Shadowrun: Fünfte Edition – erste Erfahrungen mit dem Schnellstarter

„Alles neu macht der Mai“ sagt man. Zumindest für die deutsche Version von Shadowrun gilt das ein wenig, denn vor wenigen Tagen ist der Schnellstarter für die neue Version des traditionsreichen Rollenspiels erschienen. Im Rahmen der RPC am vergangenen Wochenende hatte ich dann auch die Chance, diese das erste Mal in Aktion zu erleben. Dort gab es auch die Druckversion – vor der englischen, wohlgemerkt!

Die Regeln

Das grundlegende Würfelsystem ist gleich geblieben: Man würfelt mit einer Anzahl W6, die sich üblicherweise aus Attribut+Fertigkeit+/- Modifikatoren berechnet, jede 5 oder 6 zählt als ein Erfolg. Je mehr Erfolge, desto besser ist die Probe.

Die großen Änderungen

Eine neue Edition braucht aber natürlich auch neue Regeln. Und an ein paar Stellen gab es wirklich signifikante Änderungen:

Initiative – Nachdem mit der vierten Edition ein komplett neues System eingeführt worden war, wird in der fünften wieder ein Schritt zurück zur dritten Edition gemacht: Die Initiative wird wieder mit einer Anzahl W6 plus Bonus gewürfelt. Jeder ist einmal dran, dann wird 10 von der Initiative abgezogen, wer noch über 0 ist, ist noch einmal dran. Das wird so lange wiederholt, bis keiner mehr Aktionen hat. Man kann sich also nicht mehr auf die Anzahl an Aktionen verlassen, die man hat.

Würfelsystem – Neben den bekannten Parametern wie Würfelpool und Schwellenwert (Mindestanzahl an Erfolgen, die benötigt werden) kommt der neue Wert Limit hinzu. Dieser gibt die maximale Anzahl an Erfolgen an, die man bei einer Probe erreichen kann. Wenn  ein Ausrüstungsgegenstand maßgeblich an der Probe beteiligt ist (Hacken, Schießen), dann gibt dieser das Limit an. Bei den anderen Proben auf Attribut+Fertigkeit hat jeder Charakter angeborene Limits für körperliche, geistige und soziale Proben. Bei den Beispielcharakteren liegen diese alle zwischen 4 und 8, wobei 5 der normale Wert zu sein scheint. Bei Proben auf zwei Attribute gibt es kein Limit.

Tödlichkeit – Die Schadenswerte aller Waffen liegen über denen der vierten Edition. Die Panzerungswerte sind auch höher, und es gibt, zumindest in den Schnellstartregeln nur noch einen Panzerungswert. Auch der Pool für Ausweichwürfe ist erhöht worden, aber wenn man dann doch mal getroffen wird, ist es schneller vorbei als zuvor. Der Schaden des einzigen Kampfzaubers, der bisher bekannt ist, ist dafür massiv gesunken: Der Manablitz macht nur noch (Nettoerfolge)K Schaden, hat also nicht mehr die Kraftstufe als Basiswert.

Apropos Zauber – Zumindest in den Schnellstartregeln gibt es keinen Entzug mehr. Da aber angedeutet wird, dass Zauberer normalerweise die Kraftstufe des Zaubers beim wirken wählen können, gehe ich eher davon aus, dass dieser in den vollen Regeln wieder zurückkehren wird.

Edge – Welches Edge?! Nachdem der Karmapool von der dritten zur vierten Edition in den Wert Edge verwandelt wurde, ist dieser nun komplett verschwunden. Aber vielleicht ist auch das nur den Regelkürzungen für den Schnellstarter geschuldet.

Die kleinen Änderungen

Hacking – Es gibt nun wieder Cyberdecks, normale Comlinks sind scheinbar nicht mehr zum Hacken geeignet. Dazu gibt es neuerdings Marken, die man setzen kann, um damit mehr und mehr Kontrolle über ein Gerät zu erlangen. Ab vier Marken erkennt das System einen als Besitzer an, mit ein bis drei Marken ist man Benutzer mit unterschiedlich vielen Rechten.

Feuermodi – Bei den Waffen sind keine Feuermodi mehr angegeben, ich gehe aber auch hier davon aus, dass das mit dem Schnellstart zu tun hat und keine Regeländerung ist.

Aktionen – Einige Aktionen sind nun nicht mehr frei, sondern einfach: Sich hinwerfen und ein Objekt fallen lassen zum Beispiel. Eine halbautomatische Waffe abfeuern ist zur komplexen Handlung geworden.

Natürlich gibt es noch unzählige andere Dinge, aber das sind die Änderungen, die mir direkt ins Auge gesprungen sind, und die durchaus weitreichende Folgen haben könnten.

Spielwelt

Bisher ist noch relativ wenig an gesicherten Informationen zur Spielwelt zu finden. Es wird offenbar keinen großen Zeitsprung geben, das Jahr ist 2075. Wie die aktuellen Storylines (so zB der Drachenkrieg oder das Hadern um Horizon) weitergehen, ist noch unklar.

Insgesamt soll die Welt wieder mehr Richtung Cyberpunk gehen, und weniger Hochglanz sein, als in der letzten Edition. Was genau das bedeutet, muss sich aber im Oktober zeigen, wenn das Grundregelwerk mit mehr Informationen erscheint.

Fast Food Fight

Neben dem Regelheftchen gab es am Stand von Pegasus auch Einführungsrunden, die das, ebenfalls im Heftchen enthaltene, Abenteuer „Fast Food Fight“ spielten. In einer dieser Runden konnte ich einen Platz ergattern und so einen ersten Eindruck vom neuen System erlangen.

Es gibt vier Beispielcharaktere, entnommen aus den üblichen Archetypen des Systems, wobei ich es verwunderlich finde, dass ein Ork (Hacker), ein Zwerg (Schamane) und zwei Menschen (Straßensamurai und Waffenadept) dabei sind, wobei einer der Menschen sogar noch ein Orkposer ist. Also 1,5 Orks, 1,5 Menschen, 1 Zwerg. Warum nicht mehr Charaktere, um dann auch alle Rassen dabei zu haben?

In unserer Runde war jeder Archetyp genau einmal vertreten, ich habe den Orkposer Waffenadepten gehabt. Der Spielleiter hat nicht einmal nach Namen gefragt, sondern einfach mal stur vorgelesen, was in dem Abenteuer stand.

Das Abenteuer an sich verdient diesen Namen eigentlich nicht, denn es hat exakt 0, in Worten Null, Möglichkeiten, vom vorgegebenen Pfad abzuweichen. Egal was man tut, es wird immer genau auf das Selbe hinauslaufen. Und der Spielleiter hat sich auch nicht die Mühe gemacht, da etwas dran zu ändern, oder mehr Stimmung aufkommen zu lassen. Hoffen wir, dass die offiziellen Kampagnen nicht auch so sind (…).

Dummerweise hat die Gruppe, mit der ich das Abenteuer gespielt habe, zu viel Erfahrung in Shadowrun gehabt, weshalb wir es mit allerlei anderen Methoden versucht haben, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen. Das führte dazu, dass zwei der vier Charaktere in der ersten Runde des Kampfes nicht dabei waren. Der Magier war noch beschäftigt, Verteidigungszauber hochzuziehen, so dass die einzige offensichtliche Bedrohung von allen Gegnern auf Korn genommen und sofort ausgeschaltet wurde. Was folgte, war ebenso kurz wie schmerzhaft, und ist das, was man gemeinhin als TPK, Total Party Kill, bezeichnet.

Nach dem Versagen habe ich mir das Abenteuer einmal durchgelesen und muss sagen, dass ich bezweifle, dass besonders viele Gruppen diese Begegnung überleben, es sei denn, sie stürmen direkt mit gezogenen Waffen in den Laden, und erschießen alle Gegner bevor die Zeit haben, sich vorzubereiten. Also genau das, was Shadowrun in meinen Augen nicht sein sollte. Schade.

Abgesehen von diesem Debakel erfüllte das Abenteuer aber durchaus seinen Zweck, nämlich als Systemdemonstration herzuhalten. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Limits nicht ein einziges Mal eine Auswirkung hatten, die Varianz der Würfe gewohnt hoch ist. Sterben geht sehr viel schneller als vorher, die Würfelpools sind für Feuerwaffen nicht zuletzt durch die Änderung des Smartlink-Systems von +2 Würfeln auf +2 Limit kleiner, die Verteidigungspools dafür größer geworden, und der Hacker brauchte durch die neuen Marken länger, um etwas zu tun. Und dass bei der Inititative Würfelglück wieder eine erhebliche größere Rolle spielt.

Zum Magier kann ich gar nichts sagen, der hat sich nur auf der Toilette eingeschlossen und nicht aktiv am Kampf teilgenommen. Feige Ratte!

Insgesamt konnte ich noch nicht wirklich erkennen, warum denn nun schon wieder eine neue Edition gebraucht wurde. Bis auf die Tatsache, dass für die vierte Edition nun alle wichtigen Regelwerke erschienen sind, was dazu führt, dass man etwas ändern muss, damit neue Regelwerke wieder gekauft werden. Verdammter Produktzyklus!