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Hier und da werden es einige von euch mitbekommen haben: die Teilzeithelden-Redaktion hat Zuwachs bekommen vor ein paar Monaten. Eins vorweg: es gibt kaum etwas Schöneres, als wenn man sein eigenes Kerlchen im Arm hält und er Dir mit seinem zahnlosen Lächeln entgegen grinst.

Euphorische Eltern sagen, so etwas entschädigt einen für Alles. Ich würde sagen: Bedingt. Wenn man nämlich um 4 Uhr morgens mit der Flasche in der Hand mit dem Kind auf dem Sessel sitzt und betet, dass das Kind mit Trinken fertig ist, bevor es 5 Uhr ist, weil man dann doch noch die Chance auf eine Stunde Schlaf hat, dann schafft es selbst das strahlendste Lächeln nicht, mich aus meiner Müdigkeit zu reißen. 

Ich glaube, nie lag ich mit einer Aussage so sehr daneben, wie mit meiner in Unwissenheit getätigten kurz vor der Geburt: „Ach, so schlimm kann das nicht sein, das wird ganz easy. Der Schlafentzug ist anstrengend, aber das packen wir schon.“ Jeder, der ein Kind hat, weiß sicherlich wovon ich rede wenn ich sage: „Schlafentzug macht komische Dinge mit dir“.

Kurz angemerkt: Während des Schreibens dieser paar Zeilen bin ich zwei Mal aufgestanden, um mein Kind, das eigentlich Mittagsschlaf halten sollte, zu beruhigen. Ich habe mir zwei Tassen Kaffee geholt und versuche jetzt noch, den Abdruck meiner Tastatur von meiner Stirn weg zu massieren. Solltet ihr während des Lesens denken, ich wiederhole mich, liegt ihr wahrscheinlich nicht ganz falsch – momentan verfüge ich über die Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege.

Wieso ich das alles schreibe? Weil auch mein heißgeliebtes Hobby Rollenspiel mit Kind nun eine völlig neue Herausforderung ist. Früher liefen die Rollenspielabende meist so ab: Treffen um 17 Uhr, nett miteinander essen, dann zocken bis in die frühen Morgenstunden.

Heute ist es in etwa so: Treffen um 15 Uhr, nett miteinander essen (ohne Mami, weil die muss das kleine Monster füttern…), dann isst Mami, dann anfangen zu zocken (ohne Mami, weil die muss das kleine Monster wickeln/ins Bett bringen/beruhigen/wasauchimmer…), zocken bis spätestens 0 Uhr (denn alles danach bedeutet unweigerlich einen schrecklichen und qualvollen nächsten Tag, Augenränder inklusive).

Wir hatten mittlerweile mehrere Feldversuche und alle gestalteten sich anders: mal war der Kleine der totale Engel, dann wiederum ein echtes Monster. Der letzte Abend war eher durchwachsen und unsere SL (der Vater und hiesige Chefredakteur) hatte beim „Gequatsche“ unseres Sohnes doch so seine Schwierigkeiten, sich aufs Leiten zu konzentrieren. Wenn etwaige bildhafte Beschreibungen von Örtlichkeiten von einem „Ehrmm“ oder „Ääähhh“ unterbrochen werden, begleitet von einem angestrengt-frustrierten Gesichtsausdruck (weil die Tiere am Spielbogen ums Verrecken nicht antworten…), dann kann ich das sogar nachvollziehen.

Ich selber leide mittlerweile unter einem Syndrom, das ich liebevoll „Phantomheulen“ getauft habe. Ich höre mein Kind weinen, obwohl es still ist. Das ist so ähnlich wie mit dem Phantomklingeln bei Handys, schätze ich. So war ich auch das ein oder andere Mal abgelenkt während unseres letzten Rollenspiel-Abends, weil ich angestrengt gelauscht habe und überlegte, ob ich jetzt aufspringen muss oder nicht. Den ganzen Abend ist man irgendwie auf Alarm gepolt, obwohl es dafür keinen Grund gibt.

Vielleicht liegt es daran, dass unser Sohn, wenn er Grund zur Beschwerde hat immer gleich explodiert wie ein HB-Männchen – er kennt nur ganz leise oder ganz laut und wenn man das Sekunden-Zeitfenster verpasst hat, in dem er noch nicht schreit wie am Spieß, dann Gnade Dir Gott…

Der letzte Abend war in rollenspielerischer Hinsicht laut meiner Mitspieler gut, ich selber versuche immer noch, die Ereignisse zu rekonstruieren, die mir durch meine Abwesenheit oder mein Schlafdefizit entfallen sind (zum Glück haben wir eine Runden-Wiki).

Ich glaube, das Verfolgen von komplizierten Plotlinien könnte zum Topfschlagen im Minenfeld werden: blind durch die Gegend stolpern und hoffen, dass man nicht in die falsche Richtung läuft. Meine Hoffnung ist nur, dass unsere SL unter ähnlich erschwerten Bedingungen leitet, wie ich spiele und somit vergisst, wenn ich mal wieder einen Bock geschossen habe, ohne es zu merken.

Notfalls orientiere ich mich einfach an meinen Mitspielern, deren Aufmerksamkeit ist sicherlich ungetrübt, zumindest hoffe ich das.

Wer jetzt gerne Tipps hätte, wie man die Rollenspielrunden mit Baby entspannter gestalten kann den kann ich erst mal nur vertrösten – ich selber habe noch keine zuverlässige Methode gefunden. Am Besten spielt ihr euer Kind müde, dann schläft es schnell ein und ihr könnt es ohne Gequake ins Bett bringen :)

Und während ich hier versuche, meinen Erfahrungen Ausdruck zu verleihen, herrscht nebenan im Kinderzimmer gefräßige Stille. Es ist Raubtierfütterungszeit und netterweise übernimmt Roger heute den Part der großen Nährmutter. Es ist nämlich Samstag – ich liebe Samstage!

So, ich schwirr‘ ab.*bsss…*


 

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 Artikelbild: achinel auf sxc.hu

 

10 Kommentare

  1. oh man…das kenn ich noch – nach zwei kompletten Desastern hatten wir dann das Glück, dass zumindest einmal im Monat meine Schwiegereltern als Babysitter eingesprungen sind, damit wir auch mal was als „Ehepaar“ machen konnten…so kamen wir wenigstens ab und zu zum Spielen.
    Mittlerweile ist Sohnemann 4 und die „Störungen“ gehen einher mit Neugierbefriedigung – daher ist der Babysitter immer noch die beste Möglichkeit für einen ruhigen Spielablauf zu sorgen.

  2. Tja, so hart ist das Leben. =) Als moderner Vater eines 16-Jährigen und einer 2-Monatigen kann ich den Bericht hier nur bestätigen. Biologische Nicht-Zuständigkeit schützt mich (zum Glück) nicht vor De-facto-Zuständigkeit. Das Doofe daran ist nur das Rollenspiel. =) Ich rede gar nicht vom Spielen, ich rede vom Schreiben: Ich habe eine harte Deadline für das nächste (DSA-)Abenteuer, und weiß kaum, wann ich neben Kind und Arbeit und etwaiger Verpflichtungen und dann und wann einer Mütze voll Schlaf zum Schreiben kommen soll. Dabei ist das Wie eigtl gar nicht so schlimm: Dauerübermüdung ist total kacke und macht komische Sachen mit dir, aber sie ist nicht so schlimm, wie wenn man ohne bedürftiges Kind im Nacken einfach mal so zwei Nächte lang nur drei bis vier Stunden geschlafen hat. Irgendwie gewöhnt sich der Körper daran. =)

    Annika, spanne Deinen Kerl nur ordentlich ein! Der soll nicht jammern, er hatte ja vorab auch seinen Spaß. =)

  3. Der Rillenmanni ist auch hier, wie nett. ;) Ich kann nur beipflichten: Irgendwann geht das alles einfacher, auch wenn die Erinnerung daran, spielleitend zu stillen oder stillend zu spielleiten noch so frisch erscheint ….. O__O
    Wir haben das Glück, dass alle zum Spielen immer zu uns kommen und dass unsere Kinder in einem Alter sind, in dem sie abends so ungefähr gegen halb neun im Bett liegen. Wir treffen uns allerdings mittlerweile erst gegen acht und letztlich bleiben uns, weil die anderen arbeitenden Väter auch irgendwann in die Heia müssen, dann vielleicht 2 1/2 / 3 h zum Spielen. Und auch dann ist schon einkalkuliert, mit einem Kind, das um sieben Uhr den Bus zur Schule nehmen muss, dass der nächste Tag viel schwarzen Tee benötigt … Aber was tut man nicht alles fürs Lieblingshobby! Ich finds jedenfalls toll, wenn auch Mütter dabeibleiben – die meisten meiner ehemals rollenspielenden Freundinnen sind mit dem ersten Kind zum Ex-Rollenspieler geworden und sind wohl durch die lange Abstinenz nun auch viel zu erwachsen und ich nenns mal „kind-absorbiert“, um noch mal damit anzufangen. Also: Halt durch! ;)

  4. Hey Ihr Lieben, das kommt mir alles auch sehr bekannt vor….
    … diese Unruhe, dieses Standby – Gefühl hat mich immer noch nicht verlassen und unserer wird bald 4!
    Ein Patentrezept um als Eltern Ruhe fürs Rollenspiel zu bekommen haben wir auch noch nicht gefunden, obwohl wir wirklich gesucht haben! Falls es eines gibt, lass es mich wissen!
    Aber eine bessere Chance auf ausgedehnte Ruhephasen gibt es, zumindest bei unserem Sohn, nach dem Baden :-)
    Liebe Grüße aus Hessen
    Steffi

  5. Stimmt, nach dem Baden! Zack und weg! =)

    Aber ansonsten scheint das einzige Mittel zu sein: Die Kleinen müssen älter werden! =) Mein Sohn spielt mittlerweile gar selbst, wie es sich gehört.

  6. Ja, das kenne ich irgendwoher *g*
    Mein Kleiner war aber gottseidank total brav. Ich bin bei den DSA-Runden immer auf einem „Chefsessel“ gesessen, da war das Stillkissen drauf und mein Kleiner hat dort kuschelnd geschlafen.
    Wenn er wach war, dass hieß es nur Bluse auf, er hat getrunken und dann wieder weiter geschlafen.
    Diese Zeit war genial und wir konnten ganz normal weiter spielen.
    Aber das hat nur gedauert bis er drei Monate alt war. Danach wars damit dann auch vorbei. Ich hab jetzt seit 9 Monaten net mehr mitgespielt, weil er mich einfach zu sehr ablenkt. Man kriegt einfach nur die hälfte mit.
    Jetzt spielen die Herren mit meinem Mann als SL und ich sitze mit Sohnemann daneben und spiele mit ihm daneben Bauklötze bauen. Manchmal sitzen wir auch mit am Tisch und hören zu.
    …. aber mitspielen is net mehr. Und immer abgeben zu Oma und Opa geht ja auch net….
    Trotzdem ist mein kleiner (B)Engel das tollste :)

  7. Es ist ja schon irgendwie beruhigend, dass es euch allen ähnlich geht, wie mir :) Ich habe mir schon während der Schwangerschaft geschworen, dass ich alles versuchen werde, um weiterhin RP betreiben zu können. Ich habe dieses Hobby einfach viel zu lieb gewonnen, um es jetzt aufzugeben. Ich bin zuversichtlich, dass sich das alles bald ein wenig eingespielt hat und somit auch das Rollenspiel wieder etwas entspannter gestaltet.

    @Joaquina: Ja, diese Paarabende müssen einfach sein.
    Wir sind grade dabei, die Oma zu aktivieren, so dass wir einmal in der Woche ein paar Stunden für uns haben. Babyfreie Zeit muss einfach auch mal sein, damit man sich als Paar nicht aus den Augen verliert!

    @rillenmanni: der Roger tut schon ganz viel und ist mir eine echte Hilfe. Wir ergänzen uns da ganz gut – immer, wenn einer kurz davor ist die Nerven zu verlieren, übernimmt der andere :)

    • So lange die Würmer klein genug sind, habe ich immer viel Erfolg mit einem Tragetuch, besser noch Manduca, gehabt. Kind rein, ein wenig rumlaufen und zu Beginn die lauten Gefühlsausbrüche etwas vermeiden, bald schläft der Quälgeist tief und lässt sich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Der einzige Nachteil daran: Man kann sich nicht hinsetzen…

  8. Hey Adrian, mit einem Tragetuch hab ich auch gute Erfahrung gemacht, allerdings hat der Kleine nie lange drin geschlafen und spätestens nach 2 Stunden wollte er auch wieder raus. Mittlerweile gehts aber, er findet es interessant bei mir auf dem Schoß zu sein und sich die Leute anzugucken und zuzuhören :) Und um 18 Uhr ist eh Schicht, da wird er bettfertig gemacht und dann gehts in die Heia, da hab ich dann immer noch ein paar Stunden, in denen ich dann konzentriert mitspielen kann.

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