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Zombies! Schon wieder!

So oder so ähnlich dachte ich in den letzten Jahren immer wieder als Teilnehmer auf diversen LARPs. Und dabei handelte es sich nicht um Zombie-Survival-Cons, sondern um die ganz normalen Feld-, Wald- und Wiesen-Fantasy-Cons.

Warum ist das so und was für Ausprägungen der Alternativ-Lebenden gibt es eigentlich im LARP? Genau mit diesen Fragen will ich mich in diesem Artikel beschäftigen.

Untot ist nicht gleich Untot

Wie fast immer, wenn es um Rollenspiel geht, gibt es auch bei Untoten eine ganze Menge Ausprägungen, von denen einige auch oder besonders im LARP vertreten sind:

Zombie Survival-Cons

Hier muss ich gestehen, dass ich noch nie auf einer solchen war und das auch nicht vorhabe. Es ist einfach nicht mein Thema. Aber ich habe genug Bekannte, die mir davon berichtet haben, um zumindest grob zu wissen, worum es dabei geht.

Auf Veranstaltungen dieser Art geht es darum, dass, wodurch auch immer, ein Großteil der Menschheit zombifiziert wurde und man zu den letzten Überlebenden gehört und einfach nur versucht, zu überleben.

Manchmal kann man auch noch versuchen, ein Heilmittel zu finden oder der Ursache des Ganzen auf den Grund gehen. Generell ist es aber eher so, dass man nicht mit der Erwartung auf eine solche Veranstaltung geht, dass der Charakter sie überlebt. Natürlich ist hier der Tod mitnichten das Ende, denn sollte man fallen, kann man nahtlos auf der anderen Seite weiterspielen und seinen Freunden so richtig das Leben zur Hölle machen.

Auch ansonsten ist das Spiel hier eher nicht auf Gemütlichkeit, sondern auf Horror ausgelegt. Wer also Spaß daran hat, sich erschrecken zu lassen, gruselige und grauenhafte Kostüme mag (im positiven Sinne) oder einfach nur mal sehen will, ob er bei der Zombie-Apokalypse überleben würde, sollte sich das Ganze mal anschauen.

Vampire Live

Während bei Survival-Cons die Untoten die Antagonisten sind, sind sie hier die Protagonisten. Basierend auf den Rollenspielen Vampire – The Masquerade und Vampire – Requiem (beide von White Wolf) spielen die Spieler hier fast ausschließlich Vampire.

Je nach Domäne (so der Name der Herrschaftsgebiete in der entsprechenden Welt) und Chronik (Kampagne) findet sich hier so ziemlich alles. Vom Spiel über den persönlichen Horror und den Kampf mit dem Monster in sich selbst im Stil von „Interview mit einem Vampir“ über eher actionlastiges Spiel bis hin zur meiner Erfahrung nach häufigsten Variante, dem politischen Intrigenspiel (Vampiren wird über die Jahre langweilig, daher spielen sie diverse „Spiele“ miteinander, die meist über Intrigen ausgetragen werden) gibt es hier eine enorme Bandbreite an erlebbaren Dingen. Die meisten Chroniken sind ein gesunder Mix aus den verschiedenen Richtungen und bieten so für jeden Geschmack etwas.

Wer also nicht im Wald, sondern zum Beispiel im Hinterzimmer einer Kneipe Liverollenspiel spielen will, der wäre hier sicherlich gut aufgehoben.

Die Tatsache, dass das Tischrollenspiel zu Vampire -The Masquerade eigentlich schon sehr lange Out-of-Print war, die Domänen aber dennoch unbeirrt weitermachten, spricht Bände darüber, wie hoch die Anziehungskraft des Settings ist.

Fantasy LARP

Die Zahlmeisterin der Corpsdayle Loyals

Und dann wären da noch die eingangs bereits erwähnten Fantasy-Cons, auf denen es in den letzten Jahren eine regelrechte Zombieschwemme gab. Aber warum ist das so?

Über die Gründe an sich habe ich lange nachgedacht, alleine und zusammen mit befreundeten Spielern und Orgas. Das Ergebnis war relativ eindeutig, aber spiegelt natürlich nur (m)einen Teil der Wahrheit wieder: Viel zu sehr rücken in den letzten Jahren die eigentlichen Gegner ins Blickfeld der Spieler.

Auf Mythodea beispielsweise, und damit auf mindestens einem Dutzend Cons pro Jahr, von denen einige extreme Besucherzahlen haben und damit prägend für die gesamte LARP-Szene sind, kämpft so ziemlich alles zusammen, was sich normalerweise spinnefeind ist. Da steht der Drow neben dem Paladin und beide kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind. Klar, es gibt immer wieder Reibereien (und das ist auch gut so!), aber viele Leute haben einfach gelernt, dass auch die “Feinde” nicht nur böse sind. Und so ist es in der Vergangenheit immer häufiger dazu gekommen, dass vermeintlich einfache Begebenheiten dadurch sehr verkompliziert wurden, dass die Spieler die Gegner einfach nicht als Gegner akzeptieren wollten, sondern versuchten, mit ihnen zu reden und Frieden zu schließen.

Das mag für einige Conreihen sicherlich interessant und vielleicht sogar gewollt sein, aber in vielen anderen Situationen sorgt es für mehr Probleme als es löst. Also wurde ein Feind gesucht, den wirklich alle als Feind akzeptieren können. Und mit den Untoten wurde auch ein solcher gefunden!

Mit Orks kann man reden, auch Drow haben Familien und Chaosanhänger Motivationen. Ein Zombie allerdings, der ist einfach nur finster und niemand hat Gewissensbisse, wenn man ihn und seine unzähligen Leidensgenossen von ihrem Dasein erlöst.

Oder?

Und damit sind wir schon wieder bei Mythodea angelangt. Nicht nur, dass dort auf Spielerseite allerlei “Gezumpel” unterwegs ist, auch bei den NSC gibt es eine gigantische Fraktion Untoter.

Und die sind nicht einfach nur hirnlos und Hirn suchend, nein, man kann mit ihnen reden, sie haben Familien, Ängste, Ziele, eigentlich alles, was ein normaler Charakter auch hat – mit der Ausnahme von Leben. Also genau das, was schon einmal aus Mythodea auf den Rest der deutschen LARP-Welt übergeschwappt ist, nur eben dieses Mal mit einer der letzten Bastionen der klaren Feinde, die es noch gab.

Persönlich finde ich das zwar absolut verständlich – gab es doch mit dem Schwarzen Eis bereits eine Fraktion relativ stumpfer Gegner ohne Individualität – aber ebenso auch sehr schade und bedenklich, da hierdurch ein wenig mehr des Schwarz-Weiß verschwindet, das schon seit jeher Bestandteil der Fantasyliteratur, und auch einer Gründe für deren Erfolg, war.

Im Grunde ist es mir egal, ob Zombies schnell oder langsam sind, absolut hirnlos oder mit einer Art Schwarmintelligenz ausgestattet. Aber sie sollen bitte absolut finster und zum Fürchten sein. Und das einzige Wort, das ich von ihnen hören will, sollte “Gehiiiirn!” sein!

Rollenspiel und LARP lebt von Klischees. Und man sollte nicht alle davon demontieren!


Die­ser Arti­kel ent­stand im Rah­men des Kar­ne­vals der Rol­len­spiel­blogs „From the grave [Oktober 2012]“, der von uns orga­ni­siert wird. Unseren eröff­nen­den Bei­trag zum Umzug fin­det man hier: Klick.  

 

 

Artikelbilder: Untote von den Corpsdale Loyals, Conquest of Mythodea. Fotografie: Patrick Wichert

 

5 Kommentare

  1. Untote mit Gefühlen gibt es doch spätestens seit den ewig leidenden Verfluchten auf den Pfaden der Toten im „Herr der Ringe“ – wenn man mal unsere Perspektive auf (zu viktorianischen Zeiten als böse angesehene) sexuell befreite Vampire ausklammert, vgl. Carmilla etc. Und V:TM würde ohne Gefühle doch gar nicht funktionieren.

    Wobei ich dir recht gebe, wenn du sagst, dass Zombies mit Gefühlen eher seltsam sind. Im Komödiensektor gab es das natürlich schon (z.B. „Fido“), aber sonst kommen die mir oft zu hirnlos (höhö) oder instinktgesteuert vor, als dass sie überhaupt Gefühle zeigen könnten. Aber ich rede natürlich jetzt auch von Virus-/Space-Parasiten-/Ungeklärte-Aber-Pseudorealistische-Ursache-Zombies. In einem Fantasyuniversum kann man ja alles mit „Magieeee!“ rechtfertigen. :D

  2. Erst einmal, nach einem Kommentar auf Facebook, möchte ich klarstellen, dass ich das Spiel des Untoten Fleisches auf Mythodea großartig finde und die NSC einfach klasse sind.
    Es geht mir nur um die Grundlegende Tatsache, dass durch das Konzept des UF ein großer Präzendezfall geschaffen wurde, der mich nicht gefällt.

    Zu Chabneruk: Ja, Untote mit Verstand gibt es schon sehr lange. Aber dennoch waren sie im Fantasy eigentlich immer abgrundtief böse…

  3. Zumindest seit 1993 (und damit fast 20 Jahren) gibt es bei D&D den Baelnorn. Und der ist ein „guter“ Elfenlich. Sicherlich eher die Ausnahme von der Regel, aber dennoch ein früher Vertreter.

    Ich denke, das verstärkte Auftreten „guter“ Untoter hat damit zu tun, dass in der heutigen Fantasy nicht mehr nur schwarz-weiß-Klischees bedient werden. Sicher, der Oberschurke tut weiterhin abscheuliche Dinge, aber er hat eine Motivation dafür – wie fehlgeleitet diese auch sein mag.

    Und diese Komplexität wird nun eben auch auf Untote angewandt. Bei Vampiren ja ohnehin schon lange (wo es auch naheliegt, da diese ja weiterhin menschliche Züge haben). Bei anderen Untoten, gerade in Fantasy-Welten, ist es da doch nur eine Frage der Zeit.

  4. Hallo Holger, toller Artikel, den ich leider erst sehr spät entdecke. Vor allem gut zu sehen, dass wir von innen das selbe erleben, wie es von außen wohl auch gesehen wird: Untot muss böse sein. „Graustufen“ gibt es schon an anderer Stelle genug.

    Wir werden uns Mühe geben! In diesem Jahr wird es zumindest schonmal keine Kulisse mehr für gemütliche Kaffeepläuschchen mit dem Untot geben. Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld!

  5. Hallo Marc,

    Das freut mich wirklich zu hören :)

    Das Schlachtfeld ist auch der einzige Ort, wo ich euch finden möchte, aber darauf freue ich mich schon :)

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