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Es gibt einige Arten, eine Rollenspielgruppe zu leiten. Man kann sich strikt an ein gekauftes Abenteuer halten, gewisse Rahmenpunkte für Plots setzen oder einfach so drauf los spielen und schauen, was kommt. Brauchen wir in einem solcher Fälle vom Spieler einen Hintergrund zu seinem Charakter?

Ich meine ja, und zwar für alle Fälle, sei es bei einem Kaufabenteuer, bei relativ freiem Spiel oder auch bei kompletten „Sandboxing“, also der Spielart, bei welcher die Spieler alleine entscheiden, wo die Reise langgehen soll. Wieso ich der Meinung bin, möchte ich nun erklären. Ebenso zeige ich auf, wie ich in Zukunft in meinen Runden lösen möchte.

Ich habe in diesem Jahr mit zwei neuen Rollenspielrunden angefangen. Mit beiden Runden spiele ich Aborea. In einer Runde spielen wir die Abenteuer, die auf der Website des 13Mann Verlages zu finden sind, mit der zweiten Runde gebe ich nur grobe Ereignisse in der Welt vor, und meine Runde entscheidet selbst,was sie gerne machen mag. Auch wenn sie zugegebenermaßen genau in die Richtung gehen, in der ich sie gerne sehe und ihnen viel bieten kann.

Wofür nun einen Hintergrund?

Ganz einfach: Wenn ich von meinen Spielercharakteren einen Hintergrund habe, kann ich versuchen, sehr geplant Abenteuer zu erschaffen, die sich um die Geschichte des Charakters drehen und gegebenenfalls den Spielern mehr Spaß bringen. Sie verfolgen nicht nur eine Handlung, nein sie sind der Grund für die Handlung.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich darüber nahezu jeder Spieler freut und es mit hohem Einsatz belohnt. Natürlich sollte man in einer Runde alle Spieler einmal anspielen um die Freude gleichmäßig zu verteilen.

Desweiteren ist es möglich, dass in einem vorgefertigten Abenteuer ein alternativer Lösungsweg angestrebt wird, eben weil der Charakter einen passenden Background hat.

Folgendes Beispiel: Die Gruppe soll von Punkt A nach B mit einem Schiff reisen. Ein Zwerg will aber partout nicht aufs Wasser. Was also tun? Natürlich ist es hier auch am Spielleiter, sich etwas auszudenken, aber schöner ist es doch, wenn von einem Charakter die Idee kommt. Diese andere Charakter ist also aus einem Nomadenstamm und die die als undurchdringlich geltende Wüste, wird von den Karawanen seiner Familie schon sehr lange durchreist. Das vereinfacht für mich als Spielleiter einfach alles. Zwar muss ich mir noch Einzelheiten zur Reise ausdenken, aber die grobe Richtung gibt der Spieler vor. Allerdings benötige ich natürlich eine gewisse Improvisationsgabe, auf die Ideen der Spieler und deren Hintergründe spontan reagieren zu können

Charakterspiel

Nun kommen wir vor allem zum Punkt Charakterspiel. Jeder Spieler handelt. Die Frage ist doch: Handelt er als Spieler oder handelt der Charakter? In einem früheren Artikel habe ich einmal gesagt:“Kenne deinen Charakter“ Wenn wir das Beispiel von vorhin aufgreifen, würde der handelnde Spieler mit seinem Zwerg das Boot betreten, sie fahren den Fluß entlang, und alles ist gut.

Das ist natürlich ein sehr überspitztes Beispiel. Es kann jedoch auch sein, daß der Spieler sagt „Nein, ich betrete das Boot nicht, beim Barte meiner Großmutter!“ Das wäre dann Charakterspiel. Natürlich, ein Zwerg geht doch nicht freiwillig auf ein Boot! Dieses Verhalten findet man in vielen Fantasy-Settings.

Tiefer geht es natürlich, wenn es um emotionale Dinge geht, die einen Spieler dazu bringen, in einer gewissen Art und Weise zu handeln, weil es sich eben aus seinem Hintergrund so ergibt. Ein Spieler der einige Zeit in Sklaverei lebt, wird vielleicht nicht auf das Boot steigen, weil er vorher noch die Sklaven vom Markt befreien will, ja vielleicht sogar aus Selbstüberzeugung muss.

Warum ist das für mich wichtig? Zum einen spielt der Spieler seinen Charakter besser, was ich belohnen kann, sei es mit Erfahrungspunkten, Bennys oder gar Neben- oder Hauptplots. Zum anderen kann ich vielleicht erahnen,wie die Runde handelt und was eventuell passieren könnte. Das erspart manch große Überraschung.

Ich bereue, dass ich von meinen beiden laufenden Gruppen gerade nur einen Hintergrund habe. Die Arbeit möchte sich nicht jeder machen, und viele Spieler sind in solchen Dingen nicht unbedingt die Kreativsten. Ich habe nun nach einer schnellen Methode gesucht, die ich als Fundament für alle weiteren Charaktere verwenden möchte, und sei es nur für OneShot Charaktere. Es soll nicht nur mir helfen, sondern dem Spieler die Gelegenheit geben, seinen/ihren Charakter besser kennen zu lernen, und mehr Freude an ihm zu haben.

Mein Ergebnis sind diese Fragen. Man kann sie in wenigen Worten beantworten und sie geben einem den Anstoß zu denken. Ich schreibe gleich dazu Beispielantworten, die als Leitfaden dienen kann.

Andreas‘ Charakterfragen

Wo hast du wie deine Kindheit verbracht? Was hat dich dabei besonders geprägt?

Meine Kindheit habe ich in den Ebenen von Gortha verbracht, besonders geprägt hat mich die Kargheit dieser Wüstenregion. Nahrung war nicht selbstverständlich jeden Tag und persönlicher Besitz sehr rar.

Wo hast du wie deine Jugend verbracht? Welches war das Ereignis, das dazu führte, dass du nun deinen Pfad bestreitest?

Meine Jugend habe ich damit verbracht, einige dürre Ziegen zu hüten. Ich war nicht im Dorf, als es von Reitern aus Tamasar überfallen wurde und sie mein Dorf in die Sklaverei führten. Ich schwor Rache und schloss mich einer Söldnereinheit an.

Was hat dich erwachsen werden lassen?

Unter Männer aufzuwachsen und wie sie, für das Töten von Menschen, bezahlt zu werden. So führte ich den Säbel sechs Jahre für das Klingen von Geld.

Was ist dein wichtigster Besitz?

Mein wichtigster Besitz ist eine Kette. Sie gehörte meiner Mutter, und ich fand sie vor der ausgebrannten Lehmhütte.

Wenn du eine Person auf der Welt hasst, wer ist das?

Es ist nicht eine Person, sondern es sind alle, die mit der Sklaverei zu haben. Jeder von ihnen verdient den Tod.

Durchs Feuer gehen würdest du für wen und warum?

Ich gehe gerade durchs Feuer, und zwar für mein Dorf. Ich schwor Rache, und das ist gerade der Weg, den ich gehe. Er brennt unter meinen Füßen, denn ich kämpfe für Geld. Das ist mit zuwider, doch was soll ich tun? 

Ein Betrunkener sucht in einer Gaststätte Streit mit dir, wie handelst du?

Ich werde ihn zu Boden schlagen, ich darf vor den anderen aus der Einheit nicht mein Gesicht verlieren und schwächlich wirken.

Auf welches Ziel arbeitest du hin?

Ich sammle so viel Geld, damit ich den Auftrag bezahlen kann, dass diese skrupellosen Menschen, mit denen ich unterwegs bin, mit mir zu den Reitern aus Tamasar gehen und wir dort jedes Kind, jede Frau und jeden Mann töten werden.

Was ist dein größter Fehler? 

Ich verschließe meine Augen vor dem Recht, um Unrecht zu bekämpfen. Ich töte für Geld, um meinen Krieg finanzieren zu können.

Wen du mit all deinen Abenteuer fertig bist, wie willst du Leben?

Ich möchte mir eine Frau suchen, eine Dattelplantage betreiben und zwei Kinder, natürlich Söhne, aufziehen.


Nun, dies sind meine Fragen, aus denen ich für mich denke, so viele Informationen aus einem Charakter ziehen zu können, dass ich damit etwas anfangen kann. Natürlich ist das nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ich werde es hiermit probieren. Ich denke die Beantwortung kann schnell gehen, und über jedes Mehr an Antworten freue ich mich.

Ich frage mich, wie ich das belohnen werde, gebe ich dafür einmal Extra Erfahrung als Anreiz? Ich weiß es noch nicht. Wie würdet ihr es machen? Wie handhabt ihr es mit euren Spielercharakteren und deren Hintergründen?

Artikelbild: © Dhiegaum | sxc.hu 

9 Kommentare

  1. Die „20 fragen zum Charakter “ gibt es ja schon seit gefühlten 30 Jahren in der Rollenspielszene, was mich aber nicht davon abhält, Andreas vollkommen zuzustimmen. Wenn ich spiele, sollen bitte alle Charaktere in die Welt passen und einen Hintergrund haben.

  2. Wenn man sich durch Fragen an den Charakter mit dem Charakter auseinander setzen muss, dann wird dieser auch oft viel intensiver erfahren und gespielt. Mein absolutes Highlight, was das angeht, war ne Spontanrunde und zwar mit dem System: DREAD (genau das mit dem Jengaturm). Da werden die Charaktere nur in einem Fragebogen beschrieben, aber nicht so 0-8-15 Fragen, sondern individuelle Fragen speziell für den Charakter, die manchmal total hirnrissig erscheinen, aber eben genau das bewirken sollen, was viele normale Fragen nicht tun: Echte Denkanstösse und echtes sich mit dem Charakter beschäftigen. 0-8-15 Fragen bekommen halt leider oft auch so standardantworten >.< Meine Probespieler waren jedenfalls erst einmal von der Charaerstellung wie vor den Kopf geschlagen, die Köpfe rauchten förmlich und im Nachhinein meinte jeder von ihnen, dass sie ihre Charaktere durch die Erstellung so intensiv schon gekannt haben, dass sie nicht wollten, dass ihnen was Schlimmes passiert. Somit erlebte auch jeder von Ihnen den Nervenkitzel, den das Spiel ausmacht :) Fand ich als Meister auch eine geniale Erfahrung und ich freu mich schon auf Halloween, wenn wieder ne Dread-Runde ansteht :D

  3. Das einzige Rollenspiel, wo ich sowas nochmal ausfüllen würde, wäre Dread. Ansonsten nehm ich das ganze als Warnung, dass ich auf diese Runde wohl verzichten kann … „Heroes were made not born“ sollte sich auch darauf beziehen, dass ich keine Vorgeschichte brauche, um zu erklären, was das Lieblingsgetränk meines SC ist und woran die Großmutter verstorben ist.

  4. Hm, ich finde die Fragen eigentlich immer wieder schick, aber in der Praxis endet es meist damit, dass die Antworten sehr banal sind und für das Spiel nichts bringen. Die Fragen sollten also entweder richtig provozierend sein (ich kenne Dread leider nicht) oder man muss einfach das bisschen Hintergrund im Spiel anspielen, das man bekommen hat uns treuen, dass ein Hintergrund mehr Spielspass bringt. Dann machen das die Spieler, die es wollen auch und die, die es nicht wollen, kriegt man eh nicht dazu einen vernünftigen Hintergrund zu machen.

  5. Ja, richtig. Statt zu fragen „Wieviel Geschwister hat Dein Charakter?“ z.B. „Warum sind Deine Geschwister gestorben?“. Oder, ganz im Dread-Stil „Warum bist Du am Tod deiner Geschwister schuld?“. Natürlich geben solche fragen dann Fakten vor, mag auch nicht jeder, eignet sich eher bei Oneshots oder Kampagnen. Aber man kann ja bei Kampagnen z.B. zehn solcher Fragen sammeln und „Beantworte 3“ vorgeben. Ansonsten find ich diese Fishing-Technik auch ein besseres Mittel:
    -> http://3w20.wordpress.com/2012/07/04/rollenspieltechnik-fishing/

    Oder, wie beim DCC-Trichter: Man beginnt wirklich bei „0“ und die Heldenwerdung findet gerade statt.

    Jedenfalls: Mir gefällt es, wenn möglichst viel Charakterkram im Spiel entsteht und nicht außerhalb. Als Hintergrund find ich z.B. auch dieses Konzept der 50-Wort-Begrenzung super. Man lese z.B. mal hier die 50 Family Units: -> http://www.goodman-games.com/4372preview.html
    Ich behaupte in diesen knappen Absätzen (Artikel im Preview-pdf) steckt mehr Charakterformendes und Anspielbares in 80-90% der Fragebögen. Die PC Pearls sind im übrigen allgemein sehr empfehlenswert!

  6. „Warum bist Du am Tod dei­ner Geschwis­ter schuld?“ Cool. Ich denke auch, dass man da mit etwas Wahlmöglichkeiten schon jedem Spieler gerecht werden kann. Man kann ja die Fragen auch etwas nach dem Konzept des Charakters ausrichten, den Spieler etwas Interpretationsraum geben oder eben neue Fragen überlegen, wenn der Spieler ein begründetes Veto einlegt.

  7. Werde ich auch mal so ausprobieren. Bei den World of darkness spielen gibt es du ein Präludium ja auch und ich finde es sehr sinnvoll. Gibt dem Spiel mehr tiefe und der Spieler hat etwas an dem er sich lang hangeln kann, sollte ihm so etwas schwer fallen

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