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Die Idee ist nicht neu. Irgendwo im All gab es diese eine Ur-Rasse. Die erste, die da war. Die erste, die sich nach anderen sehnte. Die erste, die andere bewohnbare Welten fand und das Leben erschaffen hat. Mal als Experiment, mal um Gefährten in der Ewigkeit zu haben, mal als Schocktruppen gegen einen Feind oder für Eroberungen und mal als Sklaven.

Aber rollen wir das Thema doch einmal etwas weiter auf. Wenn wir also davon ausgehen, dass es diese Ersten gab, dann unterstützen wir die Theorie des Urknalls, oder? Dieser sagt uns doch nichts anderes, als dass alles (!) einst an einem Fleck war und aus unerfindlichen Gründen mit vehementer Wucht in den Raum geschleudert hat – dadurch aber erst Raum und Zeit erschuf.

Den Urknall aufgreifend, muss es also während der Expansion des Weltalls eine Welt gegeben haben, die sich früher als alle anderen entwickelte und damit eine hohe Zivilisationsstufe besaß.

Was kann nun dazu geführt haben, dass sich das Leben auf einem bestimmten Planeten weit vor den anderen Welten entwickelt hat? Die meisten phantastischen Welten lassen uns damit allein, denn derart metaphysische Gedanken stehen eher selten im Fokus einer Erzählung.

Und wieso beleuchte ich dieses Thema überhaupt? Nun, der Monat steht unter dem Motto Fremde Kulturen  und was kann fremder sein, als eine Rasse, die uns wiederum so ähnlich ist (weil sie uns schuf), dass es uns Angst macht?

Beispielhaft greife ich vier Fallbeispiele von mächtigen Ur-Rassen auf, um anschließend zu erörtern, wie ich diese Hintergründe in Rollenspielwelten nutze.

Beispiele

Ancients /Anquieta

Die Anquieta sind eine vor Millionen Jahren entstandene Rasse aus dem Stargate Universum. Dank ihrer überlegenen Technologie entwickelten sie Sternentore, die Stargates. Mittels dieser bauten sie ein Netzwerk über ganze Galaxien hinweg und verschifften auch Menschen über die Tore, um andere Welten zu besiedeln. Es wird nicht endgültig klar, ob die Anquieta auch die Menschen gezüchtet haben, abgeleitet vom sehr ähnlichen Aussehen liegt der Schluss jedoch nahe. Auch in der Serie Stargate:Atlantis fallen mehrere Hinweise in diese Richtung, die aber nicht endgültig bewiesen werden. Fakt ist wiederum, dass die Anquieta ihre eigene Nemesis erschaffen haben, die Wraith.

Dies ist ein oft wiederkehrendes Thema in vielen Ur-Schöpfungsgeschichten, auf welches ich später eingehen möchte. Letztlich fast ausgerottet wurde die Rasse durch eine Seuche, von der es  heißt, ihre ethisch anders denkenden Geschwister, die Ori, hätten sie verursacht. Die Anquieta, die auf der Erde verblieben, vermischten ihre Gene mit denen der primitiven Menschen und verhalfen ihnen so zu einer beschleunigten Evolution. Gen-Fragmente der Ur-Rasse sind noch bis in die Gegenwart in der DNA weniger Menschen nachweisbar und geben diesen die Möglichkeit, verschollene Technologie der Anquieta zu nutzen. Die Stargate:Atlantis-Expedition hat einige dieser Menschen in ihren Reihen.

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Doyen

Das Rollenspiel Trinity aus dem Hause White Wolf (jetzt Onyx Path) hat die Verteidigung der Erde gegen äußere wie innere Feinde zum Thema und spielt im 22. Jahrhundert.

Spieler spielen psionisch begabte Charaktere, die in Orden organisiert sind. Wie so oft in vielen Spielen aus dem Haus White Wolf fehlt eine genaue Abschattierung zwischen Gut und Böse, alles verläuft in Grautönen. Die Psioniker kämpfen hauptsächlich gegen sogenannte Aberranten.

Zur Jahrtausendwende kam es zu einem plötzlichen Evolutionssprung, bei dem Menschen mit Superkräften ausgestattet wurden. Dies führte zuerst zu einem goldenen Zeitalter der Menschheit, aber in Folge einiger Taten extremistischer Elemente zum größten Krieg, den die Erde je erlebt hat.

Gut ein Drittel der Weltbevölkerung wurde ausgelöscht. Anstatt die Erde zu vernichten, verschwanden die Aberranten jedoch in unbekannte Gefilde. Nun, fast 150 Jahre nach dem Krieg, kehren sie zurück. Während die Aberranten durch (nicht ganz so plötzliche und zufällige) Evolution entstanden, wurden die Orden von Einzelpersonen gegründet, die in ihrer Vergangenheit alle auf dem Mond waren und verändert zurückkamen.

Diese Menschen wurden von den Doyen erwählt – einer unermesslich alten Rasse, die aus purer psionischer Energie besteht und jenseits von Raum und Zeit existiert. Doyen werden von der Energie, die Aberranten erzeugen, getötet und so haben sie wenige Menschen mit jeweils einer Schattierung ihrer Macht ausgestattet und ihnen die Technologie gegeben, weitere Menschen mit der Macht über psionische Energien zu beschenken.

Die Katze beißt sich an der Stelle in den Schwanz, an der es in früheren Versionen der Metaplotlinie hieß, dass die Aberranten in erster Instanz erst durch den Tod eines Doyen entstanden sind. Wieder also hat eine Urrasse (hier jedoch nicht freiwillig) ihre eigene Nemesis erschaffen. An anderen Stellen in den Quellenbüchern lässt sich ableiten, dass die Doyen auf diversen Planeten von verschiedenen Rassen als Götter verehrt werden.

In diesem Universum erschuf die Ur-Rasse nicht das Leben an sich, sondern die bislang mächtigsten Wesen – und damit ihren eigenen Untergang.

Star Trek

Über das Star Trek Universum noch Worte zu verlieren, würde den Umfang dieses Artikels bei Weitem sprengen. Viel eher möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Folge Das fehlende Fragment aus der sechsten Staffel von Star Trek: The Next Generation lenken.

In dieser Folge stößt die Besatzung der Enterprise auf Zahlencodeblöcke auf Artefakten alter Kulturen, die entschlüsselt werden müssen.  Schnell findet man heraus, dass es abstrahierte DNA-Sequenzen sind. Nach einigen Zwischenkapiteln ist die Enterprise im Orbit über einem Planeten, es sind jedoch auch Cardassianer, Romulaner und Klingonen anwesend, die alle eigene Fragmente der Sequenzen haben. Gemeinsam – nicht ohne Spannungen – entschlüsseln die Fraktionen die Sequenzen und findet heraus, dass diese offenbar eine Sternenkarte beinhalten, die tief im genetischen Code von vier Rassen verborgen liegt.

Der Karte folgend, kommen alle zu einem Planeten und treffen dort auf ein Hologramm einer vor langer Zeit ausgestorbenen Rasse. Dieses erklärt, dass man im Wunsch, nicht gänzlich verloren zu sein im Strudel der Geschichte, Gensaat in den Ozeanen der Heimatplaneten der anderen Rassen ausgeworfen hat – die vier (und alle anderen humanoiden) Rassen also indirekt die Kinder der Uralten sind. Das Hologramm verblasst mit dem Wunsch an eine gemeinsame friedliche Zukunft der Kinder.

Diese Ur-Rasse wollte nicht vergessen werden. Und verbarg die Informationen zur Herkunft allen Lebens so tief, dass nur eine weit entwickelte Technologie sie aufdecken konnte.

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Prometheus

Die Engineers, auch Mala’kak oder Space Jockeys genannt, sind eine außerirdische Rasse, die zwar schon länger zum Universum der Filmserie Aliens gehört, aber erst deutlich in dem Film Prometheus dargestellt wurden. Die Ingenieure/Erbauer tragen ihren Namen, da sie mittels hochentwickelter Biotechnologie Leben erschaffen haben. Einige Interpretationen und Aussagen des Films gehen soweit, dass die Xenomorphe, also die Monster aus den Aliens-Filmen, von Ihnen als Biowaffe erzeugt wurden. Die Mala’kak waren auch auf der Erde vor Äonen und ein Einzelner von ihnen hat die menschliche Rasse erzeugt, indem er sich in eine Flüssigkeit zersetzte, mittels der er die Urmeere fruchtbar machte und so die ersten einzelligen Lebewesen erschuf.

Aus etwas befremdlichen Gründen im Storyboard hat später eine Fraktion von Mala’kak vor, die Menschheit auszurotten, indem sie ein Pathogen in die Atmosphäre entlassen. Die Entwicklungsarbeit dazu ging jedoch schief und hier setzt der Film an.

Wie diese neue Erklärung jedoch zu den Indizien passt, dass die Predatoren die Aliens als Sportbeute erschaffen haben (entsprechend ließ sich aus Comics und Filmen ableiten), wird hier nicht aufgegriffen. Andere Quellen sagen, dass die Predatoren die Aliens fanden und als Beute auf Platen ausgesetzt haben.

Alles in allem ist also das Aliens-Universum noch sehr lückenhaft und widersprüchliche Aussagen des Teams rund um die Filmmacher lassen darauf schließen, dass das Storyboard noch nicht einheitlich geschrieben ist.

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Meta-Plot?

Was bedeuten solche, teils sehr machtvolle, Rassen und deren Einfluss nun für das Erschaffen des Hintergrundes einer Spielwelt im Tischrollenspiel? Vor allem Geheimnisse und Mysterien, denn offen sollten solche Informationen nie zugänglich sein.

Viel eher ist es in meinen Augen so, dass aus dem reinen Ansatz, es gäbe eine Ur-Rasse, viele Plotideen geboren werden können. Was wollten sie einst auf der Erde? Wo sind Spuren ihres Wirkens? Gibt es noch Anzeichen für Gefolgsleute, die seit Generationen den Anweisungen und Idealen folgen? Ist ihr Wirken eine Note in der Vergangenheit oder läuft ein Master-Plan, dessen Auswirkungen noch bis heute zu spüren sind, wenn man nur weiß, wo man nachforschen muss?

Wenn ich als SL eine Gruppierung entwickele, ist es immer wichtig, zuerst die Grundzüge stehen zu haben. Auf diese Pfeiler kann ich dann bauen. Um diese Grundzüge festzulegen, sollte ich mir folgende Fragen stellen:

  • Wer sind sie?
    • Was für eine Kultur? Woran glauben sie? Was ist ihnen wichtig? Welche Wertmaßstäbe?
    • Welches Aussehen? Wie leben sie? Wie ist ihre Heimatwelt aufgebaut, was lässt sich davon ableiten für ihr Leben?
  • Warum erzeugen sie anderes Leben?
    • Aus Neugier?
    • Aus Experimentierfreude?
    • Wegen eines höheren (niederen) Ziels?
  • Wie sieht die Zeit nach der Erschaffung aus?
    • Sind sie noch da? Existieren sie überhaupt noch?
    • Was waren/sind ihre Pläne?
    • Haben sie sichergestellt, dass ihr Plan auch ohne ihre Anwesenheit weiterläuft?
    • Wo finden sich Spuren auf ihr Wirken? Wie schwer sind diese zu entschlüsseln?

 

Kurz gesagt, lässt es sich auf ihre Identität und ihre Motivation eindampfen. Sind diese Punkte abgehandelt, habe ich als SL ein gutes Gefühl, die Gruppierung in sich konsistent darzustellen zu können. Selbst dann, wenn ich gezwungen bin, zu improvisieren.

Wieso nun eigentlich Meta-Plot? Weil das Wirken dieser Ur-Rasse oft genug nur stark im Hintergrund, als eines der größten zu lüftenden Geheimnisse, zu finden ist. Das Handeln der Ur-Rasse bestimmt den Lauf der Welt. Oft nur in Nuancen, aber diese reichen aus, eine Wirkung zu erzielen.

Nicht jeder Spieler(innen)-Typus mag es jedoch, dauernd Hinweise auf irgendwas Achsouraltesundmächtiges im Hintergrund zu bekommen, selbst aber nur ein Teil von deren gigantischer Maschine zu sein. Vielleicht ein Rädchen, welches sich gegen den Lauf der Maschine dreht, aber nichtsdestotrotz nur ein Rädchen.

Extremely high fucking epic plot!

Dann aber wiederum gibt es noch die Möglichkeit, direkt Teil der Geschichte rund um die Ur-Rasse zu werden. Sie zu bekämpfen, mit ihnen an einem Strang ziehen, ihnen die Butter vom Brot stehlen  – all diese Varianten einer Geschichte dieses Spektrums sind möglich.

Führen wir uns vor Augen, dass die Weltensäer eine immens technologisch fortgeschrittene Rasse sind, kann der Schluss daraus nur heißen, dass die anstehende Kampagne epische Proportionen erhält.

Aber auch hier kann ich mir als SL einige Gedanken machen, die helfen, dass die Geschichte in sich konsistent bleibt. Natürlich brauche ich die vorhergehenden Gedanken eines Absatzes weiter oben auch.

  • Warum sollen sie bekämpft werden?
  • Warum können SCs auf die Idee kommen, mit ihnen an einem Strang zu ziehen?

 

Hier geht es also um Motivation, dieses Mal der Spielerseite. Aber auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Egal, ob für oder gegen die Weltensäer, SCs brauchen Werkzeuge, mit denen sie arbeiten können:

  • Bekämpfen: Sind sie mit normalen Waffen verletzbar? Müssen erst welche konstruiert werden? Sind die Weltensäer so mächtig, dass sie Göttern gleichkommen? Wenn ja – welche Wege haben SCs, dem Feind gegenüber zu treten, ohne dass er sie einfach zerschmettert?
  • Unterstützen: Warum brauchen die Weltensäer, die doch so mächtig sind, die Hilfe der SC? Welche Aufgaben können sie übernehmen, die zugleich wichtig sind und doch nicht von der Ur-Rasse selbst erledigt werden können? Sind es nur „niedere“ Arbeiten oder wirklich Schlüsselziele?

 

Spieler wollen sich nicht als Zuschauer einer epischen Geschichte wissen, sie wollen dran teilhaben. Also gebt Ihnen Mittel und Wege!

Fazit

Eine Rasse, die dem Prädikat Weltensäer genügt, in das Spiel zu bringen, ist nicht Jedermanns  Sache.  Oft neigen diese Spielrunden dazu, trotz aller Heimlichtuerei des SL nach gewisser Zeit in epische Ausmaße zu explodieren. Nicht jeder Spieler möchte aber in einer so weltenerschütternden Kampagne spielen. Viele schätzen die leisen Töne mehr als die lauten.

Zugegeben, auch eine detektivische Kampagne in Lovecrafts cthulhoiden Welten hat den Dunst des Einflusses der Weltensäer, hier die Großen Alten.

Sie einzubauen ist also nicht schwer und an vielen Stellen finden sich Inspirationen, doch der richtige Einsatz mag wohl überlegt sein.


Dieser Artikel ist Teil der Thementage Fremde Kulturen. Hier geht es zur Übersicht: Klick

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Artikelbild: ba1969 auf sxc.hu

 

 

3 Kommentare

  1. Schöner Artikel.
    Von solchen Rassen wimmelt es ja in der Sci Fi geradezu.
    Arthur C.Clark nannte sie in seinen Romanen einfach nur die „Ancients“. Wobei hier nie ganz klar wird, ob sie das Leben, das sie untersuchen auch erschaffen haben.

    In der Mass Effect Reihe sind es zunächst die Protheans denen die Sprungtore und diverse andere Sachen so zugeschrieben werden, was sich aber im Laufe der Reihe als falsch herausstellt.
    Denn so wie es scheint, war da doch noch etwas mehr.
    Will ja nicht spoilern. ;)

    In meinem lieblings RPG „Fading Suns“, sind es die Annunaki, oder schlicht „Ur“, die alles verursacht und letzendlich versaubeutelt haben. Wiedermal Sprungtore, Schwetserrassen und Krieg der „Götter“.

    Oft wiederholt, oft ähnlich, aber nie wirklich langweilig. :)

  2. Schöner Artikel!
    Ich selber habe solche „Ur-Rassen“ bei mir in den Runden immer nur am Rand auftauchen lassen, weil sie doch schon eine ziemliche Erschütterung im Machtgefüge hervorrufen können. Ausserdem hat das Auftauchen so einer Rasse irgendwie einen faden Beigeschmack – es gibt diese Art von NSCs einfach in fast jedem System und ich finde die Thematik einfach ein bisschen verbraucht mittlerweile.

  3. Vielen Dank für Euer Feedback! Ich stimme mit Euch überein, dass der Einsatz einer solchen Rasse wohl überdacht werden muss. Und ja, das Thema ist oft benutzt worden und manchmal vielleicht etwas ausgelutscht. Schwer ist es, sich da etwas Neues auszudenken. Gelingt das aber, kann es nur bereichernd sein

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