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 Shadowrun, Traveller, Vampire: Die Maskerade – ganz schöne Schwergewichte der Rollenspielbranche. Was haben diese Spiele gemeinsam? Unter anderem den Illustrator. Wir hatten die Freude, Andreas Alexander Schroth auf unserer virtuellen Couch zu Gast zu haben. Der Veteran der nicht nur deutschen RPG-Illustratorenszene gibt einige interessante Einblicke.

 

AASAnnika: Bitte stelle Dich kurz vor: wie ist Dein Name? Wo wohnst Du? Wie alt bist Du? etc.

Andreas: Ich heiße Andreas Alexander Schroth (woraus sich das Kürzel A.A.S. erklärt) und bin im Internet als raben-aas unterwegs, weil aas als Name meist zu kurz ist und Raben rocken. Ich wohne in Berlin, bin 41 Jahre alt, verheiratet, Vater zweier Töchter und trotz engstem Terminplan noch immer aktiver Rollenspieler.

Annika: Wie bist Du zum Zeichnen gekommen?

Shadowrun MET 2000 Soldat
Shadowrun MET 2000 Soldat

Andreas: Eigentlich zeichne ich, seitdem ich einen Stift halten kann. Meine Eltern haben meine Neigungen immer unterstützt – danke dafür! – und befeuert durch zuviel Lob meiner Mitschüler etc. hatte ich als Teenager noch den vagen Zukunftsplan, zur Kunstakademie zu gehen, mit Kusshand genommen zu werden und als Künstler steinreich zu werden. Dem Plan wurden einige empfindliche Dämpfer verpasst, nachdem man mich dort nicht nur wiederholt als Kunststudent, sondern auch als Grafiker und zuletzt sogar für Kunst als Lehramt ablehnte. Stattdessen sattelte ich dann in die Werbung um und hatte dem Zeichnen einige Jahre aus Frust ganz abgeschworen, ehe ich es als Hobby neu für mich entdeckte. Dann kam ich über das Rollenspiel – namentlich: das Forum von Battlelords of the Twenty-Third Century – in Kontakt zum Verlag SSDC und dessen Art Director Michael Osadciw kam, der mir erste Aufträge gab. In Deutschland postete ich dann – wenn ich mich recht entsinne – meine Battlelords-Bilder und ältere Shadowrun- und Cyberpunk-Bilder im Blutschwerter-Forum, woraufhin ich dann zunächst einen Flyer für die Aktion Abenteuer zu Shadowrun auf der SPIEL machen durfte. Parallel geriet ich über die Aktion Abenteuer in Kontakt zum Verlag Pegasus, der im Messe-Vorfeld noch ungeheure Mengen illustrativ zu erledigen hatte, und der Rest ist Geschichte.

Annika: Hast Du eine zeichnerische Ausbildung (Studium o. ä.) oder bist Du ein „Selfmade Illustrator“?

Andreas: Teils-teils. Ich habe sehr früh die Malschule von Monika Künzel in Riegelsberg (Saarland) besucht und als Teenager in Berlin die Malschule von Herbert Liebenau (in den guten Achtzigern damals gelegen auf dem Dach des Wertheim am Kurfürstendamm). Beide Mentoren findet ihr als sehr privates Easter Egg im Berlin-Band wieder (Galerie Nimmerland). Von Herbert Liebenau lernte ich im Prinzip ganz klassisch den Umgang mit Kohle, Kreide, Aquarell, Acryl, Öl etc. Da ich arrogant und keineswegs hungrig war, suchte ich mir aber – außer André Lassen in Amsterdam, den ich einige Male mit Skizzen heimsuchte – keinen Mentor, Lehrer oder sonst jemanden, der mich dann weiter forderte und auch durch offenes Negativ-Feedback weiterbrachte. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass dies das Zeitalter vor dem Internet war, wo man sich noch ungestraft für talentiert halten durfte, weil man keinen Vergleich hatte.

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Shadowrun Trike

Seitdem einen Deviant Art und andere Seiten alltäglich mit der Genialität der WIRKLICH Talentierten überschwemmen – die eben keine Minderheit von 2–3 Meistern sind, sondern Abertausende in aller Welt – ist es mit derartig besoffener Selbstüberschätzung natürlich vorbei. Chapeau jedem Einzelnen, der trotzdem am Stift bzw. dem Zeichentablett festhält! Den Umgang mit Selbigem – also den gesamten Bereich Digital Art – habe ich mir dann selbst beigebracht. Und das war auf den ersten Generationen von Rechnern (ab Amiga, wo ich noch Pixel für Pixel Bilder für Videospiele von Silver Style Entertainment umherklickte) auch kein Vergnügen.

Annika: Bist Du ein Vollzeit-Illustrator oder ist das eher ein Nebenjob? Womit verdienst Du sonst Dein Geld?

Andreas: Illustrieren ist ein völliger Nebenjob, und daran wird sich auch mittelfristig nichts ändern. Ich bin nach wie vor in Vollzeit mit Marketing beschäftigt. Genauer gesagt bin ich Konzeptioner und Texter einer auf Verkaufsförderung spezialisierten Werbeagentur in Berlin, bin also mit dem direkten Rausverkauf von Ware beschäftigt, nicht mit kreativ hochdekorierten Cannes-Arbeiten, Goldenen Löwen oder TV-Spots, was die Meisten gerade durch Mad Men noch immer mit dem Werbe-Biz assoziieren. Dafür leistet mir mein Marketingwissen auch bei der Produktmitarbeit für Rollenspielverlage gute Dienste: Als Werber sieht man eben einige Dinge etwas anders, und der zusätzliche Input schadet zumindest nicht.

Annika: Welchen Tipp würdest Du jemandem geben, der ebenfalls als Illustrator sein Geld verdienen möchte? Welche Stolpersteine gibt es Deiner Meinung nach ?

Andreas: Ich kann niemandem empfehlen, sich die Vollzeitbeschäftigung als Illustrator vom Start weg auf die Flagge zu schreiben: In diesem Geschäft ist der „reguläre Tagesjob“ keineswegs der „Plan B“, falls es mit Zeichnen nicht klappt, sondern immer „Plan A“. Wenn man später wirklich vom Zeichnen leben kann: Super. Aber man sollte nicht seine Karriereplanung darauf ausrichten, erst Recht nicht, wenn man eine Familie zu versorgen hat. Gewiss gibt es Ausnahmen, gewiss gibt es Leute, die vom Start weg sofort mit Illustrationen gutes Geld verdienen – aber man ist ja auch nicht so kurzsichtig, als späteren Berufswunsch „Rockstar“ anzugeben. Ich rede hier jetzt natürlich vor allem mit meinem eigenen früheren Selbst: Wenn dir etwas daran liegt, mit Illustration erfolgreich zu sein und echtes Geld zu verdienen, dann sonn‘ dich nicht in dem, was du angeblich alles kannst, sondern kneif deinen Hintern zusammen und such dir Leute, die dir ehrliche und extrem unfreundliche Kritik an deiner Arbeit geben. Such dir Leute, die das können, was du können willst, und arbeite hart daran, von ihnen lernen zu dürfen. Such dir im Internet außerdem alle Aussagen von Kreativen zusammen, die „deinen Traumjob“ haben, und überlies dabei auf keinen Fall den Part, in dem der Freelancer schreibt, dass der größere Teil seiner Arbeit darin besteht, neue Aufträge zu finden!

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Burning (Vampire: Die Maskerade)

Wenn dir das Zeichnen ein Urbedürfnis ist und du den ganzen Tag eh nichts anderes machst, als Passanten anatomisch korrekt in hingeworfenen Skizzen zu erfassen, dann bist du womöglich ein Illustrator und kannst nichts anderes sein. In jedem anderen Fall kann ich nur empfehlen, einen Job zu suchen und zu halten, der die Brötchen auf den Tisch bringt, und entweder das Zeichnen als reines Hobby zu pflegen, oder eben parallel die Nächte an Rechner oder Zeichenbrett zuzubringen, bis sich irgendwann die Chance für den Seiteneinstieg eröffnet. Im übrigen sollte man, wenn man mit Illustration Geld verdienen will, nicht auf den Rollenspielbereich konzentriert bleiben:

Hier gibt es zwar immer etwas zu tun, aber Geld ist dünn gesäht, und dass sich überhaupt noch ein Verlag Tischrollenspiel leistet, ist ein immer größer werdendes Wunder für mich (vor allem in einer Zeit, in der ein Milchkaffee gerne 6 Euro und mehr kosten darf, Rollenspielbücher und Zusatzinhalte aber bitte kostenlos verfügbar sein sollen). Deshalb: Erweitert euer Portfolio am Besten zügig, so dass euer Portfolio eine breite Basis möglicher Einsatzgebiete zeigt (zeigt mein Portfolio nicht, aber ich will ja mit Illustration auch (noch) nicht hauptberuflich mein Geld verdienen).

Annika: An welchen Projekten hast Du bisher gearbeitet (gerne welche mit Rollenspielbezug)? Welches hat Dir am meisten Spaß gemacht und wieso?

Andreas: Oh weia. Also, begonnen habe ich mit Battlelords of the Twenty-Third Century, einem extrem spaßigen, hierzulande aber kaum bekannten Science-Fiction RPG. Sollte sich unbedingt jeder Mal ansehen, der Starship Troopers, Aliens 2, Space: 2063 und Firefly gut fand (also Military Sci-Fi mit deftigen Onelinern, dicken Wummen und ordentlich Grittiness). Hier habe ich unter anderem an den Neuauflagen der Quellenbände No Man’s Land und Hell’s Kitchen sowie den Quellenbänden Galactic Underground 1–3 mitgewirkt, als Illustrator und zum Teil auch als Autor. Den größten Umfang hat meine Publikationsliste bei Shadowrun, wofür ich einfach mal an die Shadowwiki verweise, dort pflegen wesentlich besser als ich selbst informierte Leute den Status Quo meiner Mitarbeit. Darüber hinaus habe ich schon für Traveller (Roboter-Quellenbuch, SL-Schirm, Hephaistos-Abenteuermodul) und RoleMaster (Abenteuerband Kalter Tod) von 13Mann gearbeitet, sowie für mehrere kleine/startende Rollenspielsysteme wie „Contact – Code: Omega“ oder „Transfer“.

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Traveller Gamemaster Screen

Und vor langer, langer Zeit habe ich – noch für Maskerade – an den Vampir-Quellenbänden Berlin, Clanbuch: Brujah und Milwaukee bei Nacht von Feder & Schwert mitgewirkt. Am meisten Spaß macht mir aktuell die Arbeit an Shadowrun und hier speziell die Arbeit für den deutschen Herausgeber Pegasus, da bei Shadowrun stilistisch erstens noch einiges geht und die Entscheider hier, aber auch überm Teich bei Catalyst Game Labs bereit sind, neue Ideen auszuprobieren. So konnte ich bei CGL auf eine komplette Neugestaltung der Präsentation von Fahrzeugen und Equipment hinwirken (man vergleiche „This Old Drone“ (alt) mit „MilSpecTech“ (neu)) und bei Shadowrun in Deutschland ein neues System von Grundrissdarstellungen mit direkt ablesbaren Schwierigkeitsstufen für Alarmsysteme etc. etablieren (ab dem Rhein-Ruhr-Megaplex-Buch im Einsatz, im Reiseführer für die Schatten weiter verfeinert). Dass ich damit einen klitzekleinen Anteil daran hatte, die direkte Nutzbarkeit neuer Materialien zu erhöhen, freut mich persönlich sehr.

Annika: An welchen Projekten arbeitest Du grade? Was hast Du für die Zukunft geplant?

Andreas: Aktuell sitze ich an Illustrationen für das Kickstarter-finanzierte „Nova Praxis„, wo es den Look und das Feeling eines ganzen Settings zu definieren gilt. Außerdem hat mit 2013 gerade das „Jahr von Shadowrun“ inklusive Start der 5. Edition begonnen – hier bin ich extrem gespannt, was die Vorgaben für Style und Feeling von SR5 sein werden, und inwieweit ich meine eigenen subversiven Gedanken einbringen kann. Nicht zuletzt habe ich gerade ENDLICH! mit RoleMaster auch ein Fantasy-System ins Portfolio bekommen, wodurch ich hoffe, ein wenig aus der Sci-Fi/Cyberpunk-Ecke ausbrechen zu können, in die ich gedriftet bin. Nichts gegen Science-Fiction und Cyberpunk, aber ich bin auch Fantasy sehr zugetan. Oder Wild West. Oder Horror. Oder Brettspiel.

Oder Kinderbuch. Und immer hungrig auf mehr.

Annika: Hast Du eine Internetseite oder ein Online-Portfolio, wo man sich Deine Werke angucken kann? (wenn ja bitte Adresse mit angeben)

Andreas: Da wäre zunächst meine Galerie auf Deviant Art zu nennen. Außerdem gibt es mit „Art of AAS“ eine Infoseite auf Facebook, wo auch gelegentlich Work In Progress vorgestellt wird. Indirekt zu nennen wären www.shadowrunberlin.de, www.raben-aas.de, www.midnightdance.de und traveller445.wordpress.com, auf denen ich zu jeweils unterschiedlichen Systemen schreibe.

Annika: Du als Superheld – wie sähe das aus? Bitte eine kurze Zeichnung und ein cooler Name (falls Dir was einfällt ? )

Andreas: Das wäre der RulesLawyer!

 

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Der Ruleslawyer!

 

 

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