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Was kann ich über einen Film schreiben, der wie ein absolutes Meisterwerk in Sachen Komposition von Bildern, Filmen und Geschichte wirkt? Noch heute muss ich die ganze Zeit an diese cineastische Erfahrung denken….

Doch beginnen wir zuvor. 2012 haben die Wachowski Brüder (bekannt aus Matrix), gemeinsam mit Tom Tykwer einen Spielfilm in die Kinos gebracht, der auf den Roman Der Wolkenatlas von David Mitchell basiert. In diesem Roman wird der Leser mit sechs verschiedenen Zeitebenen konfrontiert. All diese Zeitebenen sind dadurch verbunden, dass immer wieder die gleichen Seelen aufeinander treffen, jedes Mal inkarniert in anderen Körpern und jedes Mal mit einer anderen Persönlichkeit. Nur entfernt kommt manchmal das Gefühl bei den Pro- und Antagonisten das Gefühl auf, dass sie sich kennen.

Intrigen rund um einen Mord
Intrigen rund um einen Mord

Cloud Atlas German Poster

Die Geschichte treibt uns voran durch einen wilden Strudel – von einem Tagebuch eines Reisenden im Jahre 1849, der die Unterdrückung der Maori und Moirori miterleben muss, zu einem Komponisten, der aufgrund seiner sexuellen Gesinnung 1936 ausgegrenzt wird, weiter zu einem Mord in den Intrigen rund um ein Atomkraftwerk in 1973, weiter über einen alternden Verleger im Jahr 2012, der von seinem Bruder hereingelegt wird, weiter dann in die nahe Zukunft ins New Seoul des Jahres 2144, in der Klone für niedere Arbeiten benutzt werden bis letztendlich in das Jahr 106 nach der globalen Katastrophe, in der die Menschheit gespalten ist in Kannibalen, einfache und abergläubische Bauern und Hütern der alten Technologie. 

Der Clou ist, dass zum einen die Zeitebenen sehr schnell gewechselt werden, dennoch Bezug aufeinander nehmen und die Taten des Vorlebens das Karma des nächsten Lebens beeinflussen. Der Film greift das gekonnt auf, indem er die gleichen Schauspieler benutzt, um diese Inkarnationen darzustellen und bedient sich auch eines ungewöhnlichen Muttermales, um dieses den Zuschauern klarer zu machen.

Vollkommen verblüffend ist immer wieder, in welchen Rollen die Darsteller wiederzufinden sind und auch teils, sie generell zu finden, denn man weiß, dass sie irgendwo in dieser Zeitphase sind. Jedoch überspringen wenige Darsteller so manche Zeitebene und tauchen erst später wieder auf. Was dort an Maskenbildnerei gezeigt wird, ließ mir stellenweise den Atem stocken und so manche/n Schauspieler/in musste ich wirklich suchen und erkannte sie erst im Abspann, als zum Endsong jede einzelne Seele mit dem Platz, den sie in den jeweiligen Epochen einnimmt, gezeigt wird. Stellenweise nehmen die Rollen einen sehr skurrilen Touch ein und wer Hugo Weaving (z.B. Matrix, Agent Smith) als weibliche Pflegekraft in einem Altenheim erleben möchte, der wird hier nicht enttäuscht werden.

Klone in New Seoul
Klone in New Seoul

Wer sich selbst etwas die Überraschung nehmen möchte, für den habe ich diese Informationsgrafik, die ich in der Kritik der Kollegen bei Nerd Wiki gefunden habe. Ich rate jedoch an, diese Grafik erst nach dem erstmaligen Sehen des Filmes zu betrachten. Wieso erstmalig? Weil ich das seltene Gefühl habe, diesen Film mindestens noch 2 Mal sehen zu müssen, da so viel auf den Zuschauer eindringt, so viel gesehen werden will und die Atmosphäre so ungeheuer dicht ist. Natürlich hat der Film bei einer Gesamtlänge von 172 kleinere Längen, aber diese sind erfüllt von der Emotionalität und dem nur hauchzart angedeuteten Wiederkennen der Seelen, die so lange gereist sind.

Viel des Spaßes beim Betrachter kommt von eben dieser Verblüffung, zu betrachten, wer nun wen darstellt und ob es sich nun um eine Haupt- oder Nebenrolle handelt. Ebenso ist die Inszenierung der Bilder stellenweise einfach atemberaubend und opulent – sei es nun das Gibsonsche New Seoul, sei es das karge Leben an Bord eines Segelschiffes im Pazifik oder auch nur der Sonnenuntergang hinter einem atomaren Meiler. Viele der Bilder brennen sich einfach in die Netzhaut des Betrachters ein und verlangen danach, in jeder Unze und jedem Milimeter digitalen Zelluloids aufgesogen zu werden.

Der Film ist somit sowohl für den Actionliebhaber als auch für den eher philosphisch angehauchten Literaten geeignet. Während der erste das Gesamtwerk einfach nur genießt, wird der andere sich über die zahllosen aufgeworfenen Fragen um Karma, Ethik, die Unsterblichkeit der Liebe und die vielen sozialkritischen Seitenvermerke erfreuen.

Zachary und Meronym in der Zeit nach dem Untergang
Zachary und Meronym in der Zeit nach dem Untergang

Man kann dem Film anlasten, etwas „zu viel“ zu sein. Ich befürchtete anfangs, dass mich die schnell erzählten Zeitebenen verwirren würden, aber nach den ersten wenigen Minuten konnte ich diese Argwohn auflösen und mich vollkommen fallen lassen.

Höhepunkte für mich waren die schauspielerischen Leistungen von Tom Hanks, Hale Berry und Hugo Weaving, aber auch Jim Broadbent. Optisch fühlte ich mich als alter Science-Fiction Fan am wohlsten in New Seoul, aber habe auch das Schiff im Pazifik lieben gelernt, wie auch die Zeit nach dem Untergang. Ein weiterer Höhepunkt ist die Veränderung der Sprache durch Verkürzung in der Post-Apokalypse. Gerade dieses Merkmal ist ein Argument für mich, den Film unbedingt in Englisch schauen zu müssen.

Der Film endet, womit er anfängt. Mit einem alten Zachary aus der Zeit nach dem Untergang und alleine für diese Parabel liebe ich den Film. Würden wir in der „Angeschaut“ Rubrik Sterne verteilen, würde ich einen sechsten Stern einführen, denn fünf Sternen reichen in meinen Augen nicht. Noch ist vermutlich aber die emotionale Erfahrung des Filmes zu stark für eine Eintaktung in Punkte, daher verwehre ich mich dieser Aussage zur Zeit.

Und somit ende ich auch, wie ich begann. Dieser Film ist ein absolutes Meisterwerk, der sicher sowohl in den Deutsch und Literaturkursen der Oberstufen besprochen wird, wie auch im Freundeskreis unter den eher Mainstream-geprägten Zuschauern für viel Gesprächsstoff sorgen wird.

Übrigens: Kein 3D. Endlich! Danke.

Daumen5maennlich

Trailer

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Artikelbilder http://www.cloudatlas-derfilm.de/

5 Kommentare

  1. *zustimm*

    Ich hatte ja ein wenig die Befürchtung, dass die Zusammenhanglosigkeit mich von 23 Uhr bis fast 2 Uhr nicht wachhalten würde :) … wurde aber angenehm überrascht mit einem Film, der wie auch Matrix I damals das Genre ein wenig aufmischt und von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend ist.

    Auch von mir eine GANZ KLARE Empfehlung. Ich werde ihn mit auf jeden Fall auch als BD besorgen. Im Gegensatz zu Skyfall (am Wochenende davor) ein Film zum öfter schauen (und vor allen Dingen auch, um die OV zu hören).

  2. Ich habe ihn letzten dienstag auch endlich sehen können. nachdem ich bisher nur positives gehört habe, war es ein pflichtbesuch im kino, auch wenn mir der literaturhintergrund zum wolken atlas fehlte. die reaktionen gehen dabei von ganz ok bis hin zu rogers lobeshymnen. der ganz große film ist er meiner meinung nach nicht, dafür hat er doch die ein oder andere länge und funktioniert im grunde auch nur auf der mysteriösen meta ebenen, die alle handlungsstränge mal mehr mal weniger verbindet. die kurz geschichten sind aber stellenweise richtig gut gemacht und hätten teils eigene filme verdient. schauspieler und maskenbildner leisten in der tat hervorragende arbeit. in der summe ergibt sich ein interessanter film, der aufgrund der besonderen erzählweise freunde langer kinoabende mit philophischem hintergrund gefallen wird. die idee “alles ist verbunden “regt zu mindest zum nachdenken an, falls man sich darauf einlassen kann.

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