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Zuerst dachte ich, Liverollenspiele wären langweilig. Ich meine: Wo kann ich da all die coolen Sachen machen, die ich auch von Computerspielen und Pen-and-Paper gewöhnt bin?

Wo kann ich da riesige Drachen töten? Wann darf ich endlich dank meines hohen Charisma-Werts die dralle Schankmaid mit aufs Zimmer nehmen? Und wieso zum Geier kann ich keine wirklich krassen Zaubersprüche lernen, mit denen ich ganze Kontinente versinken lassen kann?

In Videospielen kein Problem. Da habe ich das schon dutzende Male durchgezogen. Doch auf einem kleinen Zeltplatz mit mehr schlecht als recht verkleideten Freaks rumzuhängen, durch dorniges Gestrüpp zu kraxeln und sich mit Schaumstoffknüppeln prügeln….. das ist zwar kurzfristig ganz witzig, erinnert mich aber eher an eine abgespeckte Version der American Gladiators als an epische Taten, wie ich sie aus Pen-and-Paper und Videospielen kenne.

Doch lässt man sich erst einmal darauf ein, versteht man, wie der Hase dort läuft. Dann kann man spielend leicht auch im LARP solche Erlebnisse haben.

Hierfür beriet mich ein guter Freund, der mir die Tricks und Kniffe erklärte. Viel zu naiv war ich an die Sache herangegangen und hatte das außer Acht gelassen, was das Rollenspiel schon seit jeher ausmacht. Die Regeln!

Im Pen-and-Paper war es mir immer eine riesige Freude, die Regelbücher zu wälzen, und das Meiste aus meinen Charakteren herauszuholen. So machte ich zum Beispiel in DSA mit meiner Hexe mittels Flugsalbe eine Balliste zum Flugobjekt.

Bisher ging ich davon aus, dass es im Liverollenspiel vor allem um Darstellung und langweiliges Charakterspiel geht, doch nun wurde ich eines Besseren belehrt. Auch hier gab es Regelwerke. Und da diese weitaus weniger komplex ausgearbeitet waren als die, die ich kannte, war es mir ein Fest sie (aus-)nutzen zu dürfen.

First of all: the XP

Zugegeben, ich musste mich daran gewöhnen, keine Erfahrungspunkte dafür zu bekommen, Monster zu töten sondern stattdessen dafür, am Leben zu bleiben. Jeder Tag, den mein Charakter überlebte gab mir „Con-Tage“…. Das störte mich. So konnte ich ja gar nicht „grinden“ sondern stieg genauso langsam auf, wie alle anderen auch. „Wo ist der Sinn in einem System, in dem man anderen nicht davonleveln kann?“, dachte ich.

Doch der Clou liegt hier woanders. Niemand hielt diese Tage wirklich nach. Niemand kontrollierte die Con-Tage oder wo ich sie herhatte. Solange man es also nicht übertrieb, konnte man sich so viele Con-Tage, und damit Erfahrungspunkte, aufschreiben wie man wollte. Doch ich wollte nicht wirklich betrügen, ich wollte Regeln nutzen.

Daher erfand ich mir keine Con-Tage dazu, sondern fand andere Wege, mir welche zu holen. Hierfür boten sich am besten Tavernen an. Das waren kleine Cons, meistens Abende in irgendwelchen Kneipen. Kein großes Risiko zu sterben, aber Zeit, die ich dem Charakter gutschreiben konnte. Alle paar Wochen ein oder zwei Tavernenabende machten gleich ein paar Con-Tage mehr aus.

Finish Him – der Kampf

Hier gab es natürlich die meisten Unterschiede zum von mir gewohnten Tisch/Computer-Rollenspiel.

Ich musste mich wirklich erst daran gewöhnen, mit diesen Schaumstoffwaffen auf mein Gegenüber loszugehen. Doch auch hier wurde es um einiges besser, als ich erst begriffen hatte, die Regeln (beziehungsweise das teilweise Fehlen von Regeln) für mich nutzbar zu machen.

Einen ungemeinen Vorteil hatten diese Schaumstoffwaffen schon mal: Sie waren verdammt leicht. Ich denke nicht, dass ich in der Lage gewesen wäre, mit zwei echten Schwertern so rumzuhantieren, wie ich es im Liverollenspiel mit diesen Spielzeugen getan habe.

Viel schneller konnte ich mich bewegen und so die Abwehr meiner Gegner mit einem wahren Stakkato an Schlägen eindecken. Sie hatten keine Chance. Sicher, so einige schauten mich nach den Kämpfen böse an oder riefen mir Dinge wie „Pappnase“ hinterher, aber es muss nun mal auch schlechte Verlierer geben.

Ich konnte mich zumindest immer auf die Regeln berufen, dass dort nirgendwo stand, es sei verboten gewesen und behielt so meistens die Oberhand. Eine meiner liebsten Tätigkeiten im Liverollenspiel ist das Meucheln. Nirgendwo sonst lässt sich die Überlegenheit der Regeln so fühlen.

Der Kick, nicht nur einen leblosen NPC aus einem Computerspiel oder einen namenlosen Typen, den sich der Spielleiter ausgedacht hat, umzubringen sondern einen Charakter, der von einem Menschen für seinen eigenen Spaß erdacht und gespielt wurde…. unglaublich.

Und das Ganze ja sogar gewollt, sonst würde es dafür doch wohl keine Regeln geben. Wenn dieses Spielelement wirklich nicht gewollt wäre, hätte man diese Möglichkeiten doch gar nicht erst eingebaut. So sah ich das Ganze schon fast als Aufforderung an, diese Fähigkeit zu nutzen.

Die ganzen anderen Spieler, die fluchten, ihr liebevoll geplanter, gut ausgerüsteter, lang bespielter… blah blah blah (ich kann‘s echt nicht mehr hören) Charakter hätte nicht einfach so sterben sollen, hätten vielleicht beim Heimweg von der Taverne nachts oder beim Schlafen ihren Hals besser schützen sollen.

Wenn sie also weiter quengelten, setzte ich gleich noch einen Todesstoß hinterher und merkte mir ihre Gesichter, um ihren nächsten Charakteren ein ähnliches Schicksal zu bescheren. Irgendwann mussten sie es lernen mit den Regeln umzugehen.

Where the Magic happens

Ein Problem bekam ich bei der Magie. Selbstverständlich nichts, dass ich nicht lösen konnte, aber zuerst saß ich da schon vor einer kleinen Kopfnuss.

Bei Pen-and-Paper-Regelwerken ist das alles sehr simpel. Anderes Regelsystem, andere Welt. Charaktere mischen sich nicht. Beim Larp wiederum ist das nicht ganz so einfach. Im Normalfall mischt sich dort alles.

Dies führt dazu, dass die verschiedenen Regelsysteme im Larp alle in ein und derselben Welt spielen…. irgendwie… Das wiederum heißt: Denselben Charakter auf einer anderen Con zu spielen kann bedeuten, dass dort alles anders funktionierte, ich mich komplett neu in Regelsysteme einlesen und ihre Schwächen herausfinden musste.

Es war zum Haareraufen. Zugegeben, das meiste war gleich. Die „Schwerter“ (Schaumstoffknüppel) verursachten Schaden, Meucheln musste meist unentdeckt, von Hinten geschehen und mit Ansage dazu, beim Niederschlagen war es ähnlich.

Doch Magie….. dort gab es die unterschiedlichsten Regeln überhaupt. Verschiedene Sprüche, die es in anderen Regelsystemen nicht gab. Mal mit Murmeln ziehen aus einem Beutel, mal nicht. Mal brauchte man Komponenten, mal nur einen Spruch aufsagen und mal, so schien es, sogar nur die Namen herausschreien. Am allerschlimmsten wurde es aber bei Ritualen. Die Regeln dafür waren zwar relativ klar, WANN etwas gemacht werden durfte, wie viel Magiepunkte man aufwenden musste/wie viele Murmeln ziehen, aber das allein schien nicht zu reichen.

Aus mir unerfindlichen Gründen funktionierten die Rituale auch dann nicht, wenn genug Punkte ausgegeben und die Zeit eingehalten wurde. Regeltechnisch wurde alles Geforderte eingehalten und dennoch liefen diese oftmals schief.

Dabei sahen sie noch nicht einmal schlecht aus. Kerzen, Kreise, gemurmelte Formeln…. Alles da! Und dennoch, es lief schief. Der Dämon befreite sich, das Portal wurde aufgerissen, anstatt geschlossen zu werden und ach was-weiß-denn ich-noch-alles passierte.

Meine Lösung war simpel. Mich davon fern halten. So viele abstruse, nicht miteinander vereinbare Regeln konnten nicht in meinen Kopf. Also kaufte ich mir mit meinen nächsten paar Tavernenabenden einfach Magieimmunität und ließ Magie Magie sein.

DKWD(D)K oder der Anfang vom Ende

Dann jedoch kam der eine Moment, der mein Bild vom Liverollenspiel komplett kippte.

Es gab doch tatsächlich Leute die meinten, einem jeden Spaß im Hobby kaputt machen zu müssen. Regelwerk: DKWD(D)K musste ich da auf der Con-Einladung lesen. Du kannst, was du (darstellen) kannst….

Das war kein Regelwerk, das war ein Witz. Keine Zahlen, keine Punkte, kein gar nichts. Man war auf das Wohlwollen der Mitspieler angewiesen. Ob jemand zu Boden ging, entschied dieser selbst… kein Wunder, dass alle stehen blieben und keiner umfiel. Ich hatte keinen Anhaltspunkt, wie ich reagieren sollte.

Wie viele Lebenspunkte hatte ich? Wirkte der Zauber da jetzt 5 oder 10 Meter im Radius? Wie hoch war der Schutz meiner Spaltlederrüstung? Kurzum, ich sah schleunigst zu, dass ich Land gewann.

Wo kämen wir denn da hin, wenn sich niemand an irgendwelche Regeln hält? Nein, das war nichts für mich. Aber ich bekam das Ganze nicht mehr aus meinem Schädel raus. Es hatte sich eingefressen.

Zählten meine mühevoll zusammengeklaubten Con-Tage gar nichts mehr? Wozu noch weiter planen, Punkte sammeln, Fähigkeiten kaufen, wenn ich nicht sicher sein konnte,der Pro sein zu können, gewinnen zu können?

Ich verließ die Bühne des Liverollenspiels und kehrte zurück zu den Orten, an denen ich solche Ziele noch verfolgen konnte: Vor den Computer und an den Spieltisch.

Alexander engagiert sich stark im Larp, ist unter anderem im SL-Team des Drachenfests und ein großer Freund regellosen Spiels. Der Artikel ist eine Glosse und als Satire zu sehen.Es geht hier nicht nur um die Möglichkeit, nicht durchdachte Regelwerke durch Powergaming auszunutzen, sondern auch wie regelfreie Systeme dem Powergaming entgegenwirken können.

 


Wenn auch etwas das Thema verfehlt, entstand dieser Artikel im Rah­men des Kar­ne­vals der Rol­len­spiel­blogs „Aufbau von Regelwerken“, der von Niniane (Stories and Characters) orga­ni­siert wird. Den eröff­nen­den Bei­trag zum Umzug fin­det man hier: Klick.  

 

Artikelbild:  specialoperations| flickr.com, CC-Lizenz

9 Kommentare

  1. Fürchterlich schlechter Trollpost.
    Eine Glosse sollte viel mehr Überzeichnung haben, und vor allem unterhaltsam sein.

    Ich habe nach ~40% das lesen dran gegeben.

  2. Mir hat der Artikel gefallen. Ich informier‘ mich nicht wirklich über LARP, weil das nicht mein Ding ist, darum macht es mir auch Spass, ab und an sowas zu lesen.

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