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Vor Kurzem erreichte mich eine Mail von einer Rollenspielerin, die mit ihrer Gruppe auf der Suche nach einem vierten Mitspieler ist – leider bisher vergeblich. Hier einmal die Mail, damit ihr wisst, worum es geht:

 

Hallo Annika und Team,

ich wollte fragen, ob ihr mal einen Beitrag zu einem bestimmten Thema machen könntet, was in unserer Gruppe ein kleines Problem darstellt.

Wir (2 Spielerinnen + 1 Spieler + weibliche SL) spielen seit etwa einem 3/4 Jahr begeistert in einer Runde und können einfach auf Teufel komm raus keinen passenden 4. Spieler finden, den wir echt gern aufgrund der Gruppendynamik dabei hätten. Wir hatten schon etliche Spieler über die Spielerzentrale, die bei uns probeweise mitgespielt haben. Ausser einem waren auch alle von unserer Gruppe begeistert und wollten gerne mitspielen, aber von unserer Seite aus passte es halt nie…

Vielleicht liegt es daran, dass wir eine sehr frauendominierte Gruppe sind und alle kleine Dramaqueens. Vielleicht sind wir zu wählerisch? Zu intolerant?

Wie bringt man einen neuen Spieler in eine bestehende Gruppe, die einen sehr eigenen und emotionalen Spielstil hat, den wir auch weiter pflegen möchten? Wie definiert man seinen Rollenspielstil am besten, um die richtigen Leute anzusprechen? Wie weit sollte sich die Gruppe verbiegen, damit ein neuer Spieler in die Gruppe passt?

Ich hoffe, das Thema ist für euch interessant genug, um sich mal darüber Gedanken zu machen. Wir sind ratlos und verzweifeln langsam.

Bisher ging es bei uns häufig darum, wie man als einzelner Spieler eine Runde findet, die zu einem passt und in der man sich wohl fühlt. Die alten Hase kennen da diverse Anlaufstellen und wissen sich zu helfen – wie ist es aber anders herum? Wie kann ich vorgehen, wenn ich als Gruppe einen passenden Spieler suche? Nachfolgend habe ich mir mal ein paar Gedanken dazu gemacht.

Definition ist das A und O

Ich denke, das erste, worüber man sich als Gruppe klar werden sollte, bevor man die Suche startet sind ein paar Dinge:

Wer sind wir?

  • Eine genaue Beschreibung der eigenen Gruppe (Durchschnittsalter, Anzahl der Mitspieler, Geschlechterverteilung)
  • Welche Systeme spielen wir?
  • Wie spielen wir die Systeme? Stehen wir auf Action? Auf Interaktion? Spielen wir emotional oder eher nicht? Halten wir uns streng an den Hintergrund oder definieren wir schonmal unseren eigenen?
  • Wie oft spielen wir?
  • Wo spielen wir? 

 

Den eigenen Spielstil für Außenstehende zu definieren kann tricky sein, es macht aber durchaus Sinn, sich zusammen darüber mal ein paar Gedanken zu machen, damit man ein möglichst genaues Bild der eigenen Gruppe vermitteln kann. Dabei geht’s nicht darum mit irgendwelchen Buzzwords um sich zu schmeissen, sondern um eine gute Umschreibung. Jeder weiss, was gemeint ist wenn ihr sagt „Wir mögen actionreiche Kloppereien, Interaktion ist uns nicht wichtig“ (überspitzt formuliert).

Was wollen/erwarten wir bzw. wollen/erwarten wir nicht?

  • Soll es zwingend ein männlicher/weiblicher Mitspieler sein?
  • Altersvorgabe?Sollte der Mitspieler schon Erfahrung haben mit dem Rollenspiel allgemein / dem System im Speziellen oder sind auch „Newbies“ gern gesehen?
  • Passt der Spielstil des potentiellen Mitspielers zum Rest der Gruppe?

 

Auch Dinge wie Pünktlichkeit und die Verpflegung mit Essen/Trinken können ruhig angesprochen werden, auch wenn sie für viele selbstverständlich sind. 

Wo finde ich einen Mitspieler?

Das ist heute einfacher, als man denken mag. Gute Anlaufpunkte (grade für Studenten) sind sicherlich schwarze Bretter in der Uni, wo man sein Gesuch aushängen kann. Manchmal gibt es solche schwarzen Bretter auch im Rollenspielladen vor Ort, einfach mal vorbeischauen. Online gibt es diverse Foren wie zum Beispiel Aktion Abenteuer oder Tanelorn, wo man ein Gesuch einstellen kann. Auch die Spielerzentrale könnte ein Anlaufpunkt im Netz sein, allerdings habe ich da keine Erfahrungswerte, wie gut die Suche da klappt.

In manchen Orten gibt’s auch Rollenspielvereine, die LARP und Rollenspiel anbieten. Die Chance dort Gleichgesinnte zu treffen ist sehr hoch.

Leider ist es oftmals so, dass sich die Suchenden die Gesuche nicht unbedingt genau durchlesen, es kann also bei so einer öffentlichen Suche durchaus sein, dass sich Leute melden, von denen man schon nach einer Minute weiß, dass sie nicht zur Gruppe passen. Um dem Vorzubeugen müsste man den Suchradius einengen, was aber wiederum die Gefahr birgt, dass sich gar keiner meldet.

Die Spreu vom Weizen trennen

Ist es erst mal soweit und man hat ein paar Leute, die gerne einmal in der Runde mitspielen würden kann man, bevor es ans eigentliche Spielen geht, auch noch eine Art „Vorgespräch“ führen. Hört sich jetzt vielleicht übertrieben an, hat aber den Vorteil, dass man den Spieler vorab als Mensch kennenlernt und schon mal herausfinden kann, ob die zwischenmenschliche Chemie stimmt.

Entweder trifft man sich auf einen Kaffee/auf ein Bier und lädt die ganze Gruppe ein, ein Google-Hangout oder Skype bieten da sicherlich auch gute Möglichkeiten, oder man greift zum guten alten Telefon.

Von Vorteil wäre im Vorfeld so eine Gesprächs auch eine Art „Fragenkatalog“. Was wollt ihr von eurem neuen Mitspieler wissen? Sollte es Dinge geben, auf die ihr besonderen Wert legt, dann solltet ihr die auch ansprechen. Sprecht ihr die gleiche „Sprache“? Meint ihr z.B. das Gleiche wie euer potentieller Mitspieler wenn ihr von „erzählorientiert“ oder ähnlichem sprecht? Die Definitionen lassen da manchmal viel Spielraum!

Jetzt wird getestet

Okay, bis hierhin hat euch euer neuer Kollege also überzeugt und ihr ladet ihn/sie ein, in eurer Runde mal für ein paar Abende mitzuspielen – ja, ein paar Abende. Ich denke, mit einem Testabend ist es nicht getan. Als Neuling muss man sich erst mal in ein bestehendes Gruppenkonstrukt einfinden, das schaffen die wenigsten am ersten Abend. Ich würde ihm/ihr mindestens zwei Abende geben, besser noch drei. So hat er/sie die Möglichkeit sind einzufinden und auch aktiv am Spiel teilzunehmen, ohne die Hemmschwelle des ersten Kennenlernens.

Passt es oder passt es nicht?

Am Ende der Testphase solltet ihr als Gruppe zusammenkommen und euch darüber klar werden, ob der neue Mitspieler in die Gruppe passt oder nicht. Seid dabei ehrlich zu euch selbst, denn es bringt ja nichts, wenn ihr im Grunde ein ungutes Gefühl habt und nur ja sagt, weil alle anderen ja sagen. Solche Sachen könnten nachher für Zündstoff sorgen. Seid ihr bereit, Kompromisse einzugehen? Vielleicht gibt es nur ein paar Kleinigkeiten, die noch nicht richtig zueinander passen, bei denen ihr aber gewillt wäret, einen Kompromiss einzugehen. Ihr müsst entscheiden, ob und wie weit ihr bereit seid, euch selber oder eure Gruppe zu „verbiegen“. Bedenkt nur, dass auch das nachher zu Frust auf eurer Seite führen kann, wenn ihr nicht so spielen könnt, wie ihr gerne würdet.

Und zu guter Letzt: Seid fair! Sprecht mit ihm/ihr und erklärt ihr, warum es unter Umständen nicht gepasst hat oder fragt, ob er/sie bereit wäre, ebenfalls einen Kompromiss einzugehen, damit es passt.

Das waren die Punkte, die mir zur Spielersuche eingefallen sind. Dazu muss ich sagen: ich lebe, was das Rollenspielumfeld angeht, im Luxus. Seit ich mit Rollenspiel angefangen habe, habe ich auch konstant eine oder mehrere Gruppen, die sich immer aus dem Freundeskreis herauskristallisiert haben. Ich hatte also nie die Notwendigkeit, mir eine Gruppe suchen zu müssen. Falls ich daher also etwas Wichtiges nicht bedacht habe, seid ihr frei, mich darauf aufmerksam zu machen.

Artikelbild: Khakimullin | depositphotos

 

6 Kommentare

  1. Ich habe schon öfter die Erfahrung mit neuen Spielern in bestehenden Gruppen gemacht und kann Annika da in großen Teilen zustimmen. Ein Abend reicht eigentlich nie um die Leute einzuschätzen. Besonders wenn man sie privat noch nicht kennt. Jeder braucht Zeit sich an neue Spilstile zu gewöhnen. Wenn die Person natürlich ausserhalb des RPG unsympathisch erscheint ist das was anderes.
    Wenn ein sehr emotionaler Spielstil zelebriert wird, ist das für viele Spieler am Anfang sehr ungewohnt und erfordert teilweise etwas Überwindung. (Ich bin mir nicht 100% sicher was man darunter verstehen muss, aber es klingt nicht nach dem „mainstream“).
    Es wird sich nie einen perfekten neuen Spieler finden der die Gruppe nicht verändert. Jeder neue Spieler bringt neue Ideen, Vorstellungen, Fantasien mit. Dies ist in meinen Augen ein großer Bonus der erlaubt die Erfahrung der Gruppe zu erweitern.

  2. Nicht Definitionen sondern Kompromisse sind das A und O.

    Klar sollte man wissen, wie und was man spielen möchte und das gut komunizieren. Aber wenn man nach dem perfekten Mitspieler sucht, wird man ihn wahrscheinlich nicht finden, genausowenig wie den perfekten Lebenspartner oder Mitarbeiter.
    Es gibt nunmal sehr wenige Leute, die genau in dieser einen Runde mitspielen wollen und dann auch noch perfekt hineinpassen. Da hilft nur aufeinander zugehen und einen gemeinsamen Nenner finden, der für alle tragbar ist.

  3. Man merkt dem Artikel durchaus an, daß er aus einem Luxus Umfeld kommt. Der Interessent wird eher als ein Fremdkörper mit potentieller Gefahr fürs Gruppengefüge wahrgenommen und durch diesen Filter betrachtet. Dies kann man sich nur in einer Umgebung erlauben, wo gut passende Spieler sehr reichlich vorhanden sind.

    Eine neue Gruppe zusammenstellen oder einen neuen Spieler in eine Gruppe aufnehmen sind soziale Prozesse. Und die haben es an sicht, daß man sich gegenseitig beeinflusst. Ein gegenseitiges aufeinander einlassen ist unabdingbar, wenn man will daß das Erfolg hat.

    Ich empfehle, innerhalb der bestehenden Gruppe klar aufzustellen, was einem wichtig ist. Sowohl jeder für sich als auch als Gruppe. Und dann sollte man gemeinsam priorisieren, welche der Kriterien Zwingend und welche im Zweifel kompromissfähig sind (und wie weit der Kompromiss gehen darf). Die Kriterien sollte man ruhig nach außen hin kommunizieren.
    Insbesondere wenn man sehr viele oder sehr strenge Anforderungen setzt (oder beides) heißt das, daß man seinen Wunsch nach dem neuen Spieler dagegen evaluieren sollte. Gerade bei sehr harten Kriterien bedeuten, daß einem die Suche eigentlich gar nicht sooo wichtig ist. Und dies sollte man dann akzeptieren (z.B. „wenn wir jemanden finden ist gut, wenn nicht, auch nicht schlimm“) oder eben die Anforderungen aufweichen.

    Nach jedem Versuch, wo es dann mal wieder „nicht gepasst“ hat, zu bestimmen, woran es lag. Wenn der Grund nicht auf der Anforderungsliste steht oder niedrig priorisiert ist, lohnt sich auch hier, die Liste selbst sowie den Wunsch nach dem neuen Spieler zu evaluieren.

    Aber letztlich kommt das auch immer aufs Umfeld an. Ein reichhaltiges Umfeld erlaubt problemlos härtere Kriterien, ohne daß man da „zu wählerisch“ ist. Sollte man aber langfristig Schwierigkeiten mit der Spielerfindung haben, ist man faktisch zu intolerant bzw macht sich was vor über die Wichtigkeit des Zuwachses.

  4. Bei den Fragen, die sich die Gruppe stellen sollte, würde ich noch die Frage nach der Regeltreue hinzufügen.

    Ich selbst würde kennen großartigen Vorabtermin machen. Zum einen gibt es die Kontaktmail oder das entsprechende Telefonat, zum anderen kann man auch mal kurz anrufen und als Vorwand die Frage nach passenden Terminen nehmen. Das sollte für eine grobe Einschätzung reichen und sehr unpassende Kandidaten aussortieren. Den Rest kann man eh erst nach einer Spielrunde sagen.

    Auch würde ich vermeiden eine Bewerbungssituation herbei zu führen, daher auch keine Fragekatalog. Man kann auch bemühen, wie man will, man kann sich trotzdem vertun. Daher würde ich das Fokus ganz deutlich auf das Spielen und ähnliche Situationen legen und mich auf die Intuition der Gruppe verlassen. Ja nicht zu verkrampft rangehen.

  5. Schöner Artikel mit vielen Gedanken, die man sich definitiv bei der Gruppenerweiterung machen sollte. Wie die Vorredner schon sagten, sollte man natürlich aufpassen, das Ganze nicht zum Frontal-Bewerbungsgespräch verkommen zu lassen.

    Ich würde auch erstmal ein One Shot gemeinsam spielen und das auch als solches vorstellen. „Lasst uns doch mal einen netten Rollenspielabend haben. Vielleicht passt du zu uns und wir zu dir am Ende ja auch zu unserer Hauptrunde zusammen. Aber das heute ist erstmal unverbindlich.“ Dann ist der Druck ein bisschen raus.

    Meine persönliche Erfahrung ist zudem, dass ich lieber versuche aus dem Freundeskreis (Noch-)Nichtrollenspieler zu rekrutieren als mich auf Fremde einzulassen. Die Wahrscheinlichkeit das es passt ist mir bei Fremden einfach zu gering.

  6. @Hannes: Ich denke, mit emotionaler Spielstil ist ein Stil gemeint, bei dem Gefühle auch ausgespielt werden bzw. ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet wird.

    @Roland: Perfekte Mitspieler gibts es nicht, nein und ich bin bei Dir wenn Du sagts, dass Kompromisse gemacht werden müssen. Ich wollte auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich keine Kompromisse eingehen würde :)

    @Captain: Hm, als Fremdkörper würde ich einen neuen Mitspieler eigentlich nicht betrachten, das ist dann im Artikel vielleicht etwas komisch rübergekommen. Mir ist klar, dass so eine Mitspielersuche ein „soziales Ding“ ist wo unterschiedliche Meinungen zusammenkommen – und wo man sich aber auch gegenseitig mit neuen Ideen versorgen kann. Und wenn man zusammenpasst, ist das ja auch eine gute Sache.
    Eine „Nachbetrachtung“, wenn es mal wieder nicht geklappt hat, ist sicherlich sinnvoll um zu gucken, wo man steht.

    @Jan: Ich finde so einen „Vorabtermin“ eigentlich nicht so schlecht. Man lernt den neuen Mitspieler so halt auch mal Abseits des Rollenspiels kennen. Klar, in 90% der Fälle hat man wahrscheinlich nur im Rollenspiel mit ihm/ihr zu tun, ich finds aber immer ganz gut einen groben Eindruck von dem Menschen zu bekommen. Aber das mag jeder handhaben, wie er will.
    Wenn es Punkte gibt, die einem wichtig sind, sollte man sie schon schriftlich festhalten bzw. wichtige Fragen auch aufschreiben, finde ich. Sicher, hinterher kommt es meist sowieso anders, als man denkt, aber zumindest einen groben Eindruck habe ich am Anfang immer ganz gerne. Verkrampfen sollte man nicht, klar, aber ich denke auch nicht, dass das verkrampft oder unverkrampft von ein paar Fragen abhängt, sondern eher von der Situation an sich – man kann auch in einem lockeren Umfeld fragen stellen, ohne dass es sich nach einem Verhör anhört :)

    @Gerrit: Das ist natürlich Idealzustand, wenn man Freunde fürs Rollenspiel gewinnen kann. Mein ganzer Rollenspielkreis besteht nur aus Freunden, dass ist einfach unschlagbar, weil man die Leute kennt und weiss, wie sie drauf sind – und so auch schon sagen kann, mit wem man besser nicht spielt.

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