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Auf der RPC 2012 hatte ich die Chance, ein paar Worte mit dem Autoren Robert Hamberger, Erschaffer eines durchweg interessanten Rollenspiels, Contact RPG, zu wechseln, sein Produkt zu sichten und auch eine kurze Testrunde zu spielen. Angeködert durch den Inhalt und das Setting erbat ich ein Rezensionsexemplar. UFOs, Aliens, eine multinationale Spezialeinheit, ein W%-System und das Ganze in einer cyberpunkigen Welt? Klingt nach einem interessanten und reizvollen Spiel. Oder?

Erscheinungsbild

Der erste Blick offenbart ein gut in der Hand liegendes Buch mit Hardcover, versehen mit einem schwarzen Lesebändchen, einem Inhaltsverzeichnis und einem Index. Das Frontcover ähnelt einer Collage aus verschiedenen optischen Eindrücken der Spielwelt. Ein Söldner mit klassischer Zigarre im Mund, schwerer Panzerung und Waffe steht im Vordergrund, unter ihm sehen wir bereits einige der außerirdischen Spezies, um die sich das Spiel dreht. Neben dem Söldner sehen wir eine elfen- oder auch katzenartige junge Frau mit violetter Haut. Die „Kinder von Mu“ sind im direkten Sinne keine Aliens, sondern vor Urzeiten genetisch veränderte Menschen. Später dazu mehr. Über dem Söldner sehen wir unseren geliebten blauen Planeten und einige untertassenförmige Raumschiffe. Das Logo ist ungewohnt dezent in der oberen rechten Ecke platziert.

Zugegeben, man muss den Zeichenstil mögen, es ist etwas comic-haft und lebt vor allem durch harte Schatten und kräftige, nicht zwingend bunte, Farben. Erwähnenswert finde ich, dass der Autor nicht nur schreiberisch und konzeptionell tätig war, sondern auch zeichnerisch und viele der Illustrationen des Grundregelwerks auch aus seiner Feder stammen. Wer ihm einen Besuch abstatten möchte, schaut bei BioMetal79 auf DeviantArt vorbei.

Das seidenmattglänzende Papier des Buches gefällt dem Tastsinn – nicht zu dünn, nicht zu dick, weder zu glatt noch zu stumpf. Auch der Aufbau der Seiten macht einen guten Eindruck. Man hat sogar daran gedacht, die Schriftfarbe durch einen Schlagschatten anzupassen, wenn der Hintergrund zu dunkel ist. Zierrahmen und Hintergrund der Seiten erinnern etwas an Shadowrun, das ist aber durchaus passend zu der Cyberpunk-Welt, die Hamberger erdacht hat.

Angenehm finde ich, dass lange Textwände mit üppigen Regelpassagen durch kleine Grafiken aufgebrochen werden und so dem suchenden Auge immer wieder etwas zum kurzen Verweilen geliefert wird. Um Spieler- von SL-Inhalten abzugrenzen, bringt das Buch LEDs mit (natürlich gedruckt). Diese sind jeweils oben auf den Seiten abgebildet und unterscheiden in den Farben Grün, Blau und Rot. Grün ist für Spieler, Blau vertieft die grünen Informationen, ist hauptsächlich für SLs gedacht und darf auch von Spielern gelesen werden und Rot sind reine SL-Informationen.

An sich eine gute Idee, doch sind die LEDs a) zu klein und b) unterscheiden sich zumindest bei mir Blau und Grün kaum. Knalligere Farben wären besser.

Die harten Fakten:

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Verlag: Uhrwerk; 1. Auflage  (Mai 2012)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3942012405
  • ISBN-13: 978-3942012409
  • Preis: 49,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Klick)

Die Spielwelt

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Worum geht es in „Contact – Das taktische UFO-Rollenspiel“? Stellen wir uns eine düstere, von Katastrophen veränderte Welt vor, in der Megakonzerne die Macht innehaben und die eigentliche Regierung eines Staates eine eher untergeordnete Bedeutung darstellt. Eine Welt, in der die Menschen zu sehr damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu schaden, als dass die immer häufiger werdenden UFO-Sichtungen als Bedrohung wahrgenommen werden.

Als Folge dieser Sichtungen wurde eine multinationale Geheimorganisation gegründet, OMEGA. Die Aufgabe dieser Organisation lässt sich recht einfach darstellen: Erforschung, Sicherstellung und Eliminierung der außerirdischen Bedrohung.

Die Welt gestaltet sich, wie beschrieben, als wirklich düster, ich empfinde sie sogar ein Stück weit derber als sie es in Shadowrun ist. Vermutlich haben die vielen nicht erklärten Katastrophen einen Anteil daran, wie auch die Selbstsüchtigkeit der Menschen. OMEGA wirkt dadurch wie ein Fanal der Hoffnung, sozusagen die letzte Verteidigungslinie gegen die Bedrohung, die keiner wahrhaben will.

Interessant finde ich, dass echte Künstliche Intelligenzen (KI) bereits vorhanden sind. In anderen Near-Science-Fiction Systemen findet man oft SI (Sufficient Intelligence, „zureichende Intelligenz“). Natürlich werden auch hier die ethischen Fragen aufgeworfen, inwieweit jene Daseinsformen als „lebendig“ begriffen werden dürfen. Ich mag diese Hommage an Asimov. Das Kapitel, welches uns über die Spielwelt informiert, greift auch Themen wie Lifestyle, Verkehrswesen und Pharmazeutika auf. Auch die wichtigsten Konzerne werden vorgestellt, wie auch diverse para-religiöse Kulte, die sich oftmals um UFOs zentrieren. Natürlich erhalten wir auch einen Überblick über die Funktionsweise und interne Struktur von OMEGA.

In einem späteren Kapitel werden die verschiedenen außerirdischen Rassen vorgestellt, inkl. Beweggründen und Motivationen, sozialer Struktur, Schwächen und Stärken, wie auch Vorschläge zur möglichen Bekämpfung. Es handelt sich hier um SL-Informationen, die sich Spielercharaktere hart erarbeiten müssen.

Spieler können im gewissen Maße ein Stück weit mehr als in anderen, üblichen Rollenspielen an der sie direkt umgebenden Spielwelt mitwirken, insbesondere betrifft das die Basis des Spielerteams. Mit der sogenannten BMS, der Basis-Management Simulation, können Spielercharaktere aktiv bestimmen, wie ihre Basis aussehen wird. Mehrere Gebäude können in verschiedenen Ausbaustufen errichtet werden, jede Stufe bringt weitere Vorteile. Gleichermaßen verhält es sich mit der Erforschung bestimmter Technologien, die jedoch wiederum Voraussetzungen wie z.B. bestimmte Materialien oder auch Basis-Erweiterung in bestimmter Ausbaustufe benötigen können. In der Tat haben wir hier eine optionale Regelerweiterung, die aber in meinen Augen dem Spiel viel Spaß bringt. Stelle ich mir vor, dass das neue junge Team zwischen Zelten und Barracken abgesetzt wird und von da an nur noch Geld von der Organisation erhält, aber alles andere steuern kann, erinnert mich das sehr an den Basenbau in Computerspielen.

Das Team muss mit Ressourcen haushalten, diese gewinnbringend einsetzen und so Stück für Stück seine Möglichkeiten erweitern. Computerspiele ist ein wichtiges Stichwort, denn die Hauptinspiration für das Spiel entstammt der X-Com Serie.

In den X-Com Spielen hat der Spieler ein Team rundenbasiert über Karten gesteuert und ist gegen Außerirdische angetreten und musste dabei globale Ziele erreichen. Diese Idee umgesetzt auf ein Cyberpunk RPG finden wir in Contact.

Zu Cyberpunk gehören auch Waffen, natürlich! Das Waffen- und Ausrüstungskapitel ist eines der umfangreichsten, welches ich in den letzten Jahren aus der Rollenspielwelt kenne. Unter der Berücksichtigung der Erforschungsmöglichkeit wird jedem Schießeisen ein Techlevel gegeben, das mit den Techleveln der Basis korrespondiert. Waffen kann man auch auf dem Schwarzmarkt kaufen oder erbeuten, aber wo bliebe da der Spaß, Stück für Stück besser zu werden. Schön fand ich das Artwork der Waffen, hier kann man wirklich jeder Wumme die zugrundeliegende Technologie ansehen.

„Waffen“ führt uns zu Kampfregeln und damit sind wir auch schon bei dem Teil, der den üppigsten Teil der Regeln, nicht aber des Regelwerks einnimmt.

Die Regeln

Das Regelwerk von Contact lässt sich ganz einfach auf einen Punkt bringen. Es handelt sich um ein W%-System. Alles kleiner gleich 5% ist ein kritischer Erfolg, alles größer gleich 95% ein kritischer Patzer.

Soweit klingt es einfach, nicht? Ist es an sich auch, aber dann kommt die Fülle an situativen Modifikatoren, die man in meinen Augen alle benutzen muss, wenn man den Slogan „Das taktische UFO-Rollenspiel“ erfüllen will. Ziel in Deckung, selbst im defensiven Modus, Ziel größer als jemand, selbst verletzt, Distanz zum Ziel, Feuer- oder Angriffsmodus – all das ist nur ein Ausschnitt der vielen Mindestwurfmodifikatoren.

Diese alle im Kopf zu behalten, ist schwer und sicherlich sehr holprig zu Spielstart. Die Informationen und Regeln sind teils optional und daher auch weit über das Regelwerk fragmentiert, daher muss man viel blättern. Für meinen eigenen bevorzugten Spielstil ist das nicht das Richtige, taktische Spieler mit einem Faible für Mathematik, hingegen werden sich wohlfühlen. Ich rate daher an, wenn man sich entschließt, eine Kampagne zu spielen, die Regeln Stück für Stück modular einzuführen und so den Komplexitätslevel immer weiter anzuheben.

Aber: Ich habe eine Vorschau auf den Spielleiter-Schirm erhalten und dieser behebt das große Manko. Alle wichtigen Modifikatoren finden sich auf einen Blick. Und die, die nicht draufstehen, sind so selten, dass man ohne sie spielen kann. Oder sie sind optional, was uns aber wieder auf den Slogan, dessen Anspruch und die Erfüllung dessen bringt.

Etwas Besonderes und damit des Hervorhebens wert ist das Initiative-System. Aus diversen Werten wird ein Sequenzwert errechnet, zu Beginn des Kampfes kommt noch das Ergebnis eines W10 im Normalfall dazu. Jede Aktion, ob Laufen, Schießen, Rennen (etc.) kostet ein gewisses Maß an Aktionspunkten. Ist man nach Abzug dieser Punkte vom eigenen Sequenzwert immer noch der Charakter mit dem höchsten Sequenzwert, ist man weiter am Zug. Dies gilt solange, bis ein anderer Charakter den nun höchsten Sequenzwert hat.

Das kann unter anderem heißen, dass der rasend schnelle Infiltrationsspezialist drei Mal handeln kann, bevor der schmächtige Wissenschaftler überhaupt realisiert hat, dass etwas los ist. Ich verstehe den Anspruch, der hier hinter steht – die Umsetzung von ähnlichen Systemen aus Computerspielen wie eben X-Com oder Final Fantasy, frage mich aber, in wie weit das dem Spiel an sich gut tut. Ich persönlich finde es praktikabler (aus Gründen der Spielerzufriedenheit) jeden Charakter und NSC erst ein Mal handeln zu lassen, bevor weitere Aktionen dazu kommen.

Dieses Spiel verfolgt einen anderen Ansatz, den ich zu honorieren weiß, an welchen ich mich aber erst gewöhnen muss. Hat man sich aber damit eingehend beschäftigt, spürt man das nahtlose Ineinandergreifen der Spielkonzepte.

In der Testrunde auf der RPC habe ich einen langsamen, aber nahezu unbesiegbaren Koloss gespielt. Bis ich endlich im Gefecht dran war, wurde mir schon langweilig, auch wenn ich aufmerksam den Aktionen der anderen Spieler gefolgt bin. Gut, ich habe dann doch den Tag gerettet, aber das ist eine andere Geschichte. Dieses hier bringt mich aber direkt auf Schadensarten.

Contact unterscheidet zwischen einer Vielzahl von Schadensarten, ob nun ballistisch, explosiv, Stichschaden, toxisch und weiteren. Gegen jede Art gibt es Reduktion. Ausdauer, Masse und Entschlossenheit (das sind Attribute) steuern die Lebenspunkte, hier Vitalitätspunkte genannt. In der Testrunde erfuhr der Charakter einer Mitspielerin einen kritischen Treffer gegen ein Bein, welches abgetrennt wurde. Mein Charakter hingegen hatte eine Detonation einer Handgranate direkt vor der Brust und kam dampfend und nur seicht verletzt davon. Hier scheint mir noch etwas Balance zu fehlen.

Bezogen auf Schaden kennt das Spiel nicht nur körperlichen Schaden, sondern auch Erschöpfung und Eskalationszustände, die kritische Wunden erzeugen können.

Die Vielzahl der Modifikatoren ist zwar nicht unüberschaubar, aber doch größerer Natur und könnte sich anfangs spielflusshemmend auswirken. Modular, langsam Stück für Stück eingeführt und immer mit dem Vorsatz, dass SL wie auch Spieler die Regeln kennen müssen, um den Anspruch des taktischen Spieles gerecht zu werden, wird es jedoch ein durchaus gangbarer Weg sein. Cheatsheets oder besagter SL Schirm, den ich sehen durfte, sind ein Muss (und heben damit die Anschaffungskosten).

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung basiert auf einem Punktekauf-System. Es wird unterschieden zwischen Attributen, Fertigkeiten, Merkmalen und Ausrüstung, für welche Punkte investiert werden können. Bereits die Auspunktung der Attribute offenbar den simulativen Grad des Spieles. Zwischen verschiedenen Attributen herrschen Querverbindungen, die z.B. verhindern sollen, dass unrealistische Körper erschaffen werden. Masse ist z.B. an Stärke gekoppelt. Aus den Attributswerten werden verschiedene Werte errechnet, wie der Basis-Sequenzwert, die Vitalitätspunkte, die Schmerztoleranz und anderes.

Der Grundwert einer Fertigkeit wird auf Basis der Attribute berechnet, dazu können weitere Punkte gekauft werden. Bestimmte Fertigkeiten können als Fokus-Fertigkeiten ausgezeichnet werden. Diese können dann im Spielverlauf effizienter gesteigert werden. Merkmale sind Vor- und Nachteile mit direkter Spielauswirkung, die helfen, das eigene Konzept des Charakters zu realisieren.

Über die üblicherweise 240 Punkte kann auch Ausrüstung gekauft werden. Dazu gehört mundane Ausrüstung wie Waffen, aber auch sogenannte BioMods. Andere Spiele nennen diese Ausrüstung Cyber- oder Bioware.

Neben „normalen“ Menschen existieren noch andere Auswahlmöglichkeiten für Charaktere. Es können Roboter gespielt werden, Cyborgs (also Maschinen mit menschlichen Gehirnen) und beschränkt auch Einsatzhunde.

Letztere sind jedoch eher ausgepunktete Begleiter, denn Spielercharaktere. Das Regelwerk rät davon ab, einen Hund als echten Charakter zu spielen. Für einen kurzen Exkurs in die hündische Erlebniswelt mag es für den einen oder andere reizvoll sein, ich halte es aber ebenfalls nicht für zielführend.

Nicht zu vergessen sind die Kinder von Mu. Ich erwähnte oben die violette Katzenelfenfrau. Ich will nicht zu viel verraten, da diese Informationen direkt in Richtung des Metaplots gehen, aber es handelt sich hierbei um genetisch gezüchtete und veränderte Menschen, die geschaffen wurden, um zu kämpfen. Ihre naive, aber sehr wilde Natur macht sie zu hervorragenden Kriegern. Mehr wird nicht verraten, aber jede gute Runde sollte in meinen Augen vielleicht 3 Menschen, einen Roboter und ein Kind von Mu haben….

Ist alles ausgepunktet, kann man prüfen, ob man den Voraussetzungen für einen bestimmten Werdegang innerhalb von OMEGA erfüllt hat. Aus diesem „Beruf“ dann resultieren Gehalt, Ausrüstung, Startkapital und vor allem die Sicherheitsfreigabe. Letztere wiederum schränkt den Grad an Informationen ein, den man hat und die Zugriffsmöglichkeiten auf Einrichtungen und andere Möglichkeiten der Organisation.

Ich begrüße die Vielfalt der Erschaffungsmöglichkeiten, bin aber durch die vielen mathematischen Abhängigkeiten etwas erschrocken. Sogar das Grundregelwerk empfiehlt die Nutzung eines Charaktergenerators und das will was heißen! Es existiert ein entsprechendes offizielles Programm zum Download auf Basis von MS Excel. (s.u.)

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Die Welt von Contact ist toll. Sie ist in genügender Tiefe beschrieben, hat viele offene Winkel und Ecken, in denen man sich als SL breitmachen kann, um seine eigenen Einfälle zu realisieren.

Der Metaplot ist deutlich genug offengelegt, um eigene Ideen zu entwickeln und durch die optionale BMS haben Spieler auch genug Möglichkeiten, sich auszutoben und so beispielsweise neue Ansatzpunkte für Missionen zu finden. Vielleicht benötigen sie ja ein bestimmtes Isotop und müssen es vom Schwarzmarkt kaufen oder gar stehlen, weil ihnen das Geld fehlt?

Möglichkeiten zur Storyentwicklung gibt es genug.

In Gefechten jedoch geht nichts ohne BattleMap, vollständige Kenntnis der Regellast und auch ein gewisses Maß an Zeit. Ich halte Gefechte für recht träge, wenn man mit dem Spiel anfängt. Nach etwas Übung werden Kämpfe jedoch leicht abzuhandeln sein.

Zwingend gehört zu jeder Mission in meinen Augen ein Gefecht, denn sonst verfehlt der Fokus des Regelwerks auf Kampf sein Ziel. 

NSCs werden in den Stufen 1 bis 3 aufgeteilt. Stufe 1 NSCs sind quasi die unwichtigen Statisten, Stufe 2 sind bedeutsame NSCs für eine Mission oder einen Handlungsstrang, Stufe 3 NSCs sind die Mover & Shaker einer gesamten Kampagne oder detailreiche Charaktere, die eine wichtige Rolle einnehmen. Eine gute Übersicht über die Werte aller möglichen NSCs ist im Regelwerk beinhaltet.

Gut finde ich, dass die Technologie der Fremden beschrieben wird, denn so erhalte ich als SL eine gute Chance, die Aliens und deren Technologie so darzustellen, wie der Autor sie erdacht hat. Der Detailgrad ist hierbei nur unwesentlich geringer als bei den Möglichkeiten, die Spielern gegeben werden.

Ebenfalls begrüßenswert ist die Beinhaltung einer Kampagne, die ein furioses Zwischenende nimmt. Übrigens: Wer den Spruch „In diesem Klo, da wohnt ein Geist, der jedem, der …….“ kennt, wird an der Kampagne an einer Stelle seinen Spaß haben.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Charaktererschaffung ohne Generator: 1,5 Stunden. Erster Kampf mit vielen Rückfragen: 1,5 Stunden. Das erschafft eine Hürde, die es erst mal zu überwinden gilt. Hat ein Spieler sich aber davon nicht beirren lassen, wird er eine Spielwelt vorfinden, in der er nahezu unendliche Möglichkeiten hat.

Für Spieler, die Akte X, Starship Troopers und Cyberpunk mögen, findet sich hier genau die richtige Welt. Dass ein Spieler selbst, in Absprache mit seinem Team, die unmittelbare Spielwelt formen und so steuern kann, welche Technologien und Informationen das Team durch die BMS hat, finde ich grandios.

Das Spiel ist deutlich auf Teamzusammenarbeit gerichtet. Selbst ein eigenbrötlerischer Einzelgänger muss für das Team funktionieren, denn – die Tödlichkeit ist extrem hoch. Zum Glück bringt das System Punkte mit, die ausgegeben werden können, um die Sterblichkeitsrate etwas zu senken: Die sogenannten SLP („Stirb-langsam-Punkte“) oder auch McClanes. Inspiriert von Namen des Protagonisten aus den „Stirb langsam“-Filmen handelt es sich hier um Punkte, die ausgegeben werden können, um z.B. besonders tödliche Treffer abzuwenden. Dennoch würde ich mich darauf einstellen als Spieler und ggf. direkt zwei Charaktere erschaffen (für den Fall der Fälle).

Der Charakterbogen ist angesichts der Fülle der Werte sehr übersichtlich gelungen und erleichtert den Einstieg.

Wem die Charaktererschaffung zu lang dauert oder wer Lust hat, einfach mal reinzuschauen, kann die beispielhaften Spielercharaktere aus dem Regelwerk beleuchten. Diese haben komplette Charakterbögen, Hintergründe und sehr schicke Ausweiskarten.

Welchen Spielertypus spricht das Spiel an? Ich vermute, es werden hauptsächlich die Spieler sein, die ihr Konzept genau auf die Anforderungen, die sie spielen möchten, anpassen. Taktische Spieler, die gerne effektiv spielen und ein Faible für mathematische Zusammenhänge haben, werden sich hier pudelwohl fühlen. Eher story-orientierte Spieler werden auch ihren Spaß haben, werden aber vermutlich die wirkliche Finesse der Kampfsimulation nicht genießen können.

Preis-/Leistungsverhältnis

50 EUR sind mittlerweile üblich für viele Regelwerke, angesichts der erschwerten Zugänglichkeit durch Regelkomplexität ist das ein hoher Preis, der aber von Spielern, die diese Spielart mögen, gern gezahlt werden wird. Als Manko empfinde ich, dass die Anschaffung des SL Schirms (so er denn kommen wird), fast zwingend nötig ist. Aber gut, mit etwas Arbeit kann man diese so nötigen Übersichten über die möglichen Verwicklungen im Gefecht auch selbst erstellen.

Artwork, Qualität des Papiers, Layout und Design rechtfertigen den Preis.

Ich finde durchaus gut, was ich in den Händen halte und werde auch mindestens eine kleine Testkampagne spielen, weiß aber, dass die Nische der Spieler, die es wirklich mögen werden, klein ist.

Bonus/Downloadcontent

Im Bereich der zusätzlichen Unterstützung über das Web punktet Contact wirklich. Neben dem erwähnten Charaktergenerator finden wir hier eine schicke Zählerscheibe für den Sequenzwert, Erratas zum Regelwerk und auch Abenteuer unter dem Arbeitstitel CONTACT2GO.

Ohne geht es nicht mehr im Informationszeitalter und ich freue mich, eine so reichhaltige Unterstützung auf der Website zu finden. Schaut doch mal selbst vorbei, was es dort gibt: Downloads Contact RPG

Fazit

Contact macht einige Sachen anders. In Zeiten der einfachen Rollenspiele mit minimalen Regeln präsentiert es sich in einem Schwergewicht von Zusammenhängen und Modifikatoren, zudem ist es noch im Science-Fiction angesiedelt, einer Branche die traditionell in Deutschland eher schwergängig ist.

Da ich ein großer und langjähriger Science-Fiction Fan bin, begrüße ich die Veröffentlichung außerordentlich. Die erdachte Spielwelt ist wirklich gut, für meinen Geschmack könnten es jedoch ein oder zwei Alienspezies weniger sein. 4 Jahre Entwicklungszeit gingen  ins Land, um dieses schon ziemlich ausgereifte Produkt auf den Markt werfen zu können. Man merkt die investierte Zeit stark an dem Tuning der Regeln und der Detailliebe der Spielweltbeschreibung.

Auch wenn ich selbst eher ein story-orientierter Spieler bin, werde ich Contact eine Chance geben und die mitgelieferte Kampagne leiten in unserer Teilzeithelden-Testrunde.

Ich glaube, dass die taktischen Gefechte, die BMS und die Möglichkeiten zur Charaktergestaltung eine Weile brauchen, um auch mental richtig verarbeitet zu werden. Diesen Selbsttest möchte ich eingehen. Für den Spielertypus Taktischer Tweaker ist dieses Regelwerk genau das Richtige.

Daumen4Maennlich

 Artikelbilder: © Uhrwerk Verlag

 

10 Kommentare

  1. Schöne Rezi und sie gibt fast zu 100% meine eigene Meinung wieder. Die Aufmachung, das Layout etc. finde ich absolut genial und man erhält wirklich ein solides Werk für sein Geld. Ich fand die Tatsache, dass es etwas mathematischer zugeht in diesem Regelwerk durchaus reizvoll und nach den ersten Charaktererschaffungen und Kämpfen muss ich sagen: es funktioniert, aber es ist schon komplex und man sitzt da auch ne ganze Weile dran, das könnte weniger ausdauernde Spieler frustrieren. Ich hoffe sehr, dass der von Dir angesprochene Spielleiterschirm rauskommt, wir mussten oft hin- und herblättern, was den Spielfluss teilweise gehemmt hat.

  2. Muss sagen, deine Rezi deckt sich in weiten Teilen mit meinen Erfahrung bzw. meiner Rezi. Allerdings muss ich sagen, dass CONTACT weder Akte-X noch Cyberpunk-like ist, sondern doch eher ein taktisches Brettspiel (ohne kann man kaum Kämpfe abwickeln) mit Rollenspiel-Elementen aka. Charakterentwicklung.

    Gerade Cyberpunk lebt von einer ganz anderen Atmosphäre wurde ich behaupten und die Cyberware machte ausserhalb der Kampfmissionen kaum Sinn (kaum nicht gar keinen).

    Was ich schwer zugänglich fand, war unter anderem der Umstand, dass man fast in jeder Runde die Werte neu berechnen kann durch Erschöpfung oder Schaden.

    Den Charaktereditor hab ich übrigens noch weiter aufgebohrt:

  3. Heyho ihr Teilzeithelden!

    Sehr schöne Rezension! Gefällt! Bezüglich des Spielleiterschirms muss ich Dir recht geben. Ich bin selbst zwar ein SL, der kaum Wert auf Sichtschirme legt, aber eine entsprechende Zusammenfassung der kampfrelevanten Tabellen ist gerade bei einem solch detailverliebten Regelwerk wie CONTACT extrem sinnvoll!

    Bin gespannt, ,was noch so an Veröffentlichungen erscheinen wird. Das offizielle Abenteuer „Zug um Zug“ hört sich ja schon einmal gut an. Muss mal bei Gelegenheit reinschnuppern…

    Grüße,
    Durro

  4. […] CON­TACT (Das Tak­ti­sche UFO-Rollenspiel) konnte mich sofort fan­gen. Zum einen, weil mir das Set­ting gefällt. Ich habe vor vie­len Jah­ren begeis­tert mit Freun­den um einen PC geses­sen und den ers­ten Teil der UFO/XCOM-Serie gespielt. Obwohl es kei­nen Mehr­spie­ler­mo­dus hatte, haben wir klare Ver­ab­re­dun­gen getrof­fen, wel­che Figur wem gehört, wann und wie oft bei einem Ein­satz neu gestar­tet wer­den darf und so wei­ter. Die ers­ten bei­den Teile haben uns lange gefes­selt und auch spä­tere Nach­fol­ger habe ich gerne und lange gespielt — zuletzt XCOM: Enemy Unknown. CON­TACT ver­bin­det das bekannte Thema um den Angriff Außer­ir­di­scher mit einer dysto­pi­schen Near-Future-Welt, die mei­nem Lieb­ling Shado­wrun gar nicht so unähn­lich ist, und zumin­dest beim Lesen funk­tio­niert diese Verbindung. […]

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