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Als Wahl-Niederländer auf Zeit, gibt es zwei Sachen, die ich vermisse. Eigentlich ist es eine Sache, aber wir möchten hier den Text nicht unnötig in die Länge ziehen, nicht wahr? Zum einen die deutsche Polizei und zum anderen den türkischen Döner in der im deutschsprachigen Raum verbreiteten Variante. Was zum Henker hat das Ganze mit Larp zu tun? Das ist doch hier die Larp-Rubrik!

Jemand mit der Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Lesers mag bereits die Überschrift vergessen haben, deshalb schnell mal schummeln bitte, und einen Blick riskieren. Ich verspreche, ich bin noch da, wenn Du diese Zeile wieder findest. Für alle, die das gesamte Intro noch einmal lesen müssen, gibt es auf der nächsten Mittelpunkt ein Wassereis. Zurück zur Sache. Wie die Presse im Mai 2012 berichtete, hat die Polizei während ihren Ermittlungen im Umkreis von Dönerbuden, selbst eine Dönerbude-Attrappe aufgestellt. Nicht aus Pappe! Ganz authentisch mit leckerem Fleisch und Scharf!

Was bedeutet eine Dönerbuden-Attrappe für das deutsche Larp? Larpt die Polizei heimlich mit? Natürlich ist es an den Haaren herbeigezogen einen Einsatz als Larp zu bezeichnen. Denken wir diesen Gedanken trotz allem weiter. Kann Larp von Staatsbeamten lernen? Das Kasperletheater um die Dönerbuden-Ermittlungen ist wohl ein staatlich anerkanntes Konzept, mit Steuergeldern bezahlt.

Zurück zur Bedeutung des Döners für das deutsche Larp. Holen wir doch mal raus, was geht, Junge! Wie würde eine Con-Einladung in der energetisierenden Marketing-Sprache lauten? Hier ein Vorschlag:

Mit einer ‚Dönerbuden–Polizei-Con‘ sind alle Larp-Probleme gelöst!

  • frisch gegrilltes Fleisch oder den klassischen Sonntag-ist-Abfahrt-Döner zu jeder Stunde!

  • Con-Kosten vom Arbeitgeber bezahlt.

  • besser noch: man ist verbeamtet für den Spaß.

  • Equipment authentischer als Reenactment es überhaupt sein könnte

  • bare Münze für gutes Rollenspiel

  • staatlich anerkannt

  • gesellschaftlich relevant

Mir werden die Augen feucht, wenn ich daran denke. Eine Pforte des Himmels hat sich aufgetan. Man sollte Dönerbudenlarp-Ermittler werden.

Leider ist die Sache nicht so einfach. Tatsächlich werden Gerüchte laut, dass die Fachleute vom BKA das simple IT von OT nicht unterscheiden können. IT steht für ‚in-time‘ und bezeichnet den Ablauf der Geschehnisse innerhalb des Spiels. OT steht für ‚out-time‘ und bezeichnet alle spielfremden Handlungen, Gegenstände und beim Rollenspiel Gedankengänge außerhalb des Charakters.

Wie ist das zu verstehen? Wie unter anderem die Qualitätszeitung Die Zeit berichtet, haben ausländerfeindliche Vorurteile einiger Beamten zu einer Sackgasse bei den Ermittlungen geführt.

Zitieren wir eine weitere Quelle, diesmal die Süddeutsche Zeitung, die eine polemische Aussage der Opfer-Anwältin veröffentlicht hat: „So hat sich die Polizei das wohl vorgestellt: Wenn der Döner-Mann nicht zahlt, kommt der türkische Lieferant und knallt ihn ab.“ Daher ist es nicht verwunderlich, dass ‚Döner-Morde zum Unwort des Jahres 2011 gekürt wurde.

Wenn man sich dieses Schlamassel aus der Larper-Perspektive betrachtet, so wird das Problem greifbar: Die Beamten haben IT von OT nicht trennen können. Eine Fortbildung der Einsatztruppe hätte hier geholfen, denn auf jedem durchschnittlichen Abenteuer-Larp wird es deutlich, warum eine IT-OT-Trennung bei ‚verdeckten Operationen‘ notwendig ist. Spielt jemand mit einer beschränkten Menschensicht (OT) einen Charakter, so hat das spielnachteilige Konsequenzen: der Charakter bleibt beschränkt auf die Vorstellungen des Spielers. Wie die Zeitungen berichteten, führte die Klägerschaft die Ursache auf falschen Beschuldigungen der Migranten und auf das Ignorieren der Möglichkeit von rechter Kriminalität. Bei den sogenannten Dönermorden waren Menschen mit Migrantenhintergrund nicht beteiligt. Befangenheit kann im ‚echten Leben‘ fatale Konsequenzen haben.

Hätten die Ordnungshüter doch nur einige Larper gefragt, wie das IT von OT Trennen funktioniert. Das Unterscheiden von was im Spiel ist und was außerhalb, ist eine Übung, die jedem Anfänger von der warmherzigen Larp-Community eingeprügelt wird. Das ist richtig so, denn diese Fähigkeit ist das A und O von Rollenspiel – sonst ist es kein Spiel mehr.

OT-Befangenheit im Larp kann zu Ausschluss aber auch zu Isolation führen. Man bietet keine Anknüpfung an fremde Spielergruppen und bleibt in seiner Gruppe zusammen. Eine Larp-UNO* mit Kuschelecke mag für einige vielleicht nicht das Spielziel sein, denn Reibereien sowie Feindbilder können das Charakterspiel bereichern.

Außerdem macht es Spaß seine Freunde und Bekannte mit Spielzeugschwertern oder Nurfpatronen zu drangsalieren. Wie viel gegenseitige Freude das machen kann, zeigt die jährliche Elben und Ork Freundschaftsschlacht auf dem Epic Empires.

So mag vielleicht ein Dönnerbuden-Larp Versorgungs- und Ausstattungsprobleme lösen, die Fähigkeit zum Larpen dagegen ist eine Kunst, die nicht trivial ist. Schließlich ist alles nur ein Spiel – wenn es IT bleibt.

 * Einen humoristischen Aufruf haben die Teflon-Larper mit dem Video „Woll ihr euch kloppen?“ gemacht. Quelle: Klick

Artikelbild: arsel auf sxc.hu

 

2 Kommentare

  1. Auch passend zum Thema – IT / OT Unterscheidung in Computerspielen (http://massively.joystiq.com/2013/01/23/mmo-family-why-catfish-is-a-term-your-kids-should-know/#continued)…

    Übrigens finde ich (subjektiv) nicht, das Larpern die Unterscheidung IT / OT aktiv eingebläut wird bzw. auf breiter Front gelingt – das ist m.E. oftmals ein Problem.

    Ist zwar schon ein paar Jahre her, aber ich erinnere mich sehr gut an den Herrn der mit offenem Mund neben mir stand, als er Sonntags ein OT Gespräch mit mir „belauschte“, und sagte: „Ach, du bist ja garnicht wirklich so ein arroganter Ar***!“…
    Nein mein werter Freund, das war mein Charakter. Gefühlt besteht diese Kluft auch heute noch – zumindest auf einigen Veranstaltungen.

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