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Teil 1 dieser Artikelserie hat sich mit den 5 Fragen „Wer, Warum, Was, Wo, Wann“, die man sich beim Dungeondesign stellen muss, beschäftigt. Teil 2 wirft einen Blick auf das Interieur des Dungeons, ob nun Bewohner, Falle oder auch Monster.

Beschäftigungstherapie

Nach Beantwortung dieser Fragen haben wir schon einiges geleistet – aber eine wichtige Frage ist immer noch nicht beantwortet: Was machen die Monster eigentlich, wenn gerade Mal keine Helden durchs Dungeon laufen?

Je mehr wir uns damit beschäftigen, wie der normale Tagesablauf in unserem Dungeon aussieht, desto mehr erhöhen wir auch die Immersion. Anders ausgedrückt: Die Spieler haben nicht mehr das Gefühl, dass die Monster dort nur auf ihre Schwerter warten.

Wachen

Zwei Wachen am Eingang des Dungeons beispielsweise machen Sinn. Zwei Wachen in einem alten Wandschrank machen keinen Sinn. (Normalerweise, zumindest …). Doch warum ist das so?

Wachen sind normalerweise nicht irgendwo. Sie stehen meist an strategisch sinnvollen Positionen. Dies ist zum einen da, wo es etwas zu bewachen gibt, zum Beispiel am Eingang oder vor besonderen Türen. Wahlweise auch in speziellen Beobachtungsräumen, die der Aufklärung dienen und böse Überraschungen vermeiden sollen.

Zum anderen findet man Wachen auch in Pausenräumen. Also Wachstuben, Kasernen, Behelfslagern etc. Diese Räume sind sogar doppelt wichtig: Für die Spieler erhöhen sie die Immersion, denn sie zeigen, dass die Wachen in Schichten arbeiten und sich dazwischen ausruhen können. Zum anderen liefern sie dem Spielleiter bei Alarm ein nettes Reservoir für Nachschub-Truppen.

Arbeiter

Arbeiter?

Arbeiter.

Ein bewohntes Dungeon hält sich nicht alleine am Laufen. Irgendjemand muss Nahrung heranschaffen. Irgendjemand muss irgendetwas tun, was Geld einbringt.  Irgendjemand muss kochen. Beispielsweise.

Bei Dungeons mit kleiner Bewohnerzahl (Räuberunterschlupf etc.) erledigen die Bewohner dies meist in Personalunion mit den Wachen. Sprich: Einige schieben Wache, einige rauben, einer kocht.

Apropos Kochen: Die Erwähnung einer Kochstelle reicht schon aus, um den Eindruck zu erwecken, es würde jemand kochen. Das muss niemand aktiv tun, die Immersion wird trotzdem erhöht.

Diese Betrachtungen gelten natürlich nur für bewohnte Dungeons, in unbewohnten Dungeons wie Durchgangstunnels muss auch niemand versorgt werden.

Monster

Wenn in dem Dungeon Monster leben, lautet die Grundfrage auch erst einmal wieder: „Warum?“
Die drei wichtigsten Antworten in diesem Falle lauten:

„Die Monster kommen dort natürlich vor.“

In diesem Fall sollte der Spielleiter natürlich sicherstellen, dass das so stimmt. Im Falle von Pathfinder beispielsweise gibt es für die Monster eine Angabe, in welchem Terrain sie sich bevorzugt aufhalten. Wenn dort beispielsweise „Überall unterirdisch“ steht, ist es durchaus möglich, dass das Monster auch in unserem Dungeon wohnt.

Natürlich ist dann die nächste Frage: Wie gehen die Bewohner des Dungeons damit um?

Wenn die Monster die einzigen Bewohner des Dungeons sind, stellt sich die Frage natürlich nicht, dann wohnen sie da, und alles ist in Ordnung.

Was aber, wenn aber irgendwelche Oberschurken das Dungeon erbaut haben, und sich dort jetzt Riesenspinnen ansiedeln möchten? Oder wenn dort Riesenspinnen in der Höhle leben, wo der Oberschurke gerne sein Quartier beziehen würde? In diesem Fall müssen sich die Parteien entweder arrangieren – oder aber die Helden werden nur einer der Parteien begegnen, da sich die jeweils andere des Problems schon angenommen hat.

„Die Monster werden dort gehalten.“

Für dieses Arrangement gibt’s verschiedene Methoden. Beispielsweise kann der Oberschurke rausbekommen haben, wie man sich mit den Monstern gut stellt. Regelmäßiges Füttern beispielsweise soll gelegentlich Wunder wirken. Dann könnte er sie als Wachkreaturen dort leben lassen.

Andererseits könnte er die Monster aber auch einfach einsperren. Das würde erklären, warum sie hinter verschlossenen Türen stecken – allerdings nur eine Zeit lang. Spätestens, wenn sie nicht gefüttert werden, hat er nämlich sonst tote Monter hinter verschlossenen Türen. Füttern verbraucht aber Ressourcen. Und das wirft wieder meine Lieblingsfrage auf: „Warum gibt er Geld aus, um diese Monster zu halten?“. Er könnte sie beispielsweise als Versuchskaninchen halten. Oder, weil er gerne einen Zoo hat.

Aber eines sollten wir festhalten: Einfach so Monster zu halten, ist eine Ressourcenverschwendung.

Wandernde Monster

Und dann wären da noch die wandernden Monster. Diese streunen durch die Gänge eines Dungeons um die Helden anzugreifen. Wo genau sie streunen, wird nicht durch Logik gesteuert, sondern durch Begegnungstabellen.

Für alle wandernden Monster gelten natürlich die oben gemachten Betrachtungen zum Thema „Warum sind sie überhaupt da“. („Ich habe das ausgewürfelt“ zählt hier nicht als Begründung!).

Die wichtigste Frage zu Wandernden Monstern ist allerdings: „Warum greifen sie die Helden an und nicht die Bewohner des Dungeons?“. Und in Folge: „Wenn sie auch die Bewohner des Dungeons angreifen, warum hat man sie dann noch nicht vor die Tür (oder sonstwohin) gesetzt?“.

Um noch einmal auf die Fallen zurückzukommen …

Fallen sind zwar aus einem guten Dungeon nicht wegzudenken … aber rein praktisch gesehen sind sie vor allem eines: Den normalen Bewohnern bei ihrem täglichen Leben einfach nur im Weg.

Gut, eine Arbeitssicherung nach heutigen Standards, wo selbst die Ergonomie des Arbeitsplatzes geprüft wird, ist in einem Fantasy-Dungeon wohl eher nicht relevant. Aber kein böser Oberschurke wird es gerne sehen, wenn seine Arbeiter dreimal am Tag seine Fallen auslösen und dabei womöglich auch noch draufgehen.

Generell gilt für Fallen: Ihre Kosten (also der Aufwand, sie zu bauen) müssen im Verhältnis zum Nutzen stehen. Sonst würde die niemand bauen. Außer vielleicht einem Sadisten wie Grimmzahn, und auch der müsste sie erst mal bezahlen und/oder bauen können.

Abgesehen von dieser generellen Betrachtung möchte ich noch auf drei Fallentypen näher eingehen: Wegfallen, Finale Fallen und absolut unsinnige Fallen.

Wegfallen

Wegfallen sind alle Fallen, die den Helden im Weg liegen. Das sind genau die Fallen, die auch jedem Dungeon-Bewohner im Weg liegen.

Erinnern wir uns mal an eine typische Feuerwehrtür in einem vielgenutzten Flur. Diese schweren Türen darf man nicht offenhalten, aus gutem Grund. Aber trotzdem sieht man diese Türen dauernd verkeilt, weil die Leute einfach keine Lust haben, immer und immer wieder diese schwere Tür zu öffnen.

Und jetzt stellen wir uns das mal mit einer Wegfalle vor, die man, wenn man durch möchte, erst einmal deaktivieren (im schlimmsten Fall entschärfen) muss, nur um sie nach dem Durchgehen sofort wieder zu aktivieren. Wie lange wird es wohl dauern, bis da die ersten Leute nachlässig werden?

Deshalb sollte als eine Grundregel für Wegfallen gelten: Es muss einen alternativen Weg geben, den die Bewohner des Dungeons nutzen. Und dieser sollte mit entsprechenden Wahrnehmungsproben auch sichtbar sein, weil alle Spuren im Dreck da lang führen.

Was allerdings völlig denkbar ist, sind Wegfallen, die von den Wachen erst im Alarmfall scharfgemacht werden. Schöner Nebeneffekt: Einige von diesen machen vielleicht Gänge auf dem Rückweg der Helden gefährlich, und zwar Gänge, die sie auf dem Hinweg problemlos passieren konnten. Das erhöht die Wachsamkeit auch auf den Rückwegen.

Anmerkung am Rande: Wenn ein Dungeon sowohl Wegfallen, als auch „Wandernde Monster“ beinhaltet, dann ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es auch die Kombination gibt: Wandernde Monster in von ihnen ausgelösten Wegfallen.

Finale Fallen

Als Finale Fallen bezeichne ich Fallen, die in ein Gebäude nur eingebaut wurden, um JEDEN weiteren Versuch, es zu betreten, zu unterbinden. Die Pyramiden in Ägypten sind dafür ein gutes Beispiel: Die dort eingebauten Fallen (und einige der Türen) waren nicht dafür gedacht, jemals wieder entschärft und/oder geöffnet zu werden. Um das zu erreichen, wurden teilweise sogar Arbeiter in der Pyramide eingeschlossen, nur um hinter sich die Türen zu schließen und die Fallen scharfzumachen.

Diese Art von Fallen kann in einem Fantasy-Fungeon natürlich auch auftreten. Nur liegt es dann in der Natur der Sache, dass dieses Dungeon entweder nicht bewohnt ist, oder aber dort nur noch die eingeschlossenen Arbeiter vor sich hinvegetieren.

Absolut unsinnige Fallen

Diese Art  von Fallen habe ich in einem Rollenspiel-Dungeon noch nicht gesehen – was aber nicht ausschließt, dass es sie gibt. Da sie aber des Öfteren in Filmen vorkommen, gehe ich trotzdem kurz auf sie ein.

Diese Fallen sind deshalb unsinnig, weil sie in der Regel das, was sie eigentlich schützen sollen, zerstören. Ein Beispiel ist das Pendel, welches einen Teil der Brücke wegreißt. Warum baut man so etwas? Wäre es nicht einfacher gewesen, beim Bau des Grabmals die Brücke zu zerstören? Hier wird viel zu viel Aufwand betrieben, um den Gästen Angst einzujagen – denn zum Umbringen reicht es ja in der Regel nicht.

Im „normaleren“ Rahmen liegen einstürzende Gänge und ähnliches: Hätte man den Gang direkt verschüttet, hätte man sich die Falle gespart und es wäre trotzdem keiner reingekommen.

Generell sind Fallen unsinnig, wenn sie einen Zustand herstellen, der die Sicherheit des Ortes erhöht hätte, wenn man ihn ohne Aufbau der Falle sofort hergestellt hätte.

Ist ein hinterfragtes Dungeon ein gutes Dungeon?

Als Designer von Dungeons sollte man sich die Zeit nehmen, diese und weitere Fragen zu beantworten. Wie logisch oder hanebüchen die Antworten ausfallen dürfen, hängt natürlich vom verwendeten Spielsystem und vom verwendeten Setting ab. In jedem Fall ist aber sichergestellt, dass  er sich zu diesen Dingen schon einmal Gedanken gemacht hat.

Jede Antwort, die sich hier ergibt, macht das Dungeon glaubhafter und realistischer. Je besser sich ein Dungeon sich in die Spielwelt einfügt, desto höher ist die Immersion der Spieler, die dieses Dungeon betreten. Wenn sie es von vornherein als Fremdkörper ansehen, werden sie einfach nur „durch ein weiteres Dungeon rennen“. Je mehr dieses Dungeon Teil der Welt wird, desto mehr gibt es auch zu entdecken.

Die Fragen helfen auch, zusätzliche Details einzufügen, die mit dem Haupt-Plot des Dungeons nichts zu tun haben. Beispielsweise können die Helden die Leiche eines lange vermissten Dorfbewohners finden und in dieser Angelegenheit (traurige) Klarheit schaffen. Oder aber Teile der Geschichte des Landes findet sich an die Wände gemalt oder geschrieben. Hier kann man sogar  Verbindungen zu weiteren Abenteuern unterbringen.

Soviel zu den kritischen Fragen an Dungeondesigns. Vielleicht werde ich in einem Folgeartikel noch einmal auf typische Design-Fehler eingehen und Tipps geben, wie man diese vermeiden kann.

Inspiration

Auf diese Gedanken gebracht wurde ich unter anderem von

 Artikelbild: © gabriel77  | sxc.hu

7 Kommentare

  1. Hahahaha, das erinnert mich daran, dass ich auch mal einen realistischen Dungeon designt hab, und die SCs haben dann einen der Bewohner (Duergar) auf dem Örtchen überrascht… Ach, war das ein spaßiger Abend, was haben wir da gelacht…

  2. Hahahaha, das erinnert mich daran, dass ich auch mal einen realistischen Dungeon designt hab, und die SCs haben dann einen der Bewohner (Duergar) auf dem Örtchen überrascht… Ach, war das ein spaßiger Abend, was haben wir da gelacht…

  3. Den Ausführungen zu Fallen kann ich irgendwie nicht zustimmen. Mit kommen div. sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Fallen in den Sinn, die diese in ihrer Ausführung sinnvoll erscheinen lassen.

    Ich warte ebenfalls auf den Artikel, der Fantasywelten aufgrund wirtschaftlicher Aspekte dekonstruiert, da ja hier dies den Einsatz von Fallen verhindert.

  4. Da mit den verkeilten Feuertüren ist kein schlechter Vergleich. Wenn allerdings mehr droht als ein “He, lass das!“, wie der eigene Tod durch den ungehaltenen Nekromantenboss, dann könnte das mit den Keilen auch schnell aufhören. Aber ansonsten sind viele gute Punkte dabei.

  5. Ich habe in diesem Artikel nur Anregungen gegeben, nicht den Aufbau von Fallen generell in Frage gestellt. Natürlich gibt es jede Menge Fallen, die durchaus Sinn machen.

    Es ging mir eher darum, darüber nachzudenken, wie genau die Fallen aufgebaut sind, und warum.

    Beispielsweise könnte man eine Fallgrube als Wegfalle einsetzen, diese aber im Normalfall mit Riegeln sichern, so daß sie nicht auslösen kann. Dann kann man den Weg normal nutzen, und wenn die Bewohner das Dungeon verlassen, machen sie halt die „Alarmanlage“ an ;-)

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