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Vor fast einem Jahr durfte ich die österreichische Steampunk/Fantasy-Perle Finsterland kennenlernen. Schnell war ich von dem System gefesselt, welches leichtgängige Regeln (mit jedoch unerwarteten statistischen Kapriolen bei Ergebnissen von Würfelwürfen) mit vor allem viel Hintergrund verbindet.

Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir zehn Spielabende, exklusive Charaktererschaffung, hinter uns. Der Einstieg in ein nicht historisch korrektes 19. Jahrhundert, ja gar eine gänzlich andere Welt, fiel mir deutlich leichter als bei anderen vergleichbaren Systemen. Grund ist vermutlich, dass ich nicht jedes Detail des alltäglichen Lebens umfangreich recherchieren musste, sondern mich nur auf die Ideen und Anregungen aus den Quellenbüchern verlassen konnte. Diese gestalten sich angenehm frei und die Spielwelt lässt Raum für eigene Ideen.

Um alle Leser ins Boot zu holen, möchte ich auf die drei Rezensionen der bis dato existierenden Rollenspiel-Quellenbücher verweisen:

Jeder an dem Spiel Interessierte sollte nun wissen, worum es geht.

Zugegeben, für einen Eigenverleger sind drei Hardcover-Bücher (und ein jüngst erschienener Kurzgeschichtenband) eine wirkliche Masse an hochqualitativen Veröffentlichungen. Dazu gesellen sich noch die Informationen des Rollenspielsystem-Wikis zu Finsterland und die üppigen Downloads auf der Website des Spiels.

Diese wahre Fülle an Beschreibungen, Informationen und Plothooks sorgt vor allem bei Spielleitern für ein gewisses Wohlgefühl. Wenn auch die Welt frei genug ist, jederzeit Eigenes in sie hinein zu definieren, finden nicht ganz so kreative Köpfe hier genug Ideen und Anregungen.

Herausragend fanden wir, dass einige Orte und Personen, die wir uns erdacht haben, nun auch offizieller Bestandteil der offenen Welt von Finsterland sind. Generell waren wir sehr begeistert, wie flüssig die Kommunikation mit den Machern ist, denn wir hatten einige Fragen zu Welt und Regeln und haben diese binnen 24 Stunden beantwortet bekommen.

In dem Zusammenhang möchte ich zum Beispiel auch erwähnen, dass lediglich die Anfrage nach einer Battlemap für die Kanalisation dafür gesorgt hat, dass diese nach einer Woche vorlag. Grandios! Apropos Battlemaps – das System arbeitet, wie aus den Rezensionen ersichtlich, nicht mit feldgenauer Abstandsmessung, sondern mit abstrakten Zonen und geht damit den Mittelweg zwischen mathematischer Genauigkeit und erzählerischer Freiheit. Ein System, dass mir durchaus zusagt und auch gut im Spiel funktioniert. Dabei wird jedoch klar, dass einige taktische Optionen im Gefecht fehlen, wie Full Defense und anderes. Aber auch hier habe ich schnell Vorschläge erhalten, wie so etwas umzusetzen wäre.

Wie es dazu kam, dass die Österreicher von unserer Testrunde erfuhren? Nun, wir führen zum Nachhalten der Ereignisse, NSCs und Orte ein eigenes Wiki. Wer interessiert ist, was in unserer Finsterland-Kampage geschah, findet hier den Link (Klick). Weitere Ereignisse werden jeweils nach den Runden von unserem Chronisten dort erfasst.

Die Kurzzusammenfassung:

Vier Menschen, alle von Bedeutung auf die eine oder andere Art für die Spielercharaktere, wurden entführt. Immer wieder weisen Spuren auf den Untergrund hin und nahe den Orten der Entführungen wurden riesige Löcher gefunden, die tief in das Erdreich hineinführten. Geflüsterte Erzählungen vom alten Feind, den Eisenmeistern, machten schnell die Runde und bevor die Charaktere sich versahen, waren sie tief in ein turbulentes Abenteuer hineingestürzt. Letztendlich hat sich sogar der kaiserliche Geheimdienst eingeschaltet und sie als Hilfsagenten in die Maschinenstadt Tarimgrad entsandt.  Ob sie die Entführten finden können und ob sie stark genug sind, dem Schrecken aus der Tiefe, der auch menschliche Agenten hat, entgegen zu treten, werden die nächsten Spielabende zeigen!

Mein Eindruck ist der eines flüssig laufenden Systems, welches keine nennenswerten Lücken hat. Einige Werte scheinen mir manchmal zu hoch gegriffen zu sein, andere Regeln kann ich so nicht tragen und habe sie durch Hausregeln ersetzt. So ist mir z.B. der Grad der Heilung durch Wassermagie deutlich zu hoch, denn sie heilt jederzeit alle Verwundungen und ist im Gefecht einsetzbar und wirkt sofort. Ich habe die Heilwirkung heruntergesetzt. Auch erschien mir der Spürhund als zu stark, ich habe dessen Würfelpool für das Aufspüren etwas verkleinert.

Die Regelung der Bemessung der kritischen Erfolge habe ich nicht verändert, aber wenn man, wie ich, eine Spielerin  in der Runde hat, die dazu neigt, auf W10 immer hoch zu würfeln, geraten Dinge manchmal außer Kontrolle. Hier muss man als SL etwas achtsam sein und gegebenenfalls improvisieren.

Ganz grundsätzlich jedoch ist das Spiel ordentlich gestaltet und gut spielbar. Meine Anpassungen sind wohl auf der Basis persönlicher Bevorzugung erwachsen. Die Welt, und das will ich betonen, ist einfach charmant und gut gelungen. Mein Gefallen wird ohnehin bereits in den Rezensionen deutlich.

Ohne großes Federlesen möchte ich jedoch nun meine Spieler/innen zu Wort kommen lassen und mit ihnen diesen kurzen Zwischenbericht beenden.

Wenn die Runde beendet ist und die Entführten gerettet, werde ich noch einmal abschließend alles zusammenfassen.

Sebastian sagt:

Finsterland ist mein erstes Steampunk-Setting und ich muss sagen, dafür gefällt es mir recht gut.

Die Mischung aus skurriler Moderne und altbackenem Flair macht Spaß. Einen technikbegeisterten Charakter zu spielen, welcher kaum an einer interessanten Maschine vorüber gehen kann, ohne sie verstehen zu wollen, kann recht erheiternd sein. Gerade wenn man OT recht genau weiß, was man da vor sich hat. Die Steam-Variante eines Hand-Held-PCs zu erleben, war mein bisheriges Highlight.

Die Regeln und das Würfelsystem sind schnell und einfach verständlich, wenngleich auch manchmal ein wenig unklar, was die Zuordnung von Fähigkeiten angeht, aber solche Situationen sind meist fix gelöst. Was mich etwas wunderte, war der Umstand, dass es keinerlei Konstruktionsregeln für mechanische Gliedmaßen und dergleichen gab. Sind doch grade diese ein Wahrzeichen des Steampunk und gerade Ersatz-Arme und -Beine sind hinlänglich im Setting, als fast normaler Anblick auf den Straßen nach dem Krieg, beschrieben. Natürlich sollte das Ganze nicht zum Schattenlauf durch die Paläste der Reichen verkommen, aber dennoch war es seltsam, dass dies nicht berücksichtigt wurde.

Mir macht es bisher jedenfalls sehr viel Spaß und ich kann Steam-Fans das liebevoll gestaltete Setting nur ans Herz legen.

Jan sagt:

Mir gefällt die Welt von Finsterland, die Steampunk- und Fantasy-Elemente lassen einen an eine Welt denken, wie sie in Filmen wie Van Helsing oder Hansel & Gretel erscheint. Aber nur ein wenig.

Die Einfachheit der Proben – wenn man einmal die Logik dahinter verstanden hat, besticht. Schnell kann gewürfelt werden, ohne den Spielfluss zu stören. In Kämpfen kann es mitunter zu komischen Situationen kommen – aber man will ja Spaß und keine 300 Tabellen und 25 Würfel, nur um einen Schlag zu bestimmen.

Auch wenn ich anfangs über die Einteilung in Gruppierungen und Klassen nicht begeistert war, hat sich im Spiel gezeigt, dass es viel mehr hergibt, als zu beschneiden. Zwar führt es natürlich zu einer Eingrenzung und zu ähnlichen Hintergründen, nur ist es auch ein Gerüst für das Verhalten des Charakters und bildet einen Hintergrund. Da die Ausarbeitung von Charaktergeschichten nicht zwingend notwendig ist, ist es also ein klarer Vorteil das Alter Ego zu entwickeln und ihm eine Persönlichkeit zu verpassen.

Annika sagt:

Da die Welt von Finsterland für mich quasi Neuland war, musste ich mich anfangs etwas einfinden.

Die Sache mit den Machinae find ich reizvoll, stellt sie für mich quasi eine „Vorstufe“ zu den ganzen hochgecyberten Menschen aus Shadowrun und Co. dar (wenngleich es natürlich eine völlig andere Welt ist, aber so könnte ich es mir vorstellen).

Das Regelsystem ist ok, nicht sonderlich kompliziert, aber ich bin auch nicht so der Regelmensch.

Nett finde ich, dass es keine Patzer  gibt – nennt mich ruhig Weichei, aber irgendwie fühl ich mich da ganz wohl mit. Die Jungs und Mädels hinter Finsterland haben sich echt eine Menge Mühe gegeben mit der Spielwelt – das hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Die Beschreibungen sind liebevoll ausgearbeitet und bei mir kam schon vor dem Spiel das Steampunk-Feeling auf.

Spielt ihr Finsterland? Wie laufen Eure Runden?

 

2 Kommentare

  1. Hab bisher einmal eine Finsterlandrunde geleitet und muss sagen, dass die Welt bei mir (dank frühem Studium von Jules Verne und Co.) permanent Kopfkino ausgelöst hat. Ort der Handlung war Tarimgrad, die Stadt des Fortschritts, wo ich also jede Erfindung einbringen konnte, die mir in den Sinn kam.

    Hatte dann z.B. ein Zahnradwerk, dass als Entspannungs- und Meditationsfokus wirkte (wie ein Kamin im Wohnzimmer eingebaut), dystopische Schlachten von Kampfmaschinen in den Arbeitervierteln und der Plot drehte sich auch um ein Machinae-McGuffin.

    Das hat den alten Steampunk-Nerd in mir alles extrem erfreut… und der Runde hats auch gefallen.

    • Dem kann ich nur zustimmen. Ich spiele gerade eine Spionage-Kampagne in Alexanderstadt. Dampfkraft trifft auf korrupte Politik und viktorianische Etikette. Vergleiche zu Dishonored ziehe ich da gern. Für mich ist Finsterland eines der interessantesten deutschsprachigen Rollenspielprodukte zur Zeit.

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