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Die Stärke von Liverollenspiel ist seine Vielfalt. Jeder scheint auf seine Kosten zu kommen. Ob man als Spieler die Gemeinschaft schätzt, das Eintauchen in eine andere Welt, oder das Erleben von Abenteuern. Vielfalt macht das Hobby attraktiv und führt dazu, dass es wenige feste Regeln gibt. Was ist gutes Liverollenspiel? Fragt man acht Larper, bekommt man acht Antworten. Fragt man eine Gruppe aus acht Larpern, bekommt man vielleicht 8 x 8 Antworten.

Larp ist ein amöbenhaftes Spielsystem, das sich von Spieler zu Spieler, von Orga zu Orga unterscheidet. Es gibt Larps, die eher als Abenteuer-Con klassifiziert werden, oder Ambiente-Con, Schlachtenfest oder vielleicht etwas von allem. In Nordeuropa hat die Vi åker jeep Gruppe mit dem Jeepform ein alternatives Format entwickelt. Während die Auswahl des Genres hierzulande selten außerhalb einer Untergattung der Fantastik fällt (Fantasy, Science-Fiction, Horror), greift das Jeepform zeitgenössische oder zeitnahe Themen auf. Anleihen aus experimentellen und teilweise kontroversen Formaten, erlaubt den Blick über die eingefahrenen Möglichkeiten.

Durch seine Flexibilität kann Larp nicht nur auf die Vorlieben von verschiedenen Spielertypen eingehen. Es ist möglich, das Spiel an andere Bedürfnisse anzupassen, wie zum Beispiel das von unterschiedlichen Altersgruppen.

Zurzeit dominiert das Erwachsenen-Larp. Wenn die erste Generation, die bereits als Alt-Larper bezeichnet wird, ins höhere Alter kommt, wäre zu fragen, ob Live-Rollenspiel-Rentner ihr Hobby aufgeben oder neue Wege finden es auszuführen.

Senioren-Larp mag ein Thema für wilde Spekulationen sein, da bisher Initiativen in diesem Bereich fehlen. Blickt man nicht ins hohe Alter sondern ins frühe Alter, findet man bereits heute das sogenannte Kinder- und Jugend-Larp. Hier treiben Initiativen nicht-kommerzieller und kommerzieller Anbieter die Entwicklung voran.

Eine interessante Spekulation wäre, auf welche Weise sich die Hobbit-Filme in die Entwicklung von Larp einmischen würden. Wäre mit einer Flut von Kinder- und Jugend-Larpern zu rechnen?

Als nach der Jahrtausendwende der Herr der Ringe in den Unterhaltungstempel Kino kam, geschah etwas Seltenes. Der Urquell der Fantasy-Literatur wurde in einer opulenten Version auf die Leinwand gebannt und die Vorstellungen von Millionen von Mittelerde-Fans wurden synchronisiert. Zusätzlich zu den Filmbildern war das Bonus-Material in der Extended Edition eine Fundgrube für Larper, denn es lieferte eine Blaupause, wie man ‚besser‘ Fantasy umsetzen kann. Heute ist der Einfluss der Herr der Ringe Trilogie besonders an der Optik und dem Spiel von Ork- und ElfenspielerInnen bemerkbar.

Weniger präsent als bei Orks oder Elfen, kann man einen deutlichen Anstieg am allgemeinen Gewandungsstandard festmachen. Der Anspruch an einer Einsteiger-Gewandung ist gestiegen.

Was in den 90ern als solide Abenteurerkleidung galt, ist heute weitgehend nicht akzeptabel. Der Unmut der Larp-Szene drückt sich im Erfolg der Tyron Nightfire Figur, die von den Teflon-Larpern in mehreren Videos ins Leben gerufen wurde. Als Internet-Meme hat Tyron Nightfire ein groteskes Schmähbild geliefert, das durch die Überspitzung von Anfängerfehlern in einer Zeit nach der Trilogie wirkt.

Wird die Mitgliedszahl der Szene mit der neuen Fantasy-Blockbuster-Serie um den Hobbit explodieren? Prinzipiell ist eine Frage nach Zahlen schwer zu beantworten, da eine umfassende Larp-Zählung schwer umsetzbar ist. Beobachter der Szene schätzen die Anzahl der Larper in Europa vorsichtig auf 30.000 Teilnehmer.  Ein Anstieg an Liverollenspielern nach der Kino-Premiere im Dezember wäre demnach schwer zu messen, da keine verlässlichen Zahlen vorliegen.

Anstatt abzuwarten und zu beobachten, gibt es jedoch die Möglichkeit Larp unter Kindern und Jugendlichen zu verbreiten, indem man den Fahrtwind dieses nächsten großen Fantasy-Epos nutzt.

Damit dies möglich ist, ist es notwendig der nächsten Generation Larpen altersgerecht anzubieten. Liverollenspiel mag vielleicht nicht das beste oder einzige Spielzeug sein, es bleibt eines unter vielen. Dennoch, sei es Abenteuer-Con, Ambiente-Con, Schlachtenfest – es wäre begrüßenswert Larp jeder Altersgruppe als Option anzubieten. Das Interesse an ‚echten‘ Abenteuern wird mit dem Hobbit steigen. Es gilt dieses Interesse zu schüren und Angebote zu schaffen.

Damit schließe ich getreu des Titels mit einer wilden Spekulation ab: Was würde passieren, wenn vor dem Hobbit-Film eine bundesweite Werbung für Liverollenspiel geschaltet werden würde?

Bild: Warner Bros. Entertainment Group

 

 

 

3 Kommentare

  1. Der Film könnte eine Zwergenschwemme auslösen – mit guten (mehr gute Zwerge) und schlechten (mehr Zweimeterzwerge) Folgen…

    Kleine Anmerkung zur Zahl der Larper in Europa: Auf der verlinkten Seite steht, dass die Zahl der Larper in Deutschland mit insgesamt 30.000-40.000 im europäischen Mittelfeld liegt (im Gegensatz zu den 30.000 Larpern in ganz Europa, die bei euch im Text stehen). Die Zahlen sind, glaube ich, auch schon vier oder fünf Jahre alt (oder sie haben sich seitdem nicht verändert).

  2. Hallo Elch,
    danke für deinen Kommentar. Du hast Recht, die Quelle schreibt von 30.-40.000 in Deutschland. Nach Gesprächen mit Menschen, die für diese und ähnliche Zahlen ohne handfeste Grundlage verantwortlich sind, würde ich die Larper-Zahl jedoch geringer setzen. Daher sollten die 30.000 als meine Einschätzung verstanden werden. Entschuldige bitte die Verwirrung, ich hätte das ‚vorsichtig‘ näher erläutern können.
    Es wäre natürlich interessant eine repräsentative, quantitative Studie zu führen, diese jedoch ist aus verschiedenen Gründen sehr schwierig. Zum Beispiel müsste die Verteilung auf die Bundesländer bedacht werden.
    Falls du verlässlichere Zahlen als vom DLRV findest, würde es mich ausgesprochen freuen, wenn du einen Link hättest.
    Schönen Gruß
    Rafael

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