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Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, jenseits des großen Teiches… da erwarb Fantasy Flight Games die Lizenz für Star Wars Spiele. Nun ist das heiß erwartete erste Ergebnis erhältlich, das Star Wars X-Wing Miniaturenspiel; nicht lange nach der Premiere auf der GenCon hat der Heidelberger Spieleverlag die deutsche Ausgabe zur SPIEL12 auf den Markt gebracht.

Der Name sagt es bereits: X-Wing handelt von den rasanten Gefechten schneller und wendiger, aber fragiler Raumjäger im Star Wars Universum, wie wir sie seit dem Finale des ersten Filmes kennen (und lieben). Kein Brettspiel im engeren Sinne ist es geworden, sondern ein Tabletop-Miniaturenspiel auf der Ebene einzelner kleiner(er) Schiffe mit unbestreitbarem Nerd-Faktor, der wohl keiner weiteren Ausführung bedarf.

Disclaimer: Keinesfalls wurden während der Testspiele die im All physikalisch ohnehin absurden Geräusche von Triebwerken, Laserstrahlen oder Explosionen nachgeahmt. Ehrlich.

Ausstattung

Das optische Alleinstellungsmerkmal des Spieles fällt dem Betrachter sogleich durch die passende Aussparung in der Schachtel ins Auge: die vorbemalten Miniaturen – enthalten sind 1 X-Wing und 2 Tie-Fighter. Die stabilen Schiffsmodelle sind feingliedrig und detailreich gestaltet, mit präziser Bemalung und einer Schattierung, die sie enorm plastisch macht. Kurz: wie ich finde, ein echter Augenschmaus weit über dem Niveau bemalter Figuren aus Spielen wie dem Mage Knight Brettspiel oder dem sammelbaren Star Wars Starship Battles vom ehemaligen Lizenznehmer Wizards of the Coast.

Daneben enthält das Spiel Kartensätze für Schiffe und Aufwertungen mit kongenial beeindruckenden Zeichnungen, die leider zugunsten der Spielwerte recht klein bleiben mussten. Hinzu treten Schadenskarten, etliche Marker aus strapazierfähiger Pappe, Manöverschablonen, Manöverräder, 6 spezielle achtseitige Würfel und 2 Regelhefte im DIN-A 5 Format (4 und 28 Seiten).

Die Spielregeln lassen sich grundsätzlich in drei Schwierigkeitsstufen einteilen. Das vierseitige Schnellstartheft für Einsteiger bietet entschlackte und vereinfachte Basisregeln und so einen einfachen, schnellen Zugang zum Spiel. Das eigentliche Spielregelheft umfasst einmal – klar strukturiert und mit ausführlichen Beispielen angereichert – das vollständige Spielsystem und sodann Expertenregeln rund um Missionen, Hindernisse, Geschwader und einiges mehr.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heidelberger Spieleverlag
  • Autor: Jay Little
  • Sprache: Deutsch
  • Spieler: 2
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: .ca 30-45 Min.
  • Jahr: 2012
  • ASIN: B00875IY62
  • Bezugsquelle: Amazon (Klick)
  • Preis: 34,95 € UVP; Amazon 26,98 €

Spielablauf

Den Fanboy-Enthusiasmus einmal beiseite gelassen, folgt nun ein ausführlicherer Blick auf den vom Regelheft anschaulich vermittelten Spielmechanismus.

X-Wing wird ohne Spielfelder auf einer beliebigen, .ca 90 x 90 cm umfassenden Oberfläche gespielt. Bei der Zusammenstellung ihrer Streitkräfte nach Fraktion – Rebellen oder Imperium natürlich – entscheiden sich die Spieler für Schiffskarten, die je nach Pilot unterschiedliche Punktewerte besitzen, und ergänzen sie ggf. durch Aufwertungen wie Sekundärwaffen oder Astromech-Droiden. Marker für die Piloten werden übrigens in die Basis des Schiffes eingeschoben, so dass die Spielwerte praktischerweise stets gut zu sehen sind. Das Teamspiel mit mehr als einem Spieler pro Seite ist ohne weiteres möglich; jede Kommunikation soll nach den Regeln aber offen erfolgen, was bei der getrennten Manöverwahl zuweilen zu … interessanten Situationen führen wird.

Eine Spielrunde unterteilt sich in übersichtliche vier Phasen, wobei sich die Planungsphase am Anfang jeder Runde schon als Herzstück des Spieles erweist.

Simultan und verdeckt wählen die Spieler für jedes Schiff die Bewegung in der aktuellen Runde aus, die sodann in umgekehrter Reihenfolge der Pilotenwerte abgehandelt wird.

Das Flugmanöver wird auf den beiliegenden Manöverrädern eingestellt, deren Optionen Schubkraft, Geschwindigkeit und Stress miteinbeziehen. Umgesetzt wird der Zug sodann mit der entsprechenden Manöverschablone, die Flugrichtung und Reichweite repräsentiert. Ein kleines Diagramm auf der Rückseite des Regelheftes veranschaulicht die Relationen zwischen Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit.

Nach der Ausführung des Manövers stehen den Schiffen noch Aktionen wie Zielerfassung oder die Fassrolle zur Verfügung, die u.a. eine Seitwärtsbewegung ermöglichen oder spätere Würfelwürfe beeinflussen können.

Dann werden die Feuerknöpfe gedrückt – der fähigste Pilot schießt zuerst auf ein Ziel in Reichweite und in seinem Feuerwinkel (bequem auf der Basis markiert). Grundsätzlich werden ein Angriffs- und ein Verteidigungswurf gegeneinander aufgerechnet, doch spielen eine Vielzahl weiterer Faktoren eine Rolle, die Würfelpools verändern, Ergebnisse modifizieren oder Wiederholungswürfe ermöglichen. Sind die Schilde erst einmal durchdrungen, so erhalten die Schiffe Schadenskarten, die kritische Nebeneffekte haben können. Würfel- und Kartenglück spielen dabei naturgemäß eine Rolle, erhöhen sogar den Spaßfaktor – wichtig bleibt jedoch, wie gut der Angriff mittels Positionierung und Aktionen vorbereitet wurde.

Ziel der Basisvariante ist es einfach, alle gegnerischen Schiffe zu zerstören; in den Expertenregeln treten drei Missionen vom Geleitschutz bis zur Flucht durch ein Asteroidenfeld hinzu.

Missionen wie Erweiterbarkeit des Spieles dürften dafür sorgen, dass der Wiederspielreiz auf absehbare Zeit nicht verlorengeht. Aber: bereits bei der ersten Partie wird deutlich, dass das System schnell und sein Potential mit den enthaltenen Schiffen keineswegs ausgereizt ist. Bei individualisierten Jägerstaffeln werden pro Spieler 100 Kommandopunkte empfohlen; je nach Modell, Pilot, Ausstattung und Fraktion entspricht das, ganz grob, 3 bis 6 Jägern und, klar, einer deutlich höheren Spieldauer. Wahre Enthusiasten werden wohl auch größere Spiele zu schätzen wissen.

Wer also „voll einsteigen“ möchte, wird weitere Ergänzungen nicht vermeiden können, die bereits im Anmarsch sind. Die „erste Welle“ besteht aus X-Wing, Y-Wing, TIE-Fighter sowie dem TIE Advanced, jeweils mit zusätzlichen Piloten, Aufwertungen und dem zugehörigen Spielmaterial; die zweite Welle wird für den Dezember erwartet und enthält unter anderem größere Schiffe wie den Millenium Falken (HIER zu sehen) und Boba Fetts Sklaven 1 (HIER zu sehen).

Viele bekanntere Flug- oder Raumkampfsysteme wie Silent Death gehen gänzlich andere Wege, so daß das Aufzeigen von Parallelen etwas schwer fällt. Die Manöverplanung erinnert z. B. ein wenig an das Crimson Skies Brettspiel (FASA/FanPro 1998/99), vermeidet aber dessen sperrigen Detailreichtum, der, wie schon bei Interceptor (FASA 1987), im Schadenssystem seine Höhepunkt erreichte.

Mittels Manöverrad und Manöverschablonen bricht das Spiel die Fortbewegung der wendigen Jäger im All auf eine simpel handhabbare Abbildung herunter, ohne den Geist des Vorbildes wegzuschleifen. X-Wing steht aus meiner Perspektive für modernes, schlankes Spieldesign, das ohne ausufernde Regelkomplexität auskommt und mit zahlreichen praktischen Ideen den Verwaltungsaufwand minimiert, ohne dem Spiel wesentlich Substanz zu nehmen.

Bei der Manöverwahl die Züge des Gegenübers vorauszuahnen, um beim eigenen Flugmanöver eine möglichst optimale Feuerposition einzunehmen und selbst nicht vor den Lasern des Gegners Schießbudenfigur zu spielen – das erzeugt meines Erachtens den zentralen Spielreiz. Die Berechenbarkeit der Bewegungs- und Angriffsabfolge tut ihr Übriges, um dem Flug taktische Tiefe zu verleihen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Gerade das Preis-/Leistungsverhältnis von X-Wing hatte im Vorfeld bereits zum Teil hitzige Diskussionen ausgelöst. Nach allem Dafürhalten hat der augenscheinlich große Erfolg dem qualitätsorientierten Ansatz recht gegeben.

Über das grundsätzliche Für und Wider vorbemalter Plastikminiaturen wurde im Laufe der Jahre vielerorts breit genug diskutiert, dass mir ein Eingehen darauf überflüssig erscheint; letztlich handelt es sich im Kern um eine Frage persönlicher Präferenzen. Abgesehen davon, dass sie bewusst in einem recht aufwendigen Fertigungsprozess hergestellt wurden, den man am beeindruckenden Ergebnis sieht, halte ich es für meinen Teil jedenfalls nicht für angemessen, den Inhalt der Schachtel auf die Miniaturen zu reduzieren. Da es sich zudem in der Sache um das erweiterbare Basisspiel eines Tabletop-Systems handelt, dessen Potential weit über das Einstiegsset hinausweist, sollten gleichartige Spielsysteme Maßstab sein; bei Seitenblick auf in etwa vergleichbare aktuelle Spiele wie Wings of Glory hat X-Wing meines Erachtens dank der Maßstäbe setzenden Miniaturen sogar die Nase vorn. Auch zusätzliche Investitionen nach den oben genannten Grundlagen treiben zwar mit den Variationsmöglichkeiten auch die Kosten in die Höhe, doch bleiben sie überschaubar und heben sich nicht von anderen Miniaturenspielen ab. Angesichts des erheblichen Wiederspielreizes und der gelungenen Umsetzung des Themas erscheinen mir die Relationen fair.

Aldi-Schnäppchen? Sicher nicht, das will das Spiel aber auch gar nicht sein.

Bonus/Downloadcontent

  • Auf der Seite des Heidelberger Spieleverlages stehen die deutschen Regeln von X-Wing als Download zur Verfügung: KLICK
  • Die offiziellen Turnierregeln von FFG (englisch): KLICK
  • FAQ (PDF, zur Originalversion): KLICK
  • Das Forum der Heidelbären zu X-Wing: KLICK
 

Fazit

Treffsicher fängt das Spielsystem von X-Wing Atmosphäre und Essenz der Star Wars Raumgefechte ein. Die verdeckte gleichzeitige Zugplanung bildet Taktik und Rasanz der Vorlage originalgetreu ab und spricht mich sehr an. Zu berücksichtigen bleibt, dass es sich beim vorgestellten Spiel um eine Basisbox handelt, sich also das volle Spielpotential erst mit einigen Erweiterungen erschließt. 

 

Artikelbilder: Heidelberger Spieleverlag

24 Kommentare

  1. Karsten entstammt in Bezug auf Fliegerspiele der Richtung nach zwar eher der Ecke der Weltraum-Tabletops, kennt aber auch Wings of War, Wings of Glory indes nur flüchtig. Von der thematischen Einkleidung nun mal abgesehen, basieren die WoW-Spiele und X-Wing auf denselben Grundideen, implementieren sie allerdings sehr unterschiedlich.

  2. Danke für deine Stellungnahme, Karsten!

    Welches der Systeme findest du besser. WoG I Weltkrieg- schneller Spaß mit geilen Minis, WoG II Weltkrieg – taktische Tiefe und mehr Hirn oder X-Wing – Amitrah und Würfel?

  3. Da wird´s freilich sehr subjektiv, und das hat sicher auch mit dem umgesetzten Thema zu tun – meine aktuelle Präferenz wäre X-Wing, da mich der eher simulatorisch-tabletopartige (vom nicht unbeträchtlichen Glücksfaktor mal abgesehen) Ansatz mit Bewegungsschablonen und Manöverrädern stärker anspricht. Gleichwohl hat WoW einen schönen, eigenständigen Kartenmechanismus, insofern scheue ich vor dem unmittelbaren Vergleich etwas zurück – die Spiele machen mir auf unterschiedliche Weise Spaß.

  4. „eher simulatorisch-tabletopartige“ Aspekte im Vergleich zwischen X-Wing und WoW oder WoG 1ter und 2ter Weltkrieg, das Star Wars Spiel hervorzustellen ist imho falsch, die reine 2d Spaß Laserschlacht im disney Universum hat für mich wenig einer Simulation, wo die neuen WoG Regeln ein echtes Dogfight Gefühl in den Lüften über den beiden weltkriegen aufkommen lässt.
    Aber wie du schon sagst, sehr subjektiv.

  5. Hier gilt es, zwischen der Abbildung selbst und ihrem Gegenstand zu trennen; im Vergleich mit der konkreten Umsetzung mittels Manöverrädern und Schablonen besitzt das WoW-Kartensystem mE nicht nur eigenständigen – und andersartigen – Reiz, sondern auch einen höheren Abstraktionsgrad.
    X-Wing muß als Star Wars Spiel ohnehin daran scheitern, eine adäquate Umsetzung von Weltkriegs-Luftgefechten zu sein – und sollte das auch.
    Im Übrigen vermute ich mal, daß die SW-Umschreibung als Disney-Universum nur wenige Tage nach dem Verkauf eine formale, keine inhaltliche ist…andererseits: die Diskussion, ob es nicht spätestens seit Einführung der Ewoks eines ist, würde ich allein aus Zeitgründen mit Hardcore-Fans nicht führen wollen ;)

  6. Ich bin neben Rollenspieler auch passionierter Brettspieler. X-Wing ist lediglich ein freches Plagiat!!! Es basiert zu 100% auf „Wings Of War“ und ist wie jede Kopie deutlich schlechter. Im www findet ihr genug Videos und Artikel zu beiden Spielen, bildet euch selbst eure Meinung und versucht dabei bitte nicht durch die ich-bin-aber-Star-Wars-Fan-Brille zu schauen.

    • Firma (Fantasyflight) kauft Spielesystem (Wings of War) und kombiniert es mit Lizenz (Star Wars) für großen Profit. Alle Leute lieben es. Wo ist also das Problem? Thyreus hat recht: Ein gutes Spiel ist mehr als nur die Regeln, sondern immer auch das Gesamtpaket.

  7. Warum sollte man nicht durch die Star-Wars-Fan-Brille schauen?
    Ich bin seit meiner Kindheit Star Wars Fan. Ich hätte mir WoW oder WoG nie gekauft, weil mich das Thema schlichtweg nicht interessiert, doch wenn es das Spiel-System (wenn auch nur ähnlich da es bei WoW ja Kärtchen anstatt Manöverräder und andere kleine Unterschiede) gibt, dann finde ich das gut!
    Das Spiel macht Spaß ist taktisch anspruchsvoll und erfreut sich in unserer Spielergemeinschaft immer größerer Beliebtheit (wenn denn die Modelle mal lieferbar wären…)!

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