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Herokon Online ist ein MMO in der Welt des schwarzen Auges – Aventurien. Im Ansinnen, eine dichte Atmosphäre während des Spielens zu erzeugen, wandten sich die Silver Style Studios an das Hamburger Ensemble Erdenstern.

Erdenstern ist bereits durch die sieben „Into the…“ Alben in der Rollenspielszene sehr bekannt und spezialisiert sich auf die Komposition von Musikstücken, die zur atmosphärischen Untermalung benutzt werden können.

Was lag also näher, als die Synergie zwischen dem browserbasierten und mit der Flash Engine LightStream entwickelten Multiplayer-Spiel und dem musikalischem Gespür des Trios aus dem Norden zu nutzen und den Weg ein Stück gemeinsam zu gehen?

Heraus kam das uns vorliegende Album mit 20 Stücken.

Erscheinungsbild Cover/Verpackung

Nicht im Jewelcase, sondern im kartonigen Digipack, wird der Soundtrack vermarktet. Das gewählte Material macht nichtsdestotrotz einen soliden Eindruck und wie bei dieser Verpackungsart gewohnt, lässt sich die Hülle aufklappen und offenbart dabei einen kleinen Wermutstropfen. Leider steckt die CD nicht auf einer Plastikhalterung, sondern einfach in einem Einschubfach. Ich bin ein Freund von kratzerlosen CDs, aber gut.

Auffällig ist das gelungene und stimmige Artwork, welches den Betrachter direkt in den Bann von Aventurien zieht. Leider fand ich weder in Booklet noch auf dem Umschlag einen Hinweis auf den oder die Zeichner/in(nen). Das Cover wird geziert vom Herokon Online Artwork, welches auch auf der Eingangsseite des Spiels zu sehen ist.Ein nettes Gimmick ist, dass die drei Künstler nicht als Fotografie abgebildet wurden, sondern ihre Gesichter gezeichnet wurden.

Das beiliegende Booklet hingegen offenbart die Stärken von Erdenstern. Jedes Stück hat eine gewisse angedachte Stimmung inne. Diese wird durch die Nutzung von zwei bis die Adjektiven bei jedem Stück genannt. Die Idee dahinter ist so gut, wie sie einfach ist – um nicht als Spielleiter im Fall der Fälle lange nach einem bestimmten Stück zu suchen, kann dieser sich an den Adjektiven orientieren und das entsprechende Stück zur atmosphärischen Untermalung nutzen. Gut ist auch, dass die Stücke nach ihrer generellen Anwendbarkeit zusammen gruppiert wurden, also z.B. Stücke für die Reise, den Kampf, etc.

Ein Selbsttest hat gezeigt, dass meine eigene subjektiv-emotionale Hörart nahe an der der Komponisten liegt. Ich fand meine gewünschte Stimmung oft im ausgewählten Lied.

Mit einer Gesamtlänge von 79:46 finden sich also eine Vielzahl von Stücken, die ich nun genauer besprechen werde.

Die harten Fakten:

  • Format: CD
  • Gesamtlänge: 79:46
  • Tracks: 20
  • Komponist: Erdenstern (Andreas Petersen, Eva-Maria Irek und Per Dittmann)
  • Preis: 15,99 EUR
  • Bezugsquelle: Erdenstern Webshop (Klick) oder Amazon (Klick)

Tracks

Das Buch Herokon

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Der Track beginnt sehr ruhig, glänzt mit einer eingängigen Melodie, die man schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Langsam bauen sich die Klangbögen auf und nehmen an Intensivität zu. Das Track ist durch seine Ruhe sehr gut geeignet für Auftaktszenen, die einen Aufbruch in spannende Zeiten verheißen.

Willkommen in Aventurien!

Bei dem Titel war ich nun wirklich sehr gespannt, welche Basisstimmung vermittelt wird. Was mit Bläsern beginnt, die so in der Art auch in vielen großen Hollywood-Scores zu finden sind, mausert sich zu einem weiteren Stück, das auch als Anbeginn einer großen Geschichte genutzt werden kann. Im Gegenzug zum ersten Stück finden sich hier mehr heroische Klänge, bedacht und anmutig zugleich.

Das ist unsere Heimat

Ein in Summe sehr ruhiges Stück, welches sich gut nutzen lässt, um ein Dorf im alltäglichen und unbedarftem Treiben zu untermalen. Die Klänge sind ruhig, unterlegt mit interessanten Nuancen. Über allem schweben die Melodiebögen einer Flöte. Für meinen Geschmack etwas zu ruhig, aber ideal für die kleinen malerischen Dorfschaften in vielen Midpowerlevel-Fantasy-Systemen.

Spielt die alten Lieder

Irgendwoher kenne ich die Auftaktklangfolge. Sie erinnert mich etwas an den Score von „Drachenzähmen leicht gemacht“. Das soll keine Abwertung sein, gehört dieser Score doch zu den Besten der letzten Jahre. Dieses Stück hier ist wunderbar geeignet, um ein Fest zu untermalen. Vor meinem geistigen Auge tanzen Mädchen mit Blumen im Haar um einen geschmückten Pfahl, überall sitzen Leute an reich gedeckten Tischen und die Luft ist erfüllt mit Musik und Lachen.

Goldenes Herbstlaub

Möchte dieser Track mir vermitteln, dass ich durch einen unwirklichen Wald laufe, dessen Rot-, Brau- und Gelbtöne mich dennoch verzaubern? Ja, das will er und das schafft er sehr gut. Eine leicht melancholische Stimmung in den Klangfolgen erzählt bereits vom kommenden Winter und seiner, alles Leben erstickenden, Kälte. Eins meiner Favoriten auf dem Album.

Über die weite Ebene

Mal wieder sehr ruhig – zuerst. Doch dann kommen Streicher, nehmen mich mitauf einen Ritt über sattes grünes Gras. Wild galoppiere ich über die weiten Ebenen hinweg und sehe dabei allerlei wundersame Dinge, strecke meine Nase dem Wind entgegen und genieße die Freiheit. Die anfängliche Ruhe bremst das Tempo etwas, vielleicht gewollt, ich hätte bevorzugt, ein paar jubilierende Momente beim Hörgenuss zu erleben.

Dichtes Unterholz

Folgt man dem Titel, ist dieses Lied also zur Untermalung von dichten und dunklen Wäldern geeignet. Meine erste Assoziation wäre hier auch eine gewisse Bedrohung, die ich jedoch nicht hören kann. Moll-Tonlagen fehlen fast komplett, stattdessen gesellen sich ätherisch wirkende Gesänge hinzu. Ich will dem Lied kein Unrecht antun, die finsteren Momente sind da, aber sie haben etwas Unwirkliches. Greifbare Bedrohung und Angst hätten mir angesichts des Titels besser gefallen.

Hauen und Stechen

Der Titel sagt es bereits, das ist ein Song für Actionszenen. Das gelingt dem Stück auch wirklich gut, zu Teilen durch den Einsatz von Percussions, zu großen Teilen aber durch den generellen Aufbau, der die im Kopf visualierte Szene immer weiter sich zuspitzen lässt. Ich mag’s ja generell treibender und wilder, aber das passt schon gut.

Durch den Morast

Ja, ich weiß, dass Waten durch tiefen Schlamm anstrengend und sicher auch gewissermaßen langweilig ist, aber der Track hebt die Langweile zu sehr in meinen Augen hervor. Das gleiche Thema wiederholt sich immer und immer wieder, es gibt keine Tempiwechsel und generell spricht er mich überhaupt nicht an. In einem Fantasy-Setting erwarte ich in Sümpfen allerlei Gekreuch, Untote, fremdartige Klänge, die mir Angst machen etc. Diese Stimmung finde ich hier nicht transportiert.

Unser Tempel

Bereits auf dem Album „Into the Light“ habe ich gelernt, dass Erdenstern ecclesiale Klänge gut beherrscht. Dieses Stück hingegen hat wenig mit der Pracht einer katholischen Kathedrale zu tun, auch wenig mit dem Glanz eines Praiostempels. Eher sehe ich hier einen kleinen, leicht verwahrlosten Bau, nicht mehr als eine kleine Kapelle. Ich „spüre“ die Macht des Göttlichen. Aber einen Tempel…nein. Schade, ich finde, hier wurden Chancen vertan. Der Song ist jedoch nicht aufdringlich, das will ich ihm zu Gute halten.

Für den König und das Volk

Ein Aufmarsch der Truppen, die Banner wehen hoch im Wind. Noch ist nichts vom Feind zu sehen und die generelle Kriegsbegeisterung treibt die jungen Burschen vom Land und aus den Städten dazu, sich dem Heer anzuschließen. Genau dafür passt dieses Stück wie die allbekannte Faust aufs Auge. Heroische Klänge höre ich hier nicht, viel eher begeisterte und euphorische .

Haltet die Anhöhe!

Unter dem reißerischen Titel habe ich vermutlich mehr erwartet, als meinen Ohren geboten wird. Der Grundtenor ist gut, das Tempo stimmt auch, was ich aber vermisse in den Klängen, ist die Verzweiflung der Soldaten, eben genau diese eine Anhöhe zu halten, da sonst alles verloren ist. Mir fällt zu diesem Zeitpunkt auf, dass oftmals Melodien, die ich mit negativen Gefühlen verknüpfen würde, vielleicht sogar gezielt ausgespart wurden? Nach dem Pathos des vorherigen Stücken hätte ich mir hier mehr Katharsis erhofft, eine Reinigung in Form der Brutalität des Krieges.

In dunklen Ecken

..lauert was? Mörder, Assassinen, Monster, widerwärtige Dinge mit unaussprechlichem Namen. Vermenge ich diese Bilder mit etwas Skurrilität, komme ich auf die Stimmung des Stücks. Leichte orientalische Klänge finden sich in Form eines Zupfinstruments, welches ich nicht genau zuordnen konnte. Vielleicht eine Sitar? Gelungene Atmosphären-Übertragung!

Spelunke

Ja. Das trifft es. Genau auf den Kopf. Dreckig, verkommen, verwässertes Bier, Rattenkot im Eintopf. Exakt so würde ich mir das vorstellen. Das Stück könnte etwas unruhiger und „lauter“ sein. Im Großen und Ganzen aber durchweg gelungen.

Meterhoch Schnee

Lese ich den Titel, denke ich an eine unendliche Weite aus purem Weiß. Nur hier und da ragen einige Baumspitzen aus dem Schnee, alles ist still, nur weitere Schneeflocken rieseln auf mein längst durchgefrorenes Gesicht. Das Lied ist ruhig und hat eine angenehme Grundmelodie, eignet sich daher sehr gut für solche oder vergleichbare Szenen. Ich mag es einfach.

Die Magierakademie

Unwillkürlich muss ich an prachtvolle Hallen denken, erfüllt vom Geschnatter der Studenten, eifrig umher hastenden Lehrern. Diese Klänge bringt das Stück mit sich, gleitet aber zeitweise in Momente ab, die mich eher an Hogwarts oder auch gar die Unsichtbare Akademie erinnern. Während diese ausgespart worden, hätte es mir besser gefallen.

Krieger bis zum Horizont

Nun erwarte ich epische, wuchtige und machtvolle Klänge! Dunkle Männerchöre erzeugen bereits die richtige Stimmung, marschähnlicher Percussion-Einsatz unterstützt sie weiter. Der Titel dreht richtig auf und wird eindringlich wie auch bedrohlich. Gefällt mir gut und passt zu jeder westlich angehauchten Schlacht.

Am Portal des großen Tempels

Wieder ein Tempel – wird dieser in meiner Vorstellung nun endlich die majestätischen Bauten entstehen lassen, auf die ich bereits in dem anderen Stück gewartet habe? Ja, ohne weiteres. Wuchtvolle Bläser dominieren die Melodieführung, im Hintergrund erklingen leise Glocken und getragene Chöre erfüllen den Raum. So wollte ich das haben. Das Stück wird sicher einen festen Platz bei mir einnehmen, wenn es um Tempel und große kirchliche Bauten geht. Well done!

Der Wind steht günstig

Auch hier höre ich wieder leichte Parallelen zu „Drachenzähmen leicht gemacht“ und wiederum passen sie gut zu dem Namen des Stücks. Die Geschwindigkeit ist nicht zu hoch, gerade richtig zum Gleiten auf Wellen, während der Wind die Segel flattern lässt. Gut geeignet für jede Form von Seereise!

Zeit der Abenteuer

Das Abschlussstück bemüht sich die gesamte Szenerie und Gedankenwelt noch einmal zusammen zu fassen in einem Ansatz, generische Erwartungen an das Fantasysetting zu vereinen. Das bedeutet getragene, epische Melodien, Trommeleinsatz, Frauenchöre und eine stetig nach oben sich schraubende Spannungsspirale melodischer Art. Eine gelungene Zusammenfassung aller Erwartungen an eine Fantasywelt. Daumen hoch!

Emotionalität

In Sachen emotionalem Stimmungstransport kränkeln manche Stücke leider, zugegeben, aber das geschieht nicht häufig. Ich verstehe, dass in einem Computerspiel keine „starken“, vielleicht gar „aufdringlichen“ Lieder verwendet werden dürfen. Hält sich der Spieler lange an einem Ort auf, wird das entsprechende Stück dauerhaft wiederholt. Das wiederum würde auf die Nerven gehen. Daher hat Erdenstern den Auftrag gut erfüllt, für die Verwendung am Spieltisch jedoch fehlen die echten mitreißenden Spitzen.

Verwendbarkeit

Allen Stück ist gemein, dass sie immer in einem Tempo bleiben und auch keine krassen Stilwechsel innehaben. Das macht sie hochgradig verwendbar und vor allem durch die genannte Anwendung in einem Computerspiel taugen sie auch zur längeren Wiederholung, sollte die Runde durch ihre Behäbigkeit nicht den Ort des Geschehens und damit die Stimmung wechseln.

Wie angemäkelt, fehlen die echten Brecher, die ein SL für Szenenspotlights nutzen kann. Diese muss man wo anders herbekommen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Suche ich nach guter Musik, um meine Midpowerlevel-Fantasy Runde mit etwas mehr Grundlage zum Stimmungsaufbau zu versorgen, bekomme ich für den Preis einen wirklich fairen und gut einsetzbaren Umfang mit den beinhalteten 20 Stücken. Die Darreichungsform hätte besser sein können, eine Plastikhalterung für die CD wäre gut und Lebenszeit-verlängernd gewesen.

Fazit

Erdenstern hatte den Auftrag, Musik für ein Computerspiel zu komponieren. Dabei entstanden 20 Stücke, die allesamt sehr gut dafür geeignet sind, Orte und Szenerien unauffällig und doch atmosphärisch zu untermalen. Die Unaufdringlichkeit ist auch gut am Spieltisch anzuwenden, passiert es doch oft, dass Spielrunden lange in einer Szene verweilen.

Was mir an dem Score fehlt, sind die echten Highlights. Die Titel plätschern mitnichten nur so vor sich her, es gibt durchaus eingängige und gute Momente, aber ich finde keinen „Brecher“.

Das ist schade, denn Erdenstern hat durchaus bewiesen, dass sie dazu durchaus fähig sind. Daher kann ich nur mutmaßen, dass die Maßgaben eines Computerspiels die Fähigkeiten etwas beschnitten haben.

Für eines ist der Score sehr gut geeignet: Unauffällige Hintergrundmusik in den nicht ganz so epischen Momenten.

Daumen4Maennlich 

Artikelbild: Herokon Online 

 

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