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Wir beschäftigen uns bereits etwas länger mit Emotionen im Rollenspiel, sei es deren Darstellung oder auch Hinweise zu Auswirkungen auf die Spielrunde im Gesamten. Bislang haben wir Liebe, Sex und Leidenschaft, Hass und Trauer. Dieser Artikel ist der vierte Teil der Artikelserie und möchte sich mit Neid auseinandersetzen.

Definition

Was versteht man unter Neid? Neid ist das emotionale Übelnehmen der Besserstellung des Anderen. Besser kann hier vieles heißen – dessen Besitz, Statur, Aussehen, Besitz, Erfolg , um einige Beispiele zu nennen. Es kann etwas geben, was man dem Anderen nicht gönnt und sich selbst viel mehr zuschreibt als dem jetzigen Besitzer.

Nah verknüpft ist die Missgunst. Neid ist jedoch weiter gefasst, bei der Missgunst geht es darum, dass man dem anderen etwas nicht gönnt. Beim Neid wird unterscheidend zur Missgunst der Fakt betont, dass der Neidende das Objekt der Begierde nicht hat. Bei Missgunst jedoch muss der „andere“ nicht zwingend besser gestellt sein.Beide Gefühle treten stellenweise miteinander verwoben auf, können aber auch getrennt auftreten. In diesem Artikel beleuchte ich den Neid.

„Neid macht krank.“ lautet ein Sprichwort und tatsächlich kann Neid soweit gehen, dass manche Menschen körperlich und seelisch darunter leiden, wenn sich der Neid zu tief frisst. Als äußerst intensives Gefühl kann er sogar zu tätlicher Gewalt anstacheln. In der Bibel stellt Neid z.B. den Grund für den Mord an Abel dar.

Einige sozialwissenschaftliche Theorien von unter anderem Helmut Schoeck gehen soweit zu sagen, dass der Neid auch eine gesunde Form annehmen kann. Genau dann, wenn der Besitz des anderen einen selbst anstachelt, sich diesen auch selbst zu erarbeiten. Im weiteren Sinn wird auch vom Brotneid gesprochen, der es erst durch die Furcht, den Neid anderer anzustacheln, ermöglicht, in Gruppen zusammen zu leben.

Viele Kulturen und Religionen gehen davon aus, dass der Neid ein schlechtes Gefühl ist, dass es zu besiegen gilt.

Relevanz im Rollenspiel

Dieser Abschnitt möchte sich mit der Darstellung des Neids in der Rolle beschäftigen, sowohl für NSC (als Spielleiter) als auch für Spielercharaktere.

Wann kann Neid auftauchen? Neid wird immer dann auftreten, wenn eine Rolle etwas der anderen nicht gönnt, es jedoch selbst nicht hat. Neid unter Spielercharakteren ist ein gefährliches Gut, was leicht auch aus der Rolle heraus auf dem Tisch schwappen kann. Das bemühe ich mich, weiter unten zu beleuchten.

Daher möchte ich mich hier damit beschäftigen, wie man den Neid darstellen kann, so dass er das Gruppenempfinden des Spiels aufwertet und mehrt. Und damit begeben wir uns auf wackeliges Terrain, denn immer dann, wenn negative Emotionen zwischen Spielercharakteren herrschen, wird die Lage gespannt.

Was kann also passieren? Nehmen wir an, dass in einem Abenteuer in einer Fantasy-Welt in der Gruppe zwei gute Schwertkämpfer sind. Nun trägt es sich zu, dass nach dem bestandenen Kampf gegen den Großdrachen in dessen Hort ein einzigartiges mächtiges Schwert zu finden ist, welches sogar einen Namen trägt. Beide Charaktere wollen diese Trophäe ihr Eigen nennen und müssen herausfinden, wer es tragen soll. Sie einigen sich vielleicht auf Basis des Stärkeren, des im Schwertkampf besseren oder anderen Überlegungen, der andere hat das Nachsehen.

Wie spielt er nun den Neid aus? Ich würde hier anraten, ihn auf einer subtilen, ruhigen Ebene darzustellen. Kleine Sticheleien sind durchaus noch drin, vielleicht aber sind es stete Blicke auf die Waffe, der Versuch, im Kampf noch etwas stylischer auszusehen, den Gefährten auf andere Art und Weise übertrumpfen. Aus Neid kann also mit geeigneter Darstellung eine Form freundlichen Wettkampfes erwachsen. Das ist nicht einfach, aber die beteiligten Parteien könnten sich außerhalb des Spiels zusammensetzen und unter einander besprechen, wie sie dieses Gefühl so spielen, dass die Runde etwas davon hat.

Eine bittere Boshaftigkeit, die sich zwischen den Charakteren aufbaut, kann durchaus gewinnbringend sein, jedoch müssen beide Beteiligte über eine große Distanz zur Rolle und gleichzeitiger tiefer Immersion verfügen. Bei einem solch negativen Gefühl ist immer die Gefahr gegeben, dass sie von der Spielwelt an den Spieltisch herüberschwappt.

Neid kann auch eskalieren und zu Wut werden. Wieso nicht ein kurzer Zusammenprall mit Klingen? Oder eine Schlägerei der Charaktere? Dagegen spricht nicht viel. Ich würde aber den Tipp geben, dass dieser Ausbruch an Wut und Gewalt so gespielt wird, dass er eine Form der Befreiung darstellt, um den Frust freien Lauf zu lassen, als Druckabbau und dass danach der Neid besiegt ist.

Zusammenfassend: Es spricht nichts dagegen, den Neid darzustellen, auch in einer verschärften Form, aber die Spieler sollten sicherstellen, dass es die Atmosphäre zwischen den Spielern nicht stört. Dazu spricht man am besten miteinander. Definitiv sollte der Neid nicht ein schwelendes Feuer sein, welches als ewiges Gift zwischen den Charakteren lauert.

Neid als Effekt z.B. eines Fluches (vielleicht aus als Auswirkung einer Horror Mark in Earthdawn) ist eine ganz andere Geschichte, da sie nicht vom Spieler ausgehen. Eine Hilfestellung ist der Spielleiter, der in diesem Fall die Kräfte, die  den Neid ausgelöst haben, erklären und Tipps zur Darstellung geben kann.

Relevanz am Rollenspieltisch (oder „Realer Neid“)

Neid am Tisch ist ein ganz anderes Problem und tritt meist , meines Beobachtung nach, bei jüngeren Spielern oder auch bei neuen Rollenspielern auf. Der Grund des Neids ist meist etwas Messbares: Der bessere Charakter, die bessere Waffe, die bessere Punkteverteilung, mehr Aufmerksamkeit vom SL. Besser bedeutet hierbei besser in den Augen desjenigen, der neidet.

Neid ist ein Gefühl am Spieltisch, welches ganz schnell den Spaß aller zerstört, da die beständigen Spitzfindigkeiten und Frustmomente ein bitteres Gift sind, das es schnell auszumerzen gilt.

Wie kann man dem begegnen? „Das ist doch nur ein Spiel“, zu sagen, ist ein möglicher Ansatz, aber nicht zielführend in meinen Augen. Rollenspiele bedient man mit dem Werkzeug, das man hat, hier hauptsächlich dem eigenen Charakter. Ein schlecht funktionierendes Handwerkzeug zerstört auch den Spaß beim Werkeln. Das Spiel „herabzuspielen“ ist ein sicherer Weg, das Erleben des Rollenspiels zu zerstören. Natürlich – man darf und soll nicht das Ganze zu ernst nehmen, aber einer gewissen Widmung für Rollenspiele bedarf es schon, um sie richtig zu erleben. Also, was tun?

Gerade bei Neu- oder Jungspielern rate ich an, die Spotlights für einzelne Charaktere sehr gerecht aufzuteilen. Jeder sollte seine/ihre Szene haben. Wird ein Spieler zu stark beleuchtet, ist es für die anderen nur selten schön und interessant. Allerdings ist das ein Tipp, der auf jede Runde zutrifft.

Wichtiger finde ich, dass bereits die Ausgangscharaktere alle in ungefähr gleich gewichtet und ausgeglichen sind. Keiner sollte bei Start bereits deutlich mehr als andere können. Alle Charaktere sollten ihre Möglichkeiten haben, an der gemeinsam erzählten und gewürfelten Geschichte mitzuwirken. Das mag für jede Runde gelten, findet in meinen Augen bei Starterrunden eine deutlich stärkere Anwendung.

Dem Anwachsen von Macht durch die Ausgabe von Erfahrungspunkten kann und sollte man nicht entgegen wirken, auch wenn einmal etwas dazu geschrieben habe, wie man diesen Anstieg bremsen kann. Leider ist damit auch verbunden, dass manche Klassen mehr können als andere. Ein klassisches Beispiel sind Magier aus Shadowrun der älteren Editionen. Irgendwann sind diese so mächtig, dass die Straßensamurais nichts oder nicht mehr viel im Gefecht zu tun haben. Neid, der dadurch ausgelöst wird, kann man nur ganz schlecht aus dem Weg räumen. Hier helfen wieder spezielle Szenen, die genau die Fähigkeiten des Nicht-Magiers benötigen.

Zusammenfassend: Realer Neid am Spieltisch ist gefährlich, da er die Runde zerstören kann. Man kann ihm begegnen, indem man die Spieler auf die Spielwelt eicht und ihnen die Bedeutung des Gruppenspiels nahe bringt. Alle Charaktere sollten gerecht behandelt werden, wie auch die dazugehörigen Spieler. Alle bekommen im gleichen Maß Aufmerksamkeit und man sollte dafür sorgen, dass jeder seinen Charakter einsetzen kann. Und natürlich, wenn Probleme aufkommen – legt man die Würfel beiseite, schenkt Euch was zu trinken ein und redet einfach darüber.


Hattet ihr schon mal Neid-Situationen am Spieltisch? Oder in der Rolle? Erzählt mir darüber und wie ihr damit umgegangen seid?!

Artikelbild: © ipcurry | sxc.hu

8 Kommentare

  1. Neid zwischen den Spielern – nicht inGame – ist ein absoluter Killer!
    Ich hab das am eigenen Leib miterlebt (mein Dieb hatte ständig mehr Geld als die anderen Charaktere – komisch, oder?) und zwei der Spieler konnten das nicht verkraften.
    Da war es sehr wichtig, dass manche Sessions, gerade die, bei denen mein Char größere Mengen erbeutet hat, ohne die betreffenden Spieler abgehalten wurden.
    Denn der Grundsatz „Was man nicht weiß …“ gilt auch im Rollenspiel.

  2. Da sind wir bei einer ganz anderen Frage, Stefan… klar, ein Dieb stiehlt Dinge. Und ein Kämpfer, zum Beispiel, erschlägt Dinge.

    Das eine davon, das Stehlen, wird mit der Resource „Geld“ belohnt. Das andere, das Erschlagen, in den meisten Systemen mit XP.
    Während der Dieb aber die Belohnung alleine erhält, werden die XP meistens auf die gesamte Gruppe verteilt.

    Ist das einen nun Fair und das andere nicht?
    In Systemen, wo Ausrüstung extremen Einfluss auf die Fähigkeiten der Charaktere, und damit auf das Balancing innerhalb der Gruppe, hat, würde ich das Verhalten deines Charakters auch als störend empfinden, da es ein Ungleichgewicht schafft, das einfach nicht sein muss.

    Es kann aber auch sein, dass ich einfach zu sehr darauf fixiert bin, dass man Helden spielt – und die stehlen, wenn überhaupt, in den meisten Fällen nicht aus Eigennutz…

  3. […] Gruppengröße, Roger hat die Serie rund um Emotionen im Rollenspiel mit einem Artikel über Neid fortgeführt, Andreas hat Hintergrundfragen auch für OneShots geliefert und Henning hat den ersten […]

  4. Ich spiele auch gerne eher diebische Charaktere, aber so, dass sie versuchen eben auch nicht von der Gruppe dabei erwischt zu werden. Und wenn sie ertappt werden, dann gibt’s auch was auf den Deckel, dass es kracht. (Bei einer Spherechild-Runde hätte mich unser Kämpfer fast in nem Brunnen ertränkt, weil ich 3 (in Worten: DREI) Kupfermünzen geklaut habe, die auf einem Tich rumlagen. Also man kann das auch von sich aus balancen

  5. Da gilt in meinen Augen schlichtweg der generelle Grundsatz: Spielerkonzepte VORHER abstimmen, in der Runde. Wenn einer oder mehrere aus der Runde mit Konzept xy partout nicht klarkommen / es absehbar ist, dass es zwischen den Chars nur knallen wird, dann muss mind. ein Konzept weichen und etwas gefunden werden, das konsensfähiger ist.

    Ein Dieb (nicht einfach nur ein „Schlingel“) stiehlt nunmal. Kommt meine Runde nicht mit stehlenden Charakteren klar oder ist absehbar, dass es das Gleichgewicht zu sehr verschiebt (Systeme, die zu stark auf outfitting laufen), während die Runde damit nicht klarkommt (tun die wenigsten, meiner Erfahrung nach, die Charaktere sollten m.E. immer halbwegs dasselbe „Level“ haben und nicht einer der unterbemittelte Sidekick werden – außer der Spieler will genau das: einen Sidekick), dann kommt mir so ein Konzept nicht in die Runde bzw. es müssen andere Kompromisse gefunden werden, so gangbar (bspw. der Dieb klaut, weil er das einfach gerne macht, aber er gibt der Runde von seinen Errungenschaften ab).

    Übrigens, ganz wichtig: Auch Klautouren sollten EXP geben, ebenso erfolgreich überwundene Rätsel, Redegefechte etc., nicht nur per Kampf „gelegte“ Gegner.. das drückt einem ja sonst das reine Roll-Play als MUSS auf. Ihgitt.
    Wenn ich nur eines belohne und anderweitig überwundene Encounter (oder ggf. sogar erfolgreich völlig umgangene) nicht, dann muss ich mich nicht wundern, wenn die Entwicklung ungerecht ausschaut und sich am Ende Spieler beschweren, weil das Balancing schiefgeht (und das ohne Schuld des Systems).

    • Korrektur: Ich meinte es drückt einem die aggressive Tour als „einzig richtige“ (vom systemischen her) auf, wenn man nur dadurch (EXP-technisch) weiterkäme.

      Ich verbinde nur (erfahrungsgemäß) Kämpfe als oft im Extrem von reinem Würfeln endend (und zwar viel eher als andere Herausforderungen wie Rätsel oder Redegefechte, die sehe ich relativ selten (fast) NUR ausgewürfelt), daher der „Freud’sche Versprecher“…. ;)

    • Wenn man denn EP auf Encounterbasis vergeben will (und dazu würde ich auch das von Dir genannte zählen), dann stimme ich Dir zu. Ich persönlich vergebe EP pro Abend und Gesamtsumme der Erlebnisse, nicht pro Gegner und Hindernis. Aber grds stimme ich Dir zu – Konzepte sollten halbwegs aufeinander abgestimmt sein. Denn sonst kann es passieren, dass die Runde gar nicht erst zusammen loszieht.

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