöser Lucio Verdict – eine Art Privatdetektiv – und diesmal bekommt er es mit einer waschechten Leiche zu tun. Ich denke, Ende Juni wird’s soweit sein. 

Annika:   Welche guten Tipps haben Sie abschließend noch für unsere Leser, die vielleicht selber einmal ein Buch veröffentlichen wollen?

Miriam Pharo: Übung macht den Meister, deshalb: Lesen. Lesen. Lesen. Schreiben. Schreiben. Schreiben. Und sich nicht von seiner Idee abbringen lassen durch Sprüche wie „das verkauft sich eh nicht“ oder „das will keiner lesen“. Woher wollen die Leute das wissen, wenn es das bisher noch nicht gegeben hat?  

Annika: Vielen Dank nochmal Miriam für die interessanten Antworten.


Wer jetzt neugierig geworden ist, kann mal einen Blick auf Miriams Seite im Internet werfen. Dort gibt es auch immer aktuelle Termine zu Lesungen.

Die Bücher von Miriam findet ihr unter anderem auf Amazon (Klick).

Verlosung

Und das Beste kommt zum Schluss: Miriam war so nett, uns ein von ihr signiertes Exemplar von „Präludium“, ihrem neuesten Buch, zur Verfügung zu stellen – und ihr könnt es gewinnen! Beantwortet einfach folgende Frage: Wie hieß Miriam Pharos Debüt-Roman? Die Antwort schickt ihr bitte mit Nennung eures vollständigen Namens und der Anschrift an kontakt[at]teilzeithelden[dot]de.

Es dürfen nur Personen mit Wohnsitz in Deutschland teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, Mitglieder des Teams von teilzeithelden.de sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Einsendeschluß ist der 30. Juni, 23:59 Uhr – es zählt das Versand-Zeitstempel der Email.

Titelbild: © Miriam Pharo

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