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Nach meiner Rezension von Legend wird es Zeit, einen genaueren Blick auf das System zu werfen. Wir haben einige Runden unter unterschiedlichen Voraussetzungen gespielt. Wie ich schon in der Rezension schrieb, ist Legend in vielen Punkten ein gutes System, das jedoch im Einzelnen auch Schwächen hat. Damit es trotz der nun folgenden Details übersichtlich bleibt, werde ich kurz beschreiben worum sich unsere Spielrunden drehen und dann erst die positiven und negativen Seiten aufzählen.

Kleiner als Zwerge

Die ersten Runden haben wir auf einem riesigen erkalteten Krater verbracht. In den tropischen Gefilden waren wir Menschen ohne Gott und lebten unter dem Joch der Zwerge. Keine angenehme Situation, die durch gefährliche Monster im Dschungel noch verschärft wurde. Auch Metall war knapp, weshalb in der Hitze dann auch fast niemand mit einer Metallrüstung herum lief. Wir Unterprivilegierten schon gar nicht. Zunächst einmal hieß es zu überleben.

Einige weitere Abende haben wir in einer ziemlich normalen Low-Fantasy-Welt zugebracht, in der nur die einfache Magie verbreitet war. Hier war jede Ausrüstung aus dem Regelwerk normal verfügbar, allerdings gab es unter den SC, im Gegensatz zur ersten Runde, keinen Magier. Diese Runde habe ich geleitet.

Der Tradition verpflichtet

Legend erinnert durch sein spartanisches Regelwerk und auch die eher schlichten Darstellungen im Monsterbuch – das ich mir im Februar zur Brust nehmen werde – an klassische Rollenspiele. Ähnlich spartanisch und der Übersichtlichkeit hoffentlich mehr dienlich, habe ich meine Erkenntnisse in Form der heutzutage völlig veralteten und somit automatisch klassischen „In & Out-Listen“ zusammen gestellt. Und weil das nicht reicht, gibt es noch die Half-In-Half-Out-In-Between-Shades-of-Grey-Liste: die Liste für die zwiespältigen oder sehr subjektiven Punkte. Die Listen gehen davon aus, dass Ihr die Rezension zu Legend gelesen habt.

IN

  • Neben den detaillierten Kampfregeln gibt es schöne Ansätze bei der Charaktererstellung, um den Charakteren Leben einhauchen zu können

  • Der Kampf läuft trotz seiner taktischen Tiefe recht schnell ab.

  • Es gibt im Kampf viele Optionen, von taktisch bis hin zu strategisch. Taktisch gibt es die Kampfmanöver, strategisch fängt es bei der Wahl der Waffen an, was sich bis hin zum kompletten Ausbau des Charakters zieht: Welchen Kampfstil wähle ich? Lerne ich mehrere? Was mache ich mit der Magie? Alles das beeinflusst das Verhalten im Kampf.

  • Die verschiedenen Waffen machen tatsächlich einen echten Unterschied. Durch verschiedene mögliche Kampfmanöver, Reichweite, Größe, Schaden und die Möglichkeit eine zweite Waffe oder einen Schild zu benutzen, hat man viele Parameter, mit denen man arbeiten kann und die unterschiedlich gut gegen unterschiedliche Gegner funktionieren.

  • Wem die Distanzklassen im Kampf zu komplex sind, der kann sie ganz einfach weglassen. Es verändert das Balancing nicht wesentlich und erfordert keinen weiteren Eingriff in die Regeln.

  • Fast dasselbe gilt für die Kampfmanöver, womit der Kampf fast schon etwas „old schoolig“ wird. In diesem Fall kann man aber überlegen stumpfe Nahkampfwaffen etwas abzuschwächen oder spitze Waffen aufzuwerten, da letztere mit „Impale“ eins der mächtigsten Manöver verlieren würden: Mit diesem darf man den Schaden doppelt würfeln und das höhere Ergebnis behalten, sowie die Waffen stecken lassen und damit den Gegner behindern oder sie gewaltsam heraus ziehen und noch einmal Schaden machen.

  • Hausregeln einzuführen ist in den allgemeinen Teilen des Spiels relativ einfach. Diese kann man ganz gut aus dem Ärmel schütteln, wenn man über etwas Erfahrung verfügt. Aber nicht überall ist es so einfach (s. OUT).

Halb und halb

  • Wer normalerweise lieber mit dem d20 arbeitet, der muss sich umgewöhnen. Dort gibt es Mindestwürfe. Beim d100 hat man eine Probe entweder geschafft oder nicht, wenn es heißt, „Würfle mal.“ Man sollte also entweder bei einfachen Sachen seltener würfeln lassen oder oft Boni und Mali vergeben, so wie man beim d20-Wurf auch die Schwierigkeit anpassen kann.

  • „Protect the mage“ ist zurück! Zauber dauern bei Legend oft auch mal länger als eine Aktion und ein Treffer in diesem Zeitraum kann nicht nur leichter gelingen, sondern den Zauber auch schnell ruinieren. Darum muss man seinen Magier im Kampf vor Angriffen schützen.

  • Eine Überzahl an Gegnern wirkt sich sehr stark auf die Chancen einen Kampf zu gewinnen aus. Etwas zu stark, finde ich.

OUT

  • Auch wenn es Regeln gibt, um NSCs einfacher zu handhaben, so kommen mit Abzügen durch stecken gebliebene Pfeile, Runden, in denen nicht angegriffen werden darf, und Distanzklassen viele Dinge auf den SL zu, die er sich merken muss. Ein eigener kleiner Kampfbogen für NSC ist da sicher eine wertvolle Stütze.

  • Charaktere mit hohem Charisma bekommen nach jedem Abenteuer Boni auf ihre „Improvement Rolls“, ihre XP. Somit ein ziemlich wertvolles Attribut, denn es macht auf Dauer wahrscheinlich einen großen Unterschied in der Charakterstärke.

  • Die Tatsache, dass theoretisch jeder Angriff pariert werden kann, macht den Kampf deutlich langsamer als notwendig. Allein, dass jedes Mal vor dem Angriffswurf entschieden werden muss, ob man überhaupt pariert, ist lästig.

  • Wer gerne leichte Kämpfer mit kleinen Waffen spielt (z.B. der klassische D&D Rogue), der wird es schwer haben. Mit diesem Kampfstil kann man sich kaum durchsetzen.

  • Wenn man schwere Rüstungen weglässt, dann kommt es zu einem gewissen Ungleichgewicht mit den Zaubern. Diese sind so ausgerichtet, dass sie mit den Rüstungen zusammen funktionieren und müssen entsprechend angepasst werden, was nicht wenig Arbeit ist.

  • Ausweichen und Parade funktionieren mit unterschiedlicher Würfelmechanik. Das ist sehr lästig. Man muss ständig umdenken. Würfeln beide Seiten einen Erfolg, dann gelingt eine Parade, beim Ausweichen wird aber erst noch vergleichen, wer näher an seinem Fertigkeitswert gewürfelt hat, um zu entscheiden, ob getroffen oder ausgewichen wurde.

  • Beim Einsatz der Kampfmanöver wird man sich relativ bald auf eine eher kleine Auswahl beschränken, die taktisch einen Unterschied machen oder den Gegner einfach schneller töten. Es gibt eine Regel, die wiederholte Kampfmanöver zwangsweise verhindert, aber die fühlt sich sehr künstlich an.

  • Die Auswahl an Zaubern ist etwas klein. Gerade in Sachen Kampfzauber könnte sie größer sein.

  • Und nun die Fortsetzung des Hausregelpunktes von der In-Liste: Hausregeln für den Kampf und wohl auch für Magie benötigen einiges an Fingerspitzengefühl und sollten sorgsam getestet werden. Da kann man leicht ein Ungleichgewicht schaffen.

Ich hoffe, damit habt ihr genug Fakten bekommen und nun ein vollständiges Bild von Legend. Ich möchte das Fazit meiner Erstrezension erweitern: Der positive Gesamteindruck bleibt für mich bestehen. Es gibt nach wie vor viele Dinge, die Legend gut macht, aber auch einige Details, die nicht rund laufen. Hier hat man manchmal den Eindruck, die Designer waren etwas lieblos, denn einige davon kann man mit schnellen, einfachen Kniffen lösen. Darum gibt es schlussendlich auch einen halben Punkt Abzug in der Note für die Regeln. Auf die Gesamtnote hat das aber keinen Einfluss.

Daumen4Maennlich

Artikelbild: Mongoose Publishing

 

3 Kommentare

  1. Hallo Jan, ich empfehle noch mal einen Blick in Runequest 6 zu werden. Die Urpsrungsautoren Lowrence Whittacker und Pete Nach bauen da nochmal einiges um. Es sind nur Nuancen, die manchmal aber doch einige Auswirkungen haben. RQ6 ist ein 500 Seiten Brocken mit Montern enthalten (auch wenn noch ein Supplement dazu kommen soll) und einem ausführlichen Magieteil und einem Kapitel zu Bruderschaften und Kulten.

  2. @Xemides: Danke für den Tipp. Ich weiß noch nicht, ob ich für 500 Seiten die Zeit finde, aber ich nehme es in meine Liste interessanter (und zu lesender) Regelwerke auf.

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