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Für viele DSA-Fans war Satinavs Ketten eine freudige Überraschung. Im Vorfeld wurde noch bezweifelt, dass es dem Hamburger Entwickler Daedalic gelingen würde, das DSA-Universum mit einer Geschichte für Erwachsene zu kombinieren. Doch die Stimmen von Kritikern und Spielerschaft waren nach dem Erscheinen durchaus positiv.

Nun haben die Entwickler die Fortsetzung Memoria angekündigt. Teilzeithelden-Autor und PC-Spiele-Experte Anton hat sich gleich zwei Verantwortliche geschnappt und ausgefragt: Tilman Schanen, Spieldesigner und Autor bei Satinavs Ketten, und Kevin Mentz, leitender Spiele-Designer und Autor von Memoria.

Teilzeithelden: Vor neun Monaten ist Satinavs Ketten erschienen – jetzt kommt Memoria. Gerade angesichts des überraschenden Endes ist die spannende Frage: Ist es ein echter Nachfolger, inklusive Wiedersehen mit Geron und Nuri? Oder handelt es sich mehr um eine Fortsetzung im Geiste?

Tilman: Die Geschichte von Nuri und Geron wird weitererzählt – aber nur als kleinerer Aspekt des Spiels. Einer unserer Tester hat es nach dem Spielen so bewertet: 70 Prozent neue Inhalte, 30 Prozent Forsetzung.

Kevin: Wir haben in Memoria zwei Zeitebenen. In der einen trifft Geron einen Tulamiden im Wald bei Andergast, der ihn bittet, ein Rätsel zu lösen. Im Gegenzug will er Nuri helfen…

Teilzeithelden: Das wird jetzt ein Spoiler für alle, die Satinavs Ketten nicht gespielt haben, vermute ich?

Kevin: Genau. Der Tulamide bietet Nuri an, wieder zur Fee zu werden. Geron soll für ihn herausfinden, was es mit seinen Träumen auf sich hat. Fahi – so sein Name – erlebt im Schlaf immer wieder die letzten Wochen einer Prinzessin aus Fasar, Sadja, aus der Zeit vor den Magierkriegen. Und je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr wird auch Geron in die damaligen Ereignisse verwickelt, immerhin knapp 450 Jahre vor seiner Zeit.

Teilzeithelden: Zwei Handlungsebenen also, die parallel laufen. Warum diese Entscheidung?

Tilman: Viele Fans haben kritisiert, dass die Geschichte von Satinavs Ketten nicht episch genug war, anderen gefiel gerade das. Wir haben uns damals bewusst für ein kleineres Abenteuer entschieden, um Spielern einen einfachen Einstieg in die Welt von DSA zu ermöglichen – gerade auch für Leute, die damit zuvor nichts am Hut hatten.

Kevin: Und jetzt wollen wir einen Kontrast dazu liefern…

Tilman: Und jetzt wollen wir einen Kontrast dazu liefern, indem wir einerseits die epische Geschichte von Sadja erzählen und andererseits auch bei Geron bleiben. Sadja will sich als Heldin beweisen. Sie zieht dabei in den Kampf gegen Borbarad, in einer Zeit der High Fantasy. Das ist eine ganz andere Dimension als Satinavs Ketten. Gleichzeitig erlebt Geron diese Ereignisse im vertrauten Andergast mit. Darum steigen wir auch mit ihm in die Geschichte ein.

Teilzeithelden: Borbarad – der Name des größten Schwarzmagiers im DSA-Universum ist natürlich ein Begriff. Das kann nicht einfach werden für Sadja…

Kevin: Definitiv nicht. Es ist eine schwierige Reise, die sie auch an legendenumwobene Orte des DSA-Universums führt. Etwa in die Gorische Wüste – oder durch den Raschtulswall, eines der größten Gebirge des Kontinents. Dort betritt sie sogar die mysteriöse Drachenfestung Drakonia…

Teilzeithelden: Alles bekannte Orte, zu denen es auch viel Hintergrundmaterial in Form von Abenteuern und Quellenbüchern gibt. Hilft euch das, oder schränkt es euch eher beim Erzählen der Geschichte ein?

Tilman: Es ist eine absolute Pest! (lacht) Nein, das hat natürlich zwei Seiten. Zum einen kann man auf viele Details zurückgreifen und hat eine reiche, vollständige Welt. Andererseits muss man natürlich immer jeden Fakt ausführlich nachprüfen. Aber insgesamt würde ich sagen: Es ist eine gute Sache.

(v.l.n.r.) Til­man Scha­nen, Kevin Mentz
Til­man Scha­nen (l.), Kevin Mentz (r.)

Teilzeithelden: Und diese Detailprüfung übernehmt auch ihr? Bei Satinavs Ketten stand euch ja mit Mark Wachholz ein erfahrener DSA-Autor und Experte zur Seite, ist er wieder dabei?

Kevin: Nein, Mark ist nicht mehr beteiligt. Aber dafür stand uns Hadmar von Wieser zur Seite, der das Universum von Das Schwarze Auge entscheidend mitgestaltet hat. Und noch wichtiger: Er hat die Abenteuer zum Krieg der Magier geschrieben.

Tilman: Er hat die Magierkriege und auch die Festung Drakonia praktisch erfunden! Darum war er natürlich als Ansprechpartner sehr passend.

Kevin: Wir haben ihm regelmäßig unsere Konzepte und Hintergründe zugeschickt, um zu erfahren ob wir seine Vision dieser Orte auch passend umgesetzt haben.

Tilman: …die mich übrigens zu der Geschichte von Memoria erst inspiriert hat. Da war eine Illustration im Abenteuer „Der Krieg der Magier“, die mir den ersten Anstoß gab. Ich verrate allerdings nicht welche, das könnte zuviel über die Geschichte unseres Spiels preisgeben.

Teilzeithelden: Wird Memoria denn auch Teil des offiziellen DSA-Kanon? Ich erinnere mich daran, dass für Satinavs Ketten sogar die offizielle Karte der Magierakademie zu Andergast angepasst wurde…

Tilman: Ja, das berüchtigte Klohäuschen (lacht). Wir brauchten eine Möglichkeit, von außen an ein Fenster zu gelangen und da hat uns der Kartenzeichner gesagt: „Okay, dann packen wir das Klo einfach dahin.“ Das kommt übrigens auch im aktuellen Teil wieder vor, ein Nebencharakter hat Latrinendienst…

Kevin: Das Schöne war, dass es nicht allzu viel Material zu der Zeit vor den Magierkriegen gibt. Also hatten wir bei Memoria viele Freiheiten. Wir haben das alles mit Chromatrix abgestimmt und waren auf einem Treffen von Ulisses Spiele. Dort wurde dann mit allen möglichen DSA-Mitverantwortlichen festgelegt, in welche Richtung sich der Kanon entwickeln soll.

Teilzeithelden: In Satinavs Ketten gab es ja sowohl Elemente der märchenhaften, klassischen DSA-Welt als auch düstere, erwachsene Anteile. Ist es schwer, da die Balance zu halten?

Kevin: Ich glaube, der erste Teil ist da eine gute Vorlage. Man hat ja die märchenhaften Elemente in der Liebesgeschichte von Geron und Nuri, diese wollen wir weiterhin beibehalten. Im Kontrast dazu steht eben Sadjas Reise. Sie ist episch, geprägt von High Fantasy – ein kompletter Gegensatz.

Teilzeithelden:  Im ersten Teil konnte der Spieler nicht wirklich entscheiden, wie seine Geschichte ausgeht. Es gab einige unterschiedliche Dialogoptionen, gelegentlich ließ sich ein Rätsel auf verschiedene Weise lösen, aber das wars auch schon. Gilt das auch für Memoria?

Kevin: Es gibt zwei unterschiedliche Enden. Aber im Großen und Ganzen wird es sein wie im ersten Teil. Das ist eine bewusste Entscheidung: Wir wollen ein langes Spiel und verschiedene Handlungsabzweigungen, wenn sie gut gemacht sein sollen, verkürzen das Spiel. Denn sie laufen ja parallel und nicht nacheinander. Ich bin dennoch sehr gespannt, für welches Ende sich die Spieler entscheiden – bei den Testern war das recht unterschiedlich.

Teilzeithelden: Eine gute Rollenspiel-Geschichte in einem bestimmten Universum zu erzählen, braucht Erfahrung. Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr selbst DSA gespielt?

Tilman: Ich habe 20 Jahre DSA gespielt, meistens als Spielleiter. Und dabei auch die Borbaradkampagne. Derzeit habe ich allerdings keine Zeit dafür – weil ich mich eben beruflich auch viel damit beschäftige. Das ist sozusagen eine Ersatzhandlung (lacht). Aber ich müsste eigentlich mal wieder…

Kevin: Mitte bis Ende der 90er habe ich auch DSA gespielt, unter anderem wie Tilman auch die Borbaradkampagne. Dann hat sich meine Gruppe aufgelöst und danach kam nicht mehr viel. Bis jetzt, bis Memoria.

Im Nachfolger zu Satinavs Ketten wollen die Daedalic-Entwickler eine dramatische Geschichte erzählen.
Im Nachfolger zu Satinavs Ketten wollen die Daedalic-Entwickler eine dramatische Geschichte erzählen.

Teilzeithelden: Geron ist Vogelfänger. Aber wenn ihr euch heute einen Helden machen würdet, welche Klasse würde es sein?

Tilman: Also ich spiele gerne Magier!

Kevin: Ich hab früher einen Gaukler gespielt, der war zu nichts zu gebrauchen und musste immer gerettet werden. (lacht) Heute würde ich aber auch lieber was Mächtiges spielen, vielleicht auch einen Magier. Oder eine Rondra-Amazone… ohne zuviel zu verraten, ich hatte gerade im Spiel mit einer zu tun. Das wäre ein interessanter Charakter.

Teilzeithelden: Und wie schaut es mit virtuellen Spielen aus? Welche Rollenspiele oder Adventures mögt ihr – und wie hat das Memoria beeinflusst?

Tilman: Ohne jetzt Werbung für unsere Firma machen zu wollen, aber ich finde The Wispered World toll. Es ist Satinavs Ketten ähnlich, auch atmosphärisch. Das Spiel war definitiv ein Einfluss. Rollenspiele am PC spiele ich allerdings eher nicht – wenn ich schon rollenspiele, dann Pen & Paper.

Kevin: Ich habe in den 90er Jahren glaube ich jedes Adventure gespielt, manche auch mehrfach. Heute spiele ich vor allem Indie-Adventures, weil die oft interessante Ideen haben. Als Rollenspiele mochte ich Dragon Age und Fallout. Meine Lieblings-Adventures waren Monkey Island 2, Day of the Tentacle und Quest for Glory. 

Tilman: Diese Art von Humor ist zwar großartig, aber passt eben nicht so gut ins DSA-Universum.

Teilzeithelden: Ich erinnere mich zwar auch an witzige Momente in Satinavs Ketten, aber es stimmt, der Humor ist anders. Und der Fokus liegt auf der Geschichte. Wenn ihr zurückdenkt – was war das schwierigste daran, diese Geschichte umzusetzen?

Tilman: Bei Satinavs Ketten definitiv ein Rätsel im Sumpf! In einem Sumpf gibt es einfach nichts und ich musste das irgendwie spannend hinkriegen. Das war hart.

Kevin: Bei mir – naja, die gesamte Story von Memoria. Obwohl man eigentlich nur Geron und Sadja spielt, gibt es fünf bis sechs wichtige Charaktere, alle mit eigenem Handlungsstrang. Es kam mir oft so vor, als würde ich versuchen, eine sechsköpfige Hydra zu zähmen – war ein Kopf besänftigt, riss ein anderer schon wieder aus

Teilzeithelden: Aber jetzt seid ihr zufrieden?

Kevin: Ja, definitiv. Natürlich sieht man immer noch kleinere Schwächen, man ist ja tief im Entwicklungsprozess drin.

Teilzeithelden: Schwächen, die hinterher vielleicht gar keinem mehr auffallen…

Kevin: Genau. Aber ich kann auch sagen, ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Wir haben Dinge, die es so noch nicht gab.

Teilzeithelden: Wie war eigentlich das Feedback aus der Spielerschaft in Bezug auf Satinavs Ketten? Gab es Kritik, die ihr euch zu Herzen genommen habt?

Tilman: Insgesamt war es gut! Die meisten ärgerten sich über das Ende. Nicht, weil es kein eindeutiges Happy-End war – das gefiel vielen Spielern – sondern weil es nur eine kurze Cutscene gab und dann war es vorbei. Auch der zähe Anfang ist nicht gut angekommen.

Kevin: Diese Punkte sind wir bei Memoria dann auch angegangen. Der Anfang ist wirklich sehr spektakulär geworden. Und wir haben eben die Handlungsstränge, die am Ende ausführlich zu einem komplexen Finale verwoben werden.

Teilzeithelden: Kritik gab es auch an den Dialoganimationen und – teilweise – an der Synchronisation. Wie sieht es da aus?

Kevin: Wir haben jetzt viel mehr Animationen, das haben wir berücksichtigt. Zudem läuft das Spiel deutlich solider und mit weniger Ladezeiten. Die Sprecher der bekannten Rollen wurden hingegen beibehalten, auch für die Kontinuität. Für die Synchronisation haben wir allerdings auch Lob bekommen.

Prinzessin Sadja zieht aus, um eine große Heldin zu werden - und verschwindet spurlos. Der Spieler erlebt ihre Geschichte nach.
Prinzessin Sadja zieht aus, um eine große Heldin zu werden – und verschwindet spurlos. Der Spieler erlebt ihre Geschichte nach.

Teilzeithelden: Was hat sich sonst an der Spielmechanik verändert?

Kevin: Insgesamt gibt es jetzt mehr Zauber, passend zu der Zeit, in der Sadja aktiv ist. Geron behält natürlich sein Zerdeppern und Reparieren. Aber Sadja bekommt einen Zauberstab, mit dem sie dann Rätsel löst. Sowieso haben wir uns für unterschiedliche Rätselformen pro Kapitel entschieden, jedes Kapitel hat ’seine‘ typischen Rätsel.

Teilzeithelden: Geron, Sadja, Nuri… welche Charaktere sind eure persönlichen Favoriten?

Tilman: Ich mochte Nuri immer gern, weil sie einfach eine niedliche kleine Fee ist. Sie ist mir sympathisch.

Kevin: Ich mag viele Charaktere. Sadja zum Beispiel, aber sie ist schwierig, weil sie so unnahbar ist. Geron dagegen ist ein Jedermann, mit dem man sich identifizieren kann, ein lahmer Andergaster (lacht). Aber mein Liebling? Der fahrende Tulamide Fahi, der Geron den Auftrag gibt. Denn er ist ein sehr geerdeter, ruhiger Typ, der die Geschichte immer wieder auf den Boden zurückholt.

Teilzeithelden: Vielen Dank dafür, dass ihr euch die Zeit genommen habt! Eine Frage noch zum Schluss: Bleibt es bei zwei Spielen? Oder ist geplant, eine Trilogie – oder gar mehr – aus der Handlung zu machen?

Tilman: Nichts zu danken.

Kevin: Es gibt durchaus Potential für weitere Teile. Noch ist aber konkret nichts geplant. Mehr möchte ich dazu derzeit aber nicht sagen…

Artikelbilder: Daedalic Entertainment GmbH 

 

4 Kommentare

  1. Interview um 12, Veröffentlichung um 20.20 Uhr – Das war schon tagesaktuelles Arbeiten, würde ich sagen :D Wir machen uns!

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