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Finsterland legt mit dem Quellenbuch „Almanach der Zauberkunst“ ein weiteres Hardcoverbuch nach. Wie zu erwarten, findet sich neue Magie in diesem Buch. Darüber hinaus bietet es jedoch auch eine Vielzahl an weiteren, äußerst wertvollen Informationen. Warum sich die Anschaffung lohnt, möchte ich hier beleuchten.

 

Erscheinungsbild

 Ich bin immer wieder erstaunt, wie ein kleiner, eigenverantwortlicher Verlag derart gut gestaltete Hardcover(!)-Bücher herausbringen kann. Der Almanach stellt auch hier keine Ausnahme dar. Auf dem Frontcover ist die Darstellung einer Frau zu sehen, die ein geisterhaftes Wesen bindet oder auch verscheucht. Wieder setzt der Stil von Eleonore Eder ganz eindeutige Punkte, die zu gefallen wissen.

Das Papier ist wie gewohnt nicht reinweiß, sondern mit einem leichten Gelbstich versehen, was gut zum Steampunk/Steamfantasy Setting des österreichischen Rollenspiels passt.

Mit 152 Seiten ist der Umfang vergleichbar zum Grundregelwerk. Da dürfen natürlich Inhaltsverzeichnis und Index nicht fehlen. Die Erwartung wird hier erfüllt.

Die generelle Optik reiht sich nahtlos in die hohe Qualität der anderen Veröffentlichungen ein. Lange Textwände entstehen erst gar nicht, da die Informationen immer wieder durch Artwork oder andere optisch aufhellende Elemente aufgebrochen werden. Dem suchenden Auge wird also genug geboten.

Die harten Fakten:

  • Gebundene Ausgabe: 152 Seiten
  • Verlag: Pils, Georg; Auflage: 1 (1. Dezember 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3950327002
  • ISBN-13: 978-3950327007
  • Preis: 25 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Klick)

Inhalt

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Ein gutes Quellenbuch beginnt mit einer Kurzgeschichte. In meinen Augen ist es so und so bietet sich uns genau die erwartete Geschichte rund um eine Erbschaft eines Anwesens mit dazugehörigem Spuk und etwas anderem Ausgang als erwartet. Hervorragend, um die Gefahren der magischen Welt für die mundanen Menschen deutlich zu machen.

Danach überrascht uns eine an Hieronymus Bosch erinnernde Karte der magischen Sphären, die darstellt, welche Erkenntnisse die wissenschaftliche Magie in den letzten Jahren erarbeiten konnte. Bereits durch diese Doppelseite bekommt das Buch ein ganz einzigartiges Flair, welches sich fortzieht.

Bevor es ans Eingemachte geht, wird behandelt, welche Formen der Magie es überhaupt gibt. Das finde ich sehr gut, denn aus dem Grundregelwerk wurde nur klar, dass neben akademischer Magie auch natürliche, ursprüngliche Arten der Zauberkunst existieren. Doch richtig greifbar wurde nicht, welche Rolle die Magie im Leben der Finsterländer spielt. Mit dieser Aufsplittung nun und der Erkenntnis, dass es noch deutlich mehr gibt, gewinnt die Spielwelt fühlbar an zu verarbeitendem Material. Nichts davon wirkt aufgesetzt und alles passt zur Stimmung des 19. oder auch frühen 20. Jahrhunderts. Die Ausführungen werden um Ausbildung, Lebensstil, Ehrenvorstellungen und Pflichten erweitert und komplettieren so dieses erste Weltbild. Schön finde ich, dass Certamen – magische Duelle – erklärt und im weiteren Verlauf sogar mit Regeln unterlegt werden.

Das oben genannte magische Weltbild der Sphären wird anfolgend genauer erklärt, wie auch die  davon abweichende Sicht der Dinge von Naturmagiern. Denn bei der Sphärentheorie handelt es sich um eine wissenschaftliche Betrachtung, die nicht allgemein akzeptiert wird. Besonders die magische Sicht der Okkultisten hat es mir angetan, ist sie doch so wunderbar perfide und von Lust getrieben.

Interessant, und nicht nur unter „ferner liefen“, ist das Kapitel über bekannte Magier der Vergangenheit und Gegenwart. Hier liest man nicht nur von den Begründern der elementaren Schulen, sondern auch über einige sehr schillernde Zeitgenossen, die man gut in Kampagnen einbringen kann. Ich hatte den Eindruck, dass die mächtige Magierin Rotraud aus der Schlacht am Echsenberg ein ehemaliger Spielercharakter ist, denn es wird immer wieder von ihren Begleitern gesprochen, mit denen sie viele Abenteuer bestanden hat. Schön ist, dass zu jedem NSC immer wieder Storyideen angeboten werden, die zwar knapp gehalten sind, aber gute Ansatzpunkte zur Eigenleistung liefern.

Ich schrieb gerade von der magischen Ausbildung. Dazu gibt es ein umfangreiches Kapitel über die verschiedenen magischen Akademien und Vereinigungen respektive Forschungsbündnisse. Jede Schule wird hier sehr detailreich beschrieben. Welche Vereinigungen gibt es, was wird erforscht, wie wird man aufgenommen und welche Abenteuerideen kommen dazu? Das Kapitel gefällt mir sehr gut, denn hier finde ich die meisten direkt in Abenteuern verwertbaren Informationen.

Um die Magie etwas abseits der durch harte Regelrealität beschriebenen Pfade zu führen, widmen sich die nächsten Seiten den magischen Experimenten und was alles dabei schief gehen kann. Alchimie, Nekromantie und andere werden hier thematisiert. Angesprochen hat mich hier wieder die Tiefe der Informationen. So genau wie nötig, so frei wie möglich. So mag ich es.

Die Erschaffung eines Dieners
Die Erschaffung eines Dieners

Besonders gut an den Quellenbüchern für Finsterland ist immer der nahe Spielerfokus. Wie spiele ich einen Magier? Welche Rolle nimmt er in der Runde an? Wie spielt mich die SL richtig an? Solchen Fragen widmet sich ein weiterer Abschnitt – und dieser weiß richtig zu punkten durch handfeste verwertbare Tipps. Abschließend gibt es einige Beispielcharaktere, um zu zeigen, was möglich ist.

Nachdem wir nun wirklich vieles über weitere Magieformen gelesen haben, ist das nächste Kapitel längst überfällig. All die magischen Konzepte, die vorher nur angeschnitten wurden, werden hier mit Regeln hinterlegt und so erweitert sich der Reigen der Magie in Finsterland um Beherrschungsmagie, Geistermagie, Alchimie, Betörungsmagie, Illusionsmagie und noch viel mehr. Hut ab, Österreicher! Das weiß die Welt gehörig zu bereichern. Was mir jedoch fehlt, sind weitere Sprüche für die vier größten Strömungen, für die Elementarmagie. Das ist ein Wermutstropfen in meinen Augen.

Weiter geht’s es mit einigen Wissensspezialmanövern, die nicht für jeden Charakter geeignet sind, aber dennoch ihre Berechtigung haben. Wer sie vermisst hat, der kommt nun auf seine Kosten. In den Charakterabschnitt gehören natürlich auch neue Organisationen von Schamanenzirkeln bis hin zu Amtsmagiern. Ja, Magie ist durch das Gesetz reglementiert und wo das Gesetz ist, braucht es auch Menschen, die es durchsetzen. Well done!

Der letzte große Abschnitt richtet sich an den Spielleiter und liefert auch hier wertvolle und nicht nur in den blauen Dunst geschriebene Tipps: wie mit magischen Spielgruppen umzugehen ist, wie man sie fordert und fördert und welche Stolpersteine zu beachten sind. Ich glaube, das ist ein Alleinstellungsmerkmal von Finsterland. Nur wenige Spiele, die ich kenne, gehen so stark auf die eigentliche Spielgruppe ein. Ausblicke über erweiterte Magietechniken wie Rituale und Artefakte, sowie magische Orte komplettieren das Bild und setzen das Sahnehäubchen auf.

Wo Spieler sind, sind auch Gegner. Einiges an magischem Gekreuch wird mit Werten und Beschreibung unterlegt und wieder sind es besonders die bosch’schen, nach Vervollständigung strebenden Dämonen, die es mir besonders angetan haben. Wieso? Weil ich den nächsten vierfach gehörnten aufrecht gehenden Bullen mit Tentakelpeitschen nicht mehr hätte ertragen können! Neben der Magie der Dämonen werden auch die anderen Rassen mit endlich greifbaren Spielwerten und Möglichkeiten unterlegt. Darunter sind die Salamander, die ich persönlich sehr interessant finde und auch Drachen. Dass es Drachen gibt in Finsterland, war mir klar. Aber hier erfahre ich endlich was über die großen Verwandten der Eidechsen.

Das wirklich gute und umfangreiche Quellenbuch wird durch ein Abenteuer beendet, welches, wenn auch sehr linear (leider), die Charaktere in die Höllische Sphäre führt. Richtig gelesen! Das Abenteuer an sich ist nicht die Spitze der Kreativität. Aber was wirklich gefällt, ist die Abstrusität und Unwirklichkeit der Darstellung der Hölle. Mit etwas Eigenleistung bekommt man das Abenteuer auch deutlich freier hin.

Preis-/Leistungsverhältnis

Das Buch ist proppenvoll mit verwertbaren Informationen, die nicht nur im spieltheoretischen Nimbus vor sich her wabern, sondern so gut auf die Spielrunden ausgerichtet sind, dass ich beeindruckt bin. Mir hat es geholfen, die Bedeutung und Rolle der Magie in Finsterland deutlich besser zu verstehen und auch in meine Kampagne einzuflechten. Da erscheint der Preis von 25 EUR lachhaft niedrig. Dazu noch eine Hardcoverbindung? Wie machen die Österreicher das bloß? Kaufen. Los!

Bonus/Downloadcontent

Es existiert kein direkter Downloadcontent, jedoch komme ich nicht umhin, auf die wahrhaft üppige Download-Datenbank von Finsterland hinzuweisen, in der sich nicht nur gute, wenn auch rudimentäre, Abenteuer finden, sondern auch eine Vielzahl an weiterführender Spielhilfen: Klick

Finsterland kann man nun auch digital auf DriveThruRPG.com kaufen: Klick

Fazit

Ich habe das Buch mit der Erwartung in die Hand genommen, etwas Geschichte und seitenweise Spruchlisten zu finden. Doch ich wurde sehr positiv überrascht. Der Ausblick über die Magie, ihre Ausübung und ihre Bedeutung für das mundane Leben ist wirklich gut dargestellt und hat in einigen Punkten etwas erfrischend anderes als die vielen, ausgetretenen Pfade einiger anderer Systeme.

Finsterland ist als Rollenspiel auf Anfänger ausgerichtet. Dieser Pfad wird nun etwas verlassen, da so manches Konzept doch sehr metaphysisch ist und daher mehr Aufmerksamkeit des Lesers benötigt. Aber genau das ist es, was mir so gut an diesem Buch gefällt.

Finsterland nimmt einen festen Platz unter meinen Lieblingsspielen an und auch wenn ich einige Regeln im Grundregelwerk nach ein paar Abenden durch Hausregeln unterlegen würde, kann ich jedem nur zu dem Spiel raten – sofern eure Gruppe narratives Spiel schätzt.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Mit freundlicher Genehmigung von Georg Pils

 

 

3 Kommentare

  1. Schöne Rezension, macht wieder Lust aufs Spielen! Das Titelbild würde ich etwas anders deuten, wenn man die Rückseite des Buches dazunimmt. Ich dachte, dass sich die Magierin mit dem Magier auf der Rückseite duelliert und ihm einen Geist auf den Leib hetzt, den er abwehrt. Er könnte sie allerdings auch beim Verbannen unterstützen, wer weiß… ;)

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