Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Hartgesottene Protagonisten, die ihrem eigenen Werteschema folgen und doch das Herz am rechten Fleck haben, sind in der heutigen Fantasy-Literatur eher selten geworden. Viel zu oft verdrängt die Romantasy das eigentliche Bild einer übernatürlichen Kreatur. In dem Roman Das Blut der Mondwandler von Ulli Schwan lesen wir vom ewigen Kampf zwischen Vampiren und Werwölfen. Das Beste – er spielt nicht irgendwo in einer Metropole auf dem nordamerikanischen Kontinent, nein, die Handlung findet in Deutschland, im Rheinland, statt.

Erscheinungsbild

Das Cover lässt bereits vermuten, dass es hier heiß hergehen wird. Zwei Wagen fahren mit offenbar hoher Geschwindigkeit über eine Brücke in einem Hafenviertel, über allem thront der Vollmond, dessen Antlitz von Krallenhieben aufgerissen ist. Die aus dem furiosen Ende des Romans stammende Szene vermittelt gut den Druck und die Anspannung, die den Roman ausmachen.

Bindung und Papier entsprechen dem üblichen Buchstandard, lediglich die Klebung macht einen etwas schwachen Eindruck beim Rezensionsexemplar. Wer seine Bücher wie ich liest und den Buchrücken knickt, sollte etwas vorsichtig sein.

Alles in allem liegt der Roman gut in der Hand. Zusätzliche Illustrationen im Innenleben sind nicht vorhanden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: 13Mann
  • Autor(en): Ulli Schwan
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 307
  • ISBN: 3941420836
  • Preis: 12,95 EUR (Taschenbuch) 7,98 EUR (Kindle)
  • Bezugsquelle: Amazon (Klick)

 

Story

Der oben angesprochene Protagonist ist Nathaniel Palmer, ein russlandstämmiger Werwolf. Seine oft introvertierte, nachdenkliche und dann doch knallhart-direkte Art ordnen die Erzählung schnell in das “hardboiled detective“-Genre ein. Oft tauchen wir ein in seine Gedanken und verlassen das schnelle Treiben der Handlung. Wir tauchen ab in seine Vergangenheit, die erklärt, wie er zu dem wurde, der er ist.

Besonders gut gefällt mir der Fokus auf den Geruchssinn. Werwölfe, als teils tierische mystische Wesen, werden sich genauso auf die Witterung verlassen, wie es Wölfe auch machen. Diese Impressionen geben uns immer wieder etwas mehr Aufschluss über die anderen Charaktere, die Nathaniel trifft. Der Autor benutzt hierbei oft bildhafte Umschreibungen und überlässt so dem Leser das Vervollständigen des Eindruckes. Die eine riecht nach Weizen, der andere nach einem Waldsee. Dickes Plus!

Immer wieder lockern anfangs diese Einschübe aus der Vergangenheit die Erzählung auf. Sie verlieren sich allerdings zum furiosen Ende zusehends und nehmen so nicht die Geschwindigkeit aus der Erzählung.

Doch worum geht es? Nathaniel, kurz Nate genannt, gehört zur Kartheiser Sippe – eine Verbindung von Werwölfen und befreundeten Menschen, die schon seit vielen Jahrzehnten über einen Bereich der Stadt wachen und auch ihre Finger in der Wirtschaft haben. Er agiert als Beschützer der Sippe, hat aber seine Spannungen mit anderen Werwölfen. Teils, weil er nicht zur echten Familie gehört und später dazu kam, teils, weil er auf den einen oder anderen auch in der Vergangenheit zum Wettstreit traf. Werwölfe sind hier nicht die unnützen romantischen Wesen, von denen es heutzutage im Buchhandel so wimmelt, sondern duale Wesen, die hin- und hergerissen sind zwischen ihren tierischen Instinkten und ihren menschlichen Gedanken und daher ganz reale und greifbare Sorgen haben. Natürlich sind sie reißende Bestien, wenn der Mond stark ist. Sie wissen jedoch ihre Energien zu kontrollieren.

Vampire – man weiß von ihnen, man geht sich jedoch aus dem Weg. Echtes detailreiches Wissen gibt es nicht. Bis Samuel auftritt. Samuel ist für mich eine Mischung aus dem Joker aus den Batman-Comics/-Filmen und purem destruktiven Wahnsinn. Wesensmerkmale wie das Sprechen mit der hohen Stimme eines Kastraten sorgen dafür, dass die Auftritte des Vampirs eine Gänsehaut beim Leser auslösen.

Das Auftreten eines wahnsinnigen Vampirs würde einen Werwolf zwar argwöhnisch werden lassen, aber man würde sich nach wie vor versuchen, aus dem Weg zu gehen. Bis Samuel die Tochter einer Werwölfin ermordet.

Was danach passiert, lässt mich mehrfach schlucken, an einer Stelle wurde ich sogar regelrecht wütend, als…nun ja, ein ganz bestimmter Geruch nicht mehr vorhanden war. Mehr möchte ich nicht andeuten.

Die Geschichte spitzt sich immer weiter zu und nimmt gegen Ende kriegsähnliche Zustände an. Das wirklich gut gelungene Ende glänzt durch eine echte Überraschung, die auch der Leser nicht im Vorhinein erfährt. Ich war so sehr überrascht davon, dass ich zwei Seiten zurückgeblättert habe, in Sorge, etwas überlesen zu haben. Auch hier nochmal ein Plus für diese unerwartete Wendung.

Stilistisch bewegen wir uns einerseits in der bereits genannten hardboiled detective-Richtung, dem eingängigen und so stark von Kontrasten lebenden noir-Genre. Thematisch ist dieser Roman hingegen ganz deutlich contemporary urban fantasy und könnte so auch in der World of Darkness von Onyx Path/White Wolf/CCP stattfinden.

Schreibstil

Ulli Schwan hat eine eindringliche Art, die Geschehnisse an den Leser heranzutragen. Wenn auch oft auf kurze Beschreibungen beschränkt, sind diese dennoch geschickt gewählt und animieren das Kopfkino des Lesers.

Gut abgesetzt sind in der Gedankenwelt des Protagonisten stattfindende Erinnerungen, deren leicht sphärische Art nachvollziehbar die Gefühlswelt von Nathaniel vermittelt. Die aktionistischen Szenen hingegen benutzen einen gänzlich anderen Wortschatz und sind stellenweise sehr drastisch und nichts für zart besaitete Gemüter.

Das Wichtigste neben der Handlung ist bei einem Buch für mich das flüssige Voranschreiten der Handlung und der gut vermittelte Tempowechsel in der Erzählung. Diese private Anforderung meinerseits erfüllt der Roman sehr gut. Ich habe mehrfach das Buch nicht einfach weglegen können, weil es so spannend war.

Ein großes Lob geht hier auch an das Lektorat, denn in Summe kann ich mich nur an ein einziges fehlendes Komma erinnern.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis befindet sich mit 12,95 EUR im normalen Preissegment für ein Taschenbuch. Der Kindlepreis könnte in meinen Augen auch noch 1 EUR günstiger sein. Nichtsdestotrotz erhält man echten Lesespaß für die investierten Euronen. Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden mit der erhaltenen Leistung und habe nichts Besonderes anzumerken.

Bonus/Downloadcontent

Auf der Website des Autors findet sich unter anderem eine zum kostenlosen Download bereit stehende Audio-Kurzgeschichte eines anderen Falls von Nathaniel Palmer.

Fazit

Der Roman „Das Blut der Mondwandler“ nimmt uns mit auf eine Reise in die menschlichen Abgründe, die sich in den Gefühlswelten mystischer Kreaturen wie Werwölfe, Vampire und Magiern widerspiegeln. Der stellenweise sehr düstere Roman lässt sich ausnahmslos gut lesen und ist in seiner eindringlichen Schreibweise ein echter Schatz von Hand eines Newcomer-Autoren.

Die finstere Dramatik des Protagonisten wird gut an den Leser vermittelt. Ich spreche eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus für diese Geschichte um Verrat, Hass, Wahnsinn und auch ein wenig versteckte Liebe. Wie sollen die Samurai gesagt haben? „Die größte Liebe ist die, die nie ausgesprochen wird“.

Ich freue mich auf weitere Fortsetzungen der Geschichte von Nathaniel und brenne darauf zu erfahren, weswegen dieser Name so wenig russisch klingt und auch, was ein mysteriöses Lächeln am Ende bedeutet.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: 13Mann 

 

 

2 Kommentare

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