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Die Rezension zum ersten Band der Artefaktjagd-Kampagne gab es schon, hier folgt die Kritik zum zweiten von insgesamt vier Bänden.

Erscheinungsbild

Diesmal sind es 56 Seiten Umfang, fast ebenso wie bei Teil Eins also, und wieder fällt einem zunächst die hohe Auflösung des Deckblatts positiv ins Auge. Allein wegen der äußeren Faktoren, die die Atmosphäre schon in der Spielvorbereitung gut unterstützen, macht die Kampagne Lust auf mehr. Im zweiten Band scheinen es deutlich weniger Schwarzweißzeichnungen passend zu den beschriebenen Situationen zu sein (ich habe nicht genau durchgezählt), aber man vermisst auch nicht, dass es diesmal weniger sind.

Einen Index gibt es nicht, dafür jedoch ein Inhaltsverzeichnis, was durchaus hilfreich ist, um bestimmte Szenen oder NSC rasch noch mal nachzuschlagen.

Die harten Fakten:

  • Format: pdf
  • Seiten: 56
  • Verlag: Catalyst Game Labs / Pegasus Spiele GmbH
  • Sprache: Englisch / Deutsch
  • Preis: 8 USD (englische Version ) oder 12,95 EUR (deutsche Version)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (englisches pdf | deutsches pdf)

Inhalt

Mitternacht_Cover

Der Name der Kampagne kommt nicht von ungefähr, und so geht es auch im zweiten Band darum, ein wichtiges Artefakt zu finden und an sich zu bringen, diesmal den Sextant der Welten. Wieder ist es dieselbe Auftraggeberin, die die Runner schon auf ihre Suche nach der Karte des Piri Reis im ersten Band mitgenommen hat. Herauszufinden, wo sich der Sextant in etwa befindet und in wessen Händen, ist nicht allzu schwierig, doch ihn in die Finger zu bekommen, gestaltet sich da schon weitaus schwieriger.

Der Weg führt die Charaktere zunächst nach Chicago, dann nach Denver und schließlich nach Los Angeles. Damit punktet dieser zweite Band nicht damit, einen ungewöhnlichen Hauptschauplatz zu nutzen (im ersten Band war das Lagos), dafür jedoch damit, die mit coolsten Schauplätze der Shadowrun-Welt überhaupt zu nutzen. Man erinnere sich: Chicago, die Bug-City aus den 2050ern, in den 2070ern rechtlose Zone, quasi WiFi-los, voller chaotischer Magie, Tauschhandel und längst abgehakt geglaubter Treibstoffe. Denver, Ghostwalkers Stadt, die nicht weniger als vier Grenzen verschiedener Nationen mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen aufweist. Los Angeles, nicht nur Stadt der Engel, sondern vor allem Stadt der Erdbeben – und entsprechend reichlich Armut und Existenzängste, gespeist durch Stromausfälle, Netzausfälle und Rationierung.

Diese drei Städte bilden ein perfektes Gerüst für die Stimmung des zweiten Bandes, die vor allem als temporeich beschrieben werden kann. Kaum Zeit und Gelegenheit, Luft zu holen, sich zu regenerieren oder Vorräte aufzustocken – das setzt die Runner ganz ordentlich unter Druck und erfordert gutes Planungs- und Verhandlungsgeschick sowie starke Nerven, denn „Durchhalten!“ ist hier wohl eine besonders wichtige Parole.

Der Aufbau des Abenteuers ist wie üblich: Vorweg gibt es für den Spielleiter einiges an Informationen, einen Überblick über die Handlung mitsamt wichtiger Informationen, Daten und Fakten. Die einzelnen Szenen, von denen manche zwingend gespielt werden müssen und andere optional eingebracht wurden, werden ebenfalls nach verschiedenen Punkten beschrieben. Es gibt auch für Spieler eine Übersicht, stets mit einem kleinen Abschnitt versehen, den der Spielleiter 1:1 vorlesen kann, es werden verschiedene Wege der „Beinarbeit“, des Handelns, des Erreichens von Informationen, beschrieben.

Noch detailliertere Informationen erhält man im „Abspann“ des Bandes, wo sich ausführlichere Informationen zu wichtigen NSC befinden, es gibt Sachinformationen über die Städte, in denen man sich befindet, diesmal allerdings deutlich knapper gehalten als die Informationen über Lagos im ersten Kampagnenband, doch ausreichend.

Neben Aufhängern und einer Standardablaufbeschreibung bieten die einzelnen Szenen noch Möglichkeiten, Nebenhandlungen der Geschichte breiter anzulegen oder das Geschehen durch Erleichterungen und „Daumenschrauben“, entsprechende Erschwernisse, zu modifizieren. Gerade unerfahrene Spielleiter profitieren sicherlich von dem „Keine Panik“-Bereich, der Anregungen enthält, wie man eine Szene, die einem zu entgleiten droht, wieder ans Laufen bekommt und die Spieler wieder mehr in den vorgesehenen Szenenverlauf.

Es ist im Prinzip möglich, diesen zweiten Teil losgelöst von allen anderen Bänden der Kampagne zu spielen, doch gedacht ist es so, dass der zweite Teil möglichst dicht auf den ersten folgt und an ihn anknüpft. Das kann möglicherweise problematisch werden, nämlich dann, wenn die Ereignisse des ersten Bandes nicht wie angedacht gelaufen sind – und wann läuft am Spieltisch schon mal alles so, wie es sollte? Hierzu bietet „Mitternacht“ einige Hinweise darauf, wie mit solchen Schnitzern im Vorfeld umzugehen ist. Sollte der Auftrag des letzten Bandes nicht so gut gelaufen sein, ist dies nicht so problematisch wie schlechtes Benehmen, denn immerhin handelt es sich um dieselbe Auftraggeberin. Und wer nimmt schon unfreundliche und unfähige Chaoten ein zweites Mal? Im Zweifel wird vorgeschlagen, den Band dann eben mit einem anderen Team, also anderen Charakteren, zu spielen. Sicherlich eine gute Wahl, wenn es den Spielern vor allem um die Geschichte der Kampagne geht, sonst eher unbefriedigend. Und ebenso gestaltet es sich damit, diesen zweiten Band isoliert vom ersten spielen zu wollen. „Mitternacht“ entfaltet storytechnisch in dem Fall einfach nicht sein ganzes Potenzial.

Um das Abenteuer zu spielen, benötigt man eigentlich nur das Grundregelwerk, auch wenn Kenntnis oder Besitz weiterer Quellenbücher hilfreich und sinnvoll sind.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für ein PDF und vor dem Hintergrund, dass es sich um eine vierbändige Kampagne handelt, die im Ganzen mehr als fünfzig Euro kostet, kann man die Kosten für diese Kampagne eigentlich nicht anders als unverschämt bezeichnen. Die Tatsache, dass das englischsprachige Original günstiger ist, derzeit durch ein zeitlich unbegrenztes Angebot um etwa die Hälfte, macht es nicht gerade besser. Hier wäre eine generelle Preisreduktion oder zumindest ein deutlich günstigeres Bundle aller vier Bände mehr als angebracht.

Fazit

„Mitternacht“ bietet eine Menge Action, coole Schauplätze (und ebensolche Fraktionen) und etliches zu tun. Die Story vermag zu fesseln und zu unterhalten in einem Maße, dass man schon bei der Lektüre und der Spielvorbereitung richtig Lust auf die Umsetzung bekommt.

Nicht ganz so optimal ist die enge Verknüpfung mit dem ersten Band der Kampagne, der zwar nicht unbedingt das Spielen von „Mitternacht“ an sich erschwert, wohl aber die Umsetzung der zusammenlaufenden Fäden, aber hey, es ist eben eine vierbändige Kampagne.

Daumen4weiblich

 

Artikelbild: © Pegasus Spiele

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