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Der Tod ist ein Thema, welches ebenso mannigfaltig behandelt wird wie viele andere „Extreme“. Obschon ein Teil unseres Lebens, ist er ein Aspekt, der in der Literatur, oder in Filmen, zumeist entweder stiefmütterlich oder inflationär behandelt wird. Sein „Vorbote“ ist zumeist die Gewalt welche, ebenso wie der Tod selbst, oftmals verzerrt und von Emotionen losgelöst dargestellt wird umso häufiger sie auftritt. Der klassische Fall ist der Action-Film, die Action-Novelle oder das actionreiche Rollenspiel. Überall fliegen die Fäuste und am Ende stehen der Held, respektive die Helden, im Moment größten Glückes und Erfolges auf dem Leichenberg ihrer Feinde. Im Vergleich zu unserem täglichen Leben hat dies beinahe etwas Bizarres, wären wir doch höchst erschrocken, ja gar geschockt und abgestoßen, würde sich so etwas vor unserer Haustür abspielen und dennoch gehen wir mit einem Grinsen aus dem Kino und sagen „man, war das ein ‚geiler‘ Film“.

Es geht gerade mitnichten darum, eine moralische Einordnung dieses Paradoxons vorzunehmen, denn auch ich bin nicht frei davon, mir gerne einen guten, gerne auch blutigen Horror oder Action-Film anzusehen. Ebenso, je nach „Laune“, können actionreiche Dungeon Crawler Tischrunden auch einmal Spaß machen. Diese Elemente sind an manche Settings gar essentiell gebunden. Und dennoch gibt es, um zum eigentlichen Thema zurückzukehren, verschiedene Herangehensweisen um gerade den Tod in eine Geschichte einzubauen und sie dem Publikum, oder den Mitspielern, zu präsentieren und durch ihn emotionale Szenerien schaffen zu können.

Der Einleiter

Dieser Fall ist recht klassisch und wird sehr oft in Parodien verwendet. Gerade jeder Star Trek Fan kennt ihn: Den unbekannten Fähnrich in roter Uniform, der, wenn etwas merkwürdiges passiert und eine Außenmission nötig wird, zusammen mit Scotty, Pille, Spock und Cpt. Kirk einen fremden Planeten, ein fremdes Schiff oder ein Shuttle betritt. Es dauert keine zehn Minuten ehe diese Person stirbt und, durch ihren ebenso tragischen wie schnellen Tod sehr deutlich macht, dass es jetzt „richtig ernst“ wird und die Crew der Enterprise, oder gar die Bevölkerung der gesamten Föderation, in ernsten Schwierigkeiten steckt.

Den Tod einer Figur als „Start up“ zu nutzen, bietet vor allen Dingen die Chance den Ernst einer Sache von vornherein sehr klar und unmissverständlich zu verdeutlichen. Dabei kann die Dramatik schwanken. Im oben genannten Star Trek Beispiel wurde sie zu einem Evergreen. Man wartete darauf und war sich, im späteren Verlauf der Serie, bewusst was passieren würde wenn ein solcher Fähnrich zum Start einer Folge erschien. Die Dramatik verschwand und wurde später in diversen Parodien welche auf Star Trek zugeschnitten waren, wie etwa Galaxy Quest, verbaut. Weniger vorhersehbare Tode zu Beginn einer Handlung können jedoch für den nötigen Aufhänger sorgen gerade wenn sie, bis zu diesem Zeitpunkt, augenscheinlich „wichtigere“ Personen trafen. Ein Konterbeispiel zum Tod eines „gesichtslosen“ Deckoffiziers am Anfang einer Serie könnte der Tod Corins, der Vater von Conan in der gleichnamigen Verfilmung aus dem Jahre 2011, darstellen, dessen Charakter zunächst in einer Mentorenrolle auftritt, um dann, durch seinen Tod, als Motor für die restliche Handlung des Hauptprotagonisten zu dienen.

Ebenso ist der Tod als einschneidendes, ja gar unabdingbares, Ereignis in Rollenspielwelten wie Vampire: The Masquerade, Vampire: Redemption und Wraith:The Oblivion gar nicht weg zu denken. Eröffnet er dort doch erst das wirkliche Spiel. Gerade dort sollte er nicht einfach „passieren“. Der Tod genießt besondere, sehr persönliche, emotionale Aufmerksamkeit in einem dergestalten Untoten-Setting.

Der Motor im Inderludium

Im Unterschied zum „Einleiter“ geschieht dieser Tod im mittleren Verlauf einer Geschichte. Nicht nur, dass durch dieses Ereignis eine „Landmarke“ im Verlaufe der Handlung aufgestellt wird, ist diese Art des eingebauten Todes gerade dann ein essentieller Motor, wenn es einen Charakter trifft, mit dem die Zuschauer, Mitspieler oder Leser, vertraut waren, eine emotionale Bindung aufbauten und dadurch den „Verlust“ des Charakters in gewisser Weise „mitfühlen“ können. Ein auf diese Weise eingebauter Tod verdeutlicht in noch unmissverständlicher Weise die Dramatik der Situation. Er sagt: „Sehr her! Auch die Protagonisten dieser Geschichte, die bisher sehr wichtig waren, die aufgebaut wurden und die eure Sympathien errungen haben, können von der Bedrohung der Gegenseite zu Fall gebracht werden.“ Als Stilmittel hilft diese Art des inszenierten Todes um die Sympathien für die verbleibenden „Helden“, und die Antipathien für die „Bösen“, zu steigern. Zuschauer der Serie Game of Thrones, oder Leser der ursprünglichen Buchreihe Das Lied von Eis und Feuer, von George R. R. Martin, erfahren dies beim Serientod von Sean Bean. Letzterer hielt bereits in der Verfilmung von Der Herr der Ringe, in der Rolle des Boromir, für diese Art des Todes her. Erzähltechnisch kann diese Art des Todes die Handlung einer Geschichte zweiteilen und sie, nach dem dargestellten Tod, ernster machen. „Jetzt ist der Spaß vorbei.“

Das Ende

Am Ende von vielen Geschichten steht ein Held…und liegt ein Bösewicht Tod zu dessen Füßen. Die Aufzählungsbeispiele für ein derartiges Ende wären endlos, weshalb hier gar keine genannt werden sollen. Die „Guten“ gewinnen, die „bösen“ sind Tod. Als Zuschauer oder Mitspieler jubiliert man der Leinwand, dem Buch, oder, im Falle einer Rollenspielrunde, sich gegenseitig. Das Happy End ist erreicht und die „Bösen“ werden nie wieder gefährlich.

Alternativ zu diesem klassischen, meist bedingungslos gutem, Ende steht das tragische Ende bei dem die „Bösen“ überwunden werden aber mindestens ein Teil der „Guten“, wenn nicht gar der Held selbst, stirbt. Der Pyrrhussieg  schmeckt bitter, doch verdeutlicht der tragische Sieg umso mehr wie bedrohlich die Lage wirklich war. Der Tod des „Helden“ selbst muss jedoch kein Negatives sein, so kennt die Folklore vieler Kulturkreise den Begriff des „ehrenvollen Todes“, welcher in Kauf genommen wird um ein bestimmtes Übel zu überwinden oder ein „glorreiches Leben“ abzuschließen. Viele Beispiele hierfür finden sich gerade in der fernöstlichen Fantastik und, beispielsweise, in dem damit in Zusammenhang stehenden Rollenspiel Legend of the Five Rings.

Gemeinsamkeiten

Alle drei Beispielmomente für den Einbau eines, oder mehrerer, Tode zum „würzen“ einer Geschichte haben einen Kern gemeinsamen: Sie behandeln den Tod als tragisches Stilelement und nicht um ihn inflationär zu nutzen. Der „Tod“ der Tragik ist das Abstumpfen und Gewöhnen an unangenehme Situationen. Der Tod eines Zivilisten in einer Rollenspielrunde ist nicht halb so tragisch wie er es sein könnte, ja sogar sollte, wenn im Laufe der Geschichte ganze Landstriche entvölkert werden. Wir erleben diesen Effekt jeden Tag im Fernsehen: Absolut tragische Ereignisse berühren uns als Menschen kaum mehr da wir damit überreizt werden. In Rollenspielrunden sind dies oftmals typische „Hack ´n slay“ Runden, bei denen es darum geht entpersonalisierte Maßen von Feinden niederzustrecken die, ihrerseits, Maßen von entpersonalisierten „guten Menschen“ vorher töteten.

Je nach Geschichte, Film, Szenario, ja nach Charakterkonzept in einer Rollenspielrunde, kann dies durchaus sinnvoll sein und in den Kontext passen. Deutlich bewusst muss dabei jedoch bleiben, dass es vom entemotionalisieren des Todes in einer Geschichte kein Zurück gibt. Ist der Tod erst zu einer blanken Statistik geworden so verliert er seine Tragik und seinen Zweck als Emotionen aufwirbelndes Stilmittel.

Der Weg hin zur Entemotionalisierung selbst mag jedoch reizvoll als elementarer Bestandteil einer Geschichte sein. Der Soldat, der vom ersten Schuss auf den Feind geschockt ist, sich jedoch an die Umstände gewöhnt und abstumpft bietet Stoff für gute Geschichten.

Letztendlich ist es beim Tod wie bei allen Stilelementen die extreme Reaktionen auslösen können, und sollen. Wie die Gewalt, die Liebe, der Hass, die Angst, so sollte auch der Tod in wohlüberlegten Dosen eingesetzt werden wenn er auf Dauer nicht „normal“ erscheinen, nicht nur „hingenommen“ werden und sich Leser, Zuschauer und Spieler daran gewöhnen sollen.

 


Die­ser Arti­kel ent­stand im Rah­men des Kar­ne­vals der Rol­len­spiel­blogs „From the grave [Oktober 2012]“, der von uns orga­ni­siert wird. Unseren eröff­nen­den Bei­trag zum Umzug fin­det man hier: Klick.  

 

Artikelbild: scx.hu © RobHarry 

4 Kommentare

  1. Interessanter Artikel. Bisher hatte ich mir wenig bis gar keine Gedanken darüber gemacht, wie der Tod als Stilmittel genutzt werden kann. Und ich musste ein wenig schmunzeln bei der Stelle, in der es um die gesichtslosen Toten der StarTrek-Serie ging – das ist in der Tat ein Evergreen.

  2. Es sind zumeist die entstehenden Emotionen die uns auffallen und weniger der Auslöser.

    Bei „The Dark Knight“ hatte der Tod von Rachel Dawes, als zentrale Figur zwischen Bruce Wayne und Harvey Dent, einen zentralen Stellenwert für alles was danach geschah.

    Zusammen mit dem Tod von Harvey Dent selbst wirkt er sogar in „The Dark Knight Rises“ nach.

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