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Blood Drive 1 für Savage Worlds/Deadlands Reloaded lädt reisefreudige Heroen zu einer klassischen Wildwest-Erfahrung ein, die in bisherigen Publikationen noch keine wesentliche Rolle spielte: dem Viehtrieb. Zahlreiche Western ranken sich darum – er gehört zum Genre wie der wiegende Gang zu John Wayne. Die Nummer im Titel suggeriert bereits, dass wir hier das erste Kapitel einer insgesamt dreiteiligen Kampagne vor uns haben, die quer durch den unheimlichen Westen führt. Die einzelnen Teile sollen dem Inhalt nach sowohl einzeln wie auch im Zusammenhang spielbar sein; dementsprechend wendet sich Blood Drive 1 zunächst in erster Linie an Greenhorns, die sich ihre Sporen erst noch verdienen müssen.

Erscheinungsbild

Das PDF umfasst 37 Seiten mit dem gewohnten farbig-stimmungsvollen Seitenhintergrund, großer, gut lesbarer Schrift und passenden, aber nicht herausstechenden Illustrationen. Das reißerische, doch durchaus gelungene Cover mit Filmplakat-Nachgeschmack weckt (bei mir jedenfalls) die schmunzelnde Assoziation von der stilisierten „Heldentruppe, wie sie sich selbst sieht“; mögliche Kontraste zu gewissen Realitäten mag sich jeder grinsend selbst ausmalen. 

Die harten Fakten:

  • Format: pdf
  • Verlag: Pinnacle Entertainment
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Englisch
  • Preis: USD 9.99 (PDF)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com (Klick)

Inhalt

Bad Times on the Goodnight_Cover

Die Geschichte beginnt in einem kleinen Kaff im Südwesten von Texas, wo die Posse für die Begleitung ebenjenes Viehtriebes angeheuert wird. Die Herausforderungen, denen sich die Helden nun stellen müssen, betreffen weniger Monsterschlachterei, sondern vielmehr typische Aufgaben von Cowboys rund um die Herde wie das Einfangen von Vieh oder Zureiten von Pferden. Nachdem sich die ersten wenig mysteriösen Schurken, quasi mit Schild und Visitenkarte, als solche vorgestellt haben, wird die Luft ein wenig dicker und bleihaltiger. Ohne zu viel verraten zu wollen: es harren noch etliche mal mehr, mal weniger archetypische Wildwest-Situationen der Konfrontation mit den Helden. Nach weiteren Komplikationen kommt es schließlich zum obligatorischen großen Showdown, der ebenfalls vom Geiste der Pferdeopern durchtränkt ist.

Dieser Teil der Kampagne endet sodann bei Denver, mag also dort abgeschlossen oder mit dem nächsten Kapitel fortgesetzt werden; der bisherige Handlungsstrang lässt sich jedenfalls befriedigend auflösen.

Wer bei der Erwähnung des Begriffes Viehtrieb sogleich an eine pfeilgerade Aneinanderreihung von Ereignissen denkt, liegt damit nicht falsch. Perlen auf einer Kette gleich rollen die programmierten Ereignisse lange Zeit an der, auf gut neudeutsch gerailroadeten, Posse vorbei (oder über sie hinweg) und stellen in aller Regel die Würfel in den Mittelpunkt. Erst die Sektion rund ums Finale bietet Variationen an, lässt Freiraum für taktische Einfälle und fordert aktiven Einsatz. Abgesehen von wiederkehrenden Antagonisten existiert keine Hintergrundgeschichte im engeren Sinne, die als Rahmen dienen würde; der Handlungsverlauf gleicht eher einer Besichtigungstour durch den unheimlichen Westen, die Begegnungen und kleine Abenteuer aneinanderreiht.

Atmosphäre und Charme entwickelt das Abenteuer vor allem durch die Hervorhebung klassischer Western-Facetten und viele genretypische Szenen, denen sich Freunde der Pferdeoper nur schwer werden entziehen können. Blood Drive 1 glänzt zudem mit zahlreichen authentischen Details rund um die Organisation, Durchführung, Gefahren und Komplikationen eines solchen Trecks, die nahtlos ins Abenteuer integriert sind.

Da die Geschichte nur vorsichtige Ausflüge aus dem Western-Flair heraus in die Domäne des Phantastischen, Geheimnisvollen und Unheimlichen unternimmt, eignet sie sich gut für eine DL:R-Einsteigerrunde mit diesem Ansatz. Der thematisch-atmosphärische Fokus würde so während der „Rundreise“ allmählich zu den Besonderheiten des Deadlands-Universums schwenken.

Preis-/Leistungsverhältnis

Nach dem Umfang erscheint der Preis im Verhältnis zu den bisher veröffentlichten DLR-Abenteuern und ähnlichen Publikationen durchaus angemessen. Extrapoliert man aber den Preis der Gesamtkampagne – 111 Seiten für .ca $30 -, so bleibt ein fader Beigeschmack, zumal es der Handlung bisher nicht gelingt, mit wirklich interessanten, weiterführenden Ideen zu punkten.

Bonus/Downloadcontent

Unser Autor Marc hat sich die Arbeit gemacht, die vorkommenden NSCs auf druckfreundlichen Kärtchen unterzubringen. Dafür nehmt ihr diese Datei (es ist eine gezippte Excel-Datei):

NSCs Blood Drive

Fazit

Blood Drive 1 ist ein einstiegstaugliches, aber sehr lineares Abenteuer, dessen erfreulichstes Merkmal es ist, die zuweilen vernachlässigten Western-Elemente des Deadlands-Hintergrundes mit vielen typischen Situationen in den Mittelpunkt zu rücken. Erfahrene Spieler und Spielleiter könnten das vorgegebene Korsett indes arg eng finden und/oder eine kohärente Story vermissen. Wer sich daran nicht stört und vor allem die Stimmung von Tausend Meilen Staub/Rawhide, Die Cowboys oder Red River an den Spieltisch holen möchte, dem wird Blood Drive 1 gefallen.

Daumen3maennlich

Artikelbild: Catalyst Game Labs

4 Kommentare

  1. Was mich interessieren würde:

    Wie wurde das Thema „Viehtrieb“ im Vergleich zum Viehtriebs-Subsystem in Aces&Eights (von Kenzer) umgesetzt?

    Letzteres ist – wie so manche der A&E-Subsysteme – durchaus überzeugend gelungen (im Gegensatz zum gesamten Kernsystem, leider).

    Mir sind die doch eher dünnen Abenteuer der Blood-Drive-Reihe bislang nicht das Geld wert gewesen (vielleicht, wenn es mal wieder Sonderangebote auf RPGnow.com gibt).

    Daß ein Viehtrieb alles andere als Railroading sein kann, wissen zumindest die Weird-West-Spieler in meinen Deadlands Classic Runden, die Viehtriebe als „Reisabenteuer“ in der Weird-West-Sandbox kennengelernt haben. – Insbesondere kann man durch vorausschauendes, findiges Verhalten viele der Risiken eines Viehtriebs vermeiden bzw. umgehen, sowie den Viehtrieb als finanzielles Unternehmen tatsächlich lukrativ abwickeln.

    Wird in den Blood-Drive-Szenarien auf die „Ökonomie“ der Cattle Drives eingegangen?

  2. Blood Drive als solches stellt der Runde jedenfalls keine Optionen zur Verfügung, tatsächlich aktiv und selbständig „cattle drive management“ zu übernehmen. Die Rolle der SCs verbleibt grundsätzlich bei typischen Begleitern/“hired hands“, die sie dann in den vorgefertigten Begegnungen mit (übersichtlichen) Entscheidungen ausgestalten dürfen. Dadurch werden sie auf programmierte Weise für den Trieb „wichtig“, haben aber per se nicht die Möglichkeit, a la Aces&Eights den Viehtrieb als Gesamtprojekt zu gestalten/verwalten. Wirtschaftliche Erwägungen verbleiben also nebulös im Hintergrund, und das Thema findet sich quasi ausschließlich in den Situationen wieder, mit denen die SCs konfrontiert werden (sollen).
    Sicher ließe es sich in diese Richtung aufbohren; da BD aber nicht modular oder sandbox-y ausgeformt ist, entspräche das wohl umgekehrt eher der Kannibalisierung einzelner Elemente für einen anderen, offenen Szenariorahmen.

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