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Das Mecha-Genre gehört zu den seit Jahren totgesagten RPG-Genres. Wenn man davon ausgeht, dass Mecha-Spiele ihre große Zeit in den 80er/90er Jahren hatten, mag das auch stimmen. Aber wirklich ganz aus der Mode ist das Genre nie gekommen, denn Nischengruppen – und teils auch gar nicht so kleine – habe es am Leben erhalten.

Derzeit erlebt das Mecha-Genre ein ungeahntes Revival. Ob dies nun am Aufkommen neuer Computerspiele wie Mechwarrior Online, Mechwarrior Tactics liegt oder nicht – wer weiß. Aber auch die große Leinwand hat das Thema für sich entdeckt: Hatten Frühwerke wie Robot Jox oder Robots Wars noch den Charme eines Godzilla-Films, so kommt im Juli diesen Jahres mit Pacific Rim ein wahres CGI-Feuerwerk ins Kino.

Schaut man auf die bekannten Vertreter, würde jeder natürlich sofort Battletech nennen, aber auch Systeme wie Palladium Robotech, Mecha, Mekton, D20 Mecha oder GURPS Mecha. Ich möchte stellvertretend vier Spiele (um den Rahmen nicht zu sehr auf Rollenspiele oder Tabletops zu begrenzen) vorstellen.

Das Mecha-Genre

„…Der Mech oder Mecha (von griechisch: mechos) stellt im Bereich der Science-Fiction einen allgemeinen Oberbegriff für heute größtenteils  noch fiktive, pilotierte Laufroboter und roboterähnliche Maschinen dar, welche zum Beispiel humanoid, insektoid oder auch avianoid aussehen können. In den verschiedenen Fiktionen gibt es diese Maschinen in den unterschiedlichsten Bauformen und Größen – von knapp übermenschlicher (über zwei Meter) bis über 20 Meter Größe …“ Quelle: Wikipedia

Mechas oder Mechs (übrigens gesprochen Mek – nicht „ch“) entstammen der japanischen Anime-Kultur, wo die Begeisterung für große Monster im Allgemeinen und Roboter im Speziellen schon immer weit verbreitet war. Bekannteste Urväter sind natürlich Robotech bzw. Macross, die seit 1982 existieren und bis heute weitergeführt werden. Jeder Leser oberhalb des Alters von dreißig Jahren wird aber vermutlich auch noch Comicserien wie Transformers oder Sabrerider kennen.

Betrachtet man Mecha als solche, so lassen sich diese unterscheiden in Mechs, Power Suits und ferngesteuerte Drohnen – wobei die riesigen Mechs, in den ein Pilot sitzt, die häufigste Art sind. Power Suits spielen oftmals nur untergeordnete Rollen, wie die Gilgamesh-Rüstung aus Macross oder die Elementare der Battletech-Clans. Drohnen – egal ob ferngesteuert oder mit eigenem Bewusstsein –   spielen dagegen kaum eine Rolle, kommen aber in Filmen wie Appleseed vor.

Die Mehrzahl aller Mecha/Mechs versuchen dabei nicht mal realistische Bewegungsabläufe einer Maschine abzubilden, sondern wollen humanoide Beweglichkeit in einem dramatischer Rahmen darstellen. Dabei können die Formen aber auch klar tierhaft oder abstrakt sein. Konflikte werden im Anime oftmals – aber nicht immer – im direkten Nahkampf oder sogar mit Nahkampfwaffen entschieden. Vermutlich ist dieser Ansatz durch die asiatische Kampfsport-Kultur entstanden.

Mecha-Anime sind in der Regel laut, schlicht, kampfbetont und die Charaktere bleiben dem vorgegebene Klischee treu, dies wird in fast alle Mecha-Spielen auch so durchgehalten. Ausgerechnet der Genre-Primus stellt hier die große Ausnahme dar.

Mecha (Hero Publishing)

mechaMecha ist wohl unter den vier vorgestellten System dasjenige welches am meisten polarisieren kann: Man liebt es oder hasst es! Sowohl Charaktererstellung, als auch Ablauf der Epsioden (Spiel-Sessions) und der Kampf sind darauf ausgelegt, dass Spielleiter und Spieler möglich narrativ veranlagt sind. Es geht darum blumig zu erzählen, was gerade passiert, da das Kampfsystem kaum eigene Dramatik aufbaut. Gespielt wird auf der sogenannten Bullet-Eye-Map, einem Fadenkreuz mit Sektoren und Quadraten. Auch die Proben sind einfach gehalten, da ein Wert die Anzahl der Würfel bestimmt und ein zweiter Wert den zu unterwürfelnden Wert. Die Ressource, die dem Spiel die Würze gibt, nennt sich Overdrive. Gelingt es dem Spielen mehr als 5 Erfolge zu würfeln, erhält er Overdrive, welches er nutzen kann, um sich Erfolge zu kaufen oder Spezialfähigkeiten zu setzen.

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Bullet-Eye-Map

Alleinstellungsmerkmal unter den genannten Systemen ist bei Mecha aber die enge Bindung von Mech und Pilot: Je nach Spezialfähigkeit des Mechs erbt der Pilot eine Charaktereigenschaft. Wenn er diese ausspielt, erhält er dadurch Erfahrungspunkte. Alles in allem sind den Charakteren alle Möglichkeiten offen, aber weiter entwickeln können sie sich nur, wenn sie ihrer Serienrolle entsprechen.

Das Spiel lebt definitiv davon, dass man seiner Fantasie freien Lauf lässt. Mit einem schlichten „Ich  habe zwei Verteidigungserfolge mehr als er Angriffserfolge“ wird man nicht glücklich werden, da sollte es schon ein dramatisches „Ich haste durch den Birkenwald, während er mit seiner 30mm Autokanone hinter mir die Erde aufreißt…..“ und so weiter sein.

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Palladium Robotech

411120-robotech_rpg_cover_superViele erfahrene Rollenspieler hatten schon mal Kontakt zum Megaversum und verbinden damit eine intensive Hass-Liebe, die aus dem extrem schwierigen Charakterbalancing resultiert. Beschränkt man sich aber auf das 1986 Robotech, so tritt das Problem nicht auf, da ähnlich wie im Battletech-Rollenspiel, die Spieler entweder gemeinsam in den Maschinen sitzen oder eben nicht. In der Regel sollte es nicht vorkommen, dass normale Menschen gegen die Kriegsmaschinen der Zentraedi oder Marduk antreten. Neben den Mecha (als Boden-, Flug- oder Transformervariante) der UN-Spacy stehen aber auch Power-Armors als Zwischenlösung zur Verfügung. Das Spiel basiert auf den Ereignissen der Anime-Serie Macross.

Einige der Robotech-Mecha (Spartan, Tomahawk oder Defender) fanden unter anderem Namen  (Schütze, Kriegshammer und Kampfschütze) Einzug in erste Edition des Battletech-Tabletop, bis Playmates / Harmony Gold auf die Urheberrechte pochten.

Palladiums Robotech gehört zu den wenigen „echten“ Lizenzprodukten, die sich auf ein direktes Anime-Vorbild beziehen dürfen. Und diese Lizenz wurde auch ordentlich genutzt mit immerhin 26 Regelwerken und Quellenbüchern. Die Auswahl der Mecha beruht hier streng auf der Vorlage, wodurch diese auch recht klein ist, dafür aber sehr menschlich handelt und Kämpfe eher action- denn realitätsnah sind.

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Mittlerweile ist sogar ein offizieller Nachfolger erschienen: Verlag: Klick | Amazon: Klick

Mekton Zeta

mekton_zetaMekton baut auf dem renommierten Interlock-System auf, wie es auch von Cyberpunk 2020 verwendet wird. Strenggenommen übrigens genau anders herum. Charakter haben auch hier 10 Werte zwischen 1-10, die in Kombination mit Talenten dann als Bonus auf W10-Würfe addiert werden, um einen vom Spielleiter festgelegten Wert zu übertrumpfen. Das ist intuitiv zu begreifen und das Erstellen eines Charakters geht schnell von der Hand. Die vorgegebene Archetypen sind dabei typische Anime-Vorstellungen, wie der Serienheld, seine Freundin, der treudoofe, aber geniale Techniker und und und. Sehr passend und doch nicht allzu einschränkend.

Besonderes Augenmerk liegt dann auf der „Erschaffung“ des Mektons. Die Regeln sind sehr komplex und vielschichtig, legen aber Wert darauf, dass am Anfang ein Konzept des Mektons steht. Es geht also nicht vorrangig um Kampfeffizienz, sondern darum eine Idee umzusetzen. Darum spielt es auch keine Rolle, ob ein Mekton humanoid, tierisch, panzer- oder fliegerähnlich ist.

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Battletech

15682_0Ausgerechnet das bekannteste aller Mech-Spiele ist gleichzeitig auch der atypischste Vertreter seiner Zunft: Battletech hat sich vollständig vom Anime-Vorbild gelöst und setzt stattdessen auf eine militär-technisch-realistische Darstellung und Spielweise. Nur noch der frühe Anfang der Battletechreihe weist Ähnlichkeit zu den Mecha anderer Spiele auf. Die als Unseen-Mechs bekannten Roboter waren direkt angelehnt an Robotech und verschwanden dann erst wegen Lizenzstreitigkeiten. In der aktuellen Edition erinnern nur noch die FLUMs (transformerähnlich Flugmechs) an die Wurzeln des Spiels.

Kein zweites Spiel bietet so viel Auswahl an Mechs, aber auch Fahrzeugen, Fliegern und Infanterie wie Battletech. Alleine ein halbes Dutzend Technical Readouts stellen die Varianten der jeweiligen Zeitlinien vor.

Weitere Mecha-Spiele

Neben den vier vorgestellten Systemen gibt es natürlich noch reichlich mehr. Es gibt aber auch für fast alle Systeme Fanwerke und Conversions für Mech-Spiele:

Artikelbilder: diverse Verlage, Silhouette von exphrasis auf deviantart.com, CC-Lizenz

 

11 Kommentare

  1. Bei Battletech wre vielleicht noch zu erwähnen, das – im Gegensatz zu den anderen genannten Spielen – das RPG grundsätzlich immer in ein eigenes Produkt ausgelagert wurde.

    Nicht das jemand z.B. TW kauft und sich wundert. ;-)

    • Mecha RPG-Genre und unseres Wissens nach, gibt es da nicht mehr als Gundam Senki. In einem generellen Artikel übers Mecha-Genre würde Neon Genesis Evangelion, Gundam etc etc natürlich reingehören!

  2. Das Mecha Genre ist eines das meiner Meinung nach generell sehr polarisiert. Speziell wenn das Hauptaugenmerk auf humanoiden aufrecht gehenden Kampfmaschinen liegt, bzw. diese das erste sind was einem bei dem Wort ‚Mecha‘ in den Sinn kommt.

    Ich persönlich bin von Mecha in diversen ausprägungen ja fasziniert. Während ich mit dieser Meinung nicht ganz alleine bin, wage ich aus persönlicher Erfahrung aber zu behaupten, dass die Hälfte meiner RP Gruppe genau gegenteiliges denkt. Dazwischen gibt es nicht viel.

    Ich persönlich hatte ja große Hoffnungen auf die neueste Iteration des Battletech RPGs gessetzt. Leider hat mir das System dann nicht so zugesagt und auch den Spagat zwischen Mecha und Character RP hat es im Eneffekt nicht so geschafft wie ich mir das erhofft hatte. Aber dieser Eindruck stammt noch aus der Beta, lasse mich da also gern eines besseren belehren wenn sich da doch was getan hat.

  3. @Christian: Das ist aber ein Effekt, der vielen Mecha-RPGs zu eigen ist, dass die Charakterhandlung im Prinzip im Mecha endet.
    Bei BT ist das aber besonders extrem. Was daran liegt, dass die technisch-realistische Fixierung kommt Aktion-Spiel zulässt. Kaum jemand riskiert eine Aktion um des Effekts willen.
    Das Solaris-VII-Regelwerk kann man dafür sehr gut nutzen, leider ist es für größere Schlachten wiederrum nicht geeignet.

    Was die Sache mit der Hass-Liebe abgeht: Ja das mag wohl stimmen. Interessanterweise kenne ich kaum eine Genre, wo Frau noch extremer unterpräsentiert sind. Vielleicht sind Stahlkolosse doch sehr männliche Allmachtsphantasien :)

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