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Es ist gar nicht so lange her, dass ich auf Entaria stieß. Wie, das System sagt Euch nichts? Nicht weiter verwunderlich, und eigentlich wiederum doch. Entaria ist bereits seit 1991 in Entwicklung hat einen geradezu gigantischen Umfang mit ca. 1400 Seiten. Der Autor, Sebastian Schenck, hat jedoch nicht viel getan, es einer großen Menge an Spielern zugänglich zu machen.

Science-Fiction Systeme sind rar in Deutschland und gerade dieses Genre ist in Europa nie sonderlich erfolgreich gewesen. Beeindruckt von dem Regelwerk, das ganze 17 Species umfasst, eine Fülle an Planeten und Sternensystemen umschreibt, eine üppige Hintergrundgeschichte hat und zudem leichtgängige und in sich schlüssige Regeln verbirgt, habe ich Kontakt zu dem Autor aufgenommen, denn ich denke, dass dieser kleine Schatz eine größere Plattform verdient.

Im Anschluss zum Interview werden wir Euch einige weiterführende Links präsentieren und laden Euch herzlich ein, das Spiel zu studieren und es probezuspielen. Denn es ist neben dem massiven Umfang auch vor allem eines: Kostenlos.


Roger: Hallo Sebastian, erzähle uns doch mal was von Dir, wer bist Du eigentlich?

Sebastian Schenck:  Ich bin Sebastian Schenck, ich bin 41 Jahre alt und spiele Rollenspiele seit 1985, damals mit DSA. Im Fantasybereich haben wir dann Midgard und Warhammer sehr lange gespielt. Im Science-Fiction haben es uns Traveller und Shadowrun angetan, also das, was in Deutsch auf dem Markt war. Diese Systeme haben viel Einfluss auf die Entwicklung von Entaria gehabt. 

Roger: Was ist Entaria? Ich stieß durch einen Artikel im Rollenspiel-Almanach drauf  und wunderte mich, dass ich noch nie etwas darüber gehört habe. Erzähl mir etwas über ein System, das mit 1400 Seiten derartig umfangreich ist, dass es mit vielen kommerziellen Systemen konkurrieren kann.

Sebastian Schenck: Fangen wir mit den Würfeln an. Mit einem W12 probt man auf Erfolg oder Misserfolg, mit dem W6 würfelt man Schaden aus. Beim Charakterbau verteilst Du Punkte auf die Attribute und Fertigkeiten. Du hast die Auswahl von 17 verschiedenen Spezies. Die meisten Rassen sind spielbar und untereinander kompatibel, nur wenige haben richtig tiefe Diskrepanzen. Die Rassen sind dazu gezwungen, zu kooperieren, weil ein großer Überfeind am Horizont lauert. Das System an sich ist von den Wertevorstellungen kein schwarz/weiß-System, sondern hat ganz viele Schattierungen von grau. Du kannst damit eigentlich alles im Science-Fiction Bereich spielen, angefangen von einer cyberpunkigen Atmosphäre mit Charakteren, die in der Gosse leben und gar kein Raumschiff haben, bis hin zu einer eher auf Erforschung ausgerichteten Kampagne, die interstellar durch den bereisbaren Raum führt. Die ersten Wurzeln von Entaria gehen übrigens zurück bis in das Jahr 1991.

Roger: Bei dem schieren Umfang habe ich bislang nur einiges quergelesen. Ein gutes Science-Fiction System zeichnet sich oft dadurch aus, dass Du Unmengen von Welten und Fraktionen hast, damit eine möglichst große Bandbreite erzeugt wird. Was ist die Art, in der Entaria gedacht ist, zu spielen?

Sebastian Schenck: Das ist ein mir oft angekreideter Schwachpunkt. Ich grenze es eher dadurch ein, dass ich die Sachen aufliste, die es bei mir nicht gibt. Du hast nicht die unendliche Reichweite des Weltalls, denn durch die Technologie der Weltraumreisen gibt es eine natürliche Grenze, über welche nicht hin weg gereist werden kann. Damit wird jede Fraktion und jedes Sonnensystem auch beschreibbar, denn die Menge ist endlich. Das war mir sehr wichtig. Ich möchte dadurch, dass ich viele Details in den Beschreibungen verankere, aber dennoch auch einiges offen lassen, die Freiheit an die Spieler und SLs weitergeben, ihre eigene Interpretation zu spielen. Was ich mit Entaria nicht machen kann, ist Deep Space Explorations, was eigentlich ein typisches Science-Fiction Setting ist. So detailreich wie möglich, so frei wie nötig. Das habe ich als Maxime.

Roger: Wie kann es sein, dass ein so umfangreiches Spielsystem so unbekannt ist?

Sebastian Schenck: Schlechtes Marketing, ganz eindeutig. Ich habe das System für mich alleine zuerst produziert und es wurde zwar mittlerweile mehrfach überarbeitet, aber immer nur von meinen Runden im kleinen Rahmen gespielt worden. Erst seit 2003 bin ich etwas an die Öffentlichkeit gegangen und habe mein Spiel durch die Website beworben. Einige wenige andere Gruppen spielen es und so findest Du auf diversen Websites kleinere Berichte über das Spiel. Sicherlich ist es eine Form des Understatement, dass ich nicht so präsent bin mit dem Spiel auf dem Markt, aber mir ist es wichtig, dass die Spieler/innen, die es spielen, mir auch Feedback geben. Ich bin selbst voll berufstätig, habe eine Familie und auch andere Interessen, aber mir ist es wichtig, dass sich das Spiel weiterentwickelt.

Roger: Welche Maßnahmen planst Du, Entaria bekannter zu machen?

Sebastian Schenck: Sicherlich wäre es eine sehr gute Idee, öfter auf Conventions zu fahren und das Spiel zu präsentieren, so dass ich über eine größere Kernspielerschaft verfüge und das Spiel immer besser werden lassen kann. Natürlich bin ich nicht alleine damit, mein eigenes System zu entwickeln, schon lange schreiben die Leute ihr eigenes Spiel, durch das Internet hat man ganz andere Methoden.

Roger: Sprechen wir etwas mehr über das Spiel. Wie eng sind Regelwerk und Hintergrundwelt verwoben?

Sebastian Schenck: Ziemlich eng. Das Spiel hat viele Entwicklungsstufen durchgemacht, wenn es darum geht wie und was gewürfelt wird. Mittlerweile sind wir bei einem System angekommen, was den W12 ins Zentrum des Geschehens rückt. Du verrechnest deinen Skillwert mit dem Ergebnis des Würfels gegen die Zielschwierigkeit und weißt, ob Du Erfolg hattest. Klar kann man mein System mit anderen Welten spielen, aber Entaria gehört zum W12, wie der W12 zu Entaria gehört. Ich hatte nicht das Ziel, ein generisches System zu entwickeln.

Roger: Viele Science-Fiction RPGs haben ein Problem, wenn es darum geht, alle Mitglieder einer kleinen Schiffsbesatzung an einem Raumgefecht zu beteiligen. Wie gehst Du das Problem an?

Sebastian Schenck: Die typische Star Trek Situation zu schaffen, ist schwer. Ich habe mich lange mit verschiedenen Systemen beschäftigt, aber denke, ich kann es auch nicht endgültig lösen. Ich habe Fahrzeugkampf Regeln erschaffen, die es verschiedenen Schlüsselpositionen erlauben, bestimmte Kernrollen in einem Raumgefecht einzunehmen und damit Boni für die anderen zu erarbeiten. Es ist sicher keine 100%ige Lösung, aber es kommt dem nahe.

Roger: Welchen Anspruch hat Entaria? Erzählerisch oder eher die harte Zahlenrealität der gamistischen Zunft?

Sebastian Schenck: Deutlich der letztere Teil. Es gibt sogar auch Entaria Auskopplungen, die Brettspielen gleichen. Mir ist wichtig, dass Spieler belastbare Regeln und Werte haben, die sie z.B. im Gefecht benutzen können. Regeln sind wichtig. Ein Tabellen-Nachschlagewerk ist jedoch Entaria nicht. Coole cineastische Szenen, gepaart mit harten Regeln, das ist es. Aber natürlich macht jede Runde das draus, was zu ihrem Spielstil passt, vor allem wenn es um die Bedeutung der Beschreibungen und deren Detailreichtum geht. Vielleicht auch erwähnenswert, Entaria reiht sich eher ein in die Reihe der New School RPGs.

Roger: Es gibt einiges für Entaria herunterzuladen, was von Fans stammt. Wie groß ist dein Spielerstamm, deiner Meinung nach?

Sebastian Schenck: Schwer zu schätzen. Manchmal treffe ich Leute, die Entaria schon seit Jahren spielen, andere schreiben mir, dass sie Entaria per Zufall gefunden haben. Mehr als eine Handvoll wird es nicht sein.

Roger: Wie sieht es aus mit Conventions? Du kommst aus Bremen, da gibt es doch mit dem NordCon und Hannover spielt! im Umkreis einige interessant Events. Wirst Du es da vorstellen?

Sebastian Schenck: Beruflich bin ich stark eingespannt, aber Du hast recht, es ist wichtig, auf Conventions zu erscheinen und etwas Werbung zu machen. Ich habe das viel zu stark unterbedient, das sollte ich ändern. Es ist aber schon realistisch, 2013 mehr in die Richtung zu machen.

Roger: Das, was ich bislang gelesen habe von deinen Regelwerken, verzeih mir die Offenheit, schwächelt etwas an den Textwänden ohne Illustrationen. Für die Basis sieht es gar nicht schlecht aus, wie sieht es aus mit einer optisch ansprechenderen Version der Kernregeln?

Sebastian Schenck: Da tut sich tatsächlich einiges. Durch einen Tipp kam ich in Kontakt mit Anthony J Calabria. Anthony hat bereits einige Spezies geskribbelt und beginnt nun, sie auszuarbeiten. Das, was ich bislang mit Ihm ausgearbeitet habe, gefällt mir außerordentlich und ich freue mich sehr über die Zusammenarbeit. Ich mag Tonys Stil sehr, er hebt sich angenehm ab von anderen Publikationen. Das Layout wird noch etwas überarbeitet. Besonders beeindruckt hat mich übrigens Forsaken Colony, vielleicht lasse ich mich da etwas inspirieren.

Roger: Als Schwachpunkt, wenn Entaria an eine größere Öffentlichkeit geht, empfinde ich die schiere Masse an Material. Immerhin reden wir über weit mehr als 1000 Seiten. Welche Methoden planst Du, das Spiel zugänglicher zu machen?

Sebastian Schenck: Im Rahmen des Umbaus werde ich die Informationen versuchen, zu gliedern und sie in Sourcebooks zusammen zu fassen, so dass ich am Ende auf 4-5 Büchern lande. Die jetzigen pdfs sind bereits thematisch segmentiert. So kann man sie der Ruhe nach einzeln lesen. Vor allem muss ich bei den Büchern zwischen „Muss“-Lesen und „Kann“-Lesen unterschieden.

Roger: Da ist ja doch einiges in Mache – wie geht es weiter in Entaria?

Sebastian Schenck: Vor allem wird es kostenlos bleiben. Geld spielt für mich bei diesem Hobby keine Rolle, ich möchte einfach mehr Spieler erreichen, um ein besseres Spiel zu machen. Optional werde ich, parallel zum Download, eine Print on Demand Option anbieten. Diese wird es dann zum Selbstkostenpreis zuzüglich Versand bei mir zu bestellen geben. Ich habe an sich nicht vor, zu einem Verlag zu gehen, auch wenn das mir super helfen würde, bekannter mit dem Spiel zu werden.  Vielleicht ist ein Weg wie bei Malmsturm eine Option. Der Download kostenlos, die Druckversion bei einem Verlag für einen gewissen Preis x, aber da muss ich mir noch einige Gedanken machen. Keinesfalls sind das feste Pläne. Ich habe Zeit, ich habe Geduld.

Roger: Arbeitest Du eigentlich alleine an Entaria oder gibt es ein Team im Hintergrund?

Sebastian Schenck: Meine Spielrunde unterstützt mich sehr, dafür bin ich äußerst dankbar. Generell arbeite ich aber alleine an dem Spiel.

Roger: Science-Fiction ist in Europa immer schwer an den Mann zu bringen und gegenüber Fantasy eher im Hintertreffen. Wie wirst Du Dich gegen die anderen Science-Fiction Systeme, die in letzter Zeit auf den Markt kamen, wie z.B. Contact, Nova und Traveller abgrenzen? Was ist dein Alleinstellungsmerkmal?

Sebastian Schenck: Das Setting ist eindeutig ein Alleinstellungsmerkmal. Mit der Preisfahne kriege ich in Zeiten von CC-Lizenzen niemanden mehr. Ich bin kein Freund davon, mich festzulegen. Ich möchte gern an einem Abend etwas cyberpunkiges spielen, am nächsten Abend eine High End Space Opera. Das alles kann Entaria vereinen, ohne, dass es nicht wie aus einem Guss wirkt. Entaria ist einfach ungeheuer vielfältig. Über 200 Sonnensysteme, knapp 1000 Planeten  und viel mehr unterstützen diesen Ansatz. Für die Systeme hat jemand aus meinen Spielgruppen ein kleines Programm entwickelt, mit dem man in Sekundenschnelle ganze Sonnensysteme entwickeln kann. Das findet man im Downloadbereich und es ist einfach großartig. Ich habe noch vor, die Planeten- und Systembeschreibungen etwas zu vertiefen, so dass der SL Aufhänger bekommt, welche Geschichten zu der Welt passen.

Roger: Vielen Dank für das Interview, Sebastian. Ich denke, da werden unsere Leser einiges Interessantes davon mitnehmen.

Sebastian Schenck: Ich muss Dir danken, dass du Dir die Zeit nimmst. Die Teilzeithelden machen einen klasse Job und ich lese gerne die Artikel. Eine gute Alternative zu anderen Publikationen und Medien. Weiter so! 

 

An dieser Stelle verbleibt uns nur, unsere Aufforderung vom Anfang zu wiederholen. Ladet Euch die Regelwerke und Hintergrundinformationen herunter, macht ein paar Probespielchen und vor allem, gebt uns und Sebastian Schenck Feedback!

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Video „Entaria – Über den Aufbau des Regelwerkes“

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4 Kommentare

  1. Ich habe Entaria vor einigen Wochen entdeckt und mir seit dem alle Regeln (außer Magie und den Atlas) zu Gemüte geführt. Ich muss sagen, es gefällt mir sehr gut.

    Natürlich merkt man, dass Sebastian fast alles alleine macht, gerade zum Beispiel die Rechtsschreibung ist interessant…. „Er kann Saltos,
    Ratschläge und andere akrobatischen Kunststücke.“ – steht in der Beschreibung der Fertigkeit Akrobatik. Ich musste schmunzeln.
    Trotzdem ist es ein äußerst stimmiges Regelwerk, das trotz riesigem Umfang einfach zu lernen ist und Spaß macht.

    Eine Runde ist bereits in Planung. Die Charaktererstellung ist ist einfach und trotzdem kann man die verschiedensten Facetten abstecken. Etwas unübersichtlich ist es aber dafür habe ich ein kleine Übersicht zusammen gestellt, die mittlerweile auch auf der Homepage von Entaria zu finden ist.
    Vier Charaktere wurden bereits mit der Gruppe erstellt. Alle hatten viel Spaß und es hat insgesamt knapp 3 Stunden gedauert (allerdings mit VIEL Getratsche und einer Erläuterung der Welt von mir).

    Naja, jedenfalls von mir eindeutig eine Empfehlung. Ich bin gespannt auf die erste Runde im Spiel.

  2. Klingt toll, ich bin ein Fan von viel Material und Science-Fiction. Bei einer Testrunde würde ich auf jeden fall gern mitmachen.

  3. Oh Nein, noch ein Tony! ^^

    Ok, ich freu mich über das Interview!
    Ich hoffe das ich so bald wie möglich an Entaria weiterarbeiten kann (sollte aber Morgen/Übermorgen soweit sein)

    Das Spiel ist auf jedenfall einen Blick wert!

    LG
    Tony

  4. Das hört sich interessant an. Eigentwicklungen, die die gamistische Ecke bedienen sind selten. Und wie das Problem im Raumkampf gelöst wurde interagiert mich auch.

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