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Da die Nachfrage nach mehr musikalischem Material bei uns Teilzeithelden anscheinend recht groß ist, habe ich mich dazu entschieden, eine Reihe von Artikeln zu schreiben, die jeweils Komponisten und deren herausragende Werke beleuchten – und natürlich deren Einsatzmöglichkeiten im Rollenspiel.

Bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Erdenstern, haben sich bekannte Akustik-Genies natürlich eher wenige Gedanken darum gemacht, wie sie mittels ihrer Kunst eine Rollenspielrunde untermalen könnten. Meist geht es natürlich doch um Hollywoodfilme und PC- oder Konsolengames.

Peter Gabriel nun gehört zu meinen persönlichen Lieblingskomponisten und deshalb, man möge mir diese kleine Eigenwilligkeit verziehen, möchte ich den Anfang dieser Reihe mit seinen Werken beginnen.

Manche von Euch kennen ihn als ehemaligen Kopf der Pop-Gruppe Genesis aus den 70er – 80ern des letzten Jahrhunderts. Das war, bevor er seine Solo-Karriere startete und damit noch weit größere Erfolge feierte. Stücke wie Sledgehammer (Klick) und sein wunderbares Duett mit Kate Bush Don’t give up dürften relativ bekannt sein.

Meist weniger bekannt ist der Umstand, dass Mr. Gabriel ebenfalls Filmscores sowie eine Show geschrieben und vertont hat. Seinen Score zu Die letzte Versuchung Christi hatten wir ja bereits gesondert vorgestellt. Hier geht es nun um drei weitere seiner Werke.

Birdy

(1984, Klick)

BirdyUrsprünglich als Soundtrack-CD zum Film erschienen, wurde 2002 nochmals digital überarbeitet und steht nun auch als mp3 Download zur Verfügung.

Der Film, in dem übrigens ein junger Nicholas Cage eine der beiden Hauptrollen spielt, beschreibt die langsam zerbrechende Gedankenwelt eines jungen Soldaten (Spitzname Birdy), der im Vietnamkrieg schwer traumatisiert wurde und die verzweifelten Versuche seines besten Freundes (Cage) ihm zur Seite zu stehen und ihn aus seinem Albtraum zu retten.

Das Album ist recht kurz, dafür allerdings voller großartiger emotionaler Momente. Dunkel sowie auch hell. Traurig, dumpf und melancholisch. Manches Mal spürt man förmlich den Wahnsinn, der durchzubrechen droht.
Peter Gabriel bediente sich zum Teil älterer Stücke seiner vorausgegangenen Alben, arrangierte sie neu und veränderte sie so, das sie zu in seiner Vorstellung zu den eindringlichen Bildern des Films passten.

Track 01: „At Night“

Dunkelheit im Dschungel Vietnams. Irgendwo dort draußen lauert der Feind. Oder ist es nur die Dunkelheit deiner Zelle in der Anstalt und die Schatten an der Wand? Oder ist die Dunkelheit in deinem Kopf?

Track 02: „Floating Dogs“

Der Geist beginnt langsam abzudriften, in Sphären die nicht unbedingt mehr mit der Realität vereinbar sind. Hin und wieder blitzen Erinnerungen an andere Zeiten auf. Aber alles ist so verwirrend und seltsam…

Track 03: „Quiet and Alone“

Alles ist ruhig. Du sitzt allein in deiner Zelle. Von draußen kommen Geräusche durchs Fenster, die keinen Sinn ergeben. Eigentlich müsstest du sie erkennen, aber irgendwie funktioniert das nicht.

Track 04: „Close up“

Ein altes Foto. Erinnerungen an schöne Zeiten. Unschuldige Zeiten.

Track 05: „Slow Water“

Baden mit Freunden, Sommer, Freizeit, Erinnerungen, die glücklich machen. – Doch etwas lauert unter der Oberfläche des Wassers. Langsam taucht ein Helm auf. Eine Gruppe Vietkong steigt aus dem Wasser. Du weißt genau: Sie sind hier um dich und deine Kameraden zu töten.

Track 06: „Dressing the Wound“

Verletzt. Du bist vom Fahrrad gefallen. Deine Mutter verbindet die aufgescheuerten Knie und Hände. – Ein Feldarzt bohrt mit einem dreckigen Messer nach einer Kugel! – Morphium ist etwas Tolles!

Track 07: „Birdy’s Flight“

Eine der eindringlichsten Szenen des Films. Birdy bricht in seiner Gedankenwelt aus der Anstalt aus und „fliegt“ durch und schließlich über die Häuser seiner Stadt. Treibend und rhythmisch, gehetzt und frei!

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Track 08: „Slow Marimbas“

Endlose Stunden in deiner Zelle. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi. – Endlose Stunden vor der Zelle. Tatenlos zusehen müssen wie der Freund, für den man sein Leben opfern würde, im Wachkoma vor sich hin vegetiert. – Vor dem Fenster sind Vögel.

Track 09: „The Heat“

Tests. Immer wieder Tests. Was wollen diese Leute? Können sie dich nicht einfach in Ruhe lassen? – Flashbacks! Schüsse aus dem Unterholz! Deine Kameraden um dich herum sterben! Schreie und Verzweiflung!

Track 10: „Sketchpad with Trumpet and Voice“

Die Doktoren stehen vor deiner Zelle und diskutieren über deinen Zustand. Sie denken du kannst sie nicht hören. Aber du hörst jedes Wort. Doch was kümmert es dich? Du kannst jederzeit davonfliegen.

Track 11: „Under Lock and Key“

Endlich keine Tests mehr. Man lässt dich in Ruhe. – Erinnerungen an schöne Zeiten.

Track 12: „Powerhouse at the foot of the Mountain.“

Etwas geschieht. – Du bist frei!

The Story of OvO

(1999, Klick)

OvOEin Konzeptalbum, das Peter Gabriel ursprünglich schuf, um eine permanente Show im damals neu gebauten Millenium Dome in der Londoner Innenstadt zu untermalen. Leider wurde die fantastische Akrobatik Show nur wenige Male aufgeführt und dann aus Kostengründen ad acta gelegt. Doch die wunderbare Musik, die sie untermalte, ist erhalten geblieben.

Das Album enthält einige Gesangsstücke, die sich vielleicht nicht für jeden als Rollenspiel-Untermalung anbieten, aber die Sahnestücke möchte ich hier hervorheben. Was natürlich keinesfalls bedeuten soll, das die restlichen Tracks nicht ebenfalls gut anzuhören sind.

Track 02: „Low Light“

Sanft und leise wogen die Klänge dahin. Hervorragend, um einen Sonnenaufgang oder -untergang zu untermalen oder zu beschreiben. Die Gruppe bricht auf zu neuen Ufern. Ein Geheimnis wird enthüllt. Zwei Liebende werden von einander getrennt. All dies hört man in diesen Klängen.

Track 04: „The Man Who Loved The Earth“

Urtümlich, rhythmisch, dumpf, schwer, erdig, teilweise spielerisch übertönt von hohen Flötentönen und Didgeredoos. Dieses Stück besteht komplett aus Percussion-Instrumenten und man hört förmlich, wie ein Trupp Bauern fröhlich pfeifend den Acker bestellt, oder sich eine Horde Affen durch das Zwielicht des Dschungels schwingt.

Track 05: „The Weavers Reel / The Time Of The Turning“

Was langsam und mit sanftem Gesang beginnt, welcher eine düstere Prophezeiung intoniert, schwingt mit einem Mal um in einen wahren Derwisch-Tanz in einer wilden Mischung aus irischen, arabischen und afrikanischen Rhythmen. Mitreißend und anfeuernd, wild und ungezähmt. Die immer wieder kehrende Prophezeiung klingt auf einmal nicht mehr so düster, sie verspricht gar Neues, Schönes. Ein Fest, ein unzähmbares Pferd, ein schneller, wild choreographierter Kampf. All diese Bilder zucken durch den Geist.

Track 07: „The Tower That Ate People“

Das Stück soll in der Show die unaufhaltsame Industrialisierung und den Untergang der Natur beschreiben. Und ja, das tut es sehr gut. Die schwer verzerrten Gitarren und Stimmen krächzen roboterartig und die Percussions gemahnen an das Innere einer Industriehalle.

Track 08: „Revenge“

Wieder ein Stück nur aus Percussion. Perfekt für einen wirklich bizarren „Rache“-Moment.

Track 09: „White Ashes“

Percussion und Stimmen, die verzerrt vor sich hin murmeln. Etwas sehr, sehr Seltsames geschieht hier…

Track 10: „Downside-Up“

Einfach ein wunderschönes Stück, um über die Seltsamkeit des Lebens nachzudenken. Wenn nichts mehr so ist, wie es schien. Wenn sich alles, was man für „normal“ ansah, ins Gegenteil verkehrt. Wenn man sich verliert und findet. Großartig für eine Changeling Runde, oder ähnliches.

Track 11: „The Nest That Sailed the Sky“

Sanft wiegend, und doch spürt man verborgene Kraft. – Ein anderer Sonnenaufgang. Ein Tor zu einer anderen Welt. Ein ätherisches Wesen, welches zur Gruppe spricht. Ein Blick in den Himmel.

Das nächste Album, das ich vorstellen möchte ist

Long walk home. (Music from „The Rabbitproof Fence“)

(2002, Klick)

LongWalkHomeDer Soundtrack zum gleichnamigen Film. Geprägt von ausdrucksstarken Klangkompositionen in denen die Musik und der Gesang der australischen Aborigines ebenso Verwendung findet, wie zum Teil verstörend gewobene Klangbilder, die sich fast gänzlich aus Percussion zusammensetzen und so den Eindruck einer intensiven und vor allem außergewöhnlichen Gefühlswelt vermitteln.

Der Film erzählt die wahre Geschichte dreier kleiner Mädchen, die in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus ihrem Heimatdorf entführt werden, um sie in einem Heim knapp 1500 Meilen von zu Hause entfernt „umerziehen“ zu lassen. Sie können jedoch entkommen und folgen dem berühmten „Kaninchenzaun“ quer durch das australische Outback in einem 9 Wochen dauernden Marsch heim zu ihrem Dorf.

Track 01 „Jigalong“

Das Heimatdorf der Mädchen. Die Musik auch sehr ruhig und sanft. Traditionelle Gesänge erklingen im Hintergrund und alles hat einen etwas angestaubten Touch. Jedoch fühlt man auch die sengende Sonne, die auf das kleine, verschlafene Dörfchen mitten im Outback herabbrennt.

Track 02: „Stealing The Children“

Die Musik drängt auf uns ein, als Männer die Türen eintreten und in unser Allerheiligstes einbrechen. Man spürt förmlich die Brutalität, mit der die Regierungsbeamten damals vorgingen, wenn sie unschuldige Kinder ihren Familien entrissen. Trommeln stampfen wie ihre Füße und Streicher und geschickt eingesetzte Synthesizer schimmern wie Tränen in den Augen, verzerrte E-Gitarren heulen und schreien.

Track 03: „Unlocking The Door“

Ein dunkler Raum, karg und kalt. Düstere Nacht und doch gelingt es, die Tür, welche euch von der Freiheit trennt, zu öffnen – und ein Hoffnungsschimmer tut sich auf. Lauft jetzt so schnell ihr könnt!

Track 04: „The Tracker“

Ein Mann, der den Boden zu lesen weiß, gefährlich und gewissenlos. Oder vielleicht doch nicht? Die Musik ist bedrohlich und unheimlich, aber zugleich auch durchdrungen von Schmerz und Trauer.

Track 05: „Running To The Rain“

Die Kinder sind seid Tagen unterwegs und leiden furchtbaren Durst. Die Sonne brennt unnachgiebig auf sie herab. Dann sehen sie in der Ferne Regenwolken, die über der Wüste niedergehen. Und rennen mit den letzten Resten ihrer Kraft darauf zu.

Zunächst wirken die Klänge beinah kalt und gehässig, gnadenlos. Dann steigen sie auf in ungeahnte Höhen und die Trommeln und eingewobenen Vogelstimmen erzeugen ein wahres Hochgefühl.

Track 06: „On The Map“

Kurz, knapp und unheimlich. Die Verfolger nehmen die Spur auf.

Track 07: „A Sense Of Home“

Die Kinder erreichen ein anderes Dorf, in dem sie Unterschlupf finden. Es erinnert sie daran, warum sie diesen Marsch wagen. Die Streicher und einheimischen Gesänge kehren zurück. Freude und Glück, aber auch Heimweh.

Track 08: „Go Away Mr. Evans“

Einer der Verfolger ist den Kindern sehr nah gekommen und die Bewohner des Dorfes halten ihn davon ab, sie wieder einzufangen. Bedrohliche, düstere Klänge. Konfrontation, unbändiger Wille und stille, aber bestimmte Gegenwehr. Heimliche Flucht.

Track 09: „Moodoss’s Secret“

Der Fährtensucher ist wieder da und er trägt ein schreckliches Geheimnis mit sich. Was hat er vor? Dunkle und bedrohliche Percussion, düster und voller Schrecken. Dann mit einem Mal schlägt die Musik um und gewinnt schon fast einen gewissen „Coolness“-Faktor.

Track 10: „Gracie’s Recapture“

Zwei der Mädchen müssen von Ferne mit ansehen, wie ihre Freundin erneut in die Fänge ihrer Häscher gerät. Trauer und grenzenlose Angst. Flucht voller Reue, im Wissen, nichts tun zu können.

Track 11: „Crossing The Salt Pan“

Nie waren die Kinder dem Tod so nahe. Nirgends auch nur ein Tropfen Wasser und die Sonne brennt unbarmherzig auf sie nieder. Die Musik lässt uns den heißen Wind spüren, das Flimmern über dem Boden sehen und und die grausame Trockenheit der Luft. Aber ab und an klingen die heimatlichen Gesänge durch. Es ist nicht mehr weit. Durchhalten! Einen Schritt nach dem nächsten, aufrappeln und weitergehen!

Track 12: „The Return“

Beinah geben die Kinder auf, sie sind zu schwach und leiden furchtbar unter Hunger und Durst, aber die Landschaft kommt ihnen mehr und mehr bekannt vor. Der Weg ist nicht mehr lang. Hoffnung keimt auf und bricht sich ihre Bahn zu unbändiger Freude.

Track 13; „Ngankarrparni (Sky Blue – Reprise)“

Eine großartige Melange aus Aborigines-Stimmen und modernen Klängen, zum Ausdruck der unbändigen Freude des Wiedersehen der Kinder und ihrer Eltern.

Track 14: „The Rabbit Proof Fence“

Ein Blick zurück den langen Weg entlang, den die Kinder gegangen sind.

Track 15: „Cloudless“ (Bonus Track)

Eine Re-Mix Version von Track 13. Auch auf dem Album „UP“ von Peter Gabriel zu finden.

 

Artikelbild: Wikimedia Commons 

 

 

4 Kommentare

  1. Interessante, mal etwas andere Zusammenstellung.

    Da ich ja absolut nicht zu den Erdensternfreunden gehöre (es klingt mir einfach zu blechern „billig“, das macht IMO jede noch so interessante Atmosphäre kaputt, genau wie die offiziellen DSA CDs) bin ich mal dankbar ob einer solchen Inspirationen.

    Ich für meinen Teil bevorzuge ja überwiegend Soundtracks und Scores aus Videospielen aller Art, da diese inzwischen oft hochwertiger sind als Filmsoundtracks und vor allen Dingen besser einsetzbar, da viele einzelne Stücke vorhanden sind die nur eine einzelne Stimmung abbilden.

  2. Oh ja, Scores wie von zB Deus Ex sind einfach grossartig. Ich setze die auch immer mehr ein. Bei mir gehört auch eher die orchestrale Score-Musik ins Repertoire.

    Wenn ich moderne Musik einsetze, dann meist elektronische Klänge in Science-Fiction/Now-Settings.

  3. Ich mag Peter Gabriel. Ich denke aber mal, dass ihn die meisten nicht mal als Frontmann von Genesis in den 70ern kennen. ;-)

    Ich hab den Bezug zum Rollenspiel im Artikel eher vermisst. Ich fände es schön, wenn da stehen würde, in welchen Szenen Du Dir persönlich die Musik vorstellen könntest.

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