Indie-Spotlight: FateToGo – ein deutsches Crowdfunding Projekt

Es ist an der Zeit, die deutsche Indie-Rollenspielszene näher zu beleuchten. Auch wenn wir bereits in der Vergangenheit Spiele wie Seelenfänger oder auch das österreichische Michtim betrachtet haben, wurden diese Projekte alle durch private Geldsummen ermöglicht. Einen etwas anderen Weg ging FateToGo – das wohl erste größere deutsche Crowdfunding-Projekt im Bereich Rollenspiel auf der Plattform StartNext. StartNext ist eine deutsche Crowdfunding-Plattform, ähnlich des deutlich bekannteren KickStarter.

Das Projekt beschreibt sich selbst wie folgt auf der StartNext-Seite:

FATE ist ein generischer Regelansatz, für den es eine Vielzahl von Spielwelten gibt. Darüber hinaus ist FATE kein festgeschriebener Regelsatz, sondern verfügt über eine Vielzahl von Variationen. Diese leiten sich daher ab, dass jeder Autor versucht, den FATE-Regelsatz für seine Publikation – seine Spielwelt – zu optimieren.

Moment! Der FATE Core Kickstarter hat doch Summen eingespielt, die das Spiel weitab des Indiesektors platzieren. Generell ist die Durchsetzung des internationalen Marktes von FATE-basierten Systemen doch viel zu hoch, als dass das Prädikat Indie noch anzuwenden sei. Oder? Ohne nun eine Diskussion führen zu wollen „Was klassifiziert eigentlich ein Indie-RPG als solches?“ – die Fragestellung wurde hinlänglich auf einschlägigen Plattformen diskutiert und konnte nicht endgültig beantwortet werden – beantworte ich das „Oder?“ mit einem „Es hängt von der FATE-Variante ab“.

Was berechtigt nun FateToGo in diesem Spotlight vorgestellt zu werden? Mehrere Dinge.

FATE ist ein durchaus umfangreiches und auch machtvolles Werkzeug. Das beginnt damit, dass die Charaktererschaffung, wenn bereits im Rahmen eines Präludiums mit den Spielern gespielt, durchaus einen ganzen Abend einnehmen kann und endet bei dem Versehen des einzelnen Spielers mit aktiver Erzählmacht in vielfältigen Bereichen. Damit ist es nicht mehr OneShot geeignet und benötigt eine durchweg höhere Aufmerksamkeit, wie auch Erfahrung von Spielern wie Spielleiter zugleich, um den Anspruch einer gemeinsam erzählten Geschichte gerecht zu werden.

Die FATE–basierten Systeme, vertreten in Deutschland durch Malmsturm, gelten als „Easy to learn, hard to master“. Sie sind leichtgängig und wenn man das System um Aspekte, Manöver, Belastung und Konsequenzen einmal verstanden hat, offenbart sich eine wahre Fülle an Möglichkeiten, die eine hohe Detailkomplexität mit sich bringen.

Was grenzt nun FateToGo von FATE Core ab? FateToGo entschlackte das Spiel, brach die Verzierungen bis auf Nötigste herab und erhielt zeitgleich die Merkmale, die FATE für narrativ geprägte Spieler so reizvoll machen. So entstand ein ausgeklügeltes System, welches in sich die Stärken von FATE birgt, aber bestens für OneShots und kurze, schnelle Kampagnen gedacht ist.

Zunächst als Haussystem gedacht, hat die Autorin Kathy Schad etwas über einem Jahr an dem Projekt gearbeitet und konnte dank erfolgreicher Finanzierung einen engagierten Traum verwirklichen.

Kommen wir zurück auf die Crowdfunding-Kampagne. Als Glanzstück, neben der Möglichkeit, PDFs mittels der finanziellen Unterstützung zu kaufen, entstand die sogenannte Steel Box. Diese ist eine wahre Fundgrube für den Fan und Freund des Systems.

Auch wenn die erste Auflage binnen kürzester Zeit vergriffen war, hat die Autorin Ende Januar verlautbaren lassen, dass weitere einhundert Steel Boxes nachproduziert werden. Diese werden dann unter anderem beim ProIndie Verlag bestellbar sein.

Beinhaltet sind:

• 2 Ringbücher, eines für den Spielleiter und eines für den Spieler. Beide sind sehr ansprechend aufbereitet und glänzen durch den kruden Comicstil, der sich konsequent durch alle Materialien zieht. Auch die Inhalte wissen zu gefallen und sind vor allem modular aufgebaut, so dass es Neuspielern einfach fällt, zwischen Muss-Regeln und Kann-Regeln zu unterscheiden. So kann nach und nach die Komplexität des Spiels erhöht werden.

• Entweder bereits zugeschnittene Spielkarten oder im Stanzbogen und abgepackt. Hier wurde plastifiziertes Papier benutzt. Das Material wirkt widerstandsfähig und hat bereits erste Testabende ohne nennenswerte Schäden hinter sich gebracht. Die Karten werden für die Initiative im Gefecht und auch FATE–spezifische Sondereffekte benötigt, wie z.B. Pause oder Veto.

• Ein Abreißblock mit 25 Charakteren, passend im Design zu den beiden Ringbüchern

• Besonders schön: Komprimierte Regeln werden auf den Fahrplänen für Spieler und Spielleiter zusammengefasst. Für die SL finden wir ein Exemplar. Für weitere fünf Spieler sind ebenso Fahrpläne enthalten. Beide Dokumente sind mehrseitige Faltblätter, die die wichtigsten Regeln und Anhaltspunkte konzentriert bieten.

• 20 Fatepunkte, dargestellt mit grünen Plastikplättchen und Markern zum Aufkleben

• Ein Bleistift.

• Je nach Unterstützungsniveau sind auch 4 Fudge Würfel beinhaltet.

Wer sich nun mehr für FATE interessiert, kann die Regeln in der deutschen Inkarnation Malmsturm und unserer obig gelinkten Rezension nachlesen. Da wir hier heute nicht das generelle System FATE vorstellen möchten, gehen wir aber dennoch auf die Unterschiede zum Kernregelwerk von FATE ein. Gleichermaßen möchten wir die grundsätzlichen Funktionsweisen anreißen. Wir zitieren:

Mein Eindruck

Ich glaube, FateToGo ist ein uneigennütziges Projekt. Die Dokumente – Faltblätter, Charakterblätter, Ringbücher und alles andere in dieser Box – sind mit so viel Liebe gemacht und haben eine derart charmante Art, illustriert zu sein, dass der geringe Unterstützerpreis niemals die Kosten decken kann.

Zusätzlich ist die Darbietung als SteelBox nicht nur ungewöhnlich, sondern auch sehr schonend für die Ringbücher. Deren Bindung ist zwar ordentlich gefertigt, aber im häufigen Einsatz am Spieltisch bezweifele ich die lange Überlebensfähigkeit.

Gut gefällt mir, dass das FATE-Gefühl, was dem Spiel ureigen ist, nach wie vor erhalten ist. Aspekte sind immer noch prosaische Beschreibungen von Merkmalen von Charakteren, die Zugriff auf bestimme Merkmale und Fähigkeiten ermöglichen. Spieler haben weiterhin die Möglichkeit, die gemeinsam erzählte Geschichte aktiv für alle reizvoller und herausfordernder zu machen.

Die Texte sind gut und verständlich aufbereitet, immer wieder brechen Beispiele und Erzählungen, wie es am Spieltisch in einer bestimmten Szene laufen könnte den Regeltextfluss auf. Man merkt, dass jemand am Erscheinungsbild gearbeitet hat, der/die Ahnung hat von intuitiver Aufbereitung von Informationen und auch weiß, wie das menschliche Gehirn Wissen verarbeitet.

Ich habe die Lektüre sehr genossen, nur einmal musste ich einen Absatz mehrfach lesen, um zu verstehen, was gemeint ist. Von Darbietung, Layout und Leichtverständlichkeit der Regeln kann sich so mancher „großer“ Verlag eine Scheibe abschneiden. Auch schön: Es wird deutlich zwischen Standard- und Optionalregeln unterschieden.

Ich wünsche mir vor allem eines: Dass FateToGo nicht nur ein kleines, aber feines Indie-Produkt bleibt, sondern einen großen Vertriebsweg findet und den Absatz bekommt, den es verdient. Denn Kathy Schad hat vor allem eines gezeigt: Mit genug Ambitionen und Herzblut stellt man so manches Produkt der großen Verlage in den Schatten und erzeugt ein Rollenspiel, das vor allem eines will: Gespielt werden!

Erwähnt werden soll zum Schluss noch der Beitrag vom FateToGo Team für den Gratisrollenspieltag 2013. Das Abenteuer „Der letzte Widerstand“ spielt in einer dystopischen Welt, die einer Alien-Invasion zum Opfer fiel. Die Spieler übernehmen die Rolle von Widerstandskämpfern. Das Abenteuer ist durchweg gut designed und auch mit einer ansprechenden Geschichte unterlegt. Hier gibt es ein Preview: Klick

Damit nicht genug: Alle Regeldokumente finden sich kostenlos zum Download (Klick) – so steht dem Spielen nun wirklich nichts mehr im Weg.

Artikelbilder: Fate To Go Website