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Obsidian Portal – ein Name der an Stargate erinnert. Ein mystisches Tor, das in Hunderte unterschiedliche Welten entführen will. Ein ganz ähnliches Ziel verfolgt auch die Webseite http://www.obsidianportal.com, indem sie uns die Welten hunderter anderen Rollenspielgruppen zeigt. 

Was ist Obsidian Portal?

Grundsätzlich handelt es sich bei Obsidian Portal um eine englische Community-Seite für Pen & Paper-Rollenspieler mit besonderem Augenmerk auf die Bedürfnisse der Spielgruppe. Jeder registrierte Nutzer darf eine oder mehrere Rollenspielkampagnen erstellen und seine Freunde dazu einladen. Gemeinsam dürfen in der neuen Kampagne dann eigene Charaktere, Gegenstände, Tagebucheinträge oder einfach Wikiseiten angelegt werden. Genau das ist das Obsidian Portal im Kern: Eine Menge Kleinst-Wiki-Installationen, in dem sich der kreative Spielleiter oder seine noch kreativere Gruppe austoben kann. Voraussetzung ist, dass man sich auf einer englischen Webseite zurecht finden kann. Eine deutsche Übersetzung ist bislang leider nicht geplant, daher sind ein Großteil der Kampagnen und sämtliche Formulare nur auf Englisch verfügbar.

Was kann Obsidian Portal?

Der Leistungsumfang hängt sehr stark davon ab, ob man gewillt ist, regelmäßig Geld zu investieren oder eben nicht. Die Premium-Funktion ist ab 40$ im Jahr bzw. 4$ pro Monat zu haben. In der Basis-Funktion präsentieren sich die eigene Kampagnen mit einer generischen Titelgrafik und zahlreichen Reitern, welche die hoffentlich kommende Informationsflut in sinnvolle Teilbereiche aufteilen sollen. Exemplarisch gibt es hier einen Reiter für Charaktere, einen für Gegenstände und einen Reiter für das Adventure Log, also dem Abenteuerlogbuch, in dem die Gruppe ihre Spielabende dokumentieren kann.

Jeder zu einem eigenen Reiter gehörende Inhaltstyp verfügt über einen Titel und einem Haupttextfeld, dessen Inhalt mittels einer einfachen Syntax formatiert werden kann. Komplexe Formatanpassungen sind zwar nicht möglich, dafür ist der Einsatz sehr einfach und der Editor hilft, schnell die richtigen Einstellungen zu finden.

Obsidian Portal
Die Einstiegsseite

Die speziellen Inhaltstypen werden darüber hinaus über spezielle Felder erweitert: Ein editierbarer Zeitstempel und ein Untertitel bei neuen Blog-Einträgen im Adventure Log, dynamische Charakterbögen bei neu angelegten Charakteren oder eine Gegenstandskategorie für neue Gegenstände. Ein „Tagging“ also eine Verschlagwortung einzelner Seiten ist jederzeit möglich und hilft, zusammengehörende Inhalte über die einzelnen Inhaltstypen hinweg zu verknüpfen.

Ganz dem Geist eines Wikis folgend, können aber im Freitext jederzeit Begriffe markiert werden, die entweder bereits ein Wiki-Seite erhalten haben oder noch eine erhalten sollen. Die Anlage erfolgt hier problemlos, durch Klick auf einen Link dessen Ziel es noch nicht gibt, wird sofort der Editor geöffnet, der eine neue Erstellung der Seite erlaubt. Die Verlinkung zwischen den Inhaltstypen funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Eine Verlinkung auf Gegenstände ist leider im Moment noch gar nicht möglich, soll ein Charakter verlinkt werden, so muss dieser bereits angelegt sein, damit die Verlinkung funktioniert. Die oben beschriebene Neuanlage ist nicht möglich.

Die Seiten sind je nach Typ mehr oder weniger frei in ihrer Gestaltung: Während die Wiki-Seiten im Rahmen der von der Syntax vorgegebenen Möglichkeiten frei formatierbar sind, sind die vorgegebene Charakterbögen sehr starr in Beschreibung und Biographie getrennt. Eine Eigenart, an der sich einige Gruppen, die auf eine Abschrift der Werte verzichten möchten, durchaus stören können.

Grundsätzlich erfüllt dieser Bereich aber seinen Zweck. An manchen Stellen gestaltet sich das starre Konzept ein wenig hinderlich, wenn die eigene Vorstellung (oder das Regelsystem) nicht in die vorgefertigte Struktur passen will. Die Vorteile gegenüber einem klassischen Wiki-Systems sind, dass Obsidian Portal über eine vorgegebene Struktur verfügt, die Inhalte sehr übersichtlich strukturiert und in sinnvolle in Inhaltsbereiche einteilt. Das hilft insbesondere unerfahrenen Autoren, ihre Artikel richtig zu kategorisieren.

Als Spieler darf ich übrigens in so vielen Kampagnen gelistet sein, wie ich möchte, allerdings bin ich als Basic-Mitglied auf zwei Kampagnen, die ich als Spielleiter erstellt habe, beschränkt. 

Diese sind zu allem Überfluss auch noch jeweils auf mickrige zwei Megabyte Speicherplatz beschränkt. Ganz anders sieht es hier bei Premium-Mitgliedern aus: Neben der Möglichkeit, unbegrenzt als Spielleiter Kampagnen anlegen zu können, denen darüber hinaus sagenhafte fünf Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung stehen, hat man hier auch Zugriff auf weitere Funktionen wie zum Beispiel einem Kampagnenforum oder einem Kampagnenkalender.

Leider sind beide eher rudimentär umgesetzt und entsprechen keinesfalls dem aktuellen technischen Stand. Eine Schwäche, die ich an dieser Stelle herausgreifen will, ist die verwunderliche Eigenart des Kalenders, keine wiederholenden Ereignisse anlegen zu können. Merkwürdig vor allem daher, dass ein nicht kleiner Teil der Rollenspielgruppen sich mehr oder weniger regelmäßig zum Spielen trifft und diese regelmäßigen Einladungen sich im Obsidian Portal sehr mühselig gestalten.

Ein sehr interessantes Feature ist allerdings die Möglichkeit an jedem Inhalt, sei es ein Eintrag im Adventure Log, einer Wiki-Seite oder einem Charakter spezielle Spielleiterinformationen zu hinterlegen, die von den Spielern nicht eingesehen werden können. Das können zwar auch die Basic-Mitglieder, aber der Premium-Nutzer darf darüber hinaus weitere geheime Informationen anlegen, die er mit einzelnen Spielern seiner Gruppe teilen kann. Ein echter Mehrwert, möchte man nicht unbedingt über das Internet herausposaunen, dass der Bruder eines Spielercharakters in Wirklichkeit der gesuchte Königsmörder ist.

Ein weiteres tolles Feature ist die Einbindung eigener Karten, die mit der Google Maps Engine aufgebohrt werden. Man erhält eine zoombare Karte, auf der man sogar Pins verteilen kann, welche mit Inhalten verknüpft werden können. So könnte man z.B. die im Abenteuerlog beschriebene Geschichte über diese Pins ganz einfach auf der Karte darstellen. Auch hier ist der Premium-Nutzer dem Basic-Mitglied gegenüber im Vorteil. Zehn Karten darf er hochladen, während dem kostenlosen Account nur eine Karte zur Verfügung steht.

Hat man als Nutzer ein Talent für Webdesign, sind der Fantasie praktisch keine Grenzen gesetzt. Obsidian Portal kürt monatlich die Campaign of the month bei der sehr schöne, liebevoll gestaltete oder mit unheimlich viel Inhalt erarbeitete Kampagnen vorgestellt werden. Ein Blick in diese Kategorie offenbart, was man mit Obsidian Portal erschaffen kann, wenn man denn die Zeit investieren möchte und über die notwendigen Fähigkeiten verfügt.

Eine Stärke von Obsidian Portal sind sicherlich seine sozialen Features: Durch ein Login mit dem Facebook-Account kann ich mich nicht nur problemlos einloggen, ich kann auch vorgenommene Änderungen direkt auf meiner Pinnwand veröffentlichen und meine Mitspieler so darauf aufmerksam machen. Generell kann ich bei jedem Editier- oder Erstellvorgang meine Mitspieler über Facebook informieren. Ich darf mir im Obsidian Portal aber auch selbst noch Freunde suchen, die mir, wie auch bei Facebook, anschließend in meinem Profil angezeigt werden. Neben der obligatorischen Funktion, meinen Freunden private Nachrichten schicken zu können, kann ich mir ansehen, in welchen Kampagnen meine Freunde teilnehmen und wie sie Obsidian Portal nutzen. Suche ich nach einer neuen Runde, hilft mir „Games Nearby“, eine Google Maps Integration, die mir alle öffentlichen Kampagnen anzeigt, deren Standort hinterlegt wurde. Über die Kampagnenseite kann ich mit dem Spielleiter Kontakt aufnehmen und vielleicht zu einem Testspiel vorbeikommen. Ganz ausgereift ist das Feature allerdings noch nicht: Willkürlich erscheinen und verschwinden Pins auf der Karte, wahrscheinlich weil das System mit der großen Anzahl an Runden nicht zurechtkommt. Durch Heraus- und Hereinzoomen kann man dem System aber manchmal noch den einen oder anderen Pin entlocken.

Ist man beim Stöbern über eine interessante Kampagne gestolpert, hat man die Möglichkeit, diese Kampagne in die Favoriten aufzunehmen und schon wird man über jegliche Änderungen, die Kampagne betreffend informiert.

Das Obsidian Portal verfügt bislang über keine offiziellen Apps für Android oder iPhone, jedoch existiert im Play Store von Google das sogenannte Stone Tome, welches Kampagneninformationen aus Obsidian Portal ziehen kann. Dieses wird jedoch nicht offiziell unterstützt.

Für wen ist Obsidian Portal geeignet?

Obsidian Portal eignet sich in erster Linie für netzaffine Rollenspieler, die Lust haben, ihre Welt zu entwickeln. Einsteiger in das Wiki-Umfeld schätzen die einfache Anlage und Formatierung neuer Inhaltselemente und die allgegenwärtige Hilfe erlaubt es, schnell eine Menge Inhalt zusammenzustellen und ansprechend zu formatieren.

Anspruchsvollere Nutzer vermissen die freien Gestaltungsmöglichkeiten eines Wikis und bemängeln die starre Struktur einzelner Inhaltselemente. Für Spielleiter sind insbesondere die erweiterten Premium-Features interessant: Auch wenn eine Kampagne wochenlang ruht, kann sich der Spielleiter dank der geheimen Spielleiterinformationen schnell ein Bild von der letzten Spielsituation machen, indem er die öffentlichen Notizen noch einmal durchgeht. Gleiches gilt natürlich für die Spieler, die in manche Geheimnisse mit eingeweiht sind. Die meisten Nutzer wissen aber die Aggregation der Informationen zu schätzen. Es macht Spaß, im Abenteuerlog einer lange bestehenden Gruppe zu schmökern und sich an vergangene Situationen zu erinnern, oder die Charaktergalerie der ehemaligen oder aktuellen Verbündeten, Feinde oder sogar Spielercharaktere durchzugehen und sich zu überlegen, wen man gerne wieder ins Spiel bringen würde, oder wen man schon lange nicht mehr gesehen hat.

THE EMERALD CITY - Obsidian Portal
Kampagne des Monats

Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich, dass Gelegenheitsspieler oder Lesemuffel dem Obsidian Portal nicht viel abgewinnen können. Im Gegenteil kann das Portal an dieser Stelle sogar zum Zankapfel werden, sollte ein enthusiastisches Mitglied der Gruppe seitenweise Inhalte einträgt, die leider sonst niemand liest. Die Entscheidung, ein solches Werkzeug zu nutzen, sollte daher auf unbedingt von der Gruppe getragen werden.

Fazit

Mit Obsidian Portal hat das Entwicklerteam ein preisgekröntes Werkzeug zur Kampagnenverwaltung geschaffen. Dem neuen Benutzer stehen ausführliche Tutorial-Videos und Hilfen zur Verfügung und die Lernkurve ist zu Beginn sehr hoch.

Leider stößt man gerade bei entscheidenden Bereichen wie Gegenständen und Charakteren an die starren Grenzen des Systems: Das Format dieser Inhalte ist leider sehr starr vorgegeben und das Layout der Seiten sieht nicht sehr ansprechend aus, wenn Informationen ausgelassen werden – ein Umstand, dem auch der Premium-Nutzer ausgeliefert ist. Die Anwendung ist für den amerikanischen Markt konzipiert und ein gewisses „d20-Feeling“ ist durchaus spürbar. Die zur Verfügung stehenden Regelsysteme, die man bei der Erschaffung auswählen kann, decken einen riesigen Bereich der Rollenspielszene ab. Leider schwanken die angebotenen dynamischen Charakterbögen je nach System in der Qualität sehr stark, was gerade bei weniger gespielten System deutlich auffällt. Sofern diese dann überhaupt über einen eigenen Charakterbogen verfügen.

Die Aufwertung des Accounts auf Ascendant, also dem Premiumstatus, ist für eine ernsthafte Nutzung leider eine Notwendigkeit. Dafür erhält man die dringend benötigte Aufstockung des Speicherplatzes, die Fähigkeit, mehr als einen Teilnehmer der Runde zum Spielleiter zu ernennen und die Möglichkeit, Spielergeheimnisse anzulegen. Der Mehrwert der zusätzlichen Funktionen, wie beispielsweise des Kalenders oder des Forums, ist bestenfalls überschaubar. Die Funktionen sind, wie bereits oben beschrieben, nur rudimentär eingesetzt, wichtige Funktionalitäten fehlen schlicht. Eine zwiespältige Funktion sind die Seitenrevisionen: Wird etwas an der Seite geändert, wird eine Revision angelegt, die ich mit dem Originalzustand vergleichen oder direkt lesen kann. Blöd, wenn man als Spielleiter hier versehentlich geheime Informationen ins falsche Fenster eingetragen hat, eine Möglichkeit, Revisionen zu löschen, gibt es nämlich nicht.

Unverständlicherweise fehlen manche Features komplett: Ich kann zum Beispiel keine Dateien hochladen. Sagen mir die Charakterbögen nicht zu, habe ich keine andere Wahl, als mich nach anderen Lösungen umzusehen.

Spielt man ein System, dass von Obsidian Portal noch nicht angeboten wird, hat man ein Problem. Man kann zwar das Entwicklerteam anschreiben und bitten dieses aufzunehmen, auf eine Reaktion wartet man mitunter aber auch mal vergeblich,

Zusammenfassend kann man sagen, dass Obsidian Portal auf einem guten Weg ist. Die klassische Wiki-Struktur wird durch das Rechtekonzept sinnvoll ergänzt und um wichtige Funktionen erweitert. Nutzer ohne tieferen technischen Hintergrund sind hier sehr gut aufgehoben, da hier sofort mit der Anlage von Inhalten begonnen werden kann.

Innerhalb einer Gruppe benötigt übrigens nur der Spielleiter den Status als Ascendant, die von ihm angelegten Kampagnen erhalten automatisch sämtliche dazu gehörenden Features. Der Spielleiter sollte allerdings auf jeden Fall seinen Account aufwerten, denn wer eine andauernde, mit Grafik ausgestaltete Kampagnepflege angehen möchte, stößt sehr schnell an die 2-Megabyte-Grenze. Das Tool erfüllt die Aufgabe des Kampagnenmanagements unter dieser Voraussetzung jedoch voll und ganz, auch wenn Schwächen wie die merkwürdige Kalenderfunktion den Gesamteindruck trüben.

Featurevergleich Basic vs. Ascendant Mitgliedschaft: https://www.obsidianportal.com/subscriptions/new

 

 

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