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Bereits im Vorfeld der RPC 2012 wurde ich auf Ludus Leonis aufmerksam, einem kleinen Verlag, der eigene Rollenspiele publiziert und aus Österreich stammt. Auf der RPC sah ich dann die optisch sehr ansprechenden Produkte, fand aber leider keine Zeit mit dem Autor zu sprechen. Was also liegt näher im Zeitalter der Information ein Interview via Skype zu führen und Euch hier die Zusammenfassung zu präsentieren?

Äh…wer?

Natürlich wollte ich von Markus Leupold-Löwenthal wissen, wie für Ihn alles angefangen hat und was Ihn dazu brachte, eigene Rollenspielregeln zu entwickeln, wie auch RSP-Welten zu konzipieren. Markus hat, wie viele meines Alters, in den frühen 90er Jahren angefangen, zu spielen.

Der Einstieg geschah wie so oft auch, mit (A)D&D. Markus findet es jedoch in der Retrospektive zu beschränkt, in einer High-Fantasy Welt eine Stufenleiter zu erklimmen. Auch GURPS, was er später spielte, erschien in Bezug auf die Regeln zu mühsam und schwergewichtig. Ihn reizten schon immer Regelwerke, die die eigentliche gemeinsame Geschichte mehr betonen als die Taktik und die Mathematik. Wie auch ich selbst bevorzugt Markus, der aus Wien stammt, eher den cineastischen Weg und suchte daher nach einem Regelwerk, welches seine Vorstellungen realisieren würde.

Erschwerend für seine Suche kam hinzu, dass es in Österreich nur wenige Rollenspiel-Conventions gibt. Früher spielte Markus mit Alexander Schiebel von Ace of Dice zusammen und testete dessen Spiele.

Letztendlich musste also ein eigenes System her, was leichtgängig ist, allumfassend anwendbar und vor allem den Spielspaß in die beabsichtigte Richtung bewegt. Natürlich – nicht für jedermann etwas, aber genau das Richtige für Markus. Und auch bald einige andere, wie man an den Downloads sehen kann.

Rollenspielsysteme

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Das erste System aus Markus‘ Feder war TRIAS. Der Name steht hier für die Dreifaltigkeit der Regelsäulen. Die drei Trefferzonen Körper, Seele und Geist repräsentieren gleichzeitig die Vitalität des Charakters. Verletzungen an einer Zone verursachen Mali auf verwandte Fertigkeiten. Letzteren sind je drei Werte zugeordnet, s.g. Triaden. Mit einem W10 wird in einem Wurf versucht, möglichst viele davon zu unterwürfeln, um einen großen (alle drei), einen normalen (zwei) oder zumindest einen Teilerfolg (einen) zu erlangen. Der Teilerfolg hilft einem Einzelgänger nicht, kann aber von Mitspielern mit weiteren Teilerfolgen zu einem Gesamterfolg erhoben werden.

Mit Hilfe von Fokuspunkten, die man erst erlangen muss, kann man die Chancen den Test zu bestehen, verbessern. TRIAS hat Silberstatus, ist sozusagen in der Beta-Version, ist getestet und kann ohne weiteres bespielt werden. Das Setting ROBIN (ein Robin Hood Setting) nutzt TRIAS in der Version 0.15 und beinhaltet die neueste Regelversion. TRIAS eignet sich laut Aussagen des Autors für mittellange Kampagnen oder umfangreiche Settings. Konversionsmöglichkeiten auf eigene Settings sind ohne weiteres vorhanden, als ersten Ansatzpunkt sollten die Skills angepasst werden, so würde z.B. aus Bogen dann Strahlenwaffen.

Sehr angenehm finde ich, dass Markus bei den Versionswechseln ein Changelog mitführt, so dass deutlich wird, wo was geändert wurde. TRIAS ist kostenlos in der pdf-Version.

Das zweite entwickelte System ist NIP’AJIN, welches vor allem schon mal durch seinen irgendwie japanisch klingenden Namen auffällt und dann doch recht unaussprechlich ist. Aufgeschlüsselt bedeutet diese Abkürzung „Niemand ist perfekt, aber jeder irgendwie nützlich“.

Das Regelwerk ist vor allem sehr kurz und in der Anwendung sehr schnell. Der Fokus liegt deutlich auf OneShots oder ähnliche Spielarten. Ganze 6 Seiten umfasst das PDF, wovon Cover und Hinweise auf andere Veröffentlichungen des Verlages schon mal abgehen. 4 Seiten für ein komplettes Regelwerk? Wow!

Nun der Clou: Der Spieler hat je einen W4, W6, W8, W10 und W12. Für jede Probe kann der Spieler entscheiden, welchen Würfel er nimmt. Ist er einmal geworfen, gilt er als verbraucht. Erst wenn alle Würfel benutzt wurden, frischt sich der gesamte Pool wieder auf. Boni und Mali werden als Plus- oder Minusmodifikatoren auf das Ergebnis des Wurfes verrechnet. Hier kommt also trotz der Kürze ein Stück Taktik ins Spiel, denn wann nimmt der Spieler die Würfel mit der großen, wann die mit der kleinen Streuung? So werden Spieler gezwungen, auch schlecht zu agieren.

Settings

Trotz der Kürze liegt der Teufel im Detail, würde ich sagen. Für NIP’AJIN stehen mehrere Oneshot-Szenarien zur Verfügung, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

  • 111 Jahre: (20 Seiten) In diesem Szenario stellen die Spieler verwaiste Spielsachen dar, die aus einem Haus entkommen müssen, das zum Abriss freigegeben wurde. Dabei gibt es einige Probleme, angefangen vom bissigen Hund im Garten bis hin zum immer näher kommende Abrisskran. Wir haben Karten, Raumbeschreibungen, eine Plotlinie und sogar vorgenerierte Charaktere. Wenn auch aus Sicht der Charaktere ein sehr angsterfülltes Setting, kann man es doch als Slapstick spielen. Der geschätzte Zeitaufwand liegt um die sechs Stunden.

  • Geschlossene Gesellschaft (24 Seiten): Im heutigen Wien angesiedelt, wirft das Szenario die Spieler in eine lovecraftianische Interpretation eines…Schrebergartens. Am Spielort eines Konzertes angekommen und von strömendem Regen durchnässt stellen die Charaktere fest, dass geschlossene Gesellschaft herrscht. Was niemand weiß, ist dass die Schrebergärtner in Wahrheit Kultisten sind, die ein Tor in eine fremde Welt öffnen sollen. Inspiriert wurden Sie dazu von einem von den Glyphen auf einem unterirdischen Tetraeder, der von einem Wesen namens der Alte erbaut wurde. Werden die Spieler das Ritual stoppen? Werden sie gefangen und geopfert? Misslingt der Versuch, es zu stoppen und die gesamte Schreibergarten-Anlage wird in eine Zwischendimension versetzt? Die Informationen zu Örtlichkeiten und NSC sind zwar knapp, aber zureichend, um ein schönes Bild im Kopf der Spieler entstehen zu lassen. Auch hier haben wir wieder vorgefertigte Charaktere und Kartenmaterial. Mir gefällt es gut.

  • Kurai Jikan – Dunkle Zeiten (24 Seiten): Nun tauchen wir tief ab in die fantastischen Welten der Fantasy-Anime-Welten. Die Tränen der Sonnengöttin fielen vom Himmel angesichts eines großen Kampfes und ihr Licht ist so hell, dass sie alles Böse vertreiben. Die Oni, die Dämonen, fürchten ihr Licht. Der Kampf ist vor Äonen geschehen und die Spielercharaktere spielen Einwohner eines Dorfes, das den Schrein der Tränen beschützt. Doch es kam, wie es kommen musste: Die Dämonen kehrten vor kurzer Zeit zurück und verwandelten das Land in eine düstere Persiflage seiner selbst. Die Charaktere müssen nun zuerst das Dorf schützen und Hilfe holen und an folgend mit einer der Träne durch sie umgebende Finsternis in das an Japan angelehnte Land hinausgehen, um das göttliche Licht zu verbreiten. Jenseits der Lichtinsel, die sie mit sich tragen, lauert die Dunkelheit und damit die Oni. Das Setting ist das umfangreichste und bietet sicher Stoff für einige Spielabende. Es erinnert an eine Mischung aus Pitch Black und Prinzessin Mononoke. Wieder sind Beschreibungen der Orte und NSCs enthalten, wie auch vorgefertigte Charaktere. Schön ist auch, dass das Layout des Szenarios an den Inhalt angelehnt ist und daher pseudo-japanisch aufgemacht ist.

Allen Settings ist gemein, dass sie die Regeln für NIP’AJIN beinhaltet haben und man daher mit einem Dokument vollkommen auskommt. Schließen wir nun den Reigen und betrachten das erste (fast komplette) Setting für TRIAS.

ROBIN

ROBIN könnte auch „The merry men“ heißen. In der Tat gibt es ungewöhnlicherweise sehr wenige Robin Hood-Umsetzungen auf die Rollenspielwelt. Man findet einige Kurzrollenspiele, in welchen die Spieler die Rolle der Hauptprotagonisten einnehmen, aber kaum einige, die ermöglichen jemanden aus der erweiterten Truppe rund um Robin of Locksley zu spielen. Dieser Aufgabe nimmt sich ROBIN an. In der Tat ist ROBIN ein vollwertiges Grundregelwerk, welches jedoch noch im Beta-Stadium ist.

Das Regelwerk ist in einen Teil für Spieler und einen für Spielleiter aufgeteilt, was die Informationsweitergabe einfach macht.

Im Spielerteil finden wir einen zureichend tiefen Einblick in das England von Johann Ohneland. Wir finden die aktuellen TRIAS Regeln, wie auch die spezielle Anwendung der generischen Regeln auf das Setting. Wir werden durch die Charaktererschaffung geführt, die angenehm kurz ist und viel Platz für eigene Konzepte lässt. Auch müssen sich Spieler mit der Frage konfrontieren, wieso sie in der harten Welt des Mittelalters zu Gesetzeslosen geworden sind.

Abweichend von unserer realen Welt jedoch hat auch die Mystik einen optionalen Platz in ROBIN und so finden wir klerikale Wunder. Weitere Magie wird noch hinzukommen, ist jedoch noch nicht ausgearbeitet.

Der SL-Teil vertieft die Regeln, stellt die wichtigen großen Persönlichkeiten vor, beschreibt wichtige Örtlichkeiten und gibt eine mögliche Kampagne vor. Des Weiteren finden wir einige optionale Regeln, wie z.B. Fehlschüsse im Fernkampf. Einige Tabellen und ein Index (!) schließen das Regelwerk ab.

Wenn auch noch im Beta-Stadium und daher unter fortwährender Bearbeitung macht das Dokument einen optisch guten Eindruck und lässt sich durch das TRIAS Regelwerk leicht spielen. Über die Spielwelt muss man nicht viel sagen, jeder kennt Robin Hood durch diverse Filme, Romane und Spiele.

Fazit

Mein Eindruck aller Regelwerke und Settings von LUDUS LEONIS ist durchweg guter Natur. Bedenkt man, dass die Dokumente alle nahezu in Alleinarbeit entstanden sind, angefangen vom Text, der Logik und Mathematik, wie auch letztendlich das Layout und Design, bin ich der Meinung, dass hier ein kleiner Schatz ruht.  Gerade in Bezug auf das Layout sind die Spiele wirklich ansprechend und Markus wird oft um Rat gefragt, wenn es um das Design via LaTeX geht. Der Spieler, der simulative Regelwerke mit hoher Regeldichte und Detailgrad schätzt, wird jedoch den beiden Systemen nichts abgewinnen können.

Was noch fehlt, ist der Ausblick auf die Zukunft. Was hat Markus vor? Zu aller erst wird er natürlich versuchen, alle Projekte abzuschließen und sie in den Gold-Status zu erheben. So möglich und die Anreise vertretbar, wird er auf Conventions anwesend sein und dort Druckausgaben seiner Werke an den Mann bringen, wie auch Vorstellungsrunden leiten.

Ob er sich an einen großen Verlag anschließen wird, war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht klar. Fakt ist, dass die Dokumente weiterhin unter CC-Lizenz bleiben werden.

Wer nun neugierig geworden ist, findet die Website hier: http://www.ludus-leonis.com/

Dort kann man die Dokumente kostenlos herunterladen oder auch als Druckausgabe kaufen. Für den deutschsprachigen Raum sind sie bei Sphärenmeisters Spiele erhältlich.

Artikelbilder: © Ludus Leonis

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